Enthüllung: Wenn der Gerd dem Markus ungewollt eine steile Vorlage gibt …

Es gibt Sätze, die gehen einfach in Pressemitteilungen einfach so unter. Zum Beispiel diese beiden:

»Auch die Öffentlichkeit ist laut der Stadt herzlich willkommen. Es gibt einen Bierausschank.«

Aha, so so. Die Öffentlichkeit ist willkommen.
Wer ist die Öffentlichkeit? Die Biertrinker. Denn es gibt einen Bierausschank. Für die Öffentlichkeit.
Wo muss sich die Öffentlichkeit hinwenden, um am Bierausschank ein Bier zu trinken? Nach Bayern halt. Warum? Das erklärt der Satz, der vor den beiden oben zitierten Sätzen steht.

»Außerdem kommt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).«

Verstanden. Bierausschank und außerdem Markus Söder. Seines Zeichens Bayerns Ministerpräsident. Mit geklammerter CSU dahinter. Anderen Menschen außer Söder würde man deren Titel »Dr. jur.« (Doktor der Rechte, also der akademische Grad eines Doktors im Bereich der Rechtswissenschaften) voranstellen. Beim Söder nicht. Da wird die CSU hinten drangeklammert.

Also, um das „Herzlich Willkommen« der Stadt der Öffentlichkeit gegenüber am Bierstand schlucken zu können, sollte man einfach mal einem Ministerpräsident Deutschlands folgen. Dem Bayrischen selbstverfreilich. Bayerns Ministerpräsident. Dem Söder Markus. Von der Bayrischen Staatskanzlei (dem »Straußoleum«) aus startend. Dem Söder mit seiner hinten an ihn dran geklammerten CSU folgend. Folgen. Ja. Einfach nur mal folgen. Weil, denn das wird Folgen haben, wenn der Söder mit seinem hinten dran geklammerten bedeutenden Buchstaben. Ein Autokorso der Öffentlichkeit dem Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, einfach folgend und so findet die Öffentlichkeit zum Bierausschank. Prost.

Was so ein »Herzlich Willkommen« der Öffentlichkeit gegenüber nicht alles an einen Rattenschwanz an Auswirkungen hinter sich herziehen kann. Denn wo Rattenschwänze sind, findet oftmals auch ein Rattenrennen statt. Im Oxford-Englischen wird so etwas gerne als »rat race« bezeichnet. Das ist eine Art Redewendung, um sich auf die Situation in der modernen Gesellschaft zu beziehen, in der Menschen miteinander um Geld und Macht konkurrieren. »Rat race« war auch der Titel eines Films von Jerry Zucker aus dem Jahr 2001 (mit John Cleese in einer der Hauptrollen, findet sich auf YouTube auch als ganzer OF-Film), der im Deutschen ganz frei mit »Der nackte Wahnsinn« übersetzt wurde.

Der nackte Wahnsinn ist es auch, dass Markus Söder in den letzten Monaten immer dort zu finden ist, wo immer auch ein Bierausschank stattfindet. Das Gillamoos-Bierfest in Abensberg (begleitet von einem anderen Ministerpräsident, dessen Name wüst klingen mag, aber für NRW state of the art ist), das Oktoberfest in München (wieder begleitet von einem anderen Kommunalpolitiker, dessen Name eher an einen Ausübenden bei Pferdesportarten erinnert), die Einweihung einer Hopfenextraktionsanlage in Train (Landkreis Kelheim) oder halt wie morgen Nachmittag die Enthüllung einer Bronzestatue und dann am Abend direkt eine weitere Rede auf dem Festakt »150 Jahre Familienbrauerei Schneider Weisse« im Stammhaus der Brauerei in München halten …

Wer ist die Öffentlichkeit? Die Biertrinker. Und die sind immer willkommen. Denn nur beim Biertrinken lässt es sich so richtig gut bierselig södern.
Södern? »Södern« könnte locker als ein eingetragenes Markenzeichen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) durchgehen. Seit dem Kreuzerlass für Bayerns Bürostuben durch Herrn Dr. jur. Markus Söder (Bayerns Ministerpräsident + CSU) wird »Södern« wie folgt definiert: das Betreiben von Symbolpolitik und von populistischer Politik, in der Hoffnung, bei zukünftigen Wahlen mehr Stimmen zu erhalten.

Und wann sind die nächsten Bayernwahlen, bei dem der jetzige Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auch der zukünftige Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sein möchte? Richtig. 2023. Bis dahin fließt noch viel Wasser der Isar runter. Und Bier aus Bierausschänke in Kehlen der willkommenen Öffentlichkeit als Begleitmusik zu bierseligen Vorträgen eines Herrn Dr. jur. Markus Söder mit hinten angeklammerter CSU. Einer CSU, die auch dem Söder nicht hinten einfach vorbei gehen wird. Trotz Klammer.

Und worum geht es morgen bei der Statuen-Enthüllung?
Es wird eine Statue für den berühmten Gerd Müller enthüllt.
Keine Sorge, es handelt sich nicht um den ehemaligen Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) aus Krumbach (ebenfalls CSU). Sondern es geht um den im letzten Jahr verstorbenen Fußballer, den »Bomber der Nation« Gerd Müller. Und die Statue wird in dessen Geburtsstadt Nördlingen (ebenfalls CSU) von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU; was sonst?) enthüllt. Falls es jemand vergessen haben sollte, Gerd Müller starb infolge einer Alzheimer-Erkrankung. Also der Fußballer ist gemeint, nicht die CSU in den Klammern.

Wo ein Wille, da ein Weg. Wo eine Öffentlichkeit, da ein Bierausschank. Wo ein Bierausschank, da ein Söder.

Wo ein Söder, da ein Bier.

Und diese Enthüllung – also mal ehrlich ganz unter uns gesprochen -, das ist keine Enthüllung. Denn Enthüllungen sind sowas von völlig nebensächlich.

An dieser Stelle sei jetzt mal genug für die CSU gesödert.

Und was schrieb Markus Söder (CSU) zum Thema „Drogen“ am 1. November 2022 auf Twitter:

Die Legalisierung von Drogen ist einfach der falsche Weg…

Stimmt, er meinte damit alle Drogen außer Bier, Schnaps, Wein, Tabak und CSU-Veranstaltungen. Denn es kann nicht sein, dass einem Bayer (oder Franken) jemand das Wasser reichen kann. Bier muss es schon sein. Zwangsweise. Sonst ist Bayern nicht mehr Bayern sondern ein Fall für Cancel Culture. Bier eine Droge? Söder ein Drogenbefürworter? Niemals!

Was meinte Nina Hagen schon 1980 dazu (aus „African Reggae„):

Sie sind nämlich hinter dir her, Du alter Kiffer
Dabei geht Ihre Geschellschaft am Alkoholismus zugrunde,
Aber dich jagen sie – DICH!

