Kneipengespräch: Wenn zwei das Gleiche … rien ne va plus …

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„Jetzt haben die die ganze Münchner Innenstadt lahmgelegt!“

„Was?“

„Na die da, die jetzt den ganzen Verkehr behindern!“

„In der Innenstadt? Maxvorstadt?“

“Ja, total. Nichts geht mehr.”

“Gar nichts mehr?”

“Nullkommanull. Vor 14 Tagen konnten ich mit meinem Q4 noch raus und am Stadtrand meine Besorgungen erledigen. Aber heuer? Nüscht! Totale Blockade und die Staatsmacht schaut tatenlos zu, alles total voll zu, nichts ging mehr. Überall haben die ihre Stände hin geklebt und feiern ihre Autos ab.”

“Ah, Sie meinen die IAA in der Innenstadt, sagen Sie das doch. Dachte zuerst, Sie meinten diese Klimaterroristen mit ihren Sekundenklebertuben.”

“Ja, die IAA. Blockade total und keiner tut was, um uns davon zu befreien.”

“So etwas können Sie aber nicht so einfach dahin rotzen, als ob die Staatsmacht tatenlos zuschauen würde. Die schaut immer ganz genau hin. Wenn ein Stand nicht exakt aufgebaut und ausgerichtet worden ist, gibt’s sofort Ordnungsgeldbescheid. Pro überschrittenem Zentimeter. Oder falsche Schrauben, falscher Kleber, falscher Feuerlöscher, nicht gegen Steinschlag oder Hochwasser oder Erdbeben gesichert, Freibier ohne Pfand oder nicht genau auf Eichstrich, zack, Ordnungsgeldbescheid.”

“Wie viel?”

“Mindestens immer doppelt soviel wie einmal Falschparken.”

“Und was hilft es mir? Davon hab ich nichts. Meine Besorgungen bleiben trotzdem auf der Strecke. Im Streckenstau. Vorgestern, ich musste Omma zum Arzt fahren. Meinen Sie, das hat geklappt? Permanent nur Stau, nichts ging mehr, keinen Zentimeter.”

“Tja, diese Klimakleber auf den Kreuzungen.”

“Schön wär’s. Nur Stau wegen der IAA. Weil fast alle Straßen der Innenstadt für die Automobilmesse gesperrt wurden. Hey, vor uns war sogar ein Rettungswagen, Blaulicht, Sirene, der kam auch nicht weiter. Stau, Stau, Stau. Nicht mal Rettungsgasse für den Sani. Ich hoffe, der im Krankenwagen ist nicht gestorben, dann hätte die IAA den aber so was von auf dem Gewissen! Wetten, dass das dann keinen einzigen Staatsanwaltgeist berühren würde? Und dann letztendlich nach Stunden an der Arztpraxis, da konnten wir nicht mal parken. Wegen den anderen Klebern.”

“Ah, doch Klimakleber! Einfach eine Plage, jene. Gas geben und drüberfahren sollte man. Nur dann gibt’s wieder Ärger mit der Staatsmacht. Diese Kleberterroristen können einfach unsere Freiheit einschränken, haben dabei keinen Schaden, lediglich wir. Wir haben den Salat und müssen die von jenen uns eingebrockte Suppe auslöffeln.”

“Nee, nee. Die waren es nicht, das waren die vielen Wahlplakatkleber der AFD, FDP, VOLT, CSU und wie sie alle heißen. Die Plakate einfach auf den Bürgersteig geknallt, an Masten angeklebt, verkehrshinderlich, keine Chance zum Parken auf dem Bürgersteig. Absolut unglaublich. Vorher ging a bisserl immer was, aber heuer nüscht.”

“Und?”

“Musste in zweiter Reihe parken, Omma auf der Straße nur kurz aus meinem Q4 helfen und in die vierte Etage bringen. Gesundheit geht immer vor. Und wissen Sie, was in der Zwischenzeit passierte?”

“Was?”

“Strafzettel! Nur weil ich mich paar Dutzend Minütchen um die Gesundheit meiner Omma sorgte. Wegen so ner Bagatelle von Zeit, da schaut dann die Staatsmacht ganz genau auf ihre Sekundenzeiger. Aber bei den Stauverursacher, diese der IAA, da schaun’se weg, statt mal dafür zu sorgen, dass wir Stau-frei in der Innenstadt fahren können. Wofür gibt es eigentlich das Messegelände in München-Riem? Für Helene Fischer Konzerte?”

“Besser ein Dutzend Helene Fischer Konzerte als ein Dutzend Klimaterroristen, die einem am Fahren hindern und Stau erzeugen.”

“Staus gehen gar nicht! Die schränken die Freiheit ein!”

“Richtig. Staus erzeugen Klimaschäden, wegen den Abgasen. Wenn aber garantiert ist, dass jeder schnell fahren kann, dann ist die Klimabelastung kürzer, weil alle schneller ans Ziel kommen. Nur wer schnell ist, kommt eher ans Ziel als andere. Das sollte man nicht nur den Grünen und ihren Klimaklebern begreiflich machen. Aber das einzige, was jene begreifen, ist maximal Asphalt unter ihren Händen. Zu mehr Begreifen reicht deren Intelligenz nicht. Früher hätte man einfach Gas geben, über solche Klimakleber hinweg. Aber heute?”

“Eben, mit einem Aiwanger als Minipräsi in Bayern wäre in den letzten fünf Jahren alles besser gelaufen. Dann gäbe es auch keine dummen Wahlplakate mehr, die einem die freien Parkplätze wegnehmen.”

“Ähem. Bitte jetzt keine Wahlwerbung hier, okay. Politik und Kneipe zusammen, das sind für mich NO-GOs in ner Kneipe. Ich will entspannen, und nicht Politikgelaber hören.”

“Egal. Jetzt einfach mal Prost.”

“Dito, Prost.”

IAA, damit auch morgen andere Messen wieder kraftvoll gelesen werden können …

Oha. Zwei Menschen zusammen. Nähe Fahrbahnrand.

Protestpotential! Auf einer Parkbank. Nah an der Straße.

Moment, ich notiere mir in meiner Kladde: Parkbank am Stemmer Hof, Kilometer Nullkommazwei, Richtung Kölsch-Kneipe. Er, eins achtzig groß, blond, circa 30. Sie eins fünfundsechzig, 19 oder 20 … hm, eher 24. Halten sich an den Händen. Sie verdeckt zusätzlich einen verdächtig tubenförmigen Gegenstand in der Rechten, sehr verdächtige Tube … .

Lippenstift … hm. Protestpotential negativ. Eher wohl Liebespaar. Hetero. Keine Klimakleber.

Hier in München ist was los. Dabei mögen wir es hier in München doch eher beschaulich. Da hinten, am Hotel, da hat sich schon das “USK Bayern” einquartiert. “USK”, das steht für “Unterstützungskommando” und nicht für “Universitäts- und Stadtbibliothek Köln”, wie so ein Schwurbler in jener Kölschkneipe versuchte, Fake-Nachrichten zu verbreiten.

Nebenbei, Kölschkneipe. Ha. Eine Kneipe mit nicht-Münchner Bier. Das sollte hier nicht erlaubt sein in unserer traditionsreichen Stadt. Dieses pissgelbe Gesöff in Reagenzgläsern ohne Trinkkultur. Da kommt keine Beschaulichkeit auf, weil die Kellner immer rennen müssen, um für ihre Gäste immer neues von diesem Noagerl-Bier herbei zu karren.

