Alles für den Dackel, alles für den Club, unser Leben für den …

Da hatte es mich doch heuer ganz bös erwischt, da herinnen in München, im heimisch zünftigen Paulaner-Garten. Mir war bereits seit langem klar, dass die Drogenpolitik der Ampel-Regierung einem schwer zu denken gibt. Nachdem Herr von und zu Lauterbach seine neusten Drogenkontrollpläne bekannt gab, da schlug der Puls der Aufregung in Bayern auf neue Bluthochdruckwerte.

So hatte die BILD-Zeitung in die bayrische Staatskanzlei hinein ein Dokument als LEAK aus dem Ministerium vom Herrn Lauterbach verteil. Und dieses Dokument, welches ein Namenloser der vielen BILD-Arbeitsdrohnen klandestin und mit eigens installierter Internetverbindung von den öffentlichen Lauterbach-Ministerium-Internetseiten in mühevoller Kleinarbeit heruntergeladen hatte, dabei jenen Download Bit für Bit konsumierend und dann per Träger über die Staatkanzlei-Tiefgarage in die oberen Regierungszimmer vom Söder hochgebracht, also, dieses Dokument sagte etwas darüber, wie die Abgabe von Bier neu geregelt werden könnte: Der Bierkonsum solle entkriminalisiert und aus den Schmuddelecken der anonymen Trinkerhallen herausgeholt werden. Auf die mit Bier regelmäßig eingeleitete schwere Alkoholsucht sollte proaktiv reagiert werden. Proaktiv heißt, eine kontrollierte und gesellschaftlich verantwortungsvolle Abgabe von Bier wurde anvisiert.

Und weil “verantwortungsvoll” der Aufgabenbereich eines Ministerpräsidenten ist und nicht die eines dahergelaufenen, nicht-bayrischen Kölners mit Ministerposten sein kann, daher hat sich sofort der fränkisch Landesvater in seiner oberbayrischen Staatskanzlei per Twitter gemeldet:

Wir lehnen die Bierkontrollpläne der Ampel ab. 90 Bier im Monat, 3 Bier am Tag – das darf es nicht geben. Wir werden alles tun, das zu verhindern. Wir wollen keine Drogen in Bayern. Wir schützen unsere Kinder und Jugendlichen. #csupt23 #miteinander

3 Bier am Tag? Wie hatte der ehemalige bayrische Ministerpräsident Beckstein erklärt: „Wenn man die zwei Maß in sechs, sieben Stunden auf dem Oktoberfest trinkt, ist Autofahren noch möglich“, sagte Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein von der CSU dem Bayerischen Rundfunk in München. Das Trinkprofil eins Oktoberfest’lers ist am Anfang nur an seine Maß zu nippen und dann am Schluss seines Zeitfensters, Gas zu geben und zu schütten. Das ist weltweit bekannt und gehört zum bayrischen Kulturgut. Lediglich Preußen (- jene FDH’ler des Bierkonsums –) nippen ihr Bier schlückchenweise alle dreieinhalb Minuten und prosten sich dabei auch noch zu, was als harmloser einzustufen wäre, ganz im Gegentum zu dem Trinkverhalten eines bayrisch Traditionsverhafteten bei dessen Bierkonsum beim Starkbierfest oder beim Oktoberfest, welches Sprünge auf der zweifelhaften Karriereleiter einer tragischen Alkoholkarriere sein können.

Aber zurück zum jetzigen Landesvater:

90 Maß Bier im Monat, dass ist schon nicht mehr verantwortungsvoll. Selbst bei 60 Maß Bier im Monat (also zwei Maß Bier pro Tag im Monat mit dreißig Tagen), da ist der Alkoholsucht der Weg schon mit Bierleichen gepflastert. Mit kindlichen und jugendlichen Bierleichen. Das geht nicht. Da tritt der bayrischen Schutzinstinkt ein. Wehret den Anfängen, bevor zu spät ist! Hat schon der Strauß, der Franz-Josef, gesagt.

Kinder und Jugendliche gilt es zu schützen. Keine Macht der Liberalisierung von Bier. Daher war es wohlfeil und positiv gesonnen zu lesen, dass unser bayrische Landesvater diesen Schutz über alles stellt. Notfalls lassen sich ja Kinder und Jugendliche nach dem bayrischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) genau so behandeln wie sogenannte “Klimabkleber”.

Bei Überprüfung der Sachlage und Feststellung der drohenden Gefahr (u.a.a. bei Selbst-Gefahr-dung) kann mit unbefristeten Sicherungsgewahrsams im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Verfassung reagiert werden.

Einfach mal vier Wochen Vorbeugehaft für diese Biertrinker und potentielle Alkoholmissbrauchsstraftäter. Allgemeine Anlässe des Bierkonsums und daher drohende Gefahren gibt es reichlich: Silvester/Neujahr, Karneval, Karfreitag, Tag des deutschen Bieres, 1. Mai, Muttertag, Vatertag, Geburtstage, Abi-Feiern, Schulschluss, Wochenende generell, Frühlingsfest, Internationale Tag des Bieres, Oktoberfest, Tag des österreichischen Bieres, Weihnachtsmärkte, usw. usf. .

Bei bereits in den Polizeiakten geführten “Klimaklebern” ist es denen verboten mit Kleber in der Tasche angetroffen zu werden. Falls, dann geht es gleich wieder für vier Wochen in Vorbeugehaft. Das gleiche sollte für Kinder und Jugendliche in Sachen Bier und Alkohol gelten. Es ist beruhigend, dass sich unser Landesvater Söder in seinem Tweet dazu eineindeutig klar und ohne Umschweife geäußert hat. Das würde man mal gerne von einem Habeck oder der Ampel an sich lesen.

Wie bitte?

Alles falsch?

Ich habe falsch zitiert?

Es geht gar nicht um Bier oder Alkohol?

Söder hatte in Wahrheit über “Cannabis-Pläne” mit über  “90 Joints im Monat, 3 Joints am Tag” gesprochen, als er sich um den Schutz von Kindern und Jugendlichen sorgte?

Ach so.

Dann habe ich mich wohl verlesen. Gott sei Dank.

Ich hab mich schon wundern getan, warum Söder jetzt von Bier als Einstiegsdroge für Alkoholsucht und Alkoholspätfolgen schrieb. Bier ist natürlich nicht schädlich, sondern hat sogar wohltuende Effekte fürs Haar. Darum sieht man den Söder auch immer wohlfrisiert auf Twitter, wie er biergefüllte Krüge auf diversen bayrischen Bierfesten festhält. Bierkrüge zwischen den Fingern, nicht Joints. Bayrische Kultur und nicht Einstiegsdrogen zu einer Suchtkrankheit.