Und was sagen wir dazu? Prost!

Kneipengespräch: Zwischen Salzgebäck und Bier (2)

DSC00267“Sach mal du, bei all der Begeisterung für unser Kölschgespräche hier, die du hemmungslos im Internet veröffentlichst wie beim letzten Mal (hier), ich muss dich mal was fragen: Findest du nicht auch, dass man in deinem Blog nicht mal auch so aktuellere Themen bearbeiten sollte? So etwas wie den neuen SPD-Kanzlerkandidaten der SPD zum Beispiel.”

“Den neuen SPD-Kanzlerkandidaten der SPD?”

“Wo ist jetzt genau dein Problem?”

“Na, also, na, im Unterschied zum Humor in Deutschland, also der neuen SPD-Kanzlerkandidaten der SPD … wie soll ich das jetzt auch sagen. Du stellst mir aber auch Fragen. Herrgottnochmal, so zwischen Salzgebäck und Bier, also ehrlich …”

“Aber jetzt mal ne persönliche Frage: wovon fühlst du dich mehr bedroht? Vom Olaf Scholz oder dem alten Trinkspruch?”

“Du meinst den, wo man das Kölsch in einem Zug leert, dann rülpst, sich dann mit dem Daumen der rechten Faust auf die Stirn drückt, ‘Scholz’ ruft und dann sein Gegenüber ein Stirnklatscher versetzt?”

“Feuer, Eis und Dosenbier.”

“Schulz!” (hier)

“Falsch. Nicht der Martin, sondern der mit dem O. Der Olaf, der Scholz, der Olaf Scholz. O. O. O. Nicht ‘u’. Du hängst der Geschichte vier Jahre hinter her! ‘O’ statt ‘U’! Der andere Vokal ist nun dran.”

“Echt?”

“Echt.”

“Aber das Kölsch schmeckt immer noch so wie vor vier Jahren.”

“Hm.”

“Zeitmaschine?”

“Eindeutig. DeLorean würde ich sagen.”

“Ich dachte, dass wäre das Auto der anderen. So mit Flux Kompensator und mit Lottoheft in der Hosentasche.”

“Du redest von der FDP?”

“Nein, ich rede von ‘Zurück in die Zukunft’.”

“Okay. Piratenpartei.”

“Eher Republikaner.”

“Echt?”

“Nö.”

“Stößcken.”

“Prost.”

“Wo eine Kölschstange, da ein weg.”

“Wo eine volle Stange, da eine Leere.”

“Wo eine Leere, da ein Wille. Oberspielleiter, mach mal zwei neue!”

Der Wirt schaute kurz auf, räumte die geleerten Stangen weg und stellte zwei frisch schäumende Stangen Kölsch auf deren Deckel.

“Was ist das Bedeutendste für dich in den letzten sechs Monaten?”

“Meine Scheidung. Und deine?”

“Am letzten Freitag, den 13ten, füllte ich einen Lottoschein aus. Am nächsten Tag wurde gezogen und danach hüpfte ich Lotto-King-Karl-gleich durch die Straße.”

“Wie viel?”

“Zwei Träger Augustiner Bier inklusive Pfand im Sonderangebot. 34 Euro.”

“Kein Kölsch?”

“Ich söder halt mal gerne.”

“Ich söder, du söderst, er, sie, es södert, wir södern, ihr södert …”

“Genau, Ihr södert. Södern tun immer die andern.”

“Der hat seinen Nordseeurlaub abgesagt. Zu viel Söderismus im bayrischen Gesundheitssystem. Einfach zu latschert der Söderismus in Bayern.”

“Echt jetzt? Das Öcher Prentejeseech hat Bayern durch die Hintertür intubiert?”

“Hast du gesagt, in den Arsch gekrochen? Niemand benötigt Sauerstoff in den After zum Überleben gepudert.”

“Rektal gepudert? Hab ich gesagt?”

“Nö.”

“In NRW gab es Corona-Zentren wegen Billiglohnkräfte in der Schlachtindustrie.”

“Böse, böse, böse. Geht gar nicht. Genozid an den Tieren. Bestraft halt die Natur.”

“In Bayern gab es Corona-Zentren wegen Billiglohnkräfte in der Gemüseindustrie.”

“Böse, böse, böse. Geht gar nicht. Weil Genozid der Natur am Menschen, äh, also, … ich meine, … Zufall … Besteht da ein Zusammenhang zwischen Veganismus und Karnivorentum? Fleischfresser und Hildmann sind doch die Leuchtfeuer des Anti-Pazifismus, oder“

“Weiß man’s? Ich sag nur eins: södern erklärt alles und macht alles unwichtiger.”

“Dein Kölsch geht zur Neige.”

“Der Krug geht zum Brunnen …”

“… bis er nachbestellt. Herr Oberspielleiter! Zweimal Durststiller aus Köln, bitte!”

“Du, ich habe festgestellt, dass Durst antipropotional zu Heimat ist.”

“Heißt?”

“Je mehr Heimatgefühle, desto weniger Durst.”

“Hä?”

“Genau.”

“Ach so. Durst bindet.”

“Ja. Brauerei-Prinzip. Durst ist schlimmer als Heimweh.”

“Berger-Logik.”

“100 Jens-Punkte für den Nachdenk-Kandidaten. Das ist doch mal einen Schluck aus dem Promilleglas wert, oder?”

“Wolln ma exen?

“Unsere Stangen?”

“Und das Bäuerchen?”

“Jedes geextes Bierchen, sein tönendes Pläsierchen. Et kütt wie et kütt.”

“Na denn. Ex, hopp und weg. … Schulz!”

“Scholz, du Depp!”

“Mein Daumen schmerzt. Ich glaube, ich hab mir gerade beim ‘Schulz’-Rufen den Daumen an der Stirn gebrochen!”

“Echt? Willkommen in Club der linken Knochenbrecher. Warum sollte es dir besser gehen als der SPD beim Kanzlerkandidaten-Ernennen. Solange nur der Daumen bei Hoch-zeigen bricht und nicht beim Hinweisen auf Nachdenkfehler … Also drum! Prostata!”

“Wohl wahr. Deiner Worte sind ein Exen einer Stange würdig. Also, Prost.”

“Auf Söder, Scholz und Schneewittchen, welche durch den Kuss von einer der beiden erlöst werden will.”

“Lass doch mal die Politik hinter Wegs hier.”

“Geht auch ein unpolitischer Zungenkuss?”Dreigestirn

“Okay, ausnahmsweise, aber nur ohne viel Speichel und mit Gesichtsmaske. Auf das Kölsche Dreigestirn vor uns. Voll, halbvoll und ganzganz klitzekleinwenig voll. Statusreport einer Diskussion. Prost.”