Also, wie gesagt, USK heißt Unterstützungskommando und sie bekämpft organisierte Kriminalität, Schwerkriminalität und Drogenkriminalität. Jetzt hier in München.

Also nicht wegen den Biertrinkern, Und auch nicht wegen dem Biertrinker Aiwanger und seinem Flugblatt, an dem sich jener genauso detailliert erinnert wie ein Bundeskanzler Olaf Scholz an seine Cum-Ex-Geschichte mit der Warburg Bank. Oder wegen dem Biertrinker Dr. Markus Söder, der sich inzwischen auch nicht mehr daran erinnert, dass er als bayrischer Umweltminister in 2011 mal mit persönlichen Konsequenzen drohte, sollte der Atomausstieg in Bayern nicht vollzogen werden. Oder wegen der Biertrinker Clan-Tochter. Die aus dem Tandler-Clan. Jene Frau, die ihrem Vater nacheifert und nun ebenfalls es wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung vor Gericht geschafft hat. Oder etwa wegen Akten zu Kindesmissbräuchen vom Freisinger Papst, die eventuell in München zwischen Augustiner-Mönch-Bierfässern gelagert sein könnten. Nein. Ganz und gar nicht.

Die USK ist hier, weil München seit 2021 eine neue Messe hat. Zur Erklärung: Messe, das ist das, wenn etwas Goldenes herumsteht und alle drumherum tanzen. Nicht ein Kalb oder Bierfass, sondern das heiligs Blechle. Eine Blechmarke. Von damals. Mit ihr konnten sich damals städtische Arme eines Ortes als approbierte bestätigte Bettler ausweisen, mit jener Blechmarke. Heiligs Blechle. Heute ist das ein Nummernschild an dem Deutschen seinen unantastbaren Heiligtum.

Bis 2018 hatte Frankfurt zum heiligs Blechle noch die passende Messe dazu. Aber dann strampelte Bayern wie ein trotziges Kleinstkind (“Wir sind mal Papst gewesen!”) und plärrte “Wui I aa Messe!” (auf deutsch: “Will ich auch Messe!”). Frankfurt kapitulierte und seit 2021 hat München die IAA.

Ab morgen wird sie erneut gelesen, die Messe. Zu Ehren dem heiligen Automobil mit der ehernen Sankt-Christophorus-Plakette auf dem Beifahrer-Airbag-Deckel. Wenn der Airbag zündet, dann schützt die dem Beifahrer sich entgegenschleudernde Plakette dessen Seelenheil. Sobald die Münze im Kopfe klingt, die Seele in den Himmel springt. Alte katholische Redensart. Als letzte Segnung sozusagen. Jeder seinem Glauben nach. Nur für mich wäre das nichts, weil so eine Plakette auf dem Cockpit ist für mich ein absoluter höllischer Designfrevel.

Also, zurück zur USK: die USK ist zur IAA hier, um den Kriminellen gewissermaßen die Messe zu lesen. Genauer gesagt, also das heißt, eigentlich will die USK nur Autofahrer vor organisierten Schwerstkriminellen mit Sekundenkleber-Fläschchen schützen.

Mein Nachbar meinte zu mir, man wisse doch, was solch ein technologischen Event wie die IAA an Gesindel anlocken wird: Lehrer, Studenten, vegane Körnerfresser, streikende Schüler, Öko-Hausmänner, queere Tabakdampfer und im Gepäck noch nen Habeck und ähnlich schreckliches Zeug. Und? Wo bleibt dabei die Staatsgewalt? Eben, Fehlanzeige!

Nicht mal der deutsche Geheimdienst wird hier tätig und lässt sich beim Observieren blicken. Kein Wunder, meinte der Schorsch vom Internet-Stammtisch, der wird bereits schon passend auf Englisch übersetzt, als “go home service” bezeichnet. Und recht hatte er. Darum bringe ich mich aktiv ein, helfe aktiv mit. Beim Schützen. Gewissermaßen ehrenamtlich. Unentgeltlich. Schon seit drei Monaten.

In meinem Internet-Stammtisch hatten wir bereits vor den Sommerferien festgestellt, dass es erforderlich ist, eine klare Trennung zu vollziehen, also genau das, was sauber denkende Menschen wie Domenika Gruber, Detlev Nuhr und Hubert Einfanger bereits umgesetzt haben. Eine klare Trennung zwischen Politik und Sachverstand. Wir können doch Klimaklebern nicht die Politik der Straße überlassen und uns von denen bevormunden lassen. Wo kämen wir denn dahin, wenn die uns überall nur am Fortkommen hindern? Wir hätten somit einen Progressionsstau. Und will den wer? Eben.

Also, ich hatte mich danach direkt mit Kladde und Bleistift auf den Weg gemacht, notiere seither jede verdächtige Bewegung zur Straße hin, in allen Details. Notfalls mit Fernglas. Ich hab da keine Scheu, dass ich dabei gesehen werde. Tue Gutes und zeige dich dabei, ist mein Motto.

Und was soll ich Ihnen sagen? Es passiert nichts!

Und warum? Weil der Feind bereits unter uns ist.

Eben! Der weiß seine Klimakleberabsichten zu tarnen! Diese Wölfe getarnt als Schlafschaf, welches sich urplötzlich als stauerzeugendes Klebemonster entpuppt! Da muss man doch aufpassen, den Anfängen wehren!

Drum führe ich Buch über alles und jeden. Dabei gibt es immer interessantes zu notieren.

Beispiel: der Mann von gegenüber, der Herr Niederwörgl, 36, verheiratet, zweieinhalb Kinder, Weißbiertrinker, BMW 5er-Fahrer, Affäre mit einer Frau in Schwabing und einer weiteren in Hasenbergl, Wohnhausbesitzer mit nicht mehr allen Latten am Zaun und einige davon sind sogar geklebt! Also, klar, das ist nun doch zu eindeutig! Wer seinen Gartenzaun nicht in Ordnung hält, das ist doch oberverdächtig. Wer dabei klebt statt ordentlich schreinert, der will wohl auch noch Zeit sparen und das ist ein Risiko. Mit seiner eingesparten Zeit klebt der wohlmöglich nachher in Maxvorstadt auf der Leopoldstraße auf dem Asphalt und hält den Verkehr auf. Vielleicht sogar noch auf dem Zufahrtsweg zur IAA!

Ja, solche Beobachtungen sind eindeutig präventiv zu notieren. Und zu bewerten. Wenn die USK bei so einem die Personalien überprüft, dann kann man die Fakten der eigenen Beobachtung präsentieren und – schwupps – ist die Klebersau für vier Wochen in Präventivhaft. Und mit welchem Recht? Mit allem Recht! Zum Wohle der IAA und der Autofahrer, die auf der Zufahrt zur IAA mit deren heiligs Blechle nicht selbstverschuldet wegen Klimaklebereien im Stau stehen wollen.

Nebenbei, Frau Niederwörgl kenne ich persönlich. Man nennt sie auch das Sendlinger Tageblatt. Der Frau Niederwörgl habe ich im Cafe Schuttner vor einem Monat mal meine Beobachtungen mitgeteilt. Danach war in Sendling der Teufel los. Die Hölle muss wohl das reinste Paradies dagegen gewesen sein. Und schnell hatte ich von interessierten Frauen weitere Termine im Cafe Schuttner.