So. Das wär’s von hier aus’m Paulaner-Garten. Ich trink noch mein Starkbier-Maß, zuzle meine restlichen Fränkischen Bratwürste aus und gehe heim in meine Staatskanzlei, zu meinen Dackel und zu meinen Club. Mei Leb’n für an Hund …

Luhja sog i …

Kneipengespräch: Pflegt die Hände schon beim Spülen

»Hömma, was trinkst du denn da? Kein Kölsch?«

»Amarone.«

»Was soll das sein? Ama-was? Das ist doch ein Rotwein, das riecht doch ein Blinder mit Krückstock!«

»Das ist einer aus Italien.«

»Also doch so ne Art Chianti für Arme. Und kein Kölsch? Biste krank, oder wat?«

»Cheffe meinte, für dreifuffzich das Glas passt der ganz gut. Er will ihn loswerden.«

»Dreifuffzich das Glas? Hat der Grippe? Herr Oberspielleiter, haste Grippe?«

»Nee, der hat keine Grippe. Die Flasche ist von seiner Schwiegermutter, aber seit vorgestern hat er sich von seiner Frau getrennt und will nichts mehr, was an sie erinnert.«

Der Wirt brachte zwei Stangen Kölsch herbei, stellte sie ab und schaute fragend: »Willst auch’n Glas Amarone? Ist das letzte. Ging von nem Gast unangetastet zurück. Passte ihm nicht zu den Riewekooche.«

»Riewekooche und Rotwein? Das geht auch wirklich nicht. Zu Riewekooche nur en Kölsch. Danke ich bleib beim Kölsch.«

Der Neuankömmling schaute mich fragend an: »Und wie isset?«

»Joot isset.«

»Dann isset joot. Freut mich.«

Er nahm einen langen, tiefen Schluck aus seinem Kölsch, musterte den runter rinnenden Restschaum in seiner leeren Kölsch Stange, stellte sie beiseite, ergriff sich das Kölsch vor mir, murmelte: »Tschuldige, aber auf einem Bein kann man nicht stehen«, bäuerte unterdrückt und musterte mich erneut:

»Und haste das Endspiel gesehen?«

»Von der ersten bis zur letzten Minute. Und du?«

»Ich nicht. Mein Chefredakteur hatte mich verdonnert, jemanden zu imitieren, der die Fußball-WM aus moralischen Gründen boykottiert. Ich sollte darüber schreiben, wie das so ist, wenn man ein Endspiel verpasst.«

»Und?«

»Normal. Keine Autotorsos, keine Menschen, welche irgendwelche Hauptstraßen blockieren und Menschen ans Weiterkommen hindern, keine randalierenden Fans, einfach nichts.«

»Und was haste statt dessen dir angeschaut?«

»‘Der Nussknacker und die vier Reiche’, ‘Ich heirate einen Prinzen’ und ‘Jauch gegen 2022‘.«

»Bildungsfernsehen, ich verstehe.«

»Absolut. Wusstest du, dass Günther Jauch damals, also noch bevor er, du weißt schon, also als er …«

»Nein, wusste ich nicht.«

»Siehste! Die Privaten kommen dem Bildungsauftrag nach, die anderen haben nur für teuer Geld Fußball eingekauft!«

»Echt. Wahnsinn. Das wusste ich nicht.«

»Nebenbei habe ich noch getwittert.«

»Was denn so?«

»Paar Boomern den Marsch geblasen und Straßenklebern mit dem Strafgesetzbuch gedroht.«

»Echt? Wie engagiert.«

»Und Elon Musk supportet. Der hat bei Twitter ein bisschen feucht durchgewischt und den linksgrünen faschistischen Mob rausgespült. «

»Feucht durchgewischt? Also Mitarbeiter per E-Mail entlassen. ‘Durchwischen’ hört sich so positiv an.«

»Twitter ist Abschaum. Ein Moloch für Lebensversager.«

»Und daher spielen Sie dort mit?«

»Sie etwa nicht? Oder sind Sie etwa einer derjenigen, die Twitter abschaffen wollen. Das wäre Cancel culture!«

»Cancel culture? Nur weil dann eine Plattform fehlen würde, auf der allerlei Unsinn ablaichbar wäre?«

»Sie gehören wohl auch zu der linksgrünen Siffkultur?«

»Mitnichten.«

»Sondern?«

»Ich bin mehr passiver Twitter-Nutzer, folge einigen Accounts bewusst und versuche mich aus Schlammschlachten und Hetzer-Blasen heraus zu halten. Bei Twitter geht allerdings inzwischen die Deppenquote derjenigen mit ADHS-Symptomen hoch.«

»Deppenquote. Soso. Das ist also ihre Art der Diskussionskultur.«

»Die Vollkaskodesperados sind im Kommen. Twitter verkommt zu einem Lautsprecher, zu einem Hohlkörper, wie ein Eisenfass: es macht besonders viel Krach, wenn man es mit groben Werkzeugen bearbeitet und den Krach dann als verkannte Symphonie deklariert. Unter heftigem Getrommel.«

»Soso.«

»Es gibt einen weisen Satz: Energie folgt der Aufmerksamkeit. Energy flows, where attention goes. Solchen ADHS-Adepten werde ich das nicht geben, wonach sie lechzen: Energie, gesaugt aus einer ihnen gewidmeten Aufmerksamkeit.«

»ADHS-Adepten. Sie sind ja voll gebildet, sie kennen sich wohl voll aus. Abitur im Schnelldurchgang gemacht, he?«

»Bekannt ist, jeder Hahn kräht auf seinen Haufen Mist, den er als Mittelpunkt der Welt erachtet. Und weil es auf seinen Mist gut klappt, will er seinen Mist auch bei anderen aufhäufeln, um dort herum zu krähen. Und seit Wilhelm Busch und seiner Witwe Bolte wissen wir, Hähne legen keine Eier (auweia), machen aber lange Hälse, wenn sie gierig nach Ködern schnappen, geben danach ein feines Mittagessen ab, wenn man sie grillend richtig zubereitet. Twitter verwandelt es sich in einen riesigen Haufen Mist und lockt damit krähendes Federvieh mit Weltenmittelpunktsehnsucht an. Für Twitter bleibt mir nur noch eines zu konstatieren: Twitter ist maximal mittel punkt«

Ich atmete durch und pausierte. Dabei registrierte ich, dass der Neuankömmling nicht mehr neben mir stand. Er hat mich einfach ohne ein Wort sitzen lassen und befand sich nun am anderen Ende der Theke und unterhielt sich mit einem vierschrötigen Kerl.

