Never fuck the company … neither with me!

Ich spürte den zielgerichteten Griff ihrer Hand an meine Hose und hörte ihr leises Lachen. Warum hatte ich nicht reagiert, als sie sich vor mir auf dem Schreibtisch sitzend geöffnet hatte.

Genervt hatte ich gesagt: »Jetzt nicht.«

Lediglich leicht verärgert hatte sie nur geantwortet: »Wie, nicht jetzt?«

Sie war von meinem Schreibtisch runtergerutscht, trat hinter mich. Ich wollte noch einen Satz in meinen Rechner tippen, als ich spürte, wie sie etwas um meinen Brustkorb legte und mich damit darauf in die Rückenlehne meines Sessels zwang. Ich schaute verwirrt an mir runter und erkannte eine Strumpfhose. Noch bevor ich etwas sagen konnte, verlor ich meine Fähigkeit zu sehen. Ein Tuch legte sie mir über meine Augen. Eine Augenbinde. Ich reagierte nicht, ließ es mit mir geschehen, wartete auf das Erschießungskommando, spürte nur, wie sie es hinter meinen Kopf so fest knotete, dass es meine Augäpfel zurück drängte. Fest und drückend, aber keineswegs einschneidend. Ich musste sehen, dass ich nichts mehr sah. Nicht einmal nach unten war eine Lücke unterm Tuch sichtbar. Meine Spannung stieg. Sollte sie machen, ich war williges Opfer.

Ihre Hände ergriffen meine Handgelenke und zogen sie hinter dem Sessel. Mein Rücken wurde verstärkt gegen die Rückenlehne gepresst, richtete sich zum Spannungsausgleich auf, um wenigstens meine Armmuskeln zu entlasten. Gleichzeitig spürte ich, wie sie mit einem weiteren Stofffetzen meine Handgelenke hinter dem Sessel fixierte.

So überraschend wie diese Aktion begann, endete sie. Gefesselt in meinem eigenen Schreibtischsessel, blind auf das wartend, was kommen sollte. Kam ein eine Füseliereinheit und würde sie mir einen letzten Wunsch gönnen? Ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf mein Gehör, wollte wissen, was als nächstes geschehen würde, lauschte auf jedes Geräusch um mich herum. Sie zog meinen Sessel ein Stück zurück und setzte sich offenbar vor mir erneut auf den Schreibtisch. Sie zog mich wieder zu sich ran und brachte ihr Gesicht neben das meine. Haare strichen mir sanft durchs Gesicht und leise flüsterte sie mir erneut mir ins Ohr: »Wie, jetzt nicht?«

In dem Moment griff ihre Hand zu meiner Hose, öffnete schnell den Gürtel auf, knöpfte meinen Schritt auf, schob meine Hose einfach nach unten und gleichzeitig mit der anderen Hand mein Hemd hoch. Zielstrebig suchte ihre Führhand das Ziel ihrer Begierde und legten mich kompromisslos frei.

»Jetzt nicht?«

Meine Erregung ließ mich verstummen. Ich fühlte mich frei gelegt, offen sichtbar erregt, verletzlich, konnte mich nicht wehren. Eine ihrer Hände ließ mich los. Irgendetwas schien sie zu suchen. Geräusche einer Handtasche, das Klacken wie beim Öffnen eines Tubenverschlusses. Auf meinem Unterkörper verspürte ich eine kalte Flüssigkeit. Wärme stieg als Abwehrreaktion in mir auf, umgab mich. Mein Fühlen registrierte jede Bewegung, meine Hitze wurde gesteigert. Ich musste unwillkürlich stöhnen. Mit beiden Hände massierte sie meinen Körper, beschäftigte meine Phantasie. Stromstöße durchschlugen mich bei Ihren intimen Berührungen, ließen meinen Körper aufrichten, ließen meine Phantasie rotieren. Mein Körper entzog sich mir komplett. Zugleich stieß es mich immer tiefer in meinen Sessel hinein, meine hinter mir fixierten Arme verkrampften in dieser Position und zogen meinen Körper verstärkt in eine unnatürlich aufrechte Position.

Mein Gehör schien zu kapitulieren, je mehr ich von ihren Berührungen eingefangen wurde, komplett gefangen wurde. Von allem um mich herum isoliert. Alle Energien liefen in meinem Körper zusammen, bündelten sich dort wie eine Lupe Sonnenlicht in einen Brennpunkt versammelt und tausendfach verstärkt. Ich fühlte mich wie ein kleiner Ballon, in dem Luft gepumpt wurde und sich nicht mehr ausreichend dehnen kann, immer mehr verstärkt ein Ausgang suchend, ein Ventil für die unerträglich gewordene Spanne. Mein Atem ging stoßweise, Raum und Zeit trafen sich im Unendlichen und zerflossen darin. Wie um diesen Moment für die Ewigkeit zu konservieren, danach schrie mein Körper mit jeder Faser, suchte wie ein ausbrechender Vulkan nach der Öffnung für seine Lava, um sich aus jenem Zustand zu befreien, Entspannung herbei zu führen.

Und wieder spürte ich ihr Gesicht neben dem meinen, leicht zärtlich reibend, Haare strichen mir durchs Gesicht. Entspannung machte sich in mir breit, meine Verkrampfung löste sich, ich atmete durch. In ihrer Stimme vernahm ich leisen Spott, als sie erneut flüsterte:

»Jetzt immer noch nicht?«

Ich verstand nicht. Doch bevor ich nachfragen konnte, spürte ich, wie sie sich auf mir setzte. Ihren Atem in meinem Gesicht, leicht, heiß und fordernd. Eine erotisierende Mischung. Gleich darauf schmeckte ich sie, ihre Lippen auf den meinen. Ein Wohlgefühl dehnte sich in mir aus. Für einen Moment gaben sie meine Lippen frei und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.

»Du findest das lustig? Jetzt?«, hauchte ihre Stimme.