Das Ergebnis? Fünf Scheidungen, siebzehn außereheliche Beziehungen beendet, vier außereheliche Kinder aufgedeckt, acht Zivilklagen, drei Strafverfahren und ein gebrochenes Nasenbein. Aber das war es mir wert.

Ich mache weiter, so etwas hält mich nicht auf. Denn seitdem herrscht in unserem Viertel wieder Zucht und Ordnung. Alles ist jetzt wieder moralisch gefestigt und Gartenzäune werden auch nicht mehr geklebt, sondern ordentlich geschreinert repariert. Wir sind wieder auf dem Weg zum Vorzeigeviertel.

Und sollte ich in der letzten Zeit auch keine verdächtigen klandestinen Klimakleber auf unseren Sendlinger Straßen beobachten können, so ist doch eines keinesfalls mehr von der Hand zu weisen. Man muss nicht alles gleich schlecht reden:

Die Klimakleber haben für unser Viertel eine ganze Menge Gutes gebracht.

Parkbankgespräch: Real virtuell im Virtuell-Realem

Parkbank»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

»Dann lass es.«

»Aber ich muss es sagen. Es muss aus mir raus. Weil es hier ne Parkbank ist.«

»Dann sag es und gut ist.«

»Es regt mich auf.«

»Okay, was regt einen momentan eh nicht auf.«

»Aber das hier ist ernst.«

»Ernst ist das Kind von Verhütungsplanung. Ernst sein Vater ist jetzt geschockt, dass Verhütung nicht allein Frauensache ist. Nach zehn Jahren Rumbumsen ohne jeglichen Ernst …«

»Das mein ich nicht.«

»Sondern?«

»Eher das, was mit der Inflation vor Ort am gemeinen Essenslokal angepasst wird.«

»Die Preise von McDonalds?«

»Der Preis der Menschheit.«

»Ach ne, was du nicht sagst, du Hobbyphilosoph.«

»Ich hatte einen Freund …«

»Wer hatte den nicht.«

»… und der war auf seine Weise intellektuell.«

»Jaja, nee, ist klar. Hatte der jemals einen offenen Brief geschrieben? Nein? Dann ist der auch nicht intellektuell. Wenn jemand einen offenen Brief schreibt, dann muss er auch die augenblickliche Inflation der offenen Briefe im Auge behalten. Und der Reaktionen darauf. Und den Stand der Immobilienfonds im eigenen Portfolio. Ansonsten ist so einer nur Schwätzer..«

»Ich glaube, du verstehst nicht, was offene Briefe sind.«

»Briefe, die dem Postgeheimnis unterliegen, auf das der Sender des Briefes keinen Wert legen. Also so wie ein Wichtigtuer von Datenschützer, der mit Google-, Microsoft- und Amazon-Apps auf seinem Smartphone rumläuft, um wichtige Emails zu schreiben. Der allein schon beim Einloggen ins GMS-Netz seine Spuren für jedem hinterlässt.«

»Das ist Kappes, das meinte ich nicht. Eher das folgende: ich denke, also wissen wir.«

»Freilich. Wissen ist immer gut.«

»Wissern ist wichtige!«

»Okay, nur vom eigentlichen Wissen wissen wir immer zu wenig. Sagt bereits die Volksseele.«

»Was uns als Wissen aber fehlt, sind für uns Wissende die Wissenslücken.”

“Freilich. Wir sind Unwissende.”

“Es gibt Menschen, die behaupten aber nicht bloß, dass wir nichts von all dem wirklich wissen, was wir allgemein zu wissen glauben – sie behaupten sogar, dass sie wissen, wie es wirklich ist.«

»Kenn ich. Der Volksmund nennt solche Menschen schlicht und ergreifend: Wichtigtuer. Im Neudeutsch auch ‘Verschwörungstheoretiker’.«

“Somit lässt der Volksmund sie dort liegen, wo sich jene schon immer befanden: an den Rändern der gesellschaftlichen Kommunikation.«

»Mainstream eben.”

“Mainstream bedeutete ja ursprünglich kommerzielle, massentaugliche Oberflächlichkeit. Woraus sich in der Kritik eine gewisse Geringschätzung ergab.«

»Mainstream gab es für uns Boomer nicht. Das ist ein Begriff der ‘Gen Y’ ausgesprochen ‘generation why’. Boomer nannten das damals lediglich ‘Massengeschmack’. Also, etwas ohne besondere Würze und für jeden ohne Schluckauf schluckbar. Gen Y nennt es jetzt ‘Boomer Mainstream’.«

»Egal. Die radikalen Ränder haben nun eben diesen Boomer-Begriff ‚Mainstream‘ gekapert, nur um die gesellschaftlichen Mehrheit zu deren Feind zu erklären. Sie bezeichnen die gesellschaftlichen Mehrheit als Diktatur, weil die Mehrheit sie abweist und an den Rändern hält.«

»Und nu, was soll das? Ränder sind nun mal Ränder. Jede Pizza hat Ränder, auch wenn sie knusprig und lecker sind.«

»Eben jene Ränder sind nun nur deshalb sichtbar, weil die Mehrheit sich mit ihnen beschäftigt. Der Mainstream beschäftigt sich nun mal mit jenen.«

»Wahrscheinlich aus Langeweile.«

»Und das geschieht besonders immer in einer Demokratie. Demokratie setzt sich für so etwas ein, dass soziale Ränder möglichst nicht ausgegrenzt werden. Die Ränder mögen das nicht und schelten sie daher als Diktatur. Paradox.«

»Sie meinen also wohl eher ‘Demokratur’?«

»Nur, in einer Diktatur werden aber solche, wenn sie denn gefährlich zu werden drohen, direkt in Gefängnissen und Lagern isoliert. In der Demokratie lediglich in den verschiedensten Medien berücksichtigt und besprochen.«

»Ich hab noch ne Rollte Alufolie. Kann man locker nen Aluhut raus basteln. Für dich und deine Gefängnisse- und Lager-Argumentation. Du driftest ab in Verschwörungsmythen.«

»Nun. Verschwörungsmythen stellen auch Teil eines Unterhaltungsgewerbes dar.«

»Du meinst, mit wenig Aufwand eine Erschaffung von Gruppenzugehörigkeit und Weltbilder?«

»Und jene sind die irgendwo zwischen Gaming und Kino angesiedelt sind. Zwischen ‘Marvel Universe’ und dessen ‘Avengers’ und einem Krieg a la  ‘Call of Duty’, den erfolgreichsten Beschäftigungsprogrammen für Großhirne vor Monitoren.«

»Aha, beim Lästern bist du jetzt bei der Playstation und den privat finanzierten Fernsehkanälen angekommen? Dem allseits bekannten Kino für geistig Arme?«

»Kino und Internet haben in den letzten 30 Jahren ein ganzes Universum an Verschwörungen ausgedacht. Das Monster bei Karstadt lässt grüßen. Oder Bielefeld und seine Saga

»Und das Drei-Hasen-Fenster in Paderborn.«

»Viele Verschwörungsgläubige scheinen in dem einen oder anderen Blockbustern der eigenen Blasen hängengeblieben zu sein. Da ist das 3-Hasen-Fenster nur das kleinere Übel.«

»Okay, momentan gibt es viele Superhelden- oder Anti-Superhelden-Filme und Serien auf den Streaming-Kanälen. Das ist wohl der neue geistige Existentialismus im virtuellen Hirn, der real viral in solchen Köpfen hoch und runter stiefelt.«