»Sie reden viel, wenn der Tag lang ist, oder?«

Der Typ auf meiner anderen Seite grinste mich an.

»Vielleicht.«

»Was trinkst Sie denn da? Kein Kölsch?«

»Amarone.«

»Wenn’s schee macht. Prost. Ist Amarone Blubberwasser?«

»Blubber-was? Nicht, dass ich wüsste.«

»Blubberwasser. Wasser mit Blasen. So wie die ganze Social-Media-Sache an sich.«

»Auch eigene leidvolle Erfahrungen gemacht?«

Er grinste leicht, hob sein Kölsch sinnierend vor seine Stirn und fuhr fort:

»Social Media ist die Befriedigung der Suche nach Anerkennung. Das kann auch negative Befriedigung sein. Aber Hauptsache Anerkennung. Es ist eine Blasen-Welt, in der man sich wunderbar verlaufen kann, wenn einem die real existierende äußere Welt nicht das zollt, was man sich eigentlich erhofft, was man erwartet.«

»Zum Beispiel?«

»15-Minuten-Ruhm. Wissen Sie, wenn die äußere real existierende Welt stimmig ist, dann kommt es bei Social-Media-Nutzern zu Erschöpfungssymptomen durchs ewige Kämpfen-Müssen, durch Frustrationen mit einer nachfolgenden „Geht mir am Bobbes vorbei“-Haltung. Was interessiert es schon, wenn sich einzelne Individuen darüber echauffieren, dass sie nirgendwo geliebt werden, so wie sie sich geben. Oder sich genau so aufführen. Solche benehmen sich wie Boxer, die in der sechsten Runde schon schwer angeschlagen sind und dann von Runde sechs bis Runde zwölf torkelnd alles boxen, was sich irgendwie leicht vor deren zugeschwollenem Horizont bewegt. Und das ohne erkennbare Ergebnisse. Außer das sie selber kurz vorm Exitus stehen.«

»Kurz vorm Exitus nennt sich heute Resilienz.«

»Resilienz, ja. Und dafür werden sie wie Helden gefeiert. „Per aspera ad astra“ ist der Leitspruch jener. Durch Ungemach zu den Sternen. Sie meinen, mutmaßlichen Respekt in der Währung »Aufmerksamkeit« einzukassieren, koste, was es wolle. Auch wenn der Preis dazu von ganz anderen gezahlt werden wird. Hauptsache in deren Bilanz taucht dieser Saldo-Punkt nicht als Negativum auf.«

»War das jetzt nicht ne Aussage zum Angriff auf die Ukraine, oder?«

»Vielleicht eher zu den Soldaten darin. Dort werden Helden am laufenden Frontmeter produziert. Und jeder weiß, Soldaten sind Helden, auch wenn deren letzte Minute nur aus irre Schmerzensschreie besteht, weil eine Granate deren Eingeweide frei gelegt hat oder deren Herz offen ausblutet. Oder weil deren Hirn durch ein Loch in die Augen läuft. Oder wenn von der Zivilistin auf der Straße nach dem Raketeneinschlag nur noch die roten Stöckelschuhe mit den Fußstümpfen drin auf der Straße übrig bleiben. Dann sind sie Helden. Für eine Nacht.«

Ich musterte den Kerl. Anfangs war er mit noch sympathisch. Nur nachdem er so bildlich das Sterben im Krieg skizzierte …

»Schau mal. Wenn ein Infantino – man muss ihn nicht mögen, überhaupt nicht -, also wenn ein Infantino sagt, dass die westliche Welt vor Doppelmoral strotzt, und darauf die getroffenen Hunde bellen „Das muss ausgerechnet dieses korrupte Arsch sagen“, dann kann man später beobachten, wie diese Getroffenen ihre Hände in Unschuld waschen, in jener Suppe, die von anderen ausgelöffelt werden muss. Und spätestens dann taucht Tilly auf und flötet: „Nein, das ist keine normale Suppe, das ist Palmolive, das pflegt die Hände schon beim Spülen in Unschuld“.«

Ich versuchte für mich seine Gedanken zu ordnen und dachte laut:

»Und immer wenn jemand seine Hände in Unschuld wäscht, ..«

Er fiel mir ins Wort:

»… dann hält bereits jemand anders eine Packung Toilettenpapier mit der Gravur DANKE zum Abtrocknen bereit.«

Der Wirt brachte mir ein Kölsch und räumte mein leeres Glas Amarone weg. Ich nahm einen Schluck. In dem Moment entdeckte ich das kleine Fläschchen “Kleiner Feigling” vor mir.

Hier endeten meine Erinnerungen. Dafür startete wohl der Filmriss in meinem 4K-Movie mit Dolby-Atmos-Sound. Live sucks.

Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (6): Abstand

In den sozialen Medien gibt es kein “Social distancing”. Bekannterweise geht es da ganz undistanziert zu Sache. Käme eine Fee vorbei und würde alle dort ausgesprochenen Wünsche und Verwünschungen wahr machen, wir hätten ganz andere Probleme als Corona.

Bei Twitter finden sich momentan die üblen Verwünschungen unter dem Hashtag “Ausgangsperre”. Und der Hashtag steht momentan auf Platz 1. Und somit ist es eigentlich auch nicht verwunderlich, dass sich Rechtschreibvermögen, was den Hashtag angeht, und Hamsterkäufe für Klopapier entsprechen. Hamsterkäufe offenbaren eine Dummheit, welche offenbar mit der generellen Rechtschreibschwäche für bedeutsame Wörter korrespondiert. Ich hoffe nur, dass ich dieses Post ohne Rechtschreibfehler beende, weil ansonsten mich ansonsten nichts von den #Ausgangsperre-Twitterer unterscheiden wird.

Draußen regnet es. Es ist arg schattig. 3 Grad. Kein Biergartenwetter. Vor meinem Fenster zum Hof gehen die Bauarbeiten für den Neubau weiter. Samstagsarbeit. Da brauch ich keinen Wecker, wenn die pünktlich um sieben Uhr anfangen. Mir war gerade danach die Floskel “pünktlich wie die Maurer” zu verwenden. Aber das stimmt nicht. Da wird nicht gemauert. Da wird betoniert, was die zuvor gezogen Stahldrahtkonstrukte hergeben: horizontal, vertikal, diametral, unilateral. Morgen ist Sonntag. Ruhetag. Dann spielen wieder die Krähen mit dem Baustellenmaterial.