Ich spürte, wie sie ihr Gewicht verlagerte. Offenbar lehnte sie sich zurück, eine Hand stützte sich auf meinen rechten Oberschenkel ab. Sie lehnte sich wieder nach vorne, der Druck ihrer Hand auf meinen Oberschenkel verschwand, dafür ergriff jene Hand nun mein Gesicht. Wieder war ihr Gesicht dem meinem nah, ihre Lippen berührten die meinen, öffneten sich und küssten mich fordernd. Ihr Körper setzte sich auf den meinen auf, presste sich an den meinen, gab den Rhythmus vor, den ihr Atem stoßweise unterstrich. Ihre Hände fuhren an meinem Gesicht entlang und schoben die Augenbinde hoch. Aber ich hielt meine Augen geschlossen. Ich wollte die abklingende Erregung auskosten und zu Ende spüren begleitet von ihrem Stöhnen und ihren Zuckungen. Dieses wohlige Gefühl, dass sich erneut in mir Raum verschaffte. Entspannung. Ein langer Kuss von ihr beendete die Situation, ihre Lippen zogen sich zurück. Ich öffnete meine Augen, blinzelte und sah ihr Gesicht entspannt über mir. Allein einen Satz mit dem Hauch des Spottes sagte sie noch:

»Also, wie jetzt? Jetzt nicht?«

Wie ein Traum, wie in einem Traum …

Ein Traum, nur ein Traum. Mehr nicht. Die Geschichte ist erstunken und erlogen. Denn in Wahrheit entwickelte sich die ganze Begebenheit auf einer anderen Weise weiter:

Offenbar lehnte sie sich zurück, eine Hand stützte sich auf meinen rechten Oberschenkel ab. Sie lehnte sich wieder nach vorne und verlagerte ihr Gewicht wieder auf mich, der Druck ihrer Hand auf meinen Oberschenkel verschwand. Zuerst spürte ich es unter mir. Es war eine Art Kribbeln. Erst leicht, dann immer stärker. Eine Ahnung stieg in von meinem Bauch aus auf und materialisierte sich als Horrorbild vor meinen verbundenen Augen:

»Vorsicht! Ich glaube der Sessel hält das nicht aus!«, stieß ich etwas atemlos hervor.

»Halt die Klappe und versuche positiv zu denken, Idiot! Genieße und stell dein Hirn ab!«, erwiderte sie stoßweise atmend.

Ihre Hand klammerte sich an mein Kinn, ihre stützende Hand grub sich in meinen Oberschenkelmuskel und mich durchströmte ein Gefühl von Lust und Schmerz zugleich.

Aber da war es wieder, dieses Kribbeln unter mir. Es setzte diesmal unvermittelt ein, wurde stärker, sehr stark und dann zerriss ein Knall die traute Zweisamkeit …


»Wie geht es Ihnen?«

»Es geht schon wieder. Lediglich mein linkes Bein scheint steif zu bleiben. Für immer.«

»Ja, sie sind auch sehr unglücklich gestürzt. Was macht der Kopf?«

»Bei Wetterumschwung schmerzt er. Meinen Sie, die meine Berufsunfähigkeitsversicherung wird zahlen?«

»Machen Sie sich keine Hoffnung. Versicherungen zahlen für so etwas nicht. Und erst recht nicht, wenn der Unfall so passierte, wie er ablief.«

Ich sah auf den Boden und verstand. Versicherungen sind immer eine hübsche Sache. Jedoch geht es ans Zahlen, dann ist der Spaß vorbei. Dann sind sie nicht mehr dein Partner sondern Verräter. Dann kennen sie dich nicht mehr als Versicherten und betrachten dich als Ausbeuter.

»Ich habe ihre Akte nochmals studiert. Ich glaube nicht, dass Sie Chancen vor dem Arbeitsgericht haben werden.«

»Aber der Sessel war doch von der Firma. Der war nicht passend für mich. Der war nur für 90-Kilo-Personen ausgelegt.«

»Am Tage ihres Unfalls – wenn ich ihn mal so nennen darf – wogen Sie 97,6 Kilo. Und der Sessel hatte eine Werkstoleranz von 10 Prozent. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben. Das heißt, obwohl 90 Kilo angegeben war, hätte er bis 99 Kilo standgehalten. Aber bekanntlich wurde er ja mit mehr als 100 Kilo belastest. Und dann nicht nur statisch, sondern zudem noch dynamisch. Wie geht’s übrigens ihrer Bekannten?«

Ich schluckte: »Ihr geht es besser. Die Narbe in ihrem Gesicht ist verheilt. Sie wissen, sie stürzte ja auf die Kiste am Boden, auf der Kiste mit Stahlproben.«

»Ja, ich weiß. Auch in dieser Causa kann ich Ihnen bei der Klage ‚Bangiczk gegen Sie‘, Herr Esser, nicht viel Hoffnung machen. Der Boden um Ihren Schreibtisch herum ist laut Betriebsordnung Ihrer ehemaligen Firma kein Lagerplatz. Insbesondere nicht für Stahlproben, die auch noch scharfe Kanten aufwiesen. Hätten Sie die Kiste ordnungsgemäß verräumt gehabt, Frau Bangiczk hätte weder die Narbe im Gesicht, noch hätte sie Kontakt mit dem Teil gehabt, dessen Spitze Frau Bangiczk ihr rechtes Augenlicht raubte.«

»Aber das war nie meine Absicht!«

»Das hilft nicht. Stellen Sie sich drauf ein, dass das Gericht Frau Bangiczk Schmerzensgeldanspruch in voller Höhe stattgeben wird. Wenn es normal verläuft. Sollten Sie Pech haben, wird die Summe vom Gericht noch nach oben hin korrigiert, weil sie grob fahrlässig gehandelt haben.«

Indigniert starrte ich weiterhin auf den Holzboden vom Büro meines Anwalts. Wenn die eigene Geliebte zu dem eigenen Feind wird, zu einer Furie und Vernichterin, einem selbst nur noch mit Hass begegnet, dann ist vielleicht der Anwalt doch der letzter aller Verbündeter, oder nicht? Dem Blick meines Anwalts konnte ich nicht Stand halten, er war zu durchdringend. Zumindest der edle Holzboden gab mir ein wenig Trost, aber nur kurz.