»Nicht wahr? Im virtuellen Raum lässt sich das echt prima ausleben.«

»Wir beide sind hier aber auf einer Parkbank. Die ist nicht viral und auch nicht durch einen Virus verursacht. Und die Parkbank geht auch nicht hoch oder runter.«

»Das ist wahr.«

»Und was sagt das uns?«

»Nun ja. Das alt bekannte Rezept: lasst es uns öffentlich aussitzen.«

»Da vorne ist ein McDonalds. Wir könnten in der Zwischenzeit ja ne Apfeltasche mit Cola mit nem Milcheis danach zu uns nehmen.«

»Gerne. Wenn es danach nicht viral geht …«

Kneipengespräch: Die Frau am Klavier

»Und dann betrat ich den Raum. Den nannten wir damals alle “Das Beste Zimmer”. Gäste wurde dort empfangen, spontaner Besuch zu einem Likörchen oder Kaffee rein gebeten. Es hieß nicht einfach “Wohnzimmer”, sondern immer “Das Beste Zimmer”. Es enthielt ein rotes Sofa für drei Personen und zwei rote Ohrensessel, links und rechts davon, drei Stühle mit rotem Polster und einen braunen großen Zier-Tisch, der recht zu niedrig als Esstisch war. Daher wurde er bei offiziellen Essen mit dem aus der Küche ausgetauscht und es kamen auch passende Esstisch-Stühle rein. Aber das Sofa und die Ohrensessel blieben. Es war eben “Das Beste Zimmer”.

Gegenüber dem Sofa stand das Klavier. Kein Erbstück. Ein Geschenk. Bekannte meines Vaters, ein Ehepaar aus Münster, hatten es meiner Familie überlassen. Mein Vater hatte das Ehepaar bei seiner Flucht aus Schlesien kennengelernt und war mit ihnen eng befreundet. Der Mann arbeitete in Münster in einer Bank und hatte ihm zu einem Notkredit verholfen, obwohl er es nicht hätte machen dürfen. Mein Vater war ihm dafür stark verbunden, weil er deswegen nicht bankrott ging. Der Kredit hatte ihm übers Wasser geholfen, der Mann des Ehepaares erhielt Schwierigkeiten deswegen, denn mein Vater war nicht als kreditwürdig eingestuft. Anfang der 70er zog das Ehepaar von Münster ins Allgäu nach Kempten. Das Klavier wollten sie nicht mitnehmen. Weder sie spielten darauf, noch deren zwei Kinder. Zudem waren sie der Meinung, meines Vaters zwei Söhne sollten Klavier spielen erlernen, denn den Blockflötenunterricht in der Grundschule empfanden sie nur als Quälerei an der Kunstform »Musik«. Mein Bruder hatte Blockflöten-Unterricht. Er schaffte es bis in die elitäre Blockflöten-Gruppe der Kirche, die zum Hochamt immer ein Kirchen-Lied mit deren Blockflöten zum Lobe Gottes interpretieren durften. Ich selber fing direkt mit dem Klavier-Spielen an.

Kennen Sie das alte Lied von Johannes “Jopi” Heesters noch? Weiterlesen

Coming home for X-Mas (3)

Geliebte Geliebte,

Ich weiß nicht, ob du es wusstest, aber es gibt nichts einprägsameres und einprägenderes als Weihnachten. Zu dieser Zeit werden ganze Kindheiten geprägt, ganze Ehepartnerschaften verdengelt und die Verwandtschaft präsentiert sich von seiner hügeligsten Eigenschaft, als die bucklige. Überall in Zeitungen und Internet fanden sich diese Weihnachtszeit Ratschläge wie man das Fest der Liebe, des Friedens und der Freude am besten ohne Streitereien überlebt.

FAZ: “Wie Familien Streit unterm Weihnachtsbaum verhindern können”

Axel-Springer-Mainstream-Organ #1: ”Streit an Weihnachten: So übersteht ihre Beziehung die Festtage”

Axel-Springer-Mainstream-Organ #2: “Partnerschaft: Mit diesen Tipps vermeiden Sie Streit an Weihnachten”

Axel-Springer-Mainstream-Organ #3: “Es könne wir Frömmsten nicht in Frieden leben, wenn es Euch bösen Lesern nicht gefällt.”

RP Online: “Mönchengladbach: Tipps um Streit an Weihnachten zu vermeiden”

Süddeutsche Zeitung: “München: Tipps um Streit an Weihnachten zu vermeiden”

Bayrischer Rundfunk: “So wird Weihnachten harmonisch – Tipps von Experten”

WDR: “Weihnachten ohne Stress und Streit”

Spiegel: “Knatsch unterm Baum – Offen über die Probleme reden”

Hamburger Abendblatt: “Harmonisch Weihnachten feiern? Das rät die Psychologin”

Kirche und Leben: “Geheimtipp für Weihnachten in Rom: Ein Baby auf dem Kaptiolshügel”

Vatikan News: “Erzbischof Schick: Streit um Christmetten einstellen”

Geliebte Geliebte, es herrscht auf einmal so viel Frieden im Laden. Alle Kriege sind beendet, die Soldaten der verschiedenen Lager liegen sich heulend und schmusend in den Armen, in den Swingerclubs wird aus reiner Nächstenliebe gepoppt, vereinzelt huschen noch verquere Querdenker über weihnachtlich grüne Wiesen, die Bullen auf eben diesen beißen nicht, lächeln zärtlich widerkäuend mit großen Augen die Butterblümchen an, die Schafe muhen, Hund, Ochs und Esel blöken im Chor, eine Heerschar von Weiß-Gold gewandeten Englein flöten von Ramstein das Lied “Engel”, ein Baby grunzt in einer trockenen Einweg-Hightech-macht-mich-glücklich-Windel und irgendwo steh ich Querulant unter einer bereits entnadelten Nordmanntanne und brülle in die nächste Krippe: “Alles Frieden, oder was?” Es herrscht wieder Frieden im Land.

Ich komme aus dem letzten Adam-Driver-Gaga-Film, schaue in den Nachthimmel und erkenne … Sterne! Die Sternwolke im Sternbild des Orions. Unweit davon, brilliert die Flamme des Sirius. Ungewöhnlich. In München sieht man das Sternbild nur recht schlecht. Lichtverschmutzung. Haben die hier auf dem Lande keine Schwerindustrie und helle Straßenlaternen?