 

Wer wissen will, wie sich Deutschland mit den ersten Ausgangsbeschränkungen generell verhält, der kann hier https://pkreissel.github.io/social_distance/ nachschauen. Der Wert für Münchener Hauptbahnhof (also Busse, Trambahn, S-Bahn, U-Bahn, DB-Reiseverkehr und deren Geschäfte dort und unmittelbarer Umgebung; ermittelt über  die Daten der Android Smartphone-Benutzer, die sich mit ihren Einstellungen von Google tracken lassen) lag gestern bei 27 % (100% bedeutet Vollauslastung) und liegt momentan bei 18%. Deutschlandweit war der Wert gestern 25%, momentan liegt er bei 34%.

Kneipengespräch: Hashtag ‘Umweltsau’

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“Warum heulst du?”

“Ich?”

“Ich sehe da doch Tränen auf deinen Backen ins Kölsch laufen.”

“Ach?”

“Ja.”

Ich nahm mein Kölsch und betrachtete es genauer. Langsam verstand ich, warum es salzig schmeckte. Hätte ich eigentlich selber drauf kommen können.

“Und?”

“Und was?”

“Warum heulst du?”

“Ich habe in meinem Leben nie ein Auto besessen.”

“Nie? Wie? Seit mehr als einem halben Jahrhundert ohne eigenes Auto?”

“Ich habe auch keine Immobilie oder je eine besessen.”

“Nie? Biste Hartz Vier’ler, oder was?”

“Ich verdiene gut, bin Hedonist, keine Kinder oder alternativ Kinder-Patenschaften in der Dritten Welt, weder Frau noch Freundin. So isses.”

“Das ist allerdings ein dicker Hund. Aber es ist doch okay, wenn du schwul bist. Schwule sollten eh keine Kinder haben, denn da fehlt dann immer die Mutter.”

“Was?”

“Ich meinte, es gibt bereits eh genügend alleinerziehende Mütter, welche diskriminiert werden und dabei auch noch inzwischen Oma geworden sind.”

“Wie?”

“Nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen alleinerziehende Mütter. So im Spagat zwischen Kind und Beruf. Eine Scheiß-Situation.”

“Scheiß-Situation?”

“Ja. Nicht falsch verstehen. Nur, das ist doch Kacke. Man überlegt doch vor dem Bumsen, ob ich ein Kind gemacht bekommen möchte, oder etwa nicht? Seit wann gibt es Gummi und Pille, oder? Menschen sollten etwas Bildung haben, oder etwa nicht?”

“Was?!?“

“Boah, du verstehst mich komplett falsch. Diese Frauen haben ja immer auch eine Oma, die dann …”

“Was willst du mir erzählen?”

“Willst du noch ein Kölsch?”

“Was meintest du?”

“Also, du hast doch damit angefangen, dass du kein Auto hast.”

“Ja und?”

“Dann hast du auch keine Oma, oder?”

“Und deswegen bin ich schwul?”

“Hättest du als Babyboomer-Generationsangehöriger, also als Ü50iger, deine eigene Immobilie, deine eigene Frau, deine eigenen Kinder, dann hättest du auch deinen eigenen privaten Generationskonflikt mit den ‚friday-for-future‘-Kiddies. Du verstehst, Pubertätsprobleme. Denn nachher wollen die doch alle sein wie Papi oder Mami. Saturiert und wohl gelitten. Aber du hast dich dem ja wohl entzogen, nicht wahr.”

“Hallo? Ist dein Kölsch mit bayrischem Bier gestreckt? Tringst du Noagerl, oder was? Was erzählst du mir da für’nen verdorbenen Leberkäs?”

“Du hast doch Twitter, oder?”

“Ja.”

“Dann hast du doch auch den seit drei Tagen andauernden Shit-Storm wegen ‘Meine Oma ist ne Umweltsau’ mitbekommen.”

“Hab ich.”

“Und dann weißt du auch, was da gerade abgeht. Umweltsau Oma.”

“Okay, ich gestehe. Deswegen heule ich.”

“Ach.”

“Ja. Weil Omma nicht mit Doppel-M geschrieben wird. So wie es sich für Oppa gehört. Da geht ein Stück Kultur den Bach runter, auf den Rücksitzen der SUVs talwärts. So wie der Germanwings-Flug 9525 in den französischen West-Alpen, damals, direkt nach dem Urlaub.”

“Omma mit Doppel-M?”

“Immer mit Doppel-M. Mamma schreibt man schließlich auch mit Doppel-M.”

“Mamma mit Doppel-M ist aber die Brustdrüse und nicht die Mutter, woll.”

“Mir egal. Omma schreibt man gefälligst mit Doppel-M. Und wenn in ihrem Hühnerstall zuvor mit EU-Förderungsmitteln alle Küken geschreddert wurden, und die restlichen der älteren Geflügel zu Chlorhühnchen oder Brustfilets verarbeitet wurden, dann darf Omma auch im Hühnerstall Motorrad fahren, nicht wahr. Gleiches Umweltrecht für alle.”

Ich atmete kurz durch und fühlte mich ob meiner Argumentation voll logisch. Kurz starrte ich auf mein Kölsch und winkte darauf dem Wirt:

“Oberspielleiter, einmal zahlen, bitte. Kein neues Kölsch, aber Wechselgeld. Und nen Kölsch-Gutschein für meine Omma.”

Mein Nachbar starrte mich an und vermerkte schmallippig:

“Du bist ja nicht wirklich diskussionstauglich. Du hast ja nicht mehr alle. Kein Wunder, dass Deutschland sich abwirtschaftet. Bei der Diskussionseinstellung, die du an den Tag offen legst.”

Ich warf ihm einen scharfen Blick zu, ein Blick so scharf wie eine 50-jährige Rasierklinge halt sein kann:

“Weißt du, diese Twitter-Gockel sind Krähende auf den Gipfeln der eigenen Misthaufen. Und vergiss nie: Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich’s Wetter oder es bleibt wie es ist. Allerdings kräht der Bauer auf dem Mist, dann der Hahn wohl im Urlaub ist. Und momentan ist nur gesichert, dass momentan nur einer keinen Urlaub hat: der Misthaufen.”

Ich legte den Zehner auf den Tresen.

“Wohin?”