“Dito!”

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Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (2): Extreme-Corona-Beergardening

Alois Hingerl – Dienstmann Nr. 172 am Münchner Hauptbahnhof mit göttlichen Ratschlägen an die Bayerischen Regierung als Brief in seiner Tasche – führte sein Weg am 18. Mai 2020 aus der himmlischen Quarantäne einer alten Gewohnheit gemäß herunter zum Münchner Hofbräuhaus. Und er fand seinen Stammplatz wieder, fand den Stammplatz leer, die Kellnerin, die Kathi, kam auf ihn zu … und er b’stellte sich a Maß … und b’stellte sich noch a …

Kathi reichte ihm einen Kugelschreiber und Zettel. Stumm, aber bestimmt deutete sie Alois an, dass er darauf seinen Namen, seine private Telefonnummer und ebenfalls seine voraussichtliche Verweildauer im Hofbräuhaus-Biergarten eintragen müsse, bevor er überhaupt irgendetwas bestellen könne.

„So – hmhm – ja, wann kriag na i wos z’trinka?“

Kathi tippte enerviert energisch auf den Zettel. „Sie werden Ihr Manna schon bekommen“ und drückte dem Alois den Kugelschreiber in seine Hand.

“Waas? Z’trinka kriagat i überhaupts nix? Mei Liaber: a Manna hat se g’sagt, a Manna kriagat i! Mei Liaber, da wennst ma net gehst mit Dei’m Manna, gell, den kennts selber saufa, des sag i Eich, aber i trink koan Manna, daß Di auskennst!“

Kathi schüttelte ihren Kopf und meinte lediglich:

„Ja, was ist denn das für ein Lümmel“,

ließ darauf zwei private schwarzgewandetet Sicherheitsdienstmänner (Nr. 42 und Nr. 98) den Alois packen und raus aus dem inneren Biergarten des Hofbräuhaus vor die Tür des Hofbräuhaus schleppen. Dort stellten ihn beide ab und gaben ihm noch einen Schubs.

“Ja, sagen Sie mal, warum plärr’n Sie denn auch da herinne so unanständig?”, merkte Nr. 42 kopfschüttelnd an und zog seine schwarze Gesichtsmaske ein wenig höher über seine hohe, weiße Nase.

“Mit dem können wir hier nichts anfangen”, stimmte ihm Nr. 98 zu und nahm dem Alois den Kugelschreiber und den unausgefüllten Antrag auf eine persönliche und nicht übertragbar eingeschenkte Maß ab.

“So hat denn auch jene liebe Seele ihre Ruhe”, flachste Sicherheitsdienstmann Nr. 42, maß mittels Zollstock sicherheitshalber den Sicherheitsabstand zwischen allen drei Beteiligten aus und bewegte sich 23,81 Zentimeter von seinem Kollegen Nr. 98 nach rechts.

Alois Hingerl – Dienstmann Nr. 172 am Münchner Hauptbahnhof und eingedenk seines Auftrages, einen göttlichen Brief zu überbringen – sank vom Schlag getroffen zu Boden und verstarb nun endgültig.

Und so wartet Söder – mit 1 Meter 50 Sicherheitsabstand zu seiner Vernunft – bis heute weiterhin vergeblich auf göttliche Eingebungen.

frei nach nach einer Geschichte von Ludwig Thoma (1867 – 1921)

Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (1): Letzte Neuigkeiten

Eff Fünf. Eff Fünf ist die Taste des Lebens. Im Internet. Oberste Tastaturreihe mit dem genannten Buchstaben und der entsprechenden Ziffer. “F5”. Ich drücke und du aktualisierst dich. Du Browser. Fast wia im richtigen Leben.

“F5”, “F5”, “F5”.

Aber je mehr ich die Taste drücke, desto größer der Frust. Der Browser aktualisiert sich zwar, aber neues kommt dabei nicht rum.

“F5”, “F5”.

Ich steh auf, geh raus (weil, Ausgangsbeschränkung ist ja nicht mehr), steige in die U-Bahn, fahre zum Odeonsplatz, schreite vorbei an die Corona-verwaisten Stühle der Gastro-Location “Tambosi” (Übersetzung für Nicht-Münchner: “Bussi-Bussi-Social-Meeting-Platzl”), lustwandle durch den Hofgarten auf die bayrische Staatskanzlei zu und gehe zum Hintereingang.

“Zum Söder, bitte!”

Der Pförtner schaut mich auf seinen Monitor wohl streng an.

“Termin? Besuchserlaubnis? Autorisierung?”

“Ich war sein Wähler!”

“Kann jeder sagen”, schallt es aus der quäkenden Gegenanlage zurück.

“Nein, das kann nicht jeder sagen”, korrigiere ich den unsichtbaren Sicherheitsbeamten, “Das kann nur ich sagen. Denn nur ‘ich’ bin ich und das kann ich belegen! Das kann garantiert nicht jeder. Oder die PAs sind generell für den Hugo.”

Ich halte meinen Personalausweis vor der Kamera.

“Kann ich jetzt zum Söder?”

“Sind Sie angemeldet?”

“Freilich! Ich verfüge über einen festen Wohnsitz in München und das KVR hat bei meiner Anmeldung meine Adresse. Steht aber alles auch auf meinen PA.”

Ich drehe meinen Personalausweis und halte meine Meldeadresse in die Kamera.

“Mit ‘angemeldet’ war ein Termin gemeint. Sie sagten, Sie persönlich hätten Söder gewählt. Das ist falsch. Sie selber können den Söder nicht gewählt haben. Sein Wahlkreis ist nicht München, sondern der ist Nürnberg-Ost. Sie haben eine Falschaussage getätigt.”

“Okay, okay. Aber mit meiner Zweitstimme …”

“Das behauptet jeder.”

“Ich habe doch schon nachgewiesen, dass ich nicht ‘jeder’ bin. Was verlangen Sie denn noch von mir?”

“Den bayrischen Staatshinzugehörigkeitsausweis, bitte.”

Ich krame aus meiner Brieftasche meinen weiß-blauen Ausweis hervor, öffne ihn und halte jede Seite einzeln in die Kamera.

“Soso, einen bayrischen Staatshinzugehörigkeitsausweis hat der auch”, höre ich die Stimme undeutlich murmeln. Und dann deutlicher: “Ich bedaure, der Herr Söder ist gerade im Keller der Staatskanzlei und huldigt mit seinem Kabinett am Ehrendenkmal vom GröBaz Franz-Josef Strauß. Wie jeden Morgen. Kommen Sie morgen wieder.”

“Morgen? Oder später?”

“Morgen. Oder später.”

“Und ist er dann da?”

“Morgen.”

Neben der Eingangsklingel sehe ich einen kleinen Knopf. Darunter ein noch kleineres Schild, darauf winzig kleine Buchstaben. “Eff fünf” kann ich mühsam entziffern.

“Ha!”, lache ich innerlich auf und drücke instinktiv auf den Knopf. Die Welt wird kurz dunkel und baut sich darauf pixelweise Zeile für Zeile erneut auf. Etwas türmt sich hinter mir auf. Einen kurzen Blick hinter mir und ich sehe einen frisch frisierten kurzhaarigen einsneunundvierziger Hühnen mit brauner Jacke, rosa Krawatte, weißes Hemd und spitzbübigem Gesicht, dessen Augen mich scharf fixieren.

“Kann ich Ihnen behilflich sein?”

“Herr Söder! Na sowas, dass ich Sie mal persönlich treffe, hier an der Staatskanzlei!”

“Ich arbeite hier. Und wenn Sie jetzt bitte mal zurücktreten würden, ich muss zur Arbeit.”

“Herr Söder, Augenblick bitte, ich wollte Sie etwas fragen, Herr Söder.”

“Pressekonferenztermine erfahren Sie bei meinem Pressereferenten per Anfrage mittels Email. Akkreditierung nur mit Ausweis.”

“Herr Söder, wir brauchen ein neues Bay-i-eff-ess-gee.”

“Ein was bitte?”

“Ein neues Bayerisches Infektionsschutzgesetz. Bay-i-eff-ess-gee ist die Abkürzung dafür, die von ihrem Ministerium dafür verwendet wird.”

“Und warum brauchen wir ein neues?”

“Weil ein neues immer besser ist, als das alte. Wer aufgehört hat, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.”

“Aha, ein Spruch aus der Automobilindustrie. Wer schickt Sie? Frau Quandt? Oder Dr. Herbert Diess?”

“Herr Söder, die Lage ist ernst! Besorgte Bürger erwarten für morgen einen Impfzwang und das passende Gesetz dazu. Enttäuschen sie diese nicht. Sonst müssen jene ihre Aussagen korrigieren und das macht alles nur komplizierter.”

“Sie sind ja ein ganz ausgeschlafenes Bürschchen. Wer hat Sie denn denn aus Zwangsjacke entlassen? Gehen Sie mal wieder nach Hause, nehmen Sie Ihre Pillen und lassen Sie mich dafür meine Politik machen, okay?”

Ein Türsummer ertönt, er drückt an die Tür und verschwindet im Innern. Mein Blick fällt erneut auf den “Eff Fünf”-Knopf. Zögernd hebe ich meinen Zeigefinger und bewege ihn auf den Knopf. Der Knopf fühlt sich so gut an, so kupfern, so glänzend, so kalt, so machtvoll, so richtig nach social distancing.

“Finger weg!”, schnarrt es aus der Gegensprechanlage. “Unterstehen Sie sich! Ich gebe Ihnen fünf Sekunden, sich umgehend zu entfernen. Ansonsten wird unser spezielles Spezial-SEK-Team zur Gefahrenabwehr sich binnen fünf Sekunden vom Dach herab abseilen und Sie wie ein Schluck Wasser einkassieren. Fünf.”

“Ich wollte doch nur …”

“Vier.”

“Hören Sie bitte …”

“Drei.”

“Ich dachte …”

“Zwei.”

“Also …”

“Eins.”

Ich drücke den Knopf. Einmal, zweimal, dreimal, viermal, mehrmals. Wie im Wahn. Eff Fünf, Eff Fünf, Eff Fünf, Eff Fünf …

Eine weibliche Computerstimme schnarrt: “System thread exception not handled. System service exception. Watchdog violation. Das System wird neu gestartet. Bitte warten. Das System wird neu gestartet. Bitte warten.”

Pause.

Der Morgen ist blau, der Himmel lau,
Alle Theorie grau,
Grün des Lebens goldner Bau,
Genau, jetzt ganz schlau
Nen Kakao.
Spaghetti.

Ich fahre zurück nach Hause, hocke mich vor dem Computer, rufe die Seite “Bayern.Recht” auf, drücke zur Kontrolle Eff Fünf und starre auf die Seite, wie sie sich neu aufbaut.

Im Deutschlands Süden bei Südosten nichts Neues.

Wir warten.

Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (45): Maikäfer, flieg …

Die wichtigste Erkenntnis vom Tage: Der Berliner Hauptstadtflughafen wird wohl nun doch geöffnet. Dumm nur, dass jetzt kaum Passagiere kommen werden. In München werden Start- und Landebahnen gesperrt und nur noch ein Terminal betrieben. Der Berliner Flughafen Tegel bereitet eine vorübergehende Schließung des Flughafens vor. Zu wenig Betrieb. Damit die drei Flughäfen demnächst nicht von spontanen Tourismusströmen überrannt werden, wurde die weltweite Reisewarnung vom Auswärtigen Amt bis Mitte Juni verlängert.

Bayern wurde ausdrücklich nicht in dieser Reisewarnung einbeschlossen. Söder hat ja bereits erklärt, Bayern könne nichts dafür, dass es solche Nachbarn wie Italien und Österreich habe, wo sich das Virus ungehemmt sich beim After-Ski unter Deutschen vermehren konnte. Dumm nur, dass die vielen kommerziellen Starkbierfeste in Oberbayern hot spots zur Vermehrung der Pandemie waren und aus traditionellen geschäftlichen Gründen nicht abgesagt wurden. Heinsberg war da nur ein kleiner hot spot. Die Umgebung Rosenheims ist sehr stark betroffen. Out of Rosenheim ist die Welt überhaupt nicht in Ordnung.

Söder gilt als Macher. Laschet eher nicht. Dumm für die Nordrhein-Westfalen, dass sie nicht so feierwütig wie die Bayern sind. Karneval war nicht wirklich das Gegengewicht, welches den Virus in Laschet-Sektor so verbreiten konnte, wie das Feiern in Bayern beim Söder. Daher hat Bayern auch ein schärferes Infektionsschutzgesetz als NRW. Und den rigideren Bußgeldkatalog. Das mögen die Deutschen. Deshalb steht Söder auch so hoch in deren Gunst.

Im Fernsehen werden zu möglichen Geisterspielen zwei Experten gefragt: der eine ist arg adipös und wird einen Ball vor seinen Füßen garantiert nicht sehen können, der andere ist Schauspieler, der mal einen Fußballspieler geschauspielert hat. Der fehler ist offensichtlich. Deutschland hat umgerechnet 80 Millionen Trainer, aber niemand läd diese in eine Talk-Show ein. Meiner Meinung nach ein ganz großes Versäumnis …

Draußen regnet es. Ein Gruß der Natur an die Dürre. Regen bringt Segen. Kommt’s ungelegen? Bald ist wieder Feiertag. Vielleicht haben die Maikäfer wieder ne Chance zu fliegen und nicht wie üblich bei den 1.-Mai-Feiertagswanderungen zu Tode gestreichelt zu werden …

Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (40): Fußball und unser Leben

Wir brauchen neue Fliegzeuge. Fliegzeuge, welche den tausendfachen Tod transportieren können. Nein, keine SARS-CoV-2-Streubomben für Frankreich, England, Grönla … wie? Andere Richtung? Rußland? Okay. Richtig. Ich hab die Feindbildorientierung bei mir ein wenig schleifen lassen. Am Jahresanfang hieß das Feindbild ja noch Brexit, aber heutzutage ist das ja auch nicht mehr so sicher.

Es soll um etwas anderes gehen. Wir brauchen neue Fliegzeuge. Hier geht es darum, dass diese Fliegzeuge im Ernstfall in Deutschland stationierte US-Atombomben zum Ziel fliegen können. Dafür braucht es Flugmaterial. Und das alte Tornado-Material taugt nicht so recht. Denn es besteht die Möglichkeit, dass unsere Maschinen in Rammstein starten und dann mit den Massenvernichtungswaffen in Berlin an der Spree abstürzen … und außerdem hat Boing gerade eine Mega-Mega-Krise: erst stürzen deren Flieger ab, jetzt auch noch deren Börsenkurs. Also braucht es amerikanische Militärmaschinen ( – Trump und Boing wird es uns danken – ), damit  diese Air Force mit amerikanischer Atombombenfracht nach amerikanischer Art gegen amerikanische Widersacher drohen kann. Die NATO-Bündnistreue verlangt diese Fähigkeit. Wer was anderes glaubt, gucke mal bei Recep Tayyip Erdoğan nach, wenn wir ihn militärisch unterstützen.

Für diese NATO-Bündnistreuenfähigkeit werden mehr als 10 Milliarden Euro benötigt. Keine Angst, das sind Peanut-Zählchen. EIn Schnapper in Taleman&Söhne-Zeiten. Dieses Schnäppchen wirdd mit nicht eingekauften CoVid-19-Tests und mit SARS-CoV-2-Forschungsgeldern kompensiert. Dazu kommen zusätzlich noch aus die 150-Euro-Strafgelder von nicht getragenen Mund- und Nasenmasken in Geschäften und Nahverkehrsmittel, die perfekte Gegenfinanzierung. Das heißt, jeder der offen sein Gesicht in den Überwaschungskameras der Geschäfte und ÖPNVs zeigt, hilft der Annegret Kamp-Karrenbauer bei der Finanzierung ihrer Fliegzeuge.

Das ist jetzt natürlich nicht offiziell, aber Ministerin in Finanzierungsnot sollte keinem Mitbürger am Allerwertesten vorbei gehen. Denn nur offene Gesichter haben nichts zu verbergen. Auch keine 150 Euro in der Geldbörse.

Nichts zu verbergen? Da ist noch die DFL. Diese Balltreterzusammenschlußorganisation würde auch mal gerne wieder fliegen. Von Rasen zu Rasen. Damit deren Betriebsangestellte wieder einem Fußball hinterher flitzen können, sind Hygiene-Maßnahmen bei den Spielen und rund um eine Spiel-Veranstaltung erforderlich. Diese hat die DFL für jeden Menschen einsehbar hier (pdf-Datei) veröffentlicht.

Nun, da Entscheidungen gemäß Pro oder Kontra eines Spielbetriebs immer auf Landesebene getroffen werden, sind diese von den jeweiligen Landes-Chefes abhängig. Unter anderem auch von einem Ministerpräsidenten Kretschmer. Der hat auch gleich sich ins Studium der (oben verlinkten) pdf-Datei gestürzt. Nur, dabei muss er wohl arg tief gestürzt sein. An ihm rauschte die pdf-Datei wohl komplett vorbei. Trotz allem meinte er in der Talk-Show mit Herrn Lanz, dass das Konzept des DFL überzeugend sei, denn wenn ein Spieler CoVid-19 positiv getestet werde, würde gleich die ganze Mannschaft in Quarantäne genommen. Dass der werte Herr Kretschmer nicht lesen kann, will ich ihm keineswegs unterstellen. Lesen kann er wohl. Allein mit dem Verstehen mag es hapern. Denn die DFL wird allein den positiv getesteten Spieler in Quarantäne schicken, ohne es – gemäß dem Konzept – der Presse mitzuteilen. Das hat der Herr Kretschmer in der Lanz-Talkrunde als nicht verstanden dargelegt.

Also, man stelle sich folgende Situation vor. Ein Balltreterverein, namens Rasenballsport Bayern aus München, so ein Verein pölt gegen irgendeine andere unwichtige, namenlose Mannschaft. Und dann kommt es zu folgendem Verhängnis: Niclas Süle pfählt seinen Gegenspieler eiskalt mittels einer sauber getimten Abwehr-Blutgrätsche auf Schienenbeinhöhe, es kommt zur unübersichtlichen Rudelbildung verschiedenster, allesamt unschuldiger Spieler, danach, von Joshua Kimmich wird der Süle-Niclas aus dem gebildeten Rudel heraus gezogen, der Schiedsrichter belässt es nachsichtig der Wiederholung aus den Kellern von Köln bei einer gelben Karte, und beim nächsten Spiel sind dann Niclas Süle und Joshua Kimmich nicht dabei. Wird der Trainer Hansi Flick darauf sagen: “Die haben Rudelbildung ohne Gesichtsschutz auf dem Rasen betrieben. Das geht ganz und gar nicht. Deshalb habe ich die beiden jetzt im Trainingszentrum an der Säbener Straße fürs Wochenende als Green-Keeper eingeteilt” und Sachsens Herr Ministerpräsident Kretschmer wird am Fernseher verstehend Niclas eingedenk nicken und auf seinen stämmigen Schenckelchen Applaus patschen? Das steht zu befürchten. Lesen kann er ja, aber mit dem Verstehen steht zu befürchten …

Zu befürchten ist dann auch, dass an die 30 Tausend CoVid-19-Test für den verbleibenden Spielbetrieb gebraucht werden. Das ist jetzt kein Problem. Die generieren sich aus den Tests, welche man von den Leuten nimmt, welche wegen fehlendem Mund- und Nasenschutz straffällig geworden sind. Eben jenen auch noch wegen deren Maskenboykott einen CoVid-19-Test zu gönnen, dieses wird sogar einen der Ewig-Gerechten, diesen deutschen Pseudo-Avengers von Söder bis Kretschmer, als Verweigerungsgrund garantiert noch einfallen. Jene Straffälligen werden dann in Bayern pro forma gleich 14 Tage in Quarantäne genommen. Natürlich plus der 150-Euro-Strafgebühr. Wir brauchen ja Annegrets Flieger, nicht wahr.

Wie? Das geht nicht? So etwas lässt das Grundgesetz nicht zu? Da kennt ihr aber das bayrische Polizeiaufgabengesetz, kurz PAG genannt, nicht. Bei Gefahr im Verzug und Bedrohung der persönlichen Unversehrtheit geht alles. Von Söder lernen, heißt siegen lernen. Da guckt sie aber, die AfD, ein wenig pikiert, woll.

Und wenn dann immer noch paar mickrige Milliönchen Euros fehlen, um den Liga-Betrieb der Fußballmannschaften zu sichern, dann gibt es ja die Fernsehgelder. Geisterspiele ist das neue Zauberwort. Es mag für den Zuschauer am heimischen Fernsehempfangsgerät ein wenig fad erscheinen, ein Fußballspiel ohne akustischem Stadionzuschauer-Live-Ton zu sehen. Aber bei den TV-Sitcoms oder bei Dieter-Nuhr-Live-Shows hat der TV-Glotzer ja auch nichts dagegen, wenn das Lachen und Klatschen per Konserve eingespielt wird. Also kann das auch bei Geisterspielen durchgeführt werden. Wenn ein Tor fällt, Jubelschreie aus der Konserve. Oder bei Rudelbildung empörte Pfiffe und Pfui-Rufe. Auf der Playstation klappt das ja auch.

Apropos Rudelbildung: Der Leser möge im Hinterkopf behalten, Rudel ist nicht gleich Herde. Also, das Wort Rudelimmunität gibt es noch nicht. Das mag seltsam erscheinen, denn bei Torjubel scheint oftmals sehr wohl so etwas wie Rudelbumsen angesagt zu sein. Aber von Herdenbumsen hat bislang nie jemand etwas gehört. Wohl aber von Herdenimmunität. Zur Erklärung: Eine Herde besteht beispielsweise aus vielen Schafen, die man beispielsweise rasiert oder schlachtet. Wenn das durchgeführt wurde, dann sind alle aus der Herde immun. Mit einem Rudel klappt das nicht. Hunde leben gerne im Rudel und Hunde, die bellen, beißen. Wuffmäh.


Nebenbei noch etwas zu der Lanz-Talkrunde (ZDF; 23-April-2020):

Der Herr Karl Lauterbach sprach sich gegen Fußballspiele aus. Er meinte, das wäre das falsche Signal an die Jugendlichen, die dann meinen könnten, die Corona-Krise wäre bereits Vergangenheit und dann würden alle bisherigen CoVid-29-Maßnahmen entwertet werden. Irgendwie hat es mich bei dieser Bemerkung gegruselt. Die Jugendlichen werden sicherlich nicht diejenigen sein, die dann alleine eine “alte Normalität” wieder annehmen. Herr Lauterbach sollte sich mal in seiner Altersgruppe und darunter umschauen. Jene nicht-jugendlichen Altersgruppen werden es mit den Maßnahmen genauso wenig ernst nehmen wie die Jugendlichen. Sie setzen die Maßnahmen jetzt schon genauso ernst oder unernst um wie alle Jugendlichen auch. Eine Differenzierung nach Altersklassen braucht es dabei nicht. Das ist spaltend. Generationenkonflikt benötigt keinen weiteren, der diesen verschärft.

Meine Meinung.

Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (36): Es herrscht wieder Frieden im Land

Der heutige Innovationspreis geht an eine CDU-Politikern aus Berlin im Kanzlerinnenamt. Mit der Entdeckung des bislang noch ungenutzten, völlig brachliegenden Begriffs “Öffnungsdiskussionsorgien” hat sie allen Wortschöpfungen der letzten Zeit den Rang abgelaufen.

Begründung für die Verleihung des Preises:

  • Orgien” sind bei dem derzeitigen Abstandsgebot von Einsfünfzig und dem ebenfalls geltenden Kontaktverbot nicht machbar. Selbst Swingerclubs haben geschlossen, also gehen “Orgien” erstmal überhaupt nicht.
  • Öffnung” steht einer Forderung nach der Implementierung von “geschlossenen Gesellschaften” (Familie, Singlehaushalten, Seniorenheim-Ghettos) diametral entgegen.
  • Und “Diskussionen” sind in Zeiten von “Regieren per Erlasse” absolut zu unterlassen.

Sie hat sich somit den Wortschöpfungspreis redlich verdient. Wer jetzt noch diskutiert, hat den Ernst der Lage nicht erfasst.

Herr Söder hat das Heft des Handelns (wider der “Öffnungsdiskussionsorgien”) wieder an sich gerissen und verteidigte somit in Westdeutschland erneut seine Position als der “Macher Nummer 1”. Für uns hier in Süd bei Südost heißt es somit: Mund-Nasen-Schutz ab nächsten Montag ist Pflicht in Geschäften und öffentlichen Nahverkehr. Denn man merke, nur wer sich bedeckt, hat nachher das Potential, sich erst richtig öffnen. Da mir Bayern Ende der 80iger bei der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf beigebracht hat, dass, wer seine Meinung offen äußert, auch offen sein Gesicht zeigen soll, werde ich an dieser Stelle mir meinen Mund-Nasen-Schutz mit den weiß-blauen Rauten auf die untere Gesichtshälfte befestigen. Auf der oberen Hälfte hab ich bereits die weiß-blauen Augenbinden, mit der ich mich schon seit Jahren wie “Justitia” fühlte. Wenn ich mir jetzt noch die Ohrenstöpsel einsetze, dann bin ich die Wiedergeburt der drei Affen mit anderen Mitteln. Nichts sagen, nichts sehen, nichts hören.

Die “Tracing App” (nicht tracking app) wird erst einmal nichts. Da stellen sich doch einige Unverbesserliche dem entgegen, unglaublich, nicht wahr, dass man diese bei Infizierten und somit jene in deren unnützen Leben nicht rausfiltern kann. Weil man die Daten nicht zentral lagern und mit Backdoors für unsere geheimen Dienste versehen möchte. Es geht doch um unser aller Wohl, woll. Und wenn ich dann die Daten mit der Kameraüberwachung verheirate, dann kann ich doch locker alle Gefährder und andere Spötter dieser Maßnahme enttarnen. Und das wollen einige Unbelehrbare verhindern? Na warte, der BND (Bayrische Nachforschungsdienst) wird die auch noch erwischen und dann gibt’s saures. Machen diese Aufsässigen doch das ganze nachhaltenden Forschungsprojekt in der Krise zunichte …

Ach ja, es ist freilich alles notwendig. Absolut. Ich rede nicht dagegen an. Keine Widerrede. Denn wir wollen ja alle ein R0-Wert von knapp unter 1, nicht wahr. Denn dann besteht eine gute Chance, dass im nächsten Winter die nächste Infektionswelle durch das Land weht. Ein R0-Wert unter 0,4 würde zwar zwei bis drei Monate alle auf dem Zahnfleisch gehen lassen, aber dann wäre die zweite Welle eher vermeidbar. Ist aber zur jetzigen Zeit unvermittelbar. Und auf Zahnfleisch gehen, das wäre schlimmer, als im Winter 2020 eine Bevölkerung mit einem weiteren LockDown gnadenlos zu demoralisieren und das Weihnachtsgeschäft unterm Weihnachtsbaum zum Egotrip von Schmalhans Küchenmeister zu machen.

Und jetzt ein ganz und gar ketzerisches Wort: “Oktoberfest”. Uh! Das musste mal gesagt werden! Das will doch keiner! Nicht wahr. Geht gar nicht. Bier trinken, lustig sein, rumknutschen, im Dirndl und Trachtenjanker Kinder frei schnackselnd zeugen und dabei dann eventuell analytisch … wobei, wenn das Oktoberfest nicht statt findet, dann bleibt uns Münchnern doch erheblich mehr Bier. Das ist doch toll! Freibier! Damit es nicht in den Fässern verkommt. Ja, um es einerseits eigenhändig euch Nicht-Münchnern sehendes Auges wegzusaufen, und um es andererseits den Politikern in Deutschland zu reichen. Oder ist da wer, der glaubt, den Politikern in Deutschland das Wasser reichen zu dürfen? Na also.

Und das Bier, welches bei den Geisterspielen der Bundesliga (mit Video-Schiedsrichter im Kölner Keller) nicht vom Trainerstab der beiden Mannschaften und DFL-Offiziellen im Stadion versoffen wird, geht auch nach Bayern. Quatsch, nach München! Dafür erhalten die Fußballmannschaften aus unseren Kliniken 10.000de von den als Mangelware deklarierten Covid-19-Test. Na? Ist das kein Deal? Prost!

Ich kauf mir jetzt einen Mund-Nasen-Schutz, den ich großzügig vom Halsansatz bis unter die Augen ziehen kann. Damit gehe ich am nächsten Montag in die Bank meines Vertrauens und versuche nuschelnd “Hey, tu mal Knete. 100 Flocken von Konto meinem, hey” abzuheben. Dann zähle ich brav die Minuten, bis dass das SEK Bayern mich als Banküberfall-Verdächtigen die Arme bis zum Knochenkrachen auf meinem Rücken verbiegt.

Mund-Nasen-Schutz. Augenbinde. Und dann folgerichtig noch der Stirnverband. Gegen aufkommende Kopfschmerzen. So soll es sein. So soll es werden. So wird es immer sein. Pax populi. Tunc non habes nisi.

Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (30): 35 qm Deutschland

31 Einträge bislang. Ein Monat später. Liest das überhaupt noch wer? Außer Rupi?

Was hat diese Blog-Serie aus mir gemacht? Was hat es aus allen gemacht? Wo stehen wir? Wo gehen wir hin? Wie oft muss man sich solche Fragen in Blogs durchlesen?

Basis dieses Blog-Eintrags: Prunotto Bansella. DOCG. 2017. 750 ml. 14,5% Vol.

Die Baustelle baut. Das Wetter wettert. Der Himmel himmelt. Die Krise kriselt. Die Wohnung mit Aussicht sichtet aus. Draußen dunkelt es dunkel.

Die monatlich bereinigten Arbeitslosenstatistiken, wie jeden Monat. Die monatlich unbereinigten CoVid-19-Statistiken wie immer. Trau, schau, wem du Expertenmeinung zugestehst.

Nach der Veröffentlichung der LEOPOLDINA-Papiere herrschte auf Twitter das Meinungschaos. Die Wischi-Waschi-Ansicht als pure Meinungsansicht gelesen in Auszügen. Oder über Drittquellen. Es hatte die Mehrheit der Twitter-Gemeinde blasenübergreifend erreicht. Das steht außer Frage. Aber wirklich sich selber jene Papiere durchzulesen, war wohl zu anstrengend, um sich eine differenzierte Meinung zu bilden. Das korrelierte zu der Forderung, die Jugend nicht in die Schulen zurück zu schicken. Weil man sich deswegen selber anstecken könnte. Und das gehe gar nicht.

Was eher konvenierte: den gemeinen Wald auch noch an den restlichen drei Ecken anzünden, um recht zu behalten, dass der Wald an allen vier Ecken lichterloh brennt. Besser er brennt an allen vier Ecken als nur an einer Seite. Es geht um Meinungsgewichtung.

Darf ich überhaupt Zweifel gegen die medialen Veröffentlichungen anmerken? Oder bin ich damit automatisch terroristischer Gefährder? Bin ich gar fehlgeleiteter Denker? Natürlich bin ich fehlgeleiteter Denker. Weil ich der Verfechter der populären These “Ein Geisterfahrer? Hunderte davon kommen mir entgegen!” bin?  Vox populi? Verschwörungstheoretiker? Dazu wird man schneller als ein Sonnenuntergang, wenn man sich eh nicht zuvor unter anderen Sonnen gebräunt hat.

Was ist Wahrheit? Es war vor ein paar Tagen Karfreitag. Also. Reicht mir meine Schale mit Wasser, um meine Hände in Unschuld zu baden. Um mich selber von meinen vorherigen  Entscheidungen frei zu sprechen. Vergesst aber bitte die Seife nicht. Ohne Seife, keine Virenbekämpfung. Das hatte in der Bibel eben jener dubioser Pontius Pilatus vergessen gehabt.

Ich bin kein Experte. Ich bin nur Expertenmeinungsverwutzer. Ist das okay? Nein? Dafür wurde ich inzwischen privat als “unmündiger”, als “Mainstreamgläubiger” wegklassifiziert.

Ich gnage an dieser abschätzigen Wertschätzung und versuche mich allein mir gegenüber, mich trotzdem zu rechtfertigen. Es klappt nicht. Ich stehe mir mit meinen Argumenten alleine gegenüber. Die daraus folgenden Grundsatzdiskussionen sind heftig. Weil, ich hätte ja wohl zuvor und überhaupt, da gab es Hinweise und andere hätten bereits gesagt und dann sind die aktuell anerkannten Experten und dann noch die nicht zu ignorierenden Schlagzeilen und dann die anderen die sowieso und ich bin ja eh dumm und unwissend und ohne hi und hott und dort gelesen zu haben eh unmündig und dann noch alles ohne Punkt und Koma geschrieben ist so wie eine Sahne-Creme-Torte anzurühren …

Ich schau aus dem Fenster. Es ist dunkel.

Meine Beleuchtungsanlage dimmt das Licht. “35 Quadratmeter Deutschland”. Null Balkon. Null Garten. Null Wohnungsluxus. Aber mit Blick nach draußen, gen Süden in die Sonne, das ist mein Anrecht an Ausgangsbeschränkung und Kurzarbeit. Hätte ich vormals ordentlich und fleißig gearbeitet, hätte ich wohl jetzt keinen Grund eben diesen anzumäkeln. Ich bin wohl faul, weil ich in der Innenstadt Münchens keinen Balkon oder Garten mir leisten konnte … ich hörte heute, wie großzügig Kollegenschweine dieses erklärten. Nur jene Fete der 50 Studenten wurde verurteilt, jene Party, welche die Münchener Polizei am Sonntag aufgelöst hatte. Unverantwortliches Gesocks. Und alle nickten. Eine normative Kraft des Faktischen ist so leicht herzustellen.

Meine Mutter ist 86. Am Telefon meinte sie, dass ihre Lebensqualität durch die Maßnahmen gekappt wurden. Warum würde ihr niemand deren letzten Jahre mit Kontakt zu anderen gönnen? Durch diese Verordnungen wäre sie noch einsamer als zuvor. Damit sie weiterhin in Isolation leben werde, um dann ohne CoVid-19-Einfluss zu sterben? Sie beklagte sich zuvor über wenige Kontakte. Und jetzt klagt sie durch die Social-Distancing-Parole aller anderen Personen (Bruder, dessen Sohn, dessen Frau, die Nachbarn) noch weniger Kontakte zu haben. Ich versuchte ihr zu erklären, wie brutal der Virus in der Lunge wüten würde und welche irreparablen Schäden der Virus anrichten würde, welche Qualen er hervorrufen könne, dass ihre Abgrenzung ihr paar Lebensjahre mehr bringen würden. Sie meinte, dass sie nicht für die Statistik leben würde, sondern für ihr Leben. Für ihre eigene Lebenserfahrung, für ihren Kontakt von ihr mit der Welt, von ihr Leben in dieser Welt.

Geht es nur darum, die statistischen Zahlen niedrig zu halten? Zahlen vor Kontakte? Ich gerate ins Grübeln. Ich hatte fahrlässig gegenüber meiner Mutter zu erwähnen vergessen, dass durch ihre Einstellung als unverständige 86-jährige die Gesundheitskosten unverantwortlich nach oben getrieben würden. Was nützt mir Tinder, wenn ich es im Sinne der Corona-Maßnahmen nur als reinen gedanklichen Austausch nutzen darf? Tinder ist keine Philosophenplattform, in der man alle elf Minuten seine Meinung wechselt, wenn man ein Foto sieht.

Verdammt. Was ist Gesundheit? Kann mir das mal jemand erklären?

Ist Gesundheit lediglich die Abwesenheit von Krankheit? JA! Genau das ist es. Das Ideal ist Gesundheit, ist die Norm. Und alles was krank ist, ist abnorm. Ausmerzenswert. Hallo? Darum schluck ich Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil und andere, damit ich dem Idealbild eines gesunden Mannes entspreche. Schon mal wegen den fehlenden Wirkstoffen der Letzt Genannten von der Bettkante geschubst geworden? Nur mein Problem? Okay. Eure Meinung.

Nein? Nicht? Solltet ihr das nicht einordnen können, dann seid ihr empathisch negativ einzuordnen. Denn deswegen abgeurteilt zu werden, scheint nur für empathisch Unbedarfte ein “normal” zu sein. Denn “normal” braucht das nicht. Nicht in dieser Gesellschaft, welche “empathisch” als Kampfbegriff ohne jegliche Differenzierung nutzt. Wahrscheinlich, um direkt danach die Schublade der narzisstischen Dysfunktionalität zu ziehen.

Was ist gesund? Per definitionem ist “gesund” das, was die Wirtschaft am Wachstum nicht hindert. Seid ihr der gleichen Meinung? Oder habt ihr eine andere Version, welche Neoliberalismus nicht beinhaltet?

Ob man als deutscher apostrophierter abendländischer “Christ” sein Leben einem anderen opfern solle? Also, der Toten-Trage anderer zuvor zu kommen? Über Ostern habe ich die normative Kraft der Argumentation erhalten: Ein Verzicht auf das eigene Leben zugunsten eines anderen Menschen wäre Selbstmord und somit unchristlich. Das wurde mir von berufener christlicher Seite erklärt. Da ich ausgetreten bin, darf ich jene christliche Ansicht eh nicht verstehen. Ich versuchte darauf, gleich Oberst Klein anzurufen und ihm im Sinne des abendländischen Christen-Seins zu seiner Attacke in Afghanistan zu beglückwünschen. “Kein Anschluss unter dieser Nummer.” Der BND hat meinen Anruf wohl registriert.

Egal.

Ich gebe es auf. Es ist mir egal. Genauso wie jene die mir permanent erklärt hatten, ich solle heiraten, weil man dann im Angesichts des Todes nicht alleine sterben würde. Mein Vater starb auf einem Schrottplatz. Da hat es ihm nicht geholfen, dass er zuvor die goldene Hochzeit gefeiert hatte. Er starb einsam an einem Schrotthaufen, wo er wohl etwas für ihn wertvolles entdeckt haben mochte. Die Wiederbelebungsmaßnahmen des Rettungsteam des Rettungswagen kamen eine Stunde zu spät. Muss man heiraten, um sterben zu dürfen? Ab wann ist ein Tod menschenwürdig? Ist das abhängig von einem Virus? Ist menschenwürdig nur dann menschenwürdig, wenn die Statistik keinen Ausschlag zeigt? Was sind die krankheitsbereinigten Corona-Statistiken? Die Arbeitslosen-Statistiken werden immer bereinigt. die der Corona-Erkrankten nicht.

Verzweiflung macht sich bei mir breit. Ich will ja nur verstehen, nur verstehen.Bislang habe ich euch immer und überall verstanden. Nur versteht mich wer? 31 Einträge bislang. Ein Monat später. Liest das überhaupt noch wer?

Ich werde wohl diese täglichen Corona-Blog-Einträge reduzieren. Es ist eh kein Tagebuch-Blog. Nichts bedeutsames. Eher unbedeutsames.

Zudem, weil das kollektive Imperativ nur einen Gedankenkorridor (gemeinhin “framing” genannt) offen lässt.

Ich weiß nicht, ob ich CoVid-19 positiv oder negativ bin, aber in mir reift der Gedanke, als potentieller Muttermörder in die Geschichte einzugehen: indem ich meine Mutter umarme und sie dadurch glücklich mache, aber die Gesellen von Spahn bis hin zu Söder sonst unglücklich mache. Ihr Lebensende soll statistisch positiv in de Daten eingehen, so ist das