Das Zelt für den Schnelltest vor dem Supermarkt ist leidlich gefüllt. Er geht wirklich schnell vonstatten. Ins Krankenhaus darf ich nur mit entsprechenden Nachweisen. Pro Patient pro Tag nur ein Besucher für nur eine Stunde. Meine Mutter ist nicht wirklich begeistert darüber. Sie wäre lieber zu Hause statt Weihnachten im Krankenhaus

Geliebte Geliebte, draußen bläst der kalte Wind die Null-Grad-Außentemperatur durch meine Jacke. Es ist ungemütlich. Ich habe mir meine alte Schule angeschaut. Die Säulenreihe. An der sechsten hatte ich immer in der Pause gesessen und schmachtend zu dem kleinen braunhaarig gezopften Mädchen anhimmelnd rüber gestarrt. Und immer wenn sie mich anblickte, hatte ich schnell weggeblickt. Irgendwann hatte sie mich dann ignoriert und ich saß dort mit gebrochenem Herzen. Nun, heute würde mein Verhalten als eine Art “Stalking” klassifiziert werden. Als ich heute vorbeikam, war niemand an den Säulen, der Schulhof war leer und nur der Wind blies. Aber vor meinem inneren Auge wurde es Sommer und ich sah mich dort sitzen, heimlich zur vierten Säule rüber starrend und dabei ein Buch lesend. Auf dem Pausenhof tobten die anderen Kinder, spielten Fangen oder ähnliches, dazwischen der Aufsichtslehrer und ich an der Säule. Und dann spürte ich wieder den kalten Wind und das Bild löste sich vor meinem inneren Auge auf. Ihr Name fiel mir wieder ein und ich fragte mich, was sie jetzt wohl so macht, so vierzig Jahre später. Aber die Antwort interessierte mich nicht. Das Leben ist weiter fort geschritten. Wahrscheinlich ist das 40-Jahre-alte Bild dieses 14-jährigen Mädchens schöner, romantischer, besser als die Realität der Ulrike Schößler von heute. Der Blick in die Vergangenheit verklärt einiges und lässt es in einem mystisch erwärmenden Licht erstrahlen …

Geliebte Geliebte, als ich gestern bei meiner Verwandtschaft war und ich mich mit deren 18-jährigen Sohn unterhielt, habe ich gemerkt, dass ich alt geworden bin. Die geistige Beweglichkeit, die Schärfe seines Geistes, Dinge differenziert zu betrachten, es hat mich zum Schweigen und stillen Bewundern gebracht. Aber es hat mir auch ein Bild einer Familie gezeichnet, welches mir eher wie eine WG erschien statt einer Familie. Wie bei den katholischen Krippendarstellungen. Alles Einzelfiguren, die zusammengestellt werden. Von außen schaut’s aus wie eine Einheit, aber wenn es keinen mehr interessiert, werden die Figuren zu individuellen Einzelschicksalen. Streitbare Individuen.

Im Fernsehprogramm läuft der Roberto-Benignis-Film “Das Leben ist schön”. Ein schön trauriger Film. Oder doch eher traurig schön? Alternativ gab es auch die Filmreihe “Rambo” Eins bis Drei. Frohe Weihnachten. Nun ja. Ich schau mal weiter, was noch kommt.

Bis dahin, gehabt dich wohl, geliebte Geliebte.

Biss denne

Coming home for X-Mas (2)

Geliebte Geliebte,

die erste Nacht in fremden Gestaden war okay. Es war in der Nähe von der ehemaligen Gaststätte “Dicke Weib”. Am Emmerbach. Am See. Diesen verzierte eine dünne Eisschicht. Und am Ufer Schnee.

Schnee, geliebte Geliebte. Das musst du dir vorstellen. Allein die Erwähnung des Wortes “Schnee” führt dazu, dass die ganze Münchner Polizei hellhörig wird. Oder besser geschrieben “würde dazu führen, dass”. Denn die haben erst letztens massenhaft Schnee verbrannt. In München. Bei der Polizei. Schrieben die Zeitungen. Schreibe ich dir auch jetzt. Denn alles andere wäre ja rein undenkbar. Hoheitliche Aufgaben sind auch das Verbrennen von Schnee.

Habe ich dir mal erzählt, dass früher in Rio de Janeiro der Schnee nur ein Privileg der Reichen und Schönen war? Dann zusätzlich das Privileg der Polizei. Und dann das der Unterschicht. Aber du wohnst ja in München. Da gibt es keine Unterschicht. Höchstens Hartz-4-Empfänger. Und in deren Harz-4-Sätzen ist kein Koks mit einkalkuliert, außer das Koks, welches im Hausbrand Verwendung findet. Aber Hausbrand gibt es in Münchener Mietwohnungen eh nicht mehr. Die würden eh auf Kosten der Mieter energiesparmäßig aufgerüstet. Da gibt es Fernwärme und Gas und Heizöl. Alles CO2-konform reguliert. Hausbrand, das können sich nur noch die leisten, die Geld haben und in deren Heim ein Kamin befeuern können. Deswegen können die Kamine der Reichen auch weiterhin mit Holz, Papier und ja, und auch Koks befeuert werden. Es lebe die Demokratisierung des Hausbrands. Und sei es nur die eigene Schnapsbrennerei im eigenen Keller.

Und wenn denn mal ein Haus brennt, dann ist es nebenbei bemerkt kein Hausbrand, sondern eher eine Katastrophe für die Mieter. Oder anders betrachtet ein Beitrag zum Thema “Schöner Wohnen. Danach”. Also ein reiner Versicherungschadensvorfall und ne Arbeitsbeschäftigungmaßnahme für die Feuerwehrleute, die aus Langeweile gerade den neusten klandestinen Hausbrand aus Gustls Schnapsbrennversuchen zu verköstigen.

Geliebte Geliebte, ich war heute an der Düvelseik. Das ist ist regionales Homing-Speech. Auf Deutsch, heißt das Ding “Teufelseiche”. Ein Schaustück knorriger Natur in einem Regionalbezirk, welcher vor paar Hundert Jahren noch feucht und unwirtlich war. Ich traf jemanden, der sich “Dave R.T. Nuckel” nannte und mir eine Geschichte erzählte, die so unglaublich klingt, dass sie auch in den bekannten und  von allen favorisierten Mainstreammedien wie BILD-Zeitung, BILD-TV, WELT oder ntv hätte stehen können, wäre die Story nicht grad mal ein wenig länger als ein herkömmlicher Twitter-Post.

Es ging um eine Spinneleonore, einem Hoho-Mannecken, einem Rentmeister Schenkenwald, einer schwarzen Kutsche mit Mönchen und dem Unaussprechlichen höchstselbst. Ich habe mir die Rechte an seiner Kurzgeschichte gesichert und werde versuchen, diese über einen Buchverlag zu veröffentlichen. Die Erlöse der Veröffentlichung werden uns Wohlstand und Reichtum versprechen. Der Literaturnobelpreis sollte greifbar sein, wenn man mir wohl gesonnen sein sollte..

Und vom geplanten Erlös werden wir dann garantiert eine Reise in ein vom Chiemsee nicht entferntes Etablissement machen können. Zusammen. Gemeinsam ganz enthemmt. Sex pur. Ein Stundenhotel an der Dachauer Straße im Norden Münchens. Sollte dann die Erde beben, die Gegend südöstlich davon dabei flach gelegt werden, dann könnten wir sogar den Chiemsee mittels Ferngläsern vom Dach des Drive-In-Apartments sehen. Was hältst du von dieser Idee?

Geliebte Geliebte, es soll hier auch “Lost Places” geben, also Orte die verlassen wurden und die den Geist von vollprozentigen-Mysteriums atmen. Zwei Flugzeugabsturzstellen. Ein Flugzeug davon musste man aus dem Erdreich erst aus buddeln. Das andere knallte so in die Davert rein. Zwei Kreuze, zwei Tote. Dazu noch ein Schießübungsplatz und verlassene Kasernen. Das hört sich an wie in Bayern Landsberg, wo nicht nur Hitler einsaß, sondern wo auch unterirdische Startbahnen geplant wurden und wo in dessen Frauenwald nur noch die Ruinen davon übrig sind. Ich werde dieser Sage hier nachgehen. Es kann nicht sein, dass so etwas in Vergessenheit gerät, woran sich eh keiner mehr dran erinnert.