“Ich hole meine Mudda aus Dortmund mit nem CarSharing-SUV nach München. Damit Omma und Umweltsau endlich eine Verbindung eingehen.”

“Du bist eine Ü50ige Umweltsau!”

“Du mich auch. Leck mich.”

Ich verließ die postfaktische Diskussion in meiner Kneipe. Die Lust draußen war klar und kalt.

 

Man lernt nie. Aus. (Teil 4)

Was bisher geschah: Teil 1, Teil 2, Teil 3

Freilich hatte das Internet Leute in Brot und Arbeit gebracht. Nirgendwo lässt sich das deutlicher als in Silicon Valey erkennen, wo sich die Spitzenkräfte der Internet-Softwareprogrammierung nieder gelassen haben. Jene verdienten viel Geld, zahlten es auf ihre Bankkonten ein und kauften sich in Silicon Valey Wohnungen. Social-Media-Gewinner. Die Verlierer dieses Booms mussten dagegen deren Wohnungen verlassen , weil sie deren Stadtteilpreise nicht mehr zahlen könnten und dann obdachlos wurden. Sie lebten auf den Straßen Silicon Valeys. Und was machten die Gewinner der sozialen Medien mit ihren Geld auf den Bankkonten? Sozial, edel, hilfreich und gut? Nun, diese Social-Media-Experten erfanden Roboter für die Obdachlosen. Jene Roboter fuhren auf den Gehwegen in der Innenstadt hin und her und sollten sie einen Obdachlosen antreffen, dann stellten sie sich neben dem Obdachlosen und … erzeugten äußerst penetrante und unangenehme Geräusche, damit die Obdachlosen das Weite suchten. Google, Uber und Microsoft sollten zu den Kunden dieser Roboter zählen. Social Media macht sozial. Zumindest für sich selber.

“Die von uns geschaffenen kurzfristigen Dopamin-gesteuerten Rückkopplungsschleifen zerstören die Funktionsweise der Gesellschaft. Kein ziviler Diskurs. Keine Zusammenarbeit. Fehlinformation. Falsche Wahrheiten. Und es ist kein amerikanisches Problem. Hier geht es nicht um russische Anzeigen. Dies ist ein globales Problem.” Chamath Palihapitiya, 2017, ehemaliger Manager von Facebook

Gott hatte sein sozialen Medien zum Zerreißen der Grundlagen unserer Gesellschaft und der Teufel seine Derivate als finanzielle Massenvernichtungswaffen. Die Rüstungsspiralen gegeneinander waren im vollen Gange. 

Zur privaten Entspannung saßen die beiden nun mit dem Sensemann und dem Midas beim Pokern. Midas hatte einen Straight Flush auf der Hand und Gott starrte ihn an.

“Du bist menschlich, Midas.”

“Ich weiß, ich bin ein Scharlatan. Dafür bin ich bekannt. Im Gegensatz zu dir bin ich als Scharlatan ehrlich, mein lieber Gott. Denn wärest du ein Scharlatan, dann wärest du des Teufels.”

“Du sollst meinen Namen, deines Satans, nicht missbrauchen! Da habe ich ein Copyright drauf”, warf der Teufel ein.

“Witzbold”, blaffte Gott den Teufel an, “ohne mich hättest du keine Daseins-Berechtigung, du Herr der Fliegen.”

“Ach ja? Ohne mich gäbe es die Erbsünde nicht, die Schuld, mit der wir die Weltenbürger auf deren Existenz zurecht stutzen”, gab der Teufel leicht säuerlich zurück.

“Und ohne mich, hättet ihr beide überhaupt nichts von euren Weltenbürgern. Die würden ewig leben auf deren Pilgerpfad zwischen Bankkonto und Internetkonto.” Der Tod prüfte mit einer seiner Pokerkarten die Schärfe seiner Sensenklinge.

“Liebster Tod, lass dich trösten. Ich streichle dir das Köpfchen”, Midas reckte seine Hand dem Tod entgegen.

“Fass mich nicht an! Gold ist weniger wert als Likes und Kommentare. Die haben höheren Status. Umsonst ist nur der Tod, kostenlos ist er aber nicht. Den Spruch kennst du doch, oder?” Der Tod zog seine schwarze Kapuze ein wenig tiefer ins Gesicht und blickte zu Gott. “Und du, du mit deiner Idee, deinen Sohn mir zu überlassen, hatte sich bekanntlich nicht gelohnt. Er brachte dir lediglich 30 Silberlinge. Das hatte ich dir schon vorher prophezeit gehabt. 30 Silberlingen reichten halt nicht, die Mehrheit an dem teuflisch systemischen Banksystem zu erwerben. Aber du wolltest ja nicht hören. Jetzt ist dein Sohn genagelt und die Freier dieser Welt nutzen es als Wortspiel.”

“Du bist niveaulos. Gefällt mir nicht. Kein Like. Außerdem besitze ich das Hirn der Weltenbürger, deren Internet”, grummelte Gott den Tod an.

“Dafür hatte ich mit deinem Sohn in der Wüste Spaß”, warf der Teufel feixend ein.

“Ruhe”, donnerte Gott in alter Odin-Manier und nahm sein Blatt hoch. “Mein Algorithmus sagt mir, dass dein Straight Flush, liebster Midas, zu niedrig ist, um zu gewinnen.”

“Vielleicht habe ich doch einen Royal Flush auf der Hand. Vielleicht habe ich vorhin nur geblufft, als ich von Straight Flush redete? Setzt du dein Internet dagegen?” schlug Midas vor.

“Gott, lass dir gesagt sein, nur mal so vom göttlichen Teufel wie mir und nem teuflischen Gott wie dir”, mischte sich der Teufel ein, “solche Karten haben selten Spieler auf der Hand. Zum Schluss gewinnt immer die Bank, also ich. Gehe also nicht all-in.”

“Was ich anpacke, wird zu Gold,” warf der Midas ungefragt in den Raum. “Wenn wir Freunde bleiben sollen, dann sollte es euch gefallen. Und freundlich sollten eure Kommentare ausfallen.”

Gott und Teufel schauten sich unschlüssig an. Midas wedelte ungeduldig mit seinen goldenen Karten und blickte abwechselnd von Gott und zu Teufel und von Teufel zu Gott.

Lediglich der Tod verharrte bewegungslos und unter seiner Kapuze drang nur der Satz hervor: “Egal wie ihr jetzt pokert, am Schluss krieg ich euch beide.”