»Und gegen die fristlose Kündigung durch Ihren Arbeitgeber haben wir auch keine Handhabe. Sie haben grob gegen die Interessen und Loyalitätsverpflichtung Ihres Arbeitgebers verstoßen. Die Kündigung ist wasserdicht. Ebenfalls damit auch die Ablehnung der Berufsgenossenschaft auf Arbeitsunfallzahlung. Der Stuhl war ordnungsgemäß. Dass er gebrochen ist und sich das Federwerk in ihr rechtes Bein gebohrt hatte und auch das erlittene Koma mit der starken Gehirnerschütterung und der Nackenwirbelverrenkung sind Folgen Ihres spontanen Schäferstündchens. Sie können von Glück sagen, dass Sie beim Aufschlagen ihres Nackens auf der Tischkante keine weiteren Schäden erlitten haben. Sie könnten jetzt im Rollstuhl sitzen.«

»Ich weiß«, antwortete ich tonlos.

»Aber eine Hoffnung gibt es noch. Die Anzeige wegen ‚Erregung öffentlichen Ärgernisses‘ scheint mir nicht schlüssig, auch wenn Frau Bangiczk in eindeutiger Situation auf ihren Schoß saß und den Beischlaf ausübte. Bekanntlich hatte ja der Sicherheitsdienst Sie beide erst danach aufgefunden, weil der Knall des Federdämpfungselements im Sessel recht laut war. ‚Erregung öffentlichen Ärgernisses‘ ist das dann weniger.«

Der Knall war das einzige, woran ich mich noch erinnern konnte.

»Hatten Sie mit Frau Bangiczk nochmals gesprochen?«

»Sie hält mich für voll schuldig an ihrem Gesundheitszustand. Sie warf mir vor, für den Bruch des Sessels verantwortlich gewesen zu sein, weil ich an einen potentielln Bruch kurz vorher gedacht und diesen ausgesprochen hatte. Sie meinte, dadurch hätte ich jene Realität erst geschaffen, die sie dann grausam durch mich erleiden musste. Hätte ich es nicht gedacht, wäre nichts passiert. Meine Gedanken hatten die Realität erst ermöglicht gehabt.«

»Ja, ich verstehe. Sie meint es wohl so, wie wenn jemand über einen schmalen, langen Holzsteg ohne Handlauf über einen tiefen Abgrund läuft, sich auf halben Weg darüber klar wird, was er da tut. Hätte er nicht daran gedacht, wäre er der erste Mensch gewesen, der die Schlucht überwunden hätte, so aber wurde er der Hundertsiebte, der tot neben den anderen Hundertsechsen im Schlundgrund gefunden wurde.«

Ich schaute ihn leicht genervt an. Eine solche neunmalkluge Belehrung war unpassend und beleidigend. Ich hatte es nicht erwartet, nicht von ihm, nicht von demjenighen, den ich als meinen letzten Freund angesehen hatte. Insbesondere, weil ich das Geschehene nun doch ein wenig anders sah. Denn mein Bauchgefühl sagte mir, …

»Schauen Sie, Sie sollten froh sein, nicht Krüppel geworden zu sein. Einer der auf recht auf Euthanasie hofft. Dafür werden Sie lebenslang für das zerstörte Auge der Frau Bangiczk und deren Nachwirkungen zahlen, die Schmerzensgeldzahlungen werden Sie in fünf Jahren in die Privatinsolvenz treiben, Sie sind arbeitslos und gekündigt, als 50-Jähriger haben Sie zudem schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Sie können nicht mehr laufen und hinken und haben noch diverse Rechnungen dazu, aber! Aber Sie leben! Sie sitzen nicht im Rollstuhl und müssen in ein Urinal pinkeln! Ist das nichts? Denken Sie über diese frohe Botschaft nach. Das sollte Sie doch glücklich stimmen.«

Er machte eine kleine Kunstpause und fuhr dann fort: »Ich meine, als Preis für ein bisschen Bürosex, okay. Vielleicht hätte es besser laufen können, so wie bei Bill und Monica damals im Oval Office, nicht wahr. Beklagen Sie sich also mal nicht. Aber ich hoffe doch sehr, dass Sie vor Ihrer Privatinsolvenz noch meine Anwaltskosten zahlen werden. Ich habe auch nichts zu verschenken. Auch nichts an Sie, Sie versauter Sex-Maniac.«

Er lachte dreckig auf: »Sie sind ein erbärmlich elender Büroficker, ein lebender Witz, der in meinen Bar-Meetings immer für ausgelassene Heiterkeit sorgt. Never fuck the company, Sie Sexsüchtling, Sie. Wissen Sie das?«

Seine Lache wurde dreckiger. Sehr dreckig. Zu dreckig. Unerträglich dreckig. Meine Augen zogen sich zornig zusammen, bildeten einen Tunnel, an dessen Ende ich ihn sah. Vor mir. Lachend. Verletztend dreckig lachend. Das letzte hätte er nicht sagen sollen. Eigentlich hatte ich das Ganze mit Frau Bangiczk erfolgreich verdrängt gehabt. Aber diese Provokationen legten meine Erinnerungen an sie frei und riefen mir alles binnen Sekunden ins Gedächtnis zurück. Jedes Detail. Alles lief vor meinem inneren Auge ab. Der ganze geile lustvolle Sex mit Frau Bangiczk. Und dann die Erklärung vom Arzt, dass ich nie wieder Sex haben werde, dass alle Erotik für mich wie tot sein würde …

Wie konnte dieser elende Hurenbock mich nur so damit vorsätzlich quälen? Was dachte sich dieser Drecksack von Anwalt dabei? Er hatte es sich verdient, dieses Arschloch! Komplett verdient! Er wollte es nicht anders! Jawohl, er verdiente den Tod, weil er meinte, dass ich statt Freiheit und Sex lediglich Rollstuhl, Urinal und ewige Impotenz verdienen würde. Nein! Das verdiene ich nicht. Ich bin ein Mensch. Jeder andere wohl, auch der Drecksack vor mir wohl, aber ich nie! Ich bin ein Mensch! Dieser elende Wixer!

Aus der mitgebrachten Tüte zog ich meine Waffe hervor, zielte sorgfältig, zögerte nur ganz kurz, feuerte fünf Mal auf seinen Kopf. Mutter! Überall Blut. Ich schluckte und zielte sorgsam auf den meinigen.

Die Witwe des Anwalts reichte eine Privatklage gegen mich ein. Schmerzensgeld. Weil Sie ihrem toten Mann zum Abschied nicht mehr ins Gesicht blicken konnte … . Sollte sie doch ruhig. Was hab ich denn noch zu verlieren …

Wochen später wurde ein Gesetz erlassen, gemäß dem alle Anwaltsbüros am Eingang mit Metalldetektoren ausgerüstet werden müssen. Aber das interessierte mich im Knast eh nicht mehr und als Fast-Gelähmter noch weniger. …

Vollmond, rück mich ins rechte Licht! oder: Menschen, die auf Displays starren

Es ist Vollmond. Die Leute verlassen ihre Wohnung. Das Licht des Mondes durchflutet die Straßen …
… nicht wirklich, dank Elektrizität schaffen wir es inzwischen schon selber. Aber das Licht des Trabanten ist weiterhin in dunklen Ecken …

Neuer Versuch:

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Nein, das ist kein Vollmond …

Es ist Vollmond.
Heute Nacht.
Die Leute verlassen ihre Wohnung. Risikoreich.
Auf eigene Gefahr.
Monster. Denn die Straßen sind voller Monster.
Aber die Menschen jagen sie. Alle. Unerbittlich.
Bei Vollmond.
Von Grundschulalter bis ins Rentenalter. Alle sind sie dabei.
Ich habe sie alle gesehen. Heute Abend. Heute Nacht.
Monsterjagd.
Mit dem Smartphone in der Hand.
Die Displays erleuchten deren Gesichter.
Menschen, die auf Displays starren.
Bei Vollmond. Weiterlesen

An Neujahrstagen, wie diesen …

Sie kam per Twitter. Vorher hatte es unser Bereichskontaktler an der dunklen Straßenecke geflüstert:

Terrorwarnung! Hannover Teil 2!

Der Neujahrsrutsch richtig terroristisch geheimdienstbewährt glitschig. Und wir wollen ja nicht wissen, was Polizei und Geheimdienst so wissen. Es würde uns ja nur beunruhigen.

ABER: wir waren gefasst und bereit. Allzeit bereit! Nach der Terrorwarnung hatten wir uns gleich zur Bürgerwehr der besorgten Bürger (PEGIDA-München) begeben, sieben Sandsäcke vor meiner Tür aufgetürmt und uns mit Mörsern, Flak, Pershing-IIs und G37-Maschinengewehren dahinter verschanzt. Solten die terroristischen Arschlöcher doch kommen! Allzeit bereit! Weiterlesen

Die Satire-Polizei

„Sie verkennen den Ernst der Lage, mein Lieber!“
Seine Worte waren von ihm langsam und bedächtig ausgesprochen worden. Mit einer Geste winkte er seinen Begleiter heran.
„Ich bezweifle, dass die Lage überhaupt Ernst verdient hat. Sie ist eher lachhaft“, entgegnete ich und versuchte ebenfalls Ruhe in meiner Sprache zu bringen.
„Sie sollten vorsichtig mit Ihrer Einschätzung sein. Es gibt viele Leute, welche die Lage sorgt.“
Sein Begleiter stand jetzt hinter ihm. Sein Blick fixierte mich wie ein Gerichtsdiener einen Verbrecher beobachtet. Ich war mir meiner Einstellung sicher, aber der Mann und sein Begleiter waren aus einem anderen Holz geschnitzt als die, die zuvor mit mir in Kontakt getreten waren.
„Warum habe ich den Eindruck, dass Ihnen die Sorgen anderer Freude bereiten?“
„Das Wort ‚Freude‘, mein Lieber, ist deplatziert. Eine solche Lage ist nie eine ‚Freude‘.“
„Aber Sie schüren mit Begeisterung Angst.“
„Ich schüre keine Angst. Ich versuche lediglich, die Situation stabil zu halten.“
„Sie malen den Teufel an die Wand und nähren Angst, dass der Teufel mächtiger sei als alles andere.“
Sein Blick musterte mich abwägend.
„Nennen Sie es, wie Sie es wollen, aber akzeptieren Sie die Notwendigkeit des Ernstes … .“
„… der Lage, ich weiß.“
Meine Ungeduld hatte mich ihm ins Wort fallen lassen. Und ich wollte der kurz entstandenen Gesprächspause keinen weiteren Raum gewähren:
„Sie haben Angst vor dem Lachen der Menschen. …“
„Das Lachen ist ein Zeichen der Beschränktheit des Menschen …“
„Das Lachen ist ein Zeichen, dass Angst besiegt wurde, und dass Schreckensbilder keine Macht mehr über den Menschen haben. Ein lebensnotwendiges Ventil, Widersprüche wegzulachen“
„Ein Mensch, der sich von einer Angst befreit, ist ein unkontrollierbarer Mensch.“
„Ihr Leitbild ist der kontrollierte Mensch?“
„Was für das Individuum hin und wieder eine Wohltat sein kann, ist für die Massen eine Geißel, die durch so etwas in Anarchie abzugleiten droht.“
„Es ist nichts Schlechtes dabei, wenn die Ernsthaftigkeit der Gegner durch Lachen zersetzt wird.“
„Das Lachen ist ein Zeichen für einer niedrig entwickelten Gesellschaft, die es verdient, dass dessen Freiheit eingegrenzt wird. Sie muss durch einen Ernst erniedrigt und eingeschüchtert werden. Durch einen heiligen Ernst, der selbst den Tod zum erfürchtigen Ziel werden lässt.“
„Ich verstehe. Und wer sich diesem mit Lachen widersetzt, für den wird der Tod lachhaft. Der nimmt sogar dem Tod seinen Schrecken.“
„Eine lachende Armee hat noch nie einen Krieg gewonnen!“
„Eine lachende Armee ist ein Widerspruch in sich. Sie würde noch nicht mal das Töten im Krieg ernst nehmen.“
„Ein Spotten und ein Verlachen hat noch nie einen Wert geschaffen!“
„Lachen heilt Menschen.“
„Wozu soll das ein Wert sein? Der Mensch wird geboren, um zu sterben. Der Tod lässt sich nicht weglachen. Und Epidemien lassen sich nur mit nötigem Ernst aufhalten. Lachen wird es nie schaffen.“
„Lachen ist aber das kleinere Übel, ein Leben zu verbringen. Über das Übel zu lachen, macht es erträglicher, statt es nur ernst zu nehmen.“
„Ein kleineres Übel? Ihnen fehlt der notwendige Respekt vor dem, was anderen heilig ist. Das Lächerlichmachen ist keine Kunst, sondern nur zerstörend und gesellschaftzersetzend.“
„Das Lächerlichmachen, welches Sie meinen, hat auch nichts mit dem Lachen zu tun. Ihre Definition dazu soll nur Angst erzeugen. Angst vor der schneidenden Waffe des Lachens, welches die einengenden Stricke der Angst zerschneidet und den Menschen davon befreit.“
„Sie sollten sich reden hören! Einfach unsinnig. Lachen ist kein Reinigungsmittel, welches den Menschen von seinen Mängeln und Lastern und Schwächen erlöst!“
„Sie kann aber dem Menschen dabei helfen. Lachen erhebt den Menschen über seine Unperfektheit und lässt jene leichter schultern.“
„Sie haben es nicht kapiert. Der lachende Mensch fühlt sich als Herr, als Umstürzer von Herrschaftsverhältnissen, der Anarchist und Bilderstürmer, der die Ordnung stört und Gemeinschaft zerstört. Und Ihre Satire-Versuche, mein Lieber, Ihre lächerlichen Satire-Versuche sind so dermaßen schlecht, dass wir anfangs erst gar nicht in Erwägung gezogen haben, Sie Ernst zu nehmen.“
Seine Stimme war scharf und schneidend geworden. Sie erzeugte in mir eine Beklemmung, eine unbestimmte Angst. Sie verwirrte mich.
Ich atmete tief durch und bemerkte, dass er das Spiel der Angst mit mir zu spielen versuchte.
„Nein, mein Herr, das klappt nicht“, lachte ich auf, „darauf falle ich nicht rein!“
„Das ist ohne Bedeutung, mein Lieber. Ohne jegliche Bedeutung. Denn mit ihrer letzten Veröffentlichung haben Sie die Grenzen des guten Geschmacks überschritten. Den Ernst vorsätzlich ignoriert. Das Wichtige versucht, ins Lächerliche zu ziehen. Ernsthafte Menschen mit heiligen Idealen einer Gesellschaft, dem Lächerlichkeit preis zu geben.“
„Heilige Ideale einer Gesellschaft? Sie heben so etwas in die Höhe, um andere dafür leichter als Niedere abgrenzen zu können?“
„Ideale sind immer hoch. Und eine Gesellschaft sollte Angst darum haben, die Entfernung dazu zu vergrößern!“
„Das ist keine Höhe. Das ist lediglich eine Fallhöhe.“
„Nenne Sie es, wie sie es wollen. Sie haben mit Ihrer Satire an den Stützpfeilern dieser Ideale gesägt. Und das konnten wir nicht mehr ignorieren.“
Er gab seinem Begleiter mit seiner Hand ein Zeichen. Seine Begleitung öffnete seine Tasche, entnahm Handschellen und Stricke und trat einen Schritt auf mich zu.
„Ich hatte mich geirrt! Sie haben keine hohen Ideale. Sie müssen die der anderen erheblich tiefer legen, damit ihre als höhere erscheinen. Sie sind einer lachhaften Satire-Sharia-Polizei. Sie sind Befürworter des Ernstes, der Lustfreiheit, Gegner jeglicher hedonistischen Regung, Verwalter eines eigenen humorbefreiten Sumpfes! Bei Ihnen hat das ‚tieferlegen‘ System. Nur, in Ihrem Sumpf bedeutet ‚tieferlegen‘, dass Sie den anderen dabei ertränken. Ich lache über Sie.“
Mein Lachen erstickte auf halbem Wege, als der Begleiter Hand an mir anlegte. Ich spürte die Angst, konnte sie nicht mehr weglachen. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, jetzt etwas zu versuchen, was ich nie intensiv gelernt hatte: Lachen als Bekämpfungsmethode der eigenen Angst.
Der Mann beugte sich vor und schaute mir direkt in meine Augen, während sein Begleiter mich mit den Handschellen fixierte und mir mit den Stricken um meinen Körper die Luft abschnürte.
„Sehen Sie, mein Lieber, Sie haben Angst. Ihr Lachen hilft Ihnen nicht aus ihrer Situation, Ihr Lachen ist dabei zu sterben. Es ist Ihre eigene Schuld, es hätte nicht soweit kommen müssen. Sie hätten den Ernst der Lage anerkennen sollen, statt zu versuchen, sich mit einer dümmlichen Satire zu profilieren.“
Meine Lunge war von den Stricken eingepresst, das Atmen fiel mir schwer und schwerer, ich hörte ein Rauschen in meinen Ohren, mein Gegenüber wurde schwammig, ich konnte ihn nicht mehr scharf sehen, es wurde immer dunkler.
Und mit einem Mal spürte ich den Schmerz nicht mehr.
Unvermittelt ging mir ein Spruch noch durch den Kopf:

„In diesem Theater sind alle Notausgänge verrammelt und abgeschlossen. Im Notfall brauchen Sie somit keine Panik bekommen. Lohnt nicht.“

Ich musste lachen. Innerlich. Ohne Angst und Panik. Mein Kopf wurde schwer.
Alles wird gut …

Wild und gefährlich (Teil 30): Der Ausblick auf die Europameisterschaft 2012

8. Juni 2012.
Freitag.
8 1/2 Stunden nach „halb zehn in Deutschlands“. Die Frühstückchen sind verspeist, die gepflegte Bierpulle steht auf dem Nierentisch, die Nase ist schwarz-rot-gold gepudert und die Fernbedienung vor der eigenen Ehefrau in Sicherheit gebracht.
Die EM 2012 beginnt.

Und wie wird sie, die Fussball-Eurpameisterschaft?
Ich tippe mal auf eine langweilige EM. Alle spielen sie betont defensiv (4:5:1), warten auf Konter, die Reporter an den Monitoren referieren über die heimische Hooligan-Szene Polens und der Ukraine.

Und was sonst noch passieren wird?
– Beim Eröffnungsspiel Polen-Griechenland wird der Ball gestohlen. Nein, nicht von Polen, sondern von Griechen. Später finden Ermittler den Ball bei Ebay im Angebot des Accounts der griechischen Regierung.
– Ronaldo demonstriert seinen neusten eingeübten 20-Meter-Freistoss-Trick: er nimmt jetzt vom Anpfiffpunkt Anlauf.
– Spanien reagiert erst kurz nach dem Eröffnungsspiel auf deren Austragungsorte. Sie wollen lieber posen statt Danzig.
– Ribery und Robben schlagen sich im Halbfinale mal wieder (wenn nicht auf dem Platz, dann vorher oder nachher in nem Hotel oder ner Disko).
– Italiens Fußballspieler werden vor dem Spiel kontrolliert, ob auch keine EM-Wettscheine in deren Gepäck sind
– Gruppe C wird mittels Münzwurf entschieden, nachdem alle Spiele 0:0 endeten.
– Die Schiedsrichter kriegen heuer besonders gelbe und rote Karten extra auf Hochglanz poliert.
– Beckenbauer und Dieter Nuhr bilden das Duo-Infernale der Experten mit Expertenwissen aus eigener Expertenerfahrung beim Experten-Bezahlsender Sky und interviewen gemeinsam Greenkeeper aller EURO-Stadien, treffen bei deren bezahlten Interview-Rundreisen in Tschechien aber keine Euro-Greenkeeper-Experten an, worauf SKY sofort das Experten-Fußballspiel der Tiere aus Walt Disneys „Die Tollkühne Hexe in Ihrem fliegendem Bett“ zeigt, um den Experten Beckenbauer und Nuhr mehr Zeit zum Auffinden von Experten zu geben.
– Delling und Scholl kommentieren ihre Bügelwäsche
– Poschmann kommentiert die Kommentare von Delling und Scholl über deren Bügelwäsche.
– Deutschlands Zeitungen nehmen kritisch Stellung zu den Bügelwäsche-Kommentare.
– Gauck verteidigt die Freiheit der Kommentare zu Bügelwäsche und der Bügelwäsche-Kommentare samt deren Kommentatoren.
– Merkel fragt bei Gauck nach, ob sie ihn mit seiner freiheitlichen Bügelwäsche auch entlassen könnte …

Zurück zur EURO 2012.
Der deutschen Mannschaft wird bei der EM eine Kernrolle bei den interessantesten und fernsehtauglichen Spielen zukommen:
– Beim Spiel „Wohnwagen-Schlepper gegen Moffen-Sausen“: Robben wird vier Elfmeter gegen Deutschland schießen, Schweinsteiger drei gegen Holland, und das Spiel endet trotzdem 0:0.
– Loew raucht permanent vor Aufregung im Sichtschatten der Kameras heimlich hinter der Trainerbank
– Jeder Nationalspieler wird beim Reporterinterview seine Antwort mit der DFB-abgesegneten Standardeinleitung „Äh, ja sicher, aber …“ anfangen.
– Lukas Podolski wird sich aufregen, dass seine PS3 nicht im EM-Modus läuft
– Dortmunds Spieler sieht man auf der Tribüne Doppelkopf (mit einem Pilsken dazu) spielen
– Bayerns Spieler spielen Schnick-Schnack-Schnuck, wer den Elfer schießen soll, und Schweinsteiger gewinnt dauernd (… ach ja, schrieb ich oben bereits …)

Alles in Allem:
Aber eines ist schon jetzt sicher. Das Endspiel findet statt.
Auch ohne deutsche Politikerdienstreisenbesuche auf den Haupttribünen.

Nur eine gemeine Frage, warum 110 km nördlich von Kiew, in Prypjat, kaum jemand den Fernseher für die Europameister-Fussballmeisterschaft einschalten wird, diese Frage wird einstweilen niemand beantworten wollen. Schließlich sollen potentielle, reisende Schlachtenbummler ja nicht auf panische Gedanken kommen …

Die Büchse der Pandorra (Lebe wild und gefährlich Teil 29)

Zeus wies Pandora an, die Büchse den Menschen zu schenken und ihnen mitzuteilen, dass sie sie unter keinen Umständen öffnen dürften (Prometheus warnte seinen Bruder zudem davor, Geschenke von Zeus anzunehmen) doch – von Neugier übermannt – ließen die Menschen die Büchse trotzdem öffnen. Daraufhin entwichen aus ihr alle Laster und Untugenden. Als einzig Positives entwich auch die Hoffnung.

Text entnommen aus „Wikipedia – Büchse der Pandorra

Und wer es live sehen möchte, was als Screenshot unter diesem Text dargestellt ist, der klicke das Bild an:
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Einmal Sansibar hin und zurück – und dann Belgrano ade

Untergang der Belgrano im Falkland-Krieg am 2. Mai 1982
Wir sind ein streitbares Volk.
Schon als Germanen haben wir am Rande des Teutoburger Waldes hin und wieder unsere flüchtenden Möchtegern-Eroberer niedergemetzelt, bis dass die Römer nicht mehr Piep sagen konnten. Regelrecht mundtot haben wir sie gemacht.

Wir?

Jawohl wir! Es war ein Stellvertreterkrieg der unwissenden Vorfahren für deren Nachfahren. Und deswegen haben wir dem Hermann als Stellvertreter von uns eine Statue aufgebaut.

Drohend winkt sie gen Frankreich, wo Deutschland im 19. Jahrhundert die anderen Unboten Europas sahen. Aus sicherer Entfernung sollte die blanke Klinge das französische Volk zur Mahnung und Warnung dienen. Aber die hatte es aus der sicheren Entfernung nicht gesehen und so kamen sie dann noch ein paarmal bei den Deutschen vorbei, um diesen Baguettes, Rotwein und französische Rechtskultur beizubringen.

Eigentlich hieß der kupferne Germane auf seinem Sockel im Teutoburger Wald ja Arminius. Und als eben solcher hatte er den Varus und seine Römern einfach mal verraten. Aber das darf man freilich nicht als Verrat sehen, denn als Freiheitskämpfer ist man nie Verräter sondern Patriot.
Und im Grunde hieß der doch auch Hermann. „Hermann, the german“ wie die Engländer so treffend reimen.

Obwohl, Hermann war ja Cherusker. Und die Cherusker lebten bekanntlich in Ostwestfalen. Ostwestfalen. Da wo die Uhren einen Tick langsamer laufen als die von dem Rest der Welt. Viele Menschen denken bei Ostwestfalen eher an Bielefeld und seinen Merkspruch „Sehen wir uns nicht in dieser Welt, dann sehen wir úns in Bielefeld“. Oder auch an Paderborn mit seinem Drei-Hasen-Fenster. Aber an aufmüpfige Germanen oder Cherusker?
Ja, hallo erstmal! Ich weiß gar nicht, ob Sie’s wussten: aber fragt man nach dem berühmtesten Ostwestfalen, da kommt kommt als Antwort „Rüdiger Hoffmann“. Oder der Antje Vollmer. Oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Oder „Gerry Weber“.
Okay, Wiglaf Droste und ein Heinz Rudolf Kunze könnten das wieder aufwiegen. Aber wenn man erstmal verinnerlicht hat, dass der ZDF-Prediger und Dauergrinser Peter Hahne und auch Schlagerfuzzi Peter Orloff auch Ostwestfalen sind …
Ich schieb dann mal schnell Jürgen von der Lippe und Iris Berben nach, um das vorher Gesagte ein wenig vergessen zu machen …

Aber wem haben wir das nun alles zu verdanken? Dass Ostwestfalen so eine historische Bedeutung erlangte?
Genau. Dem Varus, dem willig billigen Opfer.
Einer gegen alle. Er gegen die Germanen. Und Hermann gegen die Römer.
Klar, eigentlich ist schon die Frage nach der Dankbarkeit falsch gestellt. Die Frage müsste lauten, wer der berühmteste Freiheitskämpfer Deutschlands ist.
Wie der Germane hieß und wie er kämpfte, da gibt das Scheffel-Lied Auskunft:

„Mit Gott für Fürst und Vaterland
Stürzen sie sich wutentbrannt
Auf die Legionen.“

Man merke, der Hermann war schon gottesfürchtig, bevor der erste christliche Missionar Germanien bekehren konnte. Knapp 24 Jahre bevor Jesus ans Kreuz genagelt wurde und Petrus meinte „Nö, den kenn ich nicht.“

Varus ist es dabei nicht so gut ergangen wie dem Jesus. Der Germane hatte schon ein wenig mehr Brutalität im Blute als jene Römer dem Jesus gegenüber.

„Diesem ist es schlimm ergangen,
Eh daß man ihn aufgehangen,
Stach man ihm durch Zung und Herz,
Nagelte ihn hinterwärts
Auf sein corpus iuris.“

In der Schule habe ich dann immer im Chor das

Schnäde räng täng, Schnäde räng täng
Schnäde räng täng, de räng täng täng

schmettern dürfen. Schön war’s, so unter geistigen Pickelhauben singen zu dürfen.

Hermann ist freilich eindeutig Westfale.
Und so feierte er auch genau so, wie es heutzutage die Westfalen auf deren eigenen Dorfkirmessen veranstalten. Dort pilgern die wackeren Recken in der Tradition von Hermann, dem Cherusker, von Bierstand zu Bierstand, von Kneipentür zu Kneipentür und meinen das sei die einzig wahre Kneipkur. Und die Frauen dieser Helden nippen großzügig stolz an deren Willybecher, dem einzig wahren, deutschen Standardglas, und benehmen sich dem Scheffel-Lied entsprechend tusneldenhaft. Thusnelda war übrigens ein holdes Blondchen, aber gesoffen haben Tusnelda und Hermann wohl so, wie es heute den deutschen Bübchen und Mädchen beim Komasaufen ein Vorbild ist.

„Wild gab´s und westfäl´schen Schinken
Bier, soviel sie wollten trinken
Auch im Zechen blieb er Held
Doch auch seine Frau Thusneld
soff walküremäßig“

Das Komasaufen der beiden war sicherlich ein großer Schritt für deren eigene Leber, aber nur ein kleiner Schritt für das deutsche Volk an sich.
Denn Hermann war nur ein Stammesfürst. Sein Sieg verhinderte, dass die römischen Besatzer aus Germanien ein geeintes Volk erschufen. So lebten die Deutschen später fleißig untertänigst mit ihren Fürsten und Kurfürsten und deren Marionetten-Kaiser und -Könige, wobei die ersteren verhinderten, dass irgendwer der zweiteren Garde zuviel Macht erhalten konnte. Jeder der fürstlichen Herrschaften und Hochwohlgeborenen hatte ein wenig Macht, aber keiner dieser Machtgesellen zuviel davon im eigenen Portfolio. Ein Gleichgewicht des Schreckens im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“.
Im Überglanze jener prädeutschen Geschichte ist es ja inzwischen fast schon als Gerücht anzusehen, dass es 1989 eine Wiedervereinigung gegeben haben sollte.

Aber keine Sorge. Es hat sie gegeben, die Wiedervereinigung. Inklusive seinen begeisterten Menschen und den Kohl’schen Gärtnern der blühenden Landschaften. Und nicht zu vergessen, jene kritischen Geister, die die Wiedervereinigung rief und danach nicht los wurde. Jene die zwei Jahre später meinten „Wir sind vielleicht ein Volk“.

Doch zurück zur geschichtsbildenen Varus-Schlacht. Für Hermann war ja das Leben danach nicht einfach vorbei, als er Germaniens Besatzer auf deren Flucht permanent bis zur Unkenntlichkeit vereinzelnd gemetzelt hatte. Beim niedersächsischen Kalkriese soll bei Hermanns Haarespalten auf römischen Häuptern ordentlich Kalk gerieselt sein.
Die Geschichte meint, uns zu überliefern, dass Hermann später hinterrücks gemeuchelt wurde. Nein, nicht von seiner Ehefrau Tusnelda, sondern von seiner Verwandschaft, so wollen uns selbsternannte Geschichtsschreiber weiß machen.

Unser Hermann? Der heroische Befreier von der Knechtschaft Roms? Das offensichtliche Vorbild von Uderzos und Goscinnys Endszenen aus „Asterix und Obelix“? Das darf glauben, wer simpel gestrickt ist.
Denn in unseren Tagen weiß doch jeder, wo der Hermann mit seiner Tusnelda endete. Und zwar hier und hier.

Falls das nicht unser deutscher Hermann gewesen sein wollte, der von seiner Frau so genervt den Schlusssatz röchelte „Ich bringe sie um … morgen bringe ich sie um!“, dann weiß ich nicht, wieso ich schon damals vor Lachen unter deutschen Biedermeier-Nierentischen lag.

Jawohl! Hermann stieg auf zum gefürchteten Römer-Schlächter und endete bei Loriot als rentnender Bettvorleger seiner Frau. Wer noch nie im Kindheitsalter bei Detmold unterm Hermannsdenkmal rauf zur Schwertspritze schaute und darüber grübelte, warum Asterix dort ohne seinen Obelix rumsteht, der weiß auch nicht, dass in der Gegend drumherum die Externsteine stehen und viel interessanter sind. Da sprüht die Magie. Das ist Mystik. Das ist die dunkle Seite Germaniens. Da hat man aus Kröten mit einem Hauch Haselnussbraunfäule in Maiglöckchen-Sud gekocht, das brodelnde Gemisch den Feinden ins Gesicht geschleudert und sich nachher über deren Brandblasen ergötzt.

Ich habe noch vom 100-jährigen Jubiläum des Hermannsdenkmals ein kleines Taschenmesser. Dessen Klinge ist nicht so groß und prächtig wie die vom Hermann, eher klein und verrostet. Meine Eltern hatten es mir als Andenken gekauft und meine kleines Taschenmesser hatte mit der großen Statuenklinge eines gemeinsam: Es klebte nie Blut dran. Darum tauge ich auch nicht als Befreier der Cherusker oder Germaniens oder wenigstens Ostwestfalens. Und muss auch nicht fürchten, von der eigenen Verwandschaft gemeuchelt zu werden.Vormals Held, danach mit Neid überschüttet. Wie Hänsel und Gretel: Gehasst, geschasst und ausgesetzt.

Als streitbares Volk dürfen wir das. Ehrenmorde sind zwar verpönt (und werden zu Recht gerichtlich verfolgt), aber ein wenig Grube graben für sein Mörderherz, dagegen hat niemand was. Insbesonders nicht aus der Verwandschaft, denn das sind Familienangelegenheiten. Der angekündigte familiäre Mord ist ja immer noch ehrenhafter als der hinterrücks gestoßene Dolch aus dem Gewande der Aussenstehenden.

100 Kilometer südlich von Kalkriese im Städtchen Ahlen bewegte sich ein anderer König im letzten Jahrhundert in den Süden Deutschland und versuchte von dort aus den südlichen Überraschungsangriff auf Niedersachsens Stolz. Ein King dem Teilnamen nach. Sein Angriff misslang und der zuvor als Cherusker gefeierte forsche Porsche-Wiedeking harrt nun den meuchelnden Dolche seiner industriellen Familie.

Wiedekings Traum war der des Cheruskers: Täuschen, Tricksen, Anschleichen und dann scheibchenweises Übernehmen. Jetzt wird Wiedeking selber zerlegt. Genüßlich und mit maliziösem Lächeln seitens seiner buckligen Piech- und Porsche-Verwandschaft.
Terätätätäterä und simserim simsim simsim.
Wie hatte schon James Thurber am Ende einer seiner Gedichte gereimt gehabt:

Ashes to ashes
clay to clay
if the enemy don’t get you
your own folks may

Schnäde räng täng, Schnäde räng täng
Schnäde räng täng, de räng täng täng

Ünbrigens, Sansibar ist für Deutsche nicht das Land, wo der Pfeffer wächst. Der wächst zwar auch dort auf jener ostafrikanischen Insel. Jedoch steht „Sansibar“ im Deutschen für die Utopie nach einer besseren Zukunft (s.a. „Sansibar oder der letzte Grund“ von Alfred Andersch).

Sansibars bekanntester „Sohn“ wurde dort mit dem Namen „Farrokh Bulsara“ geboren. Im November 1991 starb er in Kensington, London, an den Folgen seiner HIV-Erkrankung. Farrokh Bulsara ist uns besser als homosexueller Sänger der Gruppe QUEEN unter dem Künstlername „Freddie Mercury“ bekannt.

Und dann noch ganz nebenbei erwähnt:
Die Regierung von Sansibar erließ 2004 ein Gesetz, welches künftig homosexuelle Akte unter Strafe stellt.

Albtraum eines Eierschleppers (Lebe wild und gefährlich Teil 27)

Fastenzeit.
Da dürfen die süßen Hasen noch durchatmen.
Fern ab von patschigen Kinderhänden und Kinderzähnen, die ihnen drohen den Kopf abzubeißen.
Welch geruhsame Zeit …
Doch da ist etwas, was beunruhigt, was den Hasen den Schweiß raus treibt, ihn die inner Hitzewallung bringt. …
Ein Albtraum …

Aber keine Sorge:
Alles wird gut …

Albtraum eines Eierschleppers
Regie: Careca
Hauptdarsteller: Ein 99-Cent-Häschen
Nebendarsteller: Elmo und Grobi aus der Sesamstraße, ein Reissdorf-Kölsch-Kronkorken und ein Schlüsselanhänger

Filmed in Hi8-Colour
Edited by MashCast, JPGVideo, Virtual-Dub und Windows-Movie-Maker

Hinweis:
Für dieses Machwerk wurden nur ein unschuldiges, braunes Schoki-Häschen mit einem 300-Watt-Fön bis zur gnadenlosen Schmelze gequält. Der Regisseur empfindet keinerlei Gewissensbisse oder sonstige Lustfaktoren. Die patschigen Häschenreste wurden ebenso gewissensfrei in den normalen Hausmüll entsorgt …