Ach ja. Deswegen bin ich ja nicht hier. Heimreise war das oberste Ziel. Mutti besuchen.  Bürgertests durchführen. Lächeln hinter der FFP-2-Maske an Eingängen, damit die eigenen Augen strahlen. Das ist ungewohnt. In Bayern hat mir die FC-Bayern-Armbinde immer gereicht, um Einlass zu bekommen. Mir wurde gesagt, dass das maximal noch hier im Westfalen-Lande in Lippstadt, dem Heimatort vom Ex-Bayern-Vorstand KHR (Karl-Heinz Rummenigge) klappen könnte … nur wenn ich Bayern erwähne, ernte ich immer nur hasserfüllte Blicke.

HG Butzko hatte ich geschrieben. Er wollt mal wieder unbedingt Mettigel, so hab ich sein letzten Beitrag interpretiert.. Auf deutsch, München geht gar nicht. Typisch. Schalke 05  hatte sich doch extra in Liga 2 platziert, weil es dort von schlechten Mettigeln und hundsmiserablen Currywürsten in den Stadien Bayerns sicher war. Mettbrötchen gibt es in München nur als “Mett-Baguette” und die sind so knusprig wie ne Münchner Weißwurst. Und Currywürste in der Allianz-Arena? Darüber schweigt des Sängers Höflichkeit.

Geliebte Geliebte, ich bin nicht hier um Bayerns Glanz und Gloria (auch nicht von Thurn und Taxis) zu polieren, denn dafür gibt es in Bayern eine eigene Abteilung. Ich wollte dir schreiben, wie ich meine Vergangenheit hier aufarbeite. Hier im Westfalenland außer Rand und Band. Hier im Münsterland. Hier als Davertnickel. Geht so etwas überhaupt? Ich gehe in mich und konfrontiere mich mit meiner eigenen vergangenen Leere als schwarzes Loch einer expandierenden vorwärtsschauenden Vergangenheit. Geht das überhaupt?

Bis dahin, gehabt dich wohl, geliebte Geliebte.

Biss denne

Coming home for X-Mas (1)

Geliebte Geliebte,

die Fahrt in so eine weit entfernte Stadt, in der ich mal beheimatet war, ist nicht wirklich ein Vergnügen.

Ich verstehe die Autofahrer nicht. Die Langsamen fahren langsam und behindern mich am Überholen. Und die Schnellen, ja, die drängeln. Immer. Können die  nicht mal ne Minute warten, bis ich den Kleinstwagen-Fahrer vor mir überholt habe? Muss ich denn mit 180 überholen? Es reicht doch auch, wenn die Audi-RS-Fahrer mal für drei Minuten 140 fahren, oder?

Und dann diese Kleinstwagenfahrer mit deren Tucktuck-Mobile, diese Klein-aber-oho-Fetischisten mit einem Ego so breit, dass es von der linken bis zur rechten Leitplanke langt. Ist das hier ne Carrera-Rennbahn, ihr Boomer? Immer wollen die dann überholen, wenn ich von hinten komme und dann bremsen muss. Ja, Herrschaftszeiten, ist das etwa umweltfreundlich? Die können doch auch mal mitdenken und verhindern, dass ich unwirtschaftlich fahren muss. Aber nein, was zählt, dass ist mal wieder deren Freiheitsbegriff. Bruchrechnung. Zählung durch Nennung. Ich zähle nicht. An mich denkt mal wieder keiner. Und wenn dann hinter mir der nächste Audi RS, Porsche, BMW M-Klasse, Mercedes sowieso die Lichthupe zieht, dann möchte ich am liebsten ne Vollbremsung hinlegen, auf dem Mittelstreifen anhalten und dem Knilch in seinem sportlichen Gesches erklären, er solle sich doch bei den Asphaltbasen vor mir beschweren. Aber mir, mir kann man doch die Fahrweise meiner Vorfahren doch nicht anlasten. Da sind doch ganz andere Schuld, dass die deren freie Fahrt als freie Bürger nicht erhalten bekommen.

Ja, geliebte geliebte, man solle doch logischerweise all diesen Kleinstwagen und deren anderen Geschwindigkeitsunwilligen die Fahrerlaubnis entziehen.

Gut.

Vor einem Jahr, als diese Corona-Pandemiebegann, da haben wir alle von “Entschleunigung” geredet. Weißt du noch, wie unsere Mutti mit dem Rollator noch schnell in den Supermarkt wollte? März April 2020.

“Mach langsam, Muttchen, nur keine Hektik. Entschleunige dich mal.”

Gut. Sie war dann stinksauer, weil, als sie ankam, war der Supermarkt bereits drei Minuten zuvor in seiner Ladenschließung-Zelebration. Meine Mutti diskutierte noch mit dem Türsteher, der darüber wachte, dass nur exakt so viele Menschen im Laden sein durften, bis dass die amtliche Strafandrohung greifen konnte. Nur dieser Mensch von Kleiderschrank, schwarz gewandet wie jener Mr. Smith aus dem Film “Matrix”, jener “Homo Erectus”  war ob jener Argumentation, dass sie och nach Klopapier und Nudeln schauen würde,der war unfähig, kompetent zu antworten. Selbst der Marktleiter schaute vorbei und meinte lakonisch “Nudeln und Klopapier? Gerade aus”. Wozu der schwarz gewandete Kleiderschrank anmerkte: “Geradeaus habe ich auch nichts. Aber schau, Muttchen, wenne keine Nudeln zum Kauen hast, brauchste auch kein Klopapier. Verzichte mal auf die Nudeln. Wirste auch nicht fett. Brauchste auch weniger Vitamin D.”. So kam meine Mutter entschleunigt heulend am Rollator wieder nach Hause.

Entschleunigung. Warum fährt dieser Knilch vor mir auch so langsam? Verständlich. In dessen Alter ham die es nicht so sehr mit dem vorzeitigen Exitus. Dem Sterben an sich. Jener hat sicherlich noch 50 Jahre hin, bis dass er in jenes Gras beißt, welche wir Alten ihm erst noch säen werden und jener dann zu einem Wald oder Industriestandort umfunktionieren wird. Ich wette, der wird an einer Straßenkehre beerdigt. Da, wo die Randstreifenbegrünung noch fröhlich Urständ fiert.

Überhaut. Hat sich schon jemand Gedanken darüber gemacht, dass Autobahnen der Hort des Grünen sind? Ein Kilometer Autobahn bedeutet drei Kilometer Grün: jeweils einen Kilometer an den Rändern und einen in der Mitte. Und neuerdings werden Lärmschutzwälle daneben gebaut. Das heißt, ein Kilometer Grün auf der Walloberseite und jeweils einen an dessen Wallhängen. Beidseitig der Autobahn. Macht summa summarum neun Kilometer Grün pro Autobahnkilometer (… na? hat jemand nachgerechnet, ob’s stimmt? …). Warum dann  nicht mehr Autobahnen gebaut werden, um uns Bürgern mehr Grün zu spendieren, versteh ich nicht.

Stattdessen will jeder ein Eigenheim mit Kiesgarten davor. Kiesgarten oder Steingarten. Der letzte Schrei der Häusle-Besitzer. Macht keine Arbeit, lockt keine lästigen Insekten an, welche man dann abends im Hause mit dem ökologischen Bio-Fliegenspray wieder von den Design-Polstermöbel vernichten muss; keine ekligen Nacktschnecken, die nichts finden zum Anziehen, weil im Steingarten keine Blätter gedeihen; keine Einbrecher, die selbst auf leisen Sohlen im Kiesbett (oder Steingarten) Krach machen würden und einem im gesunden Schlaf oder bei der wichtigen Meditation stören würden … ja so ein Kiesgarten, respektive Steingarten, der hat doch auch seine Vorteile. Einfach nur mit dem Gartenschlauch kurz abspülen und weg ist der Dreck. Sauber isses.

Geliebte Geliebte, die Fahrt ist eintönig, es herrscht kaum Verkehr hier auf der Autobahn. In meiner Playlist läuft gerade zum vierten Mal Chris Rea “Driving home for Christmas”. Chris Rea, der alte “Running on empty”-Philosoph. Ich laufe auch gleich auf empty. Nur noch ein Strich auf meiner Tankanzeige. Das Fahrzeug läuft super. Mit Super super. Eins fuffzich hatte der Liter an der letzten Tanke gekostet. Eins fuffzich: genau so wie der Abstand bei der AHAL-Regel. Der Verbrauch des Fahrzeugs ist auch akzeptabel: von 4 Liter bis 15 Liter auf 100 Kilometer ist alles machbar. Inklusive Abstandwarnung.

Lediglich das bordeigene Navi nutze ich nicht. Dann doch lieber die App meines Smartphones. Bei der werden auch die Blitzer vermerkt. Auf Englisch gibt es dann  noch die Stimme vom Weihnachtsmann: “Now, turn right. And ring the sleight bells. Ho ho ho.”

Ho ho ho. Am Anfang fand ich das noch witzig, dieses Ho-ho-ho-Männeken..Gut. Auf der Autobahn meldet sich das Smartphone bislang selten. Kein einziger Blitzer. Polizei in Weihnachtsstimmung. Es wir ein kostengünstiges Weihnachtsfest.

“Guten Tag. Sie wissen, warum wie Sie angehalten haben? Zu schnell, zu dicht aufgefahren, Lichthupe, rechts überholt, Stinkefinger gezeigt, ausgebremst. Das macht 1500 Euro Sofort-Kasse. wir nehmen auch ihr Fahrzeug in Zahlung. Sammeln Sie Punkte in Flensburg? Keine Sorge, die lassen wir Ihnen kostenlos nachtragen. Sie sollen doch auch noch für später etwas haben. Frohe Weihnachten, Merry Christmas. ho ho ho.”

Geliebte geliebte. Ich bin bei Lüdenscheid. Die A45 ist gesperrt. Im Herzen von Merz-County. Sauerland. Siegen hatte ich bereits hinter mir gelassen. Ich erinnere mich an das Lied von Pete Wyoming Bender und sein Anti-Siegen-Lied. das war im November 1981. Das ist schon sechs Beziehungen her.

Mann, Mann, Mann, waren die Einwohner von Siegen angepisst, die männlichen Einwohner besonders: “Nie mehr siegen “ (“ und das als Mann. Nie mehr siegen, ob ich das kann … und ob ich auch siegen will, hat man mich nie gefragt” …) . Pete Wyoming Bender. Lang ist’s her. Ob sich hier noch wer dran an ihn erinnert?

Ich muss jetzt wieder auf den Fahrersitz klettern, den Autopiloten mit der Sprachsteuerung im Menü deaktivieren. Muss leider wieder selber fahren. Das wird jetzt stressig.

Ich schreib dir wieder, wen ich in der Gebrauchsanweisung gefunden habe, wo ich den Autopiloten und seine Sprachsteuerung im Menü deaktivieren kann und ich ihn später wieder aktiviert bekomme. Ich hoffe, 200 km/h erreicht meine Stimme zeitlich noch vorher das Mikro bevor ich am Ziel bin. Einstein hatte da mal gesagt, wo ich mir nicht ganz sicher bin, ob er damit auch bei einem PKW-Autopiloten in seiner wissenschaftlichen Aussage recht hat. Denn damals gab es so etwas ja noch nicht. Den Vordersitz zu erklimmen, wird noch ein wenig dauern. Wird schon alles gut gehen.

Bis dahin, gehab dich wohl, geliebte Geliebte.

Bis denne.

Und überhaupt ist mal wieder alles klar, auf der Andrea Doria …

»Das Schiff sinkt!«

»Und woran möchtest du das bitte festmachen?«

»Das Bug hebt sich!«

»Das ist immer so, wenn ein Schiff beschleunigt. Der sehr starke Heckmotor haut rein, zieht das Schiff durch seine Pferdestärken im Dieselaggregat hinten runter und das ganze Schiff beschleunigt. Eine göttliche Power hat dieser Motor!«

»Aber hinten läuft kein Motor mehr.«

»Vergaseraussetzer. Kennt man doch. Scheiss Ingenieurskunst. Taugt ja alles nichts. Made in Germany war mal erheblich besser. Früher war alles besser. Und nicht so schrottig wie heute!«

»Aber die Leute da vorne, am Bug, die rutschen bereits zum Heck runter!«

»Ja und? Ist doch normal, wenn das Heck unterhalb vom Bug liegt. Das ist physikalisch normal. Dazu braucht es keine Wissenschaftler. Hätten die Leute dort jetzt bessere Schuhe, wäre das denen nicht passiert. Die sind selber Schuld dran, dass die jetzt rutschen und gegen die Wände schlagen.«

»Steuerbord habe ich bereits Wasser reinlaufen sehen.«

»Das Schiff hat Lenzpumpen. Die pumpen das locker weg. Ganz easy peasy locker. Dafür sind die ausgelegt. Zum Trockenpumpen.«

»Aber Backbord …«

»Du musst hier nicht den BigMac markieren, nur weil du ein paar Seemannsausdrücke kannst.«

»Mir egal. Backbord liegt oberhalb von Steuerbord. Ich will zu den Rettungsboten.«

»Es gibt keinen Grund für Rettungsbote. Erst recht keinen Grund zur Panik.«

»Wo sind die Rettungsboote? Auf halb achtern?«

»Angst zu verbreiten ist eine ganz miese Tour von dir! «

»Ich will überleben!«

»Wollen wir doch alle. Oder kannst du mir einen nennen, der nicht leben möchte?«

»Aber du sagtest doch, dass hier nichts untergeht! Stimmst du mir jetzt doch zu, dass wir sinken?«

»Na und? Wenn es um Rettungsboote geht, dann immer zuerst die Nicht-Schwimmer, nicht war. Das erfordert schon der Anstand. Anstand heißt, zu warten, bis alle Nichtschwimmer versorgt sind, wenn das Schiff untergeht. Dann können die Schwimmer, denn die können notfalls auch schwimmen.«

»Aber das Schiff geht doch unter!«

»Quatsch. Bleib gefälligst hier und hör auf Panik zu schieben. Nur weil einige um uns herum unbegründet den Untergang ausrufen?«

»Die ersten sind schon zu den Rettungsbooten unterwegs.«

»Ty-pisch! Immer diese, die alles unreflektiert glauben, statt es zuerst einmal zu hinterfragen! Und statt dann sich zu fragen, wer nicht schwimmen kann, …«

»Du kannst nicht schwimmen?«

»Nein. Also gehört mir zuerst ein Platz in den Rettungsbooten.«

»Aber du hast doch gesagt, dass das Schiff nicht sinkt, sondern nur beschleunigt.«

»Eben. Daher besteht auch kein Grund zur Panik. Wenn alle so ruhig bleiben würde wie ich, dann wäre hier keine Panik. Und man könnte die Rettungsboote im Ernstfall auch noch nutzen.«

»Oh Gott! Der Vorderteil des Schiffs ist abgebrochen! Um Himmels willen!«

»Siehste! Das macht die Panik. Alle sind nach vorne zum Bug gelaufen, weil keiner am Heck bleiben wollte. Der Bug wurde dadurch zu schwer und ist jetzt abgebrochen. Das sind die real existierenden Auswirkungen von Angst und Panik, hervorgerufen durch Menschen, die alles nachreden, was man denen vorredet. Statt sich erst einmal auch mit vernunftbegabten Menschen abzusprechen.«

»Das Schiff sinkt. Ich will zum Rettungsboot.«

»Ty-pisch. Statt erst einmal zu fragen, wer nicht schwimmen kann?«

»Nicht-Schwimmer?«

»Überzeugter! Ich lass mir doch von niemanden sagen, dass ich auf dem Lande schwimmen können muss. Nur weil einige wenige meinen, dass das Überleben im Wasser vom Schwimmen abhängt. Das Überleben im Wasser hängt ab von den anderen Menschen, die einem dann helfen. Niemand muss schwimmen lernen. Und wenn man schwimmen kann und dabei einen Beinkrampf bekommt oder Herzinfarkt oder Schlaganfall oder Krebs und deswegen ertrinkt, was hat es dann gebracht, schwimmen zu können? Schwimmen ist nicht erforderlich, weil es auf dem Land kein Wasser gibt.«

»Aber hier könntest du doch ein Bedürfnis danach haben, oder? Mach hinne, die Zeit rennt auch gegen dich! Renn um dein Leben!«

»Das Bedürfnis schwimmen zu lernen, wird doch von den anderen Menschen hervorgerufen, die dauernd Angst wegen dem Nicht-Schwimmen erzeugen wollen und am liebsten eine Schwimmpflicht hätten. Damit sie in den Schwimmbädern mit Schwimmkursen ein Heidengeld an uns Nicht-Schwimmern verdienen können. Auf unsere Kosten! Für etwas, was nicht über längere Zeit als wirksam überhaupt zu 100% bei jedem Menschen getestet wurde.«

»Soll ich dir jetzt etwa die Grundzüge des Schwimmens beibringen? Oder kommst du freiwillig mit zu den Rettungsbooten?«

»Nun mal keine Panik auf der Titanic. Ich lasse mir von dir doch keine Schwimmstunde aufdrängen, nur damit mir nachher eine Stunde Lebenszeit fehlt. Und außerdem ist es meine freie Entscheidung, in ein Rettungsboot einzusteigen oder nicht.«

»Dann verreck!«

»Moment! Du kannst nicht einfach meinen Platz im Rettungsboot einnehmen! Ich bin Nicht-Schwimmer!«

»Dann lern schwimmen!«

»Bin ich Fisch, oder was? Für sowas opfere ich doch nicht meine Lebenszeit! Das darf ich doch wohl noch selber entscheiden! Oder willst du mir meine Freiheit einschränken?«

»Dann verreck!«

»Ty-pisch! Ty-pisch Spalter! Diese Spalter müsste man ans Kreuz schlagen! Die spalten mit deren Mentalität die Schiffsgemeinschaft und sind Schuld, dass Menschen ertrinken. Nicht weil das Schiff sinkt, sondern weil die uns als Opfer in Kauf nehmen, indem sie uns zur Wahl zwingen wollen zwischen Ertrinken und Schwimmen-lernen! Die wollen uns zwingen, statt uns die freiheitliche Wahl zu lassen.«

»Niemand zwingt dich zu überhaupt zu etwas! Verdammt, das abgebrochene Heck rollt immer stärker! Ich bin dann mal weg, zu den Rettungsbooten! Ciao!«

»Dann hau doch ab zu deinen Rettungsbooten! Und lass uns Nichtschwimmer doch vorsätzlich allein, du asozialer Sack, du! Ich bleib hier. Das hier ist kein Schiffsuntergang. Dafür gibt es keine evidenzbasierten Beweise dazu. Alles wird gut. Alles wird wieder gut! Und ich werde recht behalten. Und euch Panikhansel wird kein Hahn überhaupt ein Kickeriki nachkrähen, wenn ihr in euren Rettungsbooten abgesoffen seid. Denn 10% von diesen ungetesteten Rettungsbooten kentern sowieso. Sowieso. Da! Da hinten, das gelbe Rettungsbott. Siehste! Eine Welle hat es gerade versenkt! Siehst du das, du Schlafschaf, das immer in der Masse schwimmen will, statt selbst mal zu denken?!?  Na. Da hatte ich doch recht. Das Bott ist untergegangen und die Insassen kämpfen jetzt sogar noch um deren Leben. Es gibt keinen Grund für Rettungsboote. Kein Grund. Nicht einen. Die wurden alle nicht getestet. Von wegen Schiffsuntergang! Kellner! Einen Martini-Cocktail, bitte! Aber bitte rühren und nicht schütteln!«

Ein Kellner-Tablett war im Begriff, auf den Holzplankenboden an ihm vorbei zu schlittern. Es trug zwei halb-volle Cocktail-Gläser. Einen Swimming-Pool und einen Martini. Er stoppte das Tablett geschickt mit dem linken Fuß und ergriff beide Cocktails, während der Kellner hinter ihm an ihm vorbei fiel. Der Blick des Mannes mit den beiden Cocktailgläsern in der Hand, fiel auch mich:

»Hey! Hey du! Was machst du da?«

»Ich schreib nur das alles mit. Für meinen Blog. Ein neues Post,« antwortete ich schüchtern.

»Hab ich das erlaubt? Hast du dafür meine Einwilligung? Das ist illegal! Du kriegst Post von meinem Anwalt!«

»Ich dachte, ich könnte weil … das hier ist eine Notsituation und …«

Er bewegte sich mit den beiden Cocktails bedrohlich auf mich zu:

»Notsituation?«

Ich überlegte fieberhaft meine Antwort. Und dann sprudelte es einfach so aus mir heraus, einfach so, während ich alles auf meinem Notebook abspeicherte, es herunterfuhr und in den wasserdichten Seesack stopfte:

»Nun ja, ich dachte, ich schreib mal mit, bevor hier alles voll Wasser ist. Einfach mal, bevor es keiner mehr lesen kann. Als Nachgedanken an die Nachwelt zum Nachdenken. Als etwas Historisches. Heroisches versus feiglinghaftes. «

»Und? Hast du keine Angst? Keine Panik? Willst du nicht das tun, wie hier alle tun?«

»N … n … n …ein, nein.«

Er lachte laut auf.

»Lobenswert! Du lässt dich nicht von der Panik der Masse anstecken und glaubst nichts vom dämlichen Narrativ der Ängstlichen. Von wegen Untergang. Pah! Du bist ein Mann nach meinem Geschmack, mein Bester! Hier, nimm einen Cocktail und lass uns auf das Leben trinken! Und auf diese Panikhansel spucken! PROST!«

Ich nahm den mir angebotenen Swimming-Pool, trank einen Schluck, hustete ein wenig, nahm den zweiten Schluck und danach wurde es dunkel. Absolut finster. Absolutes nichts.

Und so verschwand meine historische Geschichte für die Nachwelt im Orkus des Internets.

Für immer.

Ungelesen.

So war es, ich schwöre.