Im Hintergrund ertönten Hammerschläge. Die Stewardess schaute beängstigt in Richtung Heck Boing 737 Max. Die Hammerschläge hörten sich vielmehr wie Steinkeulenhiebe an. Als ob jemand durch ein Stück Wassermelone mit einer Steinkeule Nägel in ein Holz treiben würde.

Leise pfiff und gurrte als Untermalung der Szene im Hintergrund in g-Moll ein 56-kBit-Modem, die Flugzeugsimulation stockte und auf dem daneben stehenden Herkules-Monitor formierte sich der pixelige Schriftzug “Game over”. Kain war nicht dumm und konnte 1 und 1 zusammen zählen. Kain hatte gelernt. Wütend zog Kain den Stecker.

Aus.

Ende

 

 

Man lernt nie. Aus. (Teil 3)

Was bisher geschah: Teil 1, Teil 2

Aber es gab auch Verräter. Unbotmäßige Mitmenschen, welche sich die Beschuldigung gefallen lassen mussten, im Internet Trollwiesen zu schaffen. Welche angeschuldigt wurden, aus dem Wohlfühl-Areal einer Seifenblasenlandschaft mit Regenbogenstaub und rosa Einhörnern eine Mördergrube zu machen:

„Bei dem Gedankengang, der zum Erstellen dieser Anwendungen erforderlich war, ging es darum: „Wie verbrauchen wir so viel deiner Zeit und deiner bewussten Aufmerksamkeit wie möglich?“ Und das bedeutet, dass wir dir ab und zu einen kleinen Dopamin-Kick geben müssen, eben weil jemand ein Foto, einen Beitrag oder was auch immer gern hat oder kommentiert. Und das wird dich dazu bringen, mehr Inhalte beizutragen, und genau das wird dich einfangen… mehr Likes und mehr Kommentare. Das ist eine soziale Rückkopplungsschleife der Anerkennung … genau diese Art von Sache, mit welcher ein Hacker wie ich kommen würde, weil es eine Schwachstelle in der menschlichen Psyche ausnützt. Die Erfinder und Schöpfer wie ich, Mark Zuckerberg, Kevin Systrom mit Instagram, all solche Leute eben, verstanden diese Schwachstelle bewusst. Aber wir haben es trotzdem durchgeführt.“  (Sean Parker, 2017, Gründer von Napster und ehemaliger Mitgründungspräsident von Facebook)

Gott und Teufel war das egal, ob Mitdenkern im Internet Raum zur Kritik zugestanden wurde. Für beide war jeder im Internet bereits korrumpiert und nicht Ernst zu nehmen. Wer nimmt schon jemanden Ernst, der an dem Ast sägt, auf dem er sitzt. Ganz im Gegentum. Mitmenschen, welche es nur darauf abgesehen hatten, eben die Glückshormonausschüttung zu vermiesen, würden schon von Menschen gemaßregelt und eingenordet werden. Denn es galt weiterhin das alte Steinzeitalter-Gesetz: Willst du nicht mein Bruder sein, dann dann ist die Würde des Menschen bereits vom Kopf an antastbar. Gibst du mir nicht das, was ich mit dem mir angestammten Recht einfordere – also Likes und Kommentare, meinen täglichen Dopamin-Kick, meine Währung im Paralleluniversum – dann werde ich mich dir bar meines Verstandes erkenntlich zeigen.

Als der sogenannte “Arabische Frühling” auf Twitter der Freiheit wegen seine Sternschnuppen-Karriere machte und Twitter in Folge als das Instrument der Freiheit mutiger Individuen abgefeiert wurde, grinste Gott lediglich. Den Menschen war es zu jener Zeit noch undenkbar, dass Jahre später Twitter und sein Dopamin-Belohnungssystem auch von Regierungen massiv systematisch genutzt werden würde. Und nicht nur mittels Twitter entstanden jene Blasen, in welchen Hofnarren-Onanie weitere Dopamin-Kick-Möglichkeiten bereitstellt. Die Anzahl der Twitter-, Instagram-, FB-, Blog-Follower dient als Rechtfertigung und als Rückkopplung zur eigenen Existenzberechtigung im Internet. Der Nutzer giert süchtig nach dem Kick, nach Glücksgefühle. So wie es bereits zuvor in Foren, Blog-Communities und anderen Gemeinschaften Gang und Gebe war. Wer dem “Du bist nicht wie wir, welches wir unser ich ist” entsprach, setzt sich der Gefahr der aktiv betriebenen Ausgrenzung, dem Shit-Storm, aus. Dem Mitmenschen mit der eigenen Internet-Steinkeule zum Blockieren, Löschen, Ignorieren. Gott gefiel es. Blasen waren für ihm keine Konkurrenz, da sie rein technisch waren.

Es gibt ein ganzes Spielbuch mit Techniken, mit denen Sie das Produkt so lange wie möglich verwenden können … . Ob sie [Inhalt erzeugende Menschen] wollen oder nicht, sie formen unabsichtlich die Gedanken und Gefühle und Handlungen der Menschen … . Es gibt immer diese Erzählung, dass Technologie neutral ist. Und es liegt an uns zu entscheiden, wie wir es verwenden. Das stimmt einfach nicht.”  Tristan Harris (2017, Google Produkt Manager )

Doch was kümmern Gott und Teufel jene Rufer in der Wüste, welche eh niemanden niemandem das Wasser reichen können. Besonders nicht in der Wüste, wo es eh kaum Wasser zum Abschöpfen gibt. Menschen können zwar Wüsten zum Erblühen bringen, aber warum sollten solche Menschen gerade mit ihrer eigenen Wüste über deren Augenhöhe anfangen?

Und somit klinkte sich der Teufel in die Vermarktung ein. Er streute Verdienstmöglichkeiten. Jedes Mal, wenn Nutzer der Social-Media-Plattformen dann um deren Verdienst an Likes und Geld fürchten, dann regen sich diese Nutzer und brachten sich selber mit ihren Beiträgen ein, um die Befriedigung an Likes und Geld sicher zu stellen. Ansonsten verrichten sie nur das Werk jenes Antipoden, der seine Erde zurück haben wollte.

Und jenes Werk geht weiter. Gott erschuf Algorithmen. Die Menschen folgten den Algorithmen wie Schafe ihrem Schlachter zur Schlachtbank. Standen Wahlen an, dann sagt der Wahl-O-Mat, ob man aufgrund seiner Antworten eher ein Wähler der CDU/CSU, SPD, Grünen, AfD, FDP, Linken oder der MdB wäre. Algorithmen erklärten, ob der Regenschirm sinnvoll am Arm baumelte, ob der Eisprung termingerecht eintrat oder ob der vorzeitige Samenerguss in Korrelation mit Mondphase, Kussfrequenz und Aszendenten stand und wo man gegen die Mondphasen Super Kamagra unerwischt einkaufen konnte. Der Mensch denkt, der Algorithmus lenkt. Der Mensch dachte, Gott und Teufel lachte.

Der Algorithmus diktierte Menschen das Leben auf der Suche nach dem Glück. Die Lottozahlen für nächsten Samstag. Die Wahlergebnisse der nächsten EU-Wahlen. Wir können uns gerne darüber in einem Restaurant über dieses Thema uns weiter vertiefend unterhalten. Kennst du ein gutes Restaurant? Nicht? Lass uns mal unter TripAdvisor, Foursquare oder Yelp schauen und Bewertungen vergleichen. Oder ich kenne einen Blog, der empfiehlt gutes. Und irgendwann führt urplötzlich am Karfreitag der Weg in ein Haus, in dem aus Hunderten von Kehlen in g-Moll intoniert “Oh Haupt voll Blut und Wunden” erschallt. Trauriges Lied gesungen mit glückseligen Gesichtern, weil ein Algorithmus versichert, der Typ dort am Kreuz kommt in paar Tagen eh ungeschunden davon.

Der Algorithmus unbestechbar, logisch, alternativlos: “Wie alt bist du?” “Über 50.” “Hast du ein Haustier?” “Nein.” Wollen deine Kinder keins?” “Ich habe keine Kinder.” “Was sagt denn deine Frau dazu?” “Ich bin nicht verheiratet.” “Schwule Sau!” Wieder was gelernt.

Oder man sitzt per Algorithmus in einem Flieger Richtung Düsseldorf, weil einem das Navi geraten hat, dem Verkehrschaos am Kölner Ring zu entgehen, und hört dann den Piloten zuvorkommend und höflich die Passagiere fragen, ob sich jemand mit dem neuen Board-Computer-Software der Boing-737-Max auskenne. Und in der letzten Reihe sitzen Gott, Tod und Teufel und pokern mit Midas um das Leben der Stewardess am Versorgungswägelchen mit den Sektflaschen.

Fortsetzung folgt

Man lernt nie. Aus. (Teil 2)

Was bisher geschah: Teil 1

Mit diesen zusätzlichen Zutaten klappte es schon ganz gut. Selbst die ungewöhnlichste Sucht der Menschheit, welche ihm damals die Erde gekostet hatte, verfeinerte er: die Sucht nach Freiheit. Das Dogma der Freiheit wirkte stärker als alles zuvor. Tod oder Freiheit. Freiheit statt Sozialismus. Freie Fahrt für freie Bürger. Freiheit als Ismus. Als Liberalismus. Liberté, Égalité, Fraternité. Freiheit, Gleichheit und – frei übersetzt – willst du nicht mein Bruder sein, schlage ich dir den Schädel ein. Gezeichnet im Namen Kain versus Abel.

Als höchste Ausdrucksform etablierte sich in der Gesellschaft das Dogma der “Demokratie”. Mit deren Steigerung der “freiheitlichen Demokratie” als demokratische Freiheit. Der Teufel ahnte, was ablief und versuchte gegen zu steuern. Er erschuf Götter und Gotteskrieger. Und in der nächsten Stufe Deregulierer und Deregulierungskrieger gegen Götter und Gotteskrieger. Darüber konnte Gott nur in seine geballte Faust lachen. Denn der naive Apfelbaumbank-Belzebub hatte Gottes gewitzten Schachzug übersehen, den jener bereits bei der Schöpfung des Menschen in den Menschen wie ein Samenkorn angelegt hatte. Gott hatte in der menschlichen Psyche eine kleine Schwäche eingebaut: immer wenn dem Menschen etwas gefällt, führt dieses zu einer Glückshormonausschüttung, welche Suchtmechanismen auslösen. Der Mensch sucht nach dieser Glückshormonausschüttung, er hechelt förmlich danach, eine Gefallensbekundung zu bekommen. Erhält er diese nicht, wird er aggressiv und destruktiv, greift zur Steinkeule und brät seinem Mitmenschen eine über. Der Dopamin-Kick als Antrieb zur sozialen Interaktion. Und das Samenkorn wurde zum Sämling, erblühte und trug Früchte.

Der Teufel erahnte diese Schwäche zum ersten Mal, als Menschen anfingen, andere Mitmenschen systematisch zu vernichten, sich dabei distanzierend von anderen abkapselten und dabei geschlossen Glück empfanden. Hitlers Holocaust und Porajmos, Stalins Großer Terror, Maos Großer Sprung, Pol Pots Killing Fields, Trumans Hiroshima und Nagasaki, Mladićs Srebrenica, Ruanda, die weltweiten Pogrome der Rechtsextremen, all diese führten zu Glückshormonausschüttungen bei deren Befürwortern. Und es waren derer nicht wenig, welche sich danach glücklicher und zufriedener fühlten als vorher.

Der Teufel sah Gottes Werk anfangs ohnmächtig zu und wollte dann auch seinen Beitrag leisten. Mit systematische Finanzkrisen – organisiert über die Spiel- und Wettsucht der Menschen – strebte er danach, die Herrschaft über die Menschheit zurück gewinnen. Jedoch sah er, dass sein Wirken eben nur des Teufels Beitrag zu Gottes Werk war. Schlimmer noch: er sah seinen Ruhm schwinden. Denn Gott hatte etwas anderes gestartet, systematisches, welches Teufels Beitrag nun mal eben verschwindend gering erscheinen ließ: Gott war dabei, das Paralleluniversum zu schaffen, um wieder der angestammte Besitzer seines eigene Sonnensystems zu werden. Er hatte dem Menschen geholfen, ein riesiges Netz untereinander zu schaffen.

Menschen saßen vor elektronischen Bestandteilen und ließen sich von diesen in ein Paralleluniversum saugen, um dort ihren Dopamin-Kick zu bekommen. Der Mensch nennt es “sozial”, denn er definierte sich trotz aller Kriege, Massaker und Morde als soziales Wesen. Und weil der Mensch seit Boulevard, Radio und Fernsehen ins mediale Zeitalter eingetreten war, erweiterte der Mensch das Wort “sozial” um das Wort “Medien”, einfach weil es erheblich sozialer klingt.

Der Teufel erkannte zu spät das Teuflische an Gottes Plan. Und Gott amüsierte sich über des Teufels ungläubigen Staunen ob seines göttlichen Plans: er hatte ein Universum geknüpft, in dem sich die Menschen wie in einem Fischernetz verfangen sollten. Dem Menschen hatte er das Netz auf der gleichen heimtückischen Weise verkauft, so wie die Spinne der Fliege weis machen möchte, sie stricke ihr einen Pullover.

Der Mensch gab dem Universum den Namen “Internet” und definierte es als Zufluchtsstätte seiner Sehnsüchte. Der Mensch wollte sich darin mitteilen dürfen, wie es ihm gefalle. Und aus diesem unendlichen Meer des Universums “Internet” kristallisierten sich Inseln heraus, Blogs, Foren, Communities, und bildeten Gemeinschaften, die sich dem Dopamin-Kick verschrieben hatte. Dem simplen Dopamin-Kick mittels Gefallen-Bekundungen. “Daumen-Hoch” und “Gefällt-mir” als neue Währung. Das Goldene Kalb, um dem herum zu tanzen sei, um Glück zu erfahren.

Fortsetzung folgt

Man lernt nie. Aus. (Teil 1)

Am Anfang stand die Steinkeule und ein Mensch der seinem Mitmenschen damit in dem Augenblick eine übergebraten hatte, als er den anderen als Bedrohung empfand.

Gott blickte in seinen Garten Eden und fragte den Kain, wo denn Abel wäre, worauf Kain kurz angebunden auf die Rechtsabteilung seines Managements “Adam&Eva Gesellschaft mit beschränkter Haftung” verwies. Gott wurde sauer ob der justiziablen Antwort und verbannte Kain umgehend des Garten Edens. Kain reagierte unverzüglich, informierte sein Management und das trat sofort in Aktion: Gott erhielt eine Rechnung in saftiger Höhe wegen unbegründeter Kündigung von 510 Millionen Quadratkilometer paradiesischen Wohnraums mittels vorgeschobenem Grunde einer ungerechtfertigten Eigenbedarfskündigung. Begründung: Gott sei weder verheiratet, noch habe er Kinder oder andere bucklige Verwandtschaft, weswegen eine Eigenbedarfskündigung nicht nur haltlos, sondern dem Kläger zu dessen erheblichen finanziellen Nachteil auf dem irdischen Mietmarkt unzumutbaren Zuständen aussetzen würde. Wert der Klage: umgerechnet 75 Schekel pro Quadratmeter plus Anwaltskosten.

Als Gott angesichts der zu erwartenden Strafzahlung bei der paradiesisch teuflischen Bank direkt neben seinem gepflanzten Apfelbaum nach einen Kredit zur Zahlung der Rechnung anfragte, erhielt er mit maliziöses Lächeln den Rat, die Erde lieber gleich an das treuhändlerische “Kain-Adam-Eva Konsortium” abzutreten. Zumindest vorübergehend, also gewissermaßen temporär. Schweren Herzens löste Gott nun die Erde aus seinem heliozentrischen Sonnensystem heraus und überantwortete sie der geozentrischen Verantwortung der Menschen. Per Pachtvertrag über deren Lebenszeit für Luft und Liebe als Pachtzins. Ohne Inflationsausgleich.

Trotz allem gelang es Gott, in dem Vertrag noch eine Klausel einzuschmuggeln, welche ihm garantierte, den Klumpen kosmischen Drecks zurückzuerhalten, würde er es schaffen, auf der Erde ein Paralleluniversum zu gründen. Ein Paralleluniversum, welches den Menschen völlig in dessen Abhängig zwingen würde.

Der Teufel lachte dazu nur dreimal kurz und einmal trocken, baute sein Bankensystem aus und machte es für die Erde systemisch, indem er derer Banken viele gründete. Der Kitt, der alles unlösbar verknüpfte, war das einzige weltbewegende Wort, welches wie ein dicker Felsen über den Mariannengraben schwebte und alle Existenzen darin hinunter ziehen konnte: “Geld”. Denn sollten die Menschen an seine Bankenflechte rütteln, würden sie ihre Existenz aufs Spiel setzen. Denn ohne Geld lief bald schon gar nichts mehr. Noch mehr lachte der Teufel, als die Menschen erkannten, wie sehr die scheuernden Ketten um deren wunden Fußknöcheln eben mit dieser Felsenkugel untrennbar verbunden waren. In Folge wurden die Menschen demütig und opferten vieles – Glück, Liebe und Leben –, damit sie nicht eines Tages auf den Grund jenes Mariannengrabens aufwachen würden, weil sie des Kitts nicht mehr hatten. Der Kitt war für sie der Leim des Lebens, auf dem die Menschen gingen.

Nur Gott gab sich längst noch nicht geschlagen. Immer wieder setzte er seine eigenen Ideen dagegen, um dem Teufel das Leben schwer zu machen. Er konstruierte Weltreiche und lies darin eigene Regeln und Philosophien erschaffen, um sie nachher mit einem Handwisch hinweg zu fegen, wenn sie dem Teufel zu sehr auf dem Leim gingen. Immer wieder bedrohte er das Geldsystems des Teufels mit eigenen Strategien. Irgendwann jedoch nahm er Abstand von national orientierten Lösungen. Gott dachte nachhaltiger und globalisierte seine Strategien. Sein erster Versuch war die Tulpenmanie im Goldenen Zeitalter der Niederlande. Der wurde aber zu einem Schlag ins Wasser. Es gelang ihm noch nicht, die Menschen vom Geld zu entfernen. Er modifizierte daher seine Strategie und eines seiner ersten Meisterwerke war dann, als er es mittels der britischen East India Company schaffte, von Europa aus Millionen von Menschen östlich des Fruchtbaren Halbmondes in Drogenabhängigkeit zu versetzen und sie so in deren Drogenrausch dem Bankensystem zu entziehen. Was er jedoch nicht bedachte, dass die Einnahmen aus dem East India Company Drogenmonopol dem Bankensystem westlich des Fruchtbaren Halbmondes zugute kamen. Mit dieser Erkenntnis holte Gott zum vernichtenden Gegenschlag aus. Wenn schon nicht die Opiumsucht im Osten nicht die Lösung brachte, dann weitere Süchte in stetiger Kombination. Opium für das westliche Volk angerichtet mit den Zutaten Religion, Alkohol, Tabak, Spiele, Fernsehen, Sex für jedermann. Die Erde sollte endlich wieder in seine Gewalt kommen.

Fortsetzung folgt