Die Rückkehr des Gordon Shumways

Überfallen von zwei Krankheiten zugleich zu werden, macht eine Lebenssituation recht unangenehm. Einmal ist da ein Virus, der die eigene Aufmerksamkeitsspanne auf die Länge von TicToc-Videos antiproportional zur Körpertemperatur reduziert. Und dann zusätzlich eine Gefäßerweiterung der hintersten Art, welche einen Facharzt erfordert.

Der Virus nervt und die Gefäßerweiterung schmerzt. Gegen ersteres erfordert es eine Reaktion vom Körper, beim zweiteren einen operativen Eingriff, also ein Facharzt oder eine Fachärztin. Termine zu bekommen, das ist nun wahrlich keine Schwierigkeit. Im Oktober oder September, da hat wohl die Münchner Proktologie noch genügend Termine frei.

Wahrscheinlich, weil sich dann jeder Patient auf dem Oktoberfest die Hucke voll laufen lässt. Das ist wie ein Urlaub-Ansinnen. Jeder hält sich diesen Zeitraum frei.

„Termin für ’ne Wurzelbehandlung? Aber erst bitte nach dem Hofbräuhaus-Zeltbesuch. Vorher geht es nicht. Sonst schmeckt das Bier nach Betäubungsmittel oder so.“
Geht es jedoch um Termine, die dem augenblicklich mondänen Zeitgeist-Gummiwort „zeitnah“ folgen, dann wird es richtig schwierig.

„Wie bitte? Sie glauben, sie haben seit gestern einen Bänder- oder Kreuzbandriss? Na, Termin erst in drei Monaten. Wie? Sie sind nicht gesetzlich versichert? Als Privatpatient kann ich Ihnen dann noch einen Termin in anderthalb Monaten anbieten. Ach, Sie zahlen direkt? Cash? Dann kommen Sie doch in der nächsten Woche am Montag vorbei. Ist 11:30 genehm? Gerne doch. Und den Gratis-Service-Kaffee mit Milch, Zucker und Gebäck? Ist gebucht.“

Keine Erzählung aus einem Fiebertraum, sondern die aktuelle Ist-Situation. Es zeigt, dass das Schlagwort der „Zwei-Klassen-Medizin“ nur ein Kampfbegriff jener ist, die nicht kapiert haben, wie ein „Mehr-Klassen-Medizin“ implementiert wurde.

Da der damalige Cash-Zahler auch meinen Job zahlt, werde ich nicht großartig lästern. Wer hat, der hat. Wer ko, der ko.

Um diese „Mehr-Klassen-Medizin“ zu implementieren, da hatten die Unions- und FDP-geführten Bundesregierungen seit 2007 ausgiebig Zeit, den absolut „marktgerechten“ Patienten zu designen.

Und heute? Einfach mal den 1852 geschriebenen Roman „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ von Willibald Alexis lesen. Die 1.300 Seiten sollten bis zum ersten Termin zu schaffen sein. Oder:

Wenn für ein akutes Problem ein Facharzt erforderlich ist, hilft als Erstes immer das gute alte Beißholz. Aber nicht gleich im eigenen Anspruchsdenken verhaftet leben wollen, gell. Das Beißholz wird von den Krankenkassen nicht bezahlt. Jeder kennt das Beißholz, aber nicht mal bei den Gebrüdern Grimm oder im Duden oder bei Wikipedia findet sich das Wort verzeichnet. Drum nur keine Bequemlichkeit aufkommen lassen. Eigenverantwortung ist hier das richtige Stichwort.

So schlich ich gebeutelt von Virus und Hämorrhoiden hin zu einer Parkbank in der hintersten Ecke des Parks, um friedlich unter Schmerzen klaglos zu sterben. Ich wollte niemanden mehr zur Last fallen, weder dem Gesundheitssystem noch später gar dem Rentensystem. Und wenn man denn so gestorben ist, und dann vor sich hin gammelt, ist man sogar Thema der Nahrungskette anderer Tiere. Das verringert bei der Kommune wieder einen Batzen Geld für „Zusatzfütterungmittel“ hier im Park.

Ich ließ mich auf der äußersten Ecke der Bank nieder, atmete tief durch und beschloss, dass mein Leben zu Ende wäre und meine Organe ihre Dienste versagen sollten.

„Ha, ha, ha … Sie sehen ja gar nicht gut aus. Wie ein Schluck Brackwasser in der Kalahariwüste, ha, ha, ha.“

Meine Kontaktlinsen hatte ich nicht eingesetzt und das zusätzliche Fieber vom Virus ließ ihn mir noch undeutlicher und verschwommener erscheinen. Leicht orange von der Hautfarbe erschien er mir. Eine gewellte Haarsträhne, ebenfalls leicht orange, schien auf seiner Stirn sich wohl zu fühlen. Er trug wohl Anzug mit unförmigen Schuhen und seltsam klobigen Handschuhen.

„Kenne ich Sie? Sie kommen mir bekannt vor.“

„Ist Ihnen auch kalt? Du kannst mich übrigens Duzen. Wir sind Boomer-Kollegen.“

„Okay, Boomer, mach ich.“

„Du hast kalt?“

„Nicht wirklich.“

„Mein Arzt sagt mir, dass ich die beste Gesundheit von allen hätte. Ich sei sogar noch gesünder als die Gesunden an sich. Ha, ha, ha, ha.“

„Ich nicht. Ich bin viruserkrankt.“

„Null problemo. Ich setze mich trotzdem neben dich. Vor einiger Zeit soll das noch in Bayern verboten gewesen sein. Pro Hintern gab es immer nur eine Drei-Meter-Parkbank. Ha, ha, ha, ha.“

„Das war in der Pandemie.“

„Jetzt haben sich Parkbänke in Bayern wieder zu polizeilichen Beobachtungsobjekte gemausert. Wegen Cannabis. Siehst du dort in der Ferne die drei-Meter-Hecke?“

„Ja.“

„Dahinter liegt ne Kita. 99,1 Meter entfernt, wenn Du hier sitzen würdest, wo ich jetzt sitze. Die Parkbank wurde am ersten April extra um zehn Meter zur Hecke hin versetzt. Vom Leiter der Kita.“

„Hatte der einen Versetzungsantrag gestellt?“

„Ist ne Stiftungsbank vom Vater des Kita-Leiters. Und bei seinem Vater ist Cannabis unerwünscht. Unter Strauß hätte es das nicht gegeben.“

„Hauptsache das Bier bleibt rein und es kommt nichts in die bayrische Wurst hinein. Sind das da hinten Polizist-Innen, die dort ihre Leberkässemmeln verschlingen?“

„Hey, das ist illegal!“

„Leberkässemmeln?“

„Nein! Dein Gendern.“

„Ich gehöre nicht zum bayrischen Verwaltungsapparat.“

„Null problemo. Bayern ist der einzige Bundesstaat, welcher in die deutsche Rechtschreibung per Gesetz vorgibt, dass auf Rechtschreibfehlern, also jegliche Art des Genderns, eine Bestrafung zu erfolgen hat. Also nicht nur schlechte Schulnoten für Kinder, sondern auch gleich Strafen für Erwachsene bei Rechtschreibfehlern.“

„Wie hoch ist die Strafe fürs Gendern? Drei Ablasswallfahrten nach Andechs? Oder Beugehaft, bis eine eidesstattlich unterschriebene Erklärung vorliegt, damit nachher eine wesentlich höhere Strafe möglich wird?“

„Ha, ha, ha, ha. Ich bevorzuge da lieber ne Wallfahrt nach Andechs. Das Bier dort soll gut knallen. Das ist mir als Strafe es wert, wenn der mobile Justizvollzugsbeamte mir die ersten der drei Maß vorsetzt. Null problemo.“

„Schöner Traum, aber so hat es unser Verbote-Söder nicht vorgesehen.“

„Hey, euer Landes-Papi reist völlig losgelöst nach China, um der Reise von Scholz zuvor zukommen. Er kuschelt mit Pandas, öffnet Glückskekse und überlässt Menschenrechten anderen.“

„Lass ihn doch. Er benötigte noch Miles&More für seinen Senator-Status.“

„Null problemo. Und dann fliegt er nach Belgrad in Serbien als selbsternannter Anwalt für Süd- und Südosteuropa. Mit dem Putin-Verehrer, dem serbischen Präsidenten, lächelt er alle Kameras nieder.“

„Weil gegen dessen Freundschaft mit Putin und seiner Verherrlichung, da sollen sich doch andere drum kümmern. Wichtig ist nur die bayrisch-serbische Freundschaft.“

„Ihr habt ja in der Pandemie gelernt, wer in Bayern hier das Sagen hat. Und das wieder mehr Recht und Ordnung braucht, in diesem Lande. Und der Aiwanger weiß eh bereits, wo es bei Söder lang geht.“

„Das ist mir inzwischen relativ egal.“

„Ha, ha, ha, ha. Großartig!“

„Könntest du mich jetzt bitte allein lassen? Geh lieber was arbeiten.“

„Ich und arbeiten? Arbeiten ist was für Ackergäule, aber nicht die Aufgabe eines Topmanagers.“

„Du bist Topmanager?“

„Mein Angestellter bezeichnet mich als großartigen Topmanager. Also noch großartiger als die, die er kennt.“

„Du hast Angestellte?“

„Mich. Es ist so schwierig, Fachpersonal zu finden. Und warum in der Ferne schweifen, wenn das großartige so nah.“

„Geh bitte. Lass mich sterben.“

„Null problemo. War nett, mit dir geplaudert zu haben. Ich schicke dir nen Gruß von meinem Planeten, wenn ich wieder zu Hause bin.“

„Ja, du mich auch.“

„Können wir Ihnen helfen? Wir beobachten Sie schon seit zehn Minuten hier auf dieser Parkbank. Das ist auffällig. Ihnen ist schon klar, dass die Parkbank im Einzugsbereich der Kita liegt?“

Ich blickte auf. Blau-blau München, zu zweit. Doppelt blau. Er sah mich leicht vorgebeugt an und sog hörbar die Luft durch seine Nase ein. Sie stand leicht schräg im Hintergrund, die Hand an der gesicherten Waffe.

„Gehen Sie weiter, hier gibt’s nichts zu sehen. Lassen Sie mich einfach sterben.“

„Eins zwölf, eins zwölf, kommen, bitte. Eins zwölf, ich benötige sofort ein Krisen-Interventions-Team, hier im Park, 91 Meter von der Franz-Josef-Strauß-Kita entfernt. Ja. Einzelperson, ansprechbar, kein Haschkonsum feststellbar, aber suizidgefährdet.“

Es war das Letzte, was ich mitbekam. Der Virus schickte mich gen Ohnmacht.

Inzwischen sitze ich wieder zu Hause am Rechner. Die Proktologin bestätigte mir über ihren elektronischen Assistenten vorhin meinen Termin für den 6. Juli. Weiterbehandlung erst im August möglich.

Ich blicke aus dem Fenster in die dunkle Nacht. Es blitzt etwas am Himmel auf. Einmal nur. Dann nie wieder.

Wahrscheinlich wieder nur ne Haluzi.

Fiebertraum.

Leben an der Leitplanke

„Ich hab deinen Tweet auf X letztens gelesen. Mein Beileid.“

„Beileid?“

„Du hattest zu dem Foto eures Hundes ‚Lebwohl‘ geschrieben. Woran ist er gestorben?“

„Gestorben? Der ist nicht gestorben.“

„Nicht? Aber du hattest leb… „

„Quatsch. Wenn jemand stirbt, sagt man doch nicht Lebwohl. Wir hatten ihn an der Raststätte ‚4 Lilien‘ an der A13,5 an der Leitplanke festgebunden.“

„Was? Ausgesetzt?“

„Iwo. Ausgesetzt hieße, wir hätten ihn allein gelassen.  Haben wir aber nicht, weil uns liegt auch das Tierwohl sehr am Herzen.“

„Tierwohl?“

„Unser Opa saß letztens immer so alleine in der Seniorenresidenz. Seine uralten Bekannten waren ihm alle weg gestorben. Und bevor der in seiner Residenz unser Erspartes wegatmet, hatten wir gedacht, unser Harras sollte nicht allein bei den ‚4 Lilien‘ auf seinen neuen Besitzer warten, sondern sollte auch einen Begleiter haben, damit Harras nicht so alleine dort wartet.“

„Ihr habt euren Opa ausgesetzt? Seid ihr nicht ganz knusper?“

„Wieso? Harras passt doch auf ihn auf.“

„Auf ihn auf?“

„Na, wenn er die gemeinsame Leine aufknüpfen sollte. Man weiß ja nie, was so ein seniler, alter grauhaariger Herr anstellen kann. Nachher rennt der über die Autobahn und verursacht nen Unfall. So etwas zahlt doch keine Versicherung. Dafür haben wir kein Geld und unser Erspartes brauchen wir für was anderes, sinnvolleres, nicht wahr.“

„Also habt ihr euer First-Class-Sabatical noch immer in Planung?“

„Freilich. Dafür müssen wir sparen. Der Hund hat uns die Haare vom Kopf weg gefressen  Den konnten wir uns bei alter Liebe nicht mehr leisten. Und warum das Gute nicht mit dem Nützlichen verbinden? Schließlich mag Opa Hunde.“

„Und der Hund mag Opa?“

„Aber klar. Opa war immer ein Alpha-Tier, da wird sich Harras fügen. Schließlich ziehen die jetzt gemeinsam an derselben Leine.“

Kneipengespräch: Wat man nicht selber weiß, dat muss man …

»So! Jetzt lang’s mir echt! Diese linksgrünversifften bayrischen Politiker!«

»Was issn wieder los?«

»Jetzt wollen die mir verbieten, dass ich mich vegan oder gar vegetarisch ernähre. Die Wurst habe quasi Verfassungsrang in Bayern, erklärte letztens der Söder.«

»Und?«

»Muss ich, um den bayrischen Staatshinzugehörigkeitsausweis zu erhalten, etwa Weißwurst zutzeln?«

»Hey, der Söder, der redet immer viel, wenn ihm auf Messen der Tag lang wird.«

»Und was kommt als Nächstes? Dass ich auf mein freitägliches Veggie-Sushi nicht mehr mit Kartoffelstampf essen darf? Was will der Söder uns noch alles verbieten? Etwa, dass keine Gummibärchen in Nutella getaucht werden dürfen, weil es nicht ‚der Nutella‘ heißt, sondern ‚die Nutella‘ und somit in Verdacht von ‚Gender-Mainstream‘ steht!?«

»Nur mal am Rande angemerkt: Söder ist nicht linksgrünversifft. Der ist ein CSU’ler.«

»Ja klar! CSU. Christlich sozial. Soziale Christen. Pah, diese Gutmenschen! Wie die mich immer aufregen, diese Linksgrünversifften mit deren Schafspelz-Überwurf für Arme! Machen einen auf rechts, aber in der Kirche ‚la paloma’ pfeifen wollen.«

»Das heißt ‚keine Haare am Sack‘, und nicht ‚auf rechts machen‘.«

»Besserwisser. Aber bei ‚Rotkäppchen‘-Aufführungen, da will die CSU immer den Wolf spielen. Um deren Gutmenschentum zu verbergen. Ich hab die Faxen so dicke! Anzeige und Verfassungsbeschwerde gegen Söder sind raus! Und gegen all jene Gutmenschen, die unsere Tofuwürstchen im Supermarkt verbieten wollen.«

»Gewissensfrage: Sind Tofuwürstchen mit Weißwurstsenf erlaubt? Und falls ja, muss man nicht damit rechnen, dass Söder darauf besteht, seinen eigenen Senf dazu geben zu wollen?«

»Witzig. Nicht. Solltest im Zirkus als Clown auftreten! Dir ist schon klar, dass Söder und seine CSU mit ‚Liberalitas Bavariae’ soviel am Hut haben, wie Elon Musk mit Pan Tau.«

»‚PanTau’?«

»Der aus dem Fernsehen. Der Herr mit der Melone, der nie ein Wort sagt und über die Probleme der Welt nur lächelt, bevor er sich über die Melonenkrampe streicht, um sie zu lösen.«

»Um die Krampe zu lösen?«

»Die Probleme! Pan Tau ist so einer von den Problem-Ausweichlern. Einer, der die Meinung hat, man müsse einer Kiste, die von einem vorausfahrenden LKW fällt, schlicht ausweichen.«

»Ja, warum denn nicht?«

»Verstehst du es nicht? Als mündiger Bürger lässt man sich nicht von Linksgrünversifften bevormunden und einen eingeengten Disskussionskorridor reindrängeln. Bevormundung geht gar nicht! Und daher biegt man nicht aus Bequemlichkeit einfach ab!«

»Sondern?«

»Einfach so bleiben, wie man war: Geradeaus.«

»Jraaduss.«

»Eben.«

»Nur, trotzdem dann einfach beharrlich auf die Kiste zuzuhalten? Ist das nicht totaler Mainstream?«

»Wie?«

»Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom, bleiben in der Spur. Warum nicht einfach links in die Gegenfahrbahn ausweichen?«

»Links geht gar nicht. Dann lieber eine Alternative für diese wählen. Rechts. Man kann auch den Dritten Weg wählen. Rechts.«

»Stimmt. Da war doch was mit nem Fliegenschiss …«

»Unter Adolf war ja nicht alles schlecht. Zum Beispiel die Autobahnen, da gibt es immer ne Spur in Fahrtrichtung zum Ausweichen. Und man blieb, wie man war: Geradeaus. Da wurde auch nicht gegendert. Oder ein Land mit Demos gegen Rechts gespalten, nur um berechtigte Anliegen der Bauern zu übertünchen. Da herrschte noch der rechte Weg. Und als unbescholtene Frau konnte man damals in der Nacht noch unbehelligt und ungegendert nach Hause gehen.«

»Stimmt, das klappte, wenn man nicht zu den Juden, Andersdenkenden und anderen Einheimischen gehörte, die zu Millionen in die KZs remigriert wurde. War dann auch keiner mehr des Nachts auf den Straßen anzutreffen … nicht mal mehr, Adolf, den Veganer, der im Bunker seine Führer-Dasein auslebte. Als Alternaiver für Deutschland.«

»Mann, mann, mann, du bist echt falsch abgebogen. Total falsch abgebogen. Unnützer Idiot!«

»Immer noch besser unnützer Idiot als nützlicher Idiot, nicht wahr. Nützliche Idioten werden ja noch gebraucht, um den angeblichen ‘Helden’ nachher die Füße zu lecken, so wie du es bereits tust. Prost und Tschüss.«

»Arschloch!«

Treffen der Generationen (3)

“Treffen der Generationen”?

Hieß nicht so ein Star-Treck-Film? Ein “Raumschiff Enterprise”-Film, in dem sich Captain James T. Kirk und Captain Jean-Luc Picard begegneten?

“All I have learned in life I have learned from Star-Treck.”

Es begab sich zu einer Zeit, als ein Showmaster zum letzten Mal auf die Bühne seiner Show begab und seinen endgültigen Abschied verkündete:

„Der zweite Grund ist der, und das muss ich wirklich sagen, immer im Fernsehen das gesagt habe, was ich  zu Hause auch gesagt habe. Inzwischen rede ich zu Hause anders wie im Fernsehen. Und das ist auch keine dolle Entwicklung. Und bevor hier irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter hin und her rennt und sagt ‚Du hast wieder einen Shitstorm hergelabert‘, dann, dann sage ich lieber gar nichts mehr. Insofern danke, dass ihr mir solange zugehört habt.“

Ist es so, dass er seiner Meinung beraubt wurde, der Herr Gottschalk, so wie er es zum Abschied verkündete, so dass er nur noch daheim seine Meinung äußern darf, aber öffentlich nicht?

CANEL CULTURE?

WOKENESS?

Wer erinnert sich an die mediale Entwicklung des Thomas Gottschalks? Wer hatte sie mit erlebt?

Es begann mit dem Radiosender “Bayern 3”, wo er seine eigene Sendung in den 1980ern erhielt (welche er danach in legendärer Weise per Doppelmoderation an Günther Jauch übergab, der ebenfalls seinen Start in “Bayern 3” hatte). Gottschalks Credo war damals, dass verschiedene Musikstile nicht vermischt werden sollten, um dem Zuhörer nicht abspenstig zu machen. Das lief der damaligen Denke komplett konträr. Denn Nicki mit “I bin a bayrisches Cowgirl” zu spielen und danach etwas von Deep Purple (“Smoke on the Water”) entsprach nicht nur in Bayern der Idee verschiedene Musik-Stile in einer Sendung zu kombinieren.

Bereits Anfang der 1980er erschufen Radiosender wie “SWR 3” und “WDR 2” einstündigen Spartensendungen, wo es nicht zu einer folkloristischen und rockigen Musik-Vermischung kam. Wer erinnert sich noch an den Radiomoderator Mel Sandock vom WDR 2? Oder an Alan Banks der die legendäre Serie “Rockpalast” erschuf?

Der Radiosender “Bayern 3” war weit dahinter her und Gottschalk war der Fels an der die althergebrachte Mischung “Schlager-Folk-aktuelle Musik” zerbarst. Er wurde deswegen von seinen Zuhörern im Radio geliebt und erhielt letztendlich Sendeplatz im ZDF. Und dort wurde sein Stil richtig populär. Er holte sich immer Personen in seiner Sendung, die er in Frage stellte. Personen, denen er das”das war immer so” nicht durchgehen ließ. Personen, die sich nachher beklagten, dass sie sich rechtfertigten mussten für etwas, was doch eigentlich “common sense” wäre.

Im WDR war es Jürgen von der Lippe und später Harald Schmidt, die diese Fragetechniken verwendeten und ihre Gäste in Bedrouille brachten.

Der Franzose  Emmanuel Peterfalvi (in Deutschland bekannt als “Alfons mit dem Puschelmikrofon”) wurde ein Meister diese Art der Fragetechnik und zelebrierte diese in der damaligen ARD-Satiresendung “Küppersbusch”.

Was Gottschalk ausmachte, war der Fakt, dass er einen bestimmten damaligen “Common Sense” in Frage stellt. Diesen lernten die Kinder wie er, also der Boomer-Generation, als Argumente im Sinne von “Das fragt man nicht!” oder “Der weiß es besser als du!” oder “Stell den Menschen nicht in Frage, weil er ist ein Ehren-Mensch!” kennen. Und er erntete auch die Reaktionen, dass er für diese Verletzung der Konventionen abgestraft wurde. Denn – auch wenn die Fragen berechtigt waren – wurden die Fragen aus einer “Ich stehe über dir”-Haltung heraus sanktioniert.

Jeder aus der Generation der Boomer, der Baby-Boomer und der Generation x hat dieses kennengelernt.

Die Boomer fragten nach der Nazi-Vergangenheit, wurden sanktioniert und reagierten entsprechend submissiv, weil sie unter anderem auch massiv körperlich durch die alten Nazi-Seilschaften bedroht wurden.

Die Baby-Boomer fragten nach der Inkonsequenz der Boomer und erhielten zum Teil sowohl körperliche als auch neuere psychische restriktive Reaktionen.

Die Generation X hakte nochmals nach und erhielt im Sinne einer körperlich gewaltfreien Erziehung psychologisch gelenkte Gewalt.

Und seit dem es im November 2000 strafrechtlich ein Tatbestand ist, wenn Kinder körperlich beeinträchtigt werden, verlagerte sich die Gewalt der Beeinflussung der Millenials verstärkt auf die psychologische Machtausübung der Schutzbefohlenen (ausgenommen sind rückwirkend wohl weiterhin jene Minderjährigen, die unter dem Einfluss religiöser, staatlich begünstigter Gemeinschaften vergewaltigt oder missbraucht werden).

Nochmals: Was machte Gottschalk damals aus? Er wehrte sich gegen das “Ist so, bleibt so” und stellte Fragen. Er hatte Erfolg damit, aber er wurde auch ordentlich abgewatscht. Und das letzter prägt und bleibt als Erinnerung haften, dass bestimmte Menschen mit entsprechendem Status unangreifbar waren.

Und was hat sich geändert? Dass solche Menschen nicht mehr unangreifbar sind und sich rechtfertigen müssen, für das was sie sagen, leben und tun.

Und daraus erwächst der negative Gedanke von “Cancel Culture” und die negativen Konnotation von “Wokeness”. Es geht um das Bewahren, nicht um das weiter entwickeln. Das Konservative ist immer das, was bewahren möchte und unveränderlich bleiben möchte.

Es sind jene konservative  Personen, die eine Art von Glück allein in Tweets pro Tag und Follower ausmessen. Damit niemand über Followerzahlen deren Art Einsamkeit ausmisst.

Wichtig?

Absolut unwichtig.

Am Ende spielt es keine Rolle.

Darüber wollte ich nicht reden.

And in the end it doesn’t really matters …

Wie viel kann man als Seenotretter verdienen?

»Schau mal Schatz, ich glaube, da ist jemand in Seenot.«

»Wo denn?«

»Dort drüben.«

»Okay. Aber da bin ich mir nicht so sicher. Du weißt, das hier ist Grenzgebiet und wir müssen vorsichtig sein.«

»Wir sollten das aber nicht ignorieren.«

»Du hast recht. Moment: HALLO, SIE DA DRÜBEN! KÖNNEN SIE MICH HÖREN?«

»Ich glaube, er hat irgendetwas gerufen. Aber so unverständlich«

»KÖNNEN SIE MICH SEHEN? KÖNNEN SIE MICH HÖREN?«

»Jetzt schrei doch nicht so laut, man muss doch nicht alles gleich übertreiben, Schatz.«

»Aber sonst hört der mich doch nicht. Ich glaube sogar, es sind drei oder vier Personen.«

»Schatz, ich glaube, eine Person hat gerade Help gerufen.«

»Also Ausländer? HALLO, YOU! CAN YOU SEE ME? CAN YOU HEAR ME?«

»Die machen aber auch ein Spektakel, da auf dem offenen Wasser. Wenn die so weiter machen, haben die nachher keine Kräfte mehr und saufen ab. So lange die noch Help rufen können, Schatz, solange kann es denen nicht wirklich schlecht gehen.«

»Liebling, ich glaube, die rufen Help

»Das habe ich gehört, Schatz.«

»Help. Du verstehst? Das ist kein Deutsch. Kein Deutscher dieser Welt würde Help rufen. Niemals, ein Deutscher tut so etwas nicht.«

»Was meinste damit, Schatz?«

»Kannst du mit Sicherheit sagen, dass das normale Touristen sind? Vielleicht sind es Asylanten, die von einem Schlepper auf dem See hier ausgesetzt wurden, extra mit dem Vorsatz, dass wir die retten.«

»Wir?«

»Ja, Liebling, wir. Und weißte, was dann passiert, wenn wir die an Land bringen? Weißte, was uns dann blüht?«

»Was denn, Schatz?«

»Wir werden als Schlepper verhaftet und kommen ins Gefängnis.«

»Als Seenotretter?«

»Und nicht nur das: sogar Elon Musk wird uns von X verbannen, weil wir illegale Einwanderer einsammeln. Der ist überzeugt, dass solch eine Aktion den europäischen Selbstmord nicht stoppt. Es sei denn, dass die AfD endlich die Regierungsgeschäfte in Deutschland übernimmt.«

»Das heißt, wir verlieren unseren X-Account, Schatz? Mit unseren vielen schönen Urlaubsfotos?«

»Ja, genau.«

»Auch die vom Sonnenaufgang hier am See von heute morgen, wo unsere Freunde so viele Likes für geschickt haben?«

»Auch die, Schatz.«

»Guck mal, Liebling, die haben sich beruhigt, sie plantschen nicht mehr so heftig.«

»Und sie rufen auch nicht mehr so laut Help. Ist vielleicht doch nicht so schlimm, wie es aussah. Die kommen wohl zurecht.«

»Schatz, wo sollen denn die vier auch auf unserer kleinen Außenborder-Nussschale unterkommen. Das Boot ist doch bereits voll, mit unseren Rucksäcken und der Kühlbox. Und außerdem sind es Flüchtlinge. Hätten die ihr Zuhause nicht einfach so verlassen, dann wäre es jetzt nicht zu der Situation hier gekommen. Warum müssen wir jetzt damit belästigt werden. Flüchtlinge geht eh nicht. Da machen wir uns illegal und kommen ins Gefängnis. Das ist es nicht wert.«

»Lasst uns so tun, als hätten wir es nicht bemerkt, Liebling.«

»Okay, wir fahren heim, Schatz.«

Am nächsten Tag.

»Schatz, schau mal hier, im Ortsteil der Zeitung.«

»Hm?«

»Eine türkische Familie ist gestern hier auf dem See gekentert und ertrunken. Niemand hatte denen geholfen. Die führten seit fünf Jahren hier im Ort den türkischen Supermarkt.«

»Mal wieder typisch. Selber Schuld, wenn die nach fünf Jahren immer noch nicht vernünftig auf Deutsch Hilfe rufen konnten …«

Ertrage die Clowns (17): Das Sommerinterview

Im Jahr 1949 steckte sich der junge Joachim Fest einen Zettel ins Portemonnaie, den er bis zu seinem Tode mit sich führte. Auf dem Zettel stand der Satz:

„Ertrage die Clowns!“

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Moderator (M): “Hallo, liebes Publikum aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den gleichgeschalteten Bundesländern Bayern und den Wüsten aus Nord bei Nordwestfalen. Wir haben strahlenden Sonnenschein, urlaubshafte 37 Grad – Celsius, nicht Fahrenheit, wie mein Physiklehrer immer betonte – und die Vögel pfeifen sich ein Liedchen. Hier im heimeligen Sauerland im Städtchen Volpe führen wir unser erstes Sommerinterview. Als Gast haben wir den personifizierten Meister des Schreckens, der Erfüller des Bedürfnisses, leere Stellen auszufüllen.  Begrüßen Sie mit mir recht herzlich Herrn Horror Vacui.”

Horror Vacui (HV): “…”

M: “Ja, schön, dass die hier sind. Um es gleich vorweg zu sagen, momentan haben Sie wieder Vollbeschäftigung: Löwen als Wildschweine, Löwinnen als Genderwahnsinn, CDU/CSU lost in mainstream und anderen schwarzen Löcher des Weltalls, und Krieg in der Ukraine. Zudem erreichte uns vorhin die Eilmeldung, dass die Tütenkleber in Haftanstalten vom Verfassungsschutz als Klimakleber enttarnt wurden. Söder und Aiwanger hatten in einer gemeinsamen Presseerklärung deren sofortige Verhaftung gefordert und Schnellverurteilungen noch vor der nächsten Bayernwahl. Es müsse garantiert werden – so der Mini-Präsident und dessen Vertreter – das die Wähler bei der nächsten Bayernwahl, freie Fahrt als freie Bürger zum Wahllokal haben. Ohne irgendwelche Klimakleber.”

H.V.: “…”

M: “Die Medien und Internetseiten sind generell voll von solchen Dingen. Ihre Aktionen, Herr Horror Vacui, sind der Garant für Viralität. Wie fühlen Sie sich? Was macht es mit Ihnen? Selbst Heidi Klum hat weniger Interviewanfragen als Sie. Was geht in Ihnen vor, in diesem Sommer so begehrt zu sein?”

HV: “…”

M: “Ja, ihre Sprachlosigkeit ist verständlich. Uns, also mir und den Zusehern an den heimischen Monitoren geht es nicht viel anders. Dieser Sommer breitet sich momentan atemberaubend schnell aus und hinterlässt etwas, was nicht zu füllen ist. Schildern Sie doch einmal ihre Gefühle dazu.”

HV: “…”

M: “Hm. Ich verstehe. Ihnen fehlen die Worte. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie versuchen, es mit zwei Wörtern zu umschreiben?”

HV: “…”

M: ”Aha. Nun gut, Sie können es auch in einem Wort beschreiben, wenn Sie wollen.”

HV: “…”

M: “Meine Damen und Herren, meine Regie hat mir gerade signalisiert, dass wir am Ende unserer Sendezeit angekommen sind. Ich möchte mich an dieser Stelle bei meiner Crew bedanken, besonders bei den Wasserträger und ebenso an meine Row Zero, die ich nachher einzeln persönlich bei der AfterShow-Partie begrüßen werde. Ich bedanke mich auch bei Herrn Horror Vacui für dieses Sommerloch-Interview. Auf Wiedersehen und schalten Sie wieder ein, wenn es heißt: Wer viel zu sagen hat, braucht keine Worte.”

Kleinmachnow Löwin-Rätsel gelöst, MacGuffin gefunden

… und Jesus kam und verwandelte Wasser in Wein und Löwin in Wildschwein. Und worum ging es wirklich bei dieser Sommerloch-2023-Geschichte?

… Nachforschungen ergaben, es ging um den berühmt berüchtigen MacGuffin, aus Schottland importiert und bei Kleinmachnow Nähe Bärlin ausgesetzt … :

Es könnte ein schottischer Name sein aus einer Geschichte über zwei Männer, die Zug fahren. Der eine Mann fragt: ‚Was ist das für ein Päckchen in der Gepäckablage?‘ ‚Nun,‘ sagt der andere Mann, ‚das ist ein MacGuffin.‘ ‚Was ist ein MacGuffin?‘ ‚Ein MacGuffin ist eine Vorrichtung, um im schottischen Hochland Löwen zu fangen.‘ ‚Aber im schottischen Hochland gibt es doch gar keine Löwen.‘ ‚Nun, dann ist es eben auch kein MacGuffin.‘ Sehen Sie, ein MacGuffin ist gar nichts.

(aus einem 1966 von François Truffaut geführten Interview mit Alfred Hitchcock:  https://www.youtube.com/watch?v=mNkPLuBjZRM)

Gut gebrüllt, Löwe! oder: … die einzig wahre, wahre Geschichte im löchrigen Sommer 2023 …

In Bayern ist Wahlkampf.

Aber in Bayern ist nicht nur Wahlkampf. In Bayern werden auch akademische Titel verliehen. Da wird studiert und geschrieben, was die felißigen Finger der Beteiligten so hergeben. Und die Anzahl der Strebenden nach akademischen Titeln ist lang.

So schreibt auch Herr Dr. Söder immer wieder dabei fleißig mit. Mit seinen Kurz-Habilitationschriften bei Twitter, zur Erlangung der Würde des “Doctor habilitatus”. Denn ein “Dr. Dr. habil.” schmückt die Visitenkarte eines jeden Promovierten, so wie das Geweih des Wolpertingers an der Wand eines bayrischen Jägers.

Entsprechend habilitierte letztens unser „nur Dr.” Söder mal wieder mit seiner 661 Zeichen langen Kurzschrift, dass Bayern ein Sehnsuchtsort sei: das Land sei lebensfroh und lebenswert, fortschrittlich und frei, die Leitschnur hieße Leben und Leben lassen. Er wolle dabei alle mitnehmen und motivieren. 90 Prozent der Menschen lebe gern in Bayern, so gab seiner Überzeugung kund. Denn Vielfalt mache sein Land aus: ökonomisch und sozial, wirtschaftlich und technologisch, bei Lebensqualität, Natur, Tradition und Ehrenamt. Familiengeld, Pflegegeld und die kostenfreie Meisterausbildung gäbe es so nur in Bayern – und mit der Hightech-Agenda investiere er und seine CSU wie kein anderes Bundesland in die Zukunft. Bayern halte international jedem Vergleich stand. Er meinte, seine Bayern könnten stolz sein, in Bayern leben zu dürfen.

Betonung – das sei gleich mal vorweg genommen – liegt auf “dürfen”.

Und heute morgen 6 Uhr 58, Hr. Dr. Söder machte sich ausgehfein für seinen morgendlichen Ausritt in der majestätischen, königlichen Kini-Kufenkutsche (… abgekürzt ‘mkKKKkR’; das große “R” mit dem kleinen „m“ voran, weil die Kutsche auf kleinen Rädern freilich, wir haben schließlich Sommer, nicht wahr …). Gezogen wird der Prunk mit dem Gamsfedern geschmückte Achtspänner paar Straßen weiter zum Studio des nüchternen Bayrischen Rundfunk. In dem Moment rief in sein Generalsekret, der Huber-Martin ( Dr. verz.), an: die freilaufenden, mutmaßlichen Löwin von Kleinmachnow (südlich von Bärlin), welche gerade in diesem gelochten Sommer die Titelseiten von BILD, Boulevard und anderen Lügenpressen mit dicken Lettern beherrsche, hätte sich auf den Weg nach Bayern gemacht. Die Löwin soll wohl auf ihren SmartPhone Herr Dr. Söders Twitter-Habilitationsschriften gelesen haben und sei der Meinung, der Bundesstaat mit dem Löwen als Wappentier und dieser freundlichen bayrischen Willkommenskultur solle ihre neue Heimat werden. Der Scheuer-Andi (PhDr. Dr. verz.) hätte sich bei ihm, eben jenem Huber-Martin (Dr. verz.) sehr aufgebracht auch deswegen gemeldet, weil die Löwin ja eventuell auch mautfrei seine bayrischen Autobahnen nutzen könnte. Und das wäre nicht richtig, geschweige denn korrekt.

Söder wurde blass und seine Visagistin legte wortlos augenblicklich mehr braunes Rouge bei ihm auf, damit er wieder von der rechten Sonne des Sehnsuchtlands Bayern wie frisch gebräunt ausschaute.

Derweil schrieb selbst Bayerns Gesundheitsminister höchstselbst, der Holetschek-Klaus (kein “Dr.” oder “Dr. verz.”), dem Dr. Söder eine SMS:

Wir sind der Anwalt der kleinen Krankenhäuser Bayerns. Im Kern ist das richtig, dass wir Medizin anders finanzieren müssen, aber nicht zulasten der ländlichen Räume mittels Löwinnen als nicht zugelassene Heilerinnen und anderen fehlenden Ausweisdokumenten, das lasse ich nicht zu.“

Söder schluckte und rief die Morgenmagazin-Sendungen auf seinem Tablet auf. Als er seinen alten Ego und Juniorpartner, den Aiwanger-Hubert (Dipl. Ing. Agrar), bei dem Sender “Servil TV” auf dem Interview-Stuhl sah, hörte er jenen sagen:

Die Löwin von Berlin wird sicherlich von denjenigen Großstadtökologen richtig gemanagt, die sich in den letzten Wochen für die Akzeptanz von Bären in Bayern stark gemacht haben.”

Der Moderator erwiderte sofort sichtlich begeistert: “Die Wokeness gepaart mit Cancle Culture also mal wieder? Könnte die Löwin nicht sogar Eier legen und somit Nachkommen ausbrüten? Sollte dagegen nicht etwas unternommen werden?

Aiwanger-Hubert, Dipl. Ing. Agrar, erhob mit behänder Leichtigkeit bedeutungsschwer seine rechte Hand und reckte behäbig dessen langen, aufrechten Zeigefinger direkt zur hellgrauen Studiodecke: “Die Grünen entwickeln sich immer mehr zu einer Partei der Tierquäler. Sie wollen die Jagdgesetze dahingehend ändern,dass Muttertiere von den Jungen weggeschossen werden dürfen,so dass der Nachwuchs elend zugrunde geht. Im Namen des Klimaschutzes. Als nächstes? Stoppt die Grünen!

Dr. Söder nickte zustimmend murmelnd: “Wir als CSU sind Anwalt der Mitte, der Normalverdiener und hart arbeitenden Leute. Es braucht Entlastung für die Normalverdiener! Keine Löwenbelastung. Feuer frei.

Seine Sekretärin im Hintergrund hatte aufmerksam zugehört, befand die ersten beiden Sätze für die Nachwelt erhaltenswert, ergriff ihr SmartPhone und schickte diese beiden Sätze sofort als Tweet unter dem CSU-Account (blauer Haken).

Dr. Söder blickte nochmals auf Aiwanger-Hubert (Dipl. Ing. Agrar) in dessen Stuhl und seufzte:

Hubert zitiert auch nur immer sich selbst und seine Twitter-Tweets. Und 177 Zeichen nur. Der sollte sich meine viermal so langen Tweets reinziehen. Dieser Twitter-Hubi für Arme. Den blauen Haken hat der doch nur, weil ich mir meinen gekauft habe und er mich nachäffen will.”

Danach legte er das Tablet beiseite und stand auf, um rauszugehen, der Achtspänner wartete schon, die Pferde ( – acht amtliche Schimmel, handverlesen und wohlgenährt – ) vermeinte er frohgemut wiehern zu hören. Sie würden später noch dem zahlenden Volke dienen dürfen, damit es was im Magen habe.

Doch bevor er die Tür erreichte, öffnete sich diese. Ein Ameisenstrom von Arbeitsbienen unter Anführung des bayrischen Staatsministers für Medien Herman-Florian (Dr. jur. LLM.) flutete Dr. Söders Schminkraum:

“Markus, Alarmstufe 1!”

Die Grünen sind bei den Wahlprognosen wieder zweistellig?

Nein, so schlimm auch wieder nicht.

Die AfD ist jetzt in Bayern vor dem Aiwanger-Hubi dessen Partei bei den Wahlprognosen?

Nein, nein, das wäre halb so schlimm, solange wir die Nummer 1 mit einem Zehntel Prozentpunkt davor liegen. Denn dann sind wir Sieger!

Sondern?

Die Löwen kommen!

Was? 1860 kommt jetzt hier in die Staatskanzlei?!? Weiß der Hoeness-Uli Bescheid?

Nein, die Problemlöwin! Und wenn jene Beispiel macht, kommen mit ihr sicherlich noch viele, viele weitere Löwen!

Wehret den Anfängen!

Genau! Hier ist kein Platz für Löwen; außerhalb des Fußballvereins 1860 München.

Und?

Mein Team hat Übertragungsutensilien dabei. Wir haben eine Direktleitung zum BR …

Was? Keine mkKKKkR? ich hatte mich schon so sehr gefreut, von der Kutsche aus meinem Volke am Straßenrand zu hul …

Nein, Markus. Heute nicht. Ich habe hier deine Rede. Hab sie vom Stoiber damals genommen und umgeschrieben. War damals für Stoiber auch der Hit, totaler PR-Erfolg. Wurde mit absoluter Mehrheit deswegen wiedergewählt.

Beim damaligen Problembär?

Die Kamera steht dort drüben, darunter der Teleprompter mit der Rede. Scheinwerfer an! In drei, zwei, eins …

Dr. Markus Söder schaute mit gebührenden Ernst in die laufende Kamera. Es war mucksmäuschenstill in seiner Make-up-Gaderobe. Eine Frage einer BR-Moderatorin ertönte über einen kleinen Quäker-Lautsprecher:

Herr Dr. Markus Söder, die Löwin – bitte verzeihen Sie mir, nur an dieser Stelle ist das Wort ‘Löwin’ grammatikalisch korrekt verwendet und kein Gendern – Herr Dr. Söder, die Löwin hat um 5:44 Uhr die bayrische Landesgrenze überschritten. Und seit 5:45 Uhr ist Bayern bereit zurückzuschießen, so erklärte vorhin in einer Live-Schalte ihr Verteidigungsexperte Florian Hahn, der gerade berufsbegleitend im Rahmen seines MBA-Studiengangs in Aserbaidschan militärische Studien durchführt. Herr Dr. Markus Söder, wurde seit 5:45 Uhr der Marschbefehl für das Königlich Bayerisches Infanterie-Leib-Regiment, die bayrischen Gebirgsjäger und die bewaffneten bayrischen SEKs der Polizei erteilt?

Alle hielten den Atem an. Nur nicht Dr. Söder, der Luft von sehr tief herholte und dann ohne Atempause mit besorgten Gesicht eines Familienvaters, dessen Sohn gerade zum ersten Mal allein aufs Klo geht, erwiderte :

Natürlich freuen wir uns, das ist gar keine Frage, freuen wir uns, und die Reaktion war völlig richtig. Eine, sich normal verhaltende Löwin – das ist jetzt kein gendern – in Bayern zu haben, ja, das ist gar net zum Lachen. Ja, und die Löwin im Normalfall, ich muss mich ja auch, also, der Andi, mein Scheuer-Andi, hat sich natürlich hier intensiv mit so genannten Experten über die Anwendung von Mautabgaben für Löwen im Allgemeinen und im Speziellen ausgetauscht und austauschen müssen. Nun haben wir, also, die normal verhaltende Löwin lebt in der Savanne, geht niemals raus und reißt vielleicht ein bis zwеi gazellenschlanke bayrische Kälbchen im Jahr, auf den bayrischen Savannen, der bayrischen Alm. Wir haben dann einen Unterschied zwischen die sich verhaltende Löwin, der Schadlöwin, und der Problemlöwin. Und es ist ganz klar, dass diese Löwin eine Problemlöwin ist. Und es ist im Übrigen auch im Grunde genommen durchaus ein gewisses Glück gewesen, sie hat wohl um 5:44 Uhr des Nachts praktisch diese bayrische Staatsgrenzenschranke gerissen, ohne sich auszuweisen. Und Gott sei Dank war in dem Grenzhaus der bayrischen Staatspolizei, also jedenfalls ist der Übertritt wegen dem Schengenabkommen und so nicht bemerkt worden. Auf Grund von, … also es ist nicht bemerkt worden. Stellen Sie sich mal vor, die war ja mittendrin an der Grenzstation, stellen sich mal vor, unsere Grenzer wären aufgewacht und rausgekommen, um das Dubliner Abkommen durchzusetzen, und wären praktisch jetzt der Löwin praktisch begegnet. Was da bei der Ausweiskontrolle hätte passieren können – also, das viele Blut, wer soll denn dass aus unserem schönen Bayern nachher wieder wegmachen? Wir haben leider auch in Bayern Fachkräftemangel – und deswegen, man muss einfach hier sehen, ich habe sehr viel Verständnis für all diejenigen – außer natürlich, wenn sie von unserer rot-grünen Ampelregierung sind, die wie Aiwanger bereits betonte, die Löwin gleich wieder als Schmusetiger gesehen haben wollen – , die jetzt sagen: Um Gottes Willen, ähm, die Löwin und warum muss die gleich jetzt abgeschossen werden, beziehungsweise muss eine Abschusserlaubnis gegeben werden. Nur: Wenn mein Experte, der Scheuer-Andi, sagt, die Löwin zahlt keine Autobahnmaut und hat keine Ausweispapiere, das ist eine be-scheuer-te äh, das ist eine absolute Problemlöwin, da gibt es nur die Lösung, sie zu beseitigen. Weil einfach die Gefahr so groß ist, dann hat auch unser Verteidigungsexperte, der Hahn-Florian, keine andere Möglichkeit als eben so zu handeln, wie er gehandelt hat, jetzt handelt und dann gehandelt haben wird. Bayern muss schön bleiben. In Bayern leben, heißt sicher leben. 45.000 bayerische Polizisten leisten hervorragende Arbeit. Nirgends in Deutschland ist die Kriminalität geringer, nirgends ist die Aufklärungsquote höher. Wir in Bayern stehen für Sicherheit und Ordnung! Und das lassen wir uns in dieser momentanen Verbotskultur Deutschlands für unsere schöne bayrische Heimat nicht verbieten! Auch nicht bei dieser Löwin.”

Atemstille. Nadel. Fallhöhe. Steinfußboden. Aufprall. Im Hintergund versucht die Sekretärin die letzten acht Sätze auf Twitter zu verbreiten, erinnert sich an die letzten beiden nicht mehr und drückt trotzdem auf ‘Senden’…

In Bayern bewahren und fördern wir unsere Traditionen, Brauchtum und Kultur. Auch im Angesicht einer löwengefährlichen Situation. Das ist unzumutbar. Es braucht deshalb die volle Konsequenz des bayrischen Gesetzes. Jeder Bürger bekommt einen Strafzettel, wenn er falsch parkt. Diese Konsequenz muss auch hier gelten. Es gibt in Bayern keinen Rabatt dafür. Wir sagen Ja zum Liberalitas Bavariae, aber Nein zu Löwinnen.”

Weiterhin Stille.

Markus, Markus”, vom bayrischem Staatsminister für Medien Herman-Florian (Dr. jur. LLM.) sprühte aufgeregte Verwirrtheit in den Raum, “Markus, die Leitung ist direkt am Anfang zusammen gebrochen, es wurde nichts übertragen.”

Dann wiederholen wir es einfach, oder?

Ähem, nein, das Ganze wurde jetzt einfach gecancelt.

Macht denn diese woke Cancel Culture-Kultur jetzt nicht mal vor unserm Bayrischen Rundfunk mehr halt?

Ja, scheint so. Die interviewen jetzt stattdessen live den Dr. jur. Stoiber- Edmund-Rüdiger-Rudi zu dem neuen Problembären, der Löwin.

Und was mache ich jetzt mit dem Achtspänner?

Füttern des Volkes, wie geplant. Die Pferdemetzgerei am Viktualienmarkt. Die zahlen momentan Höchstgebote.

Und ich?

Wir hätten da noch eine Bierzeltrede beim Bierfest in Hinterobertrautenbachlauf in der Oberpfalz. Internetanbindung zum Twittern, Bier und Brezn werden gestellt. Und: Fotografen sind auch schon vor Ort.

Geh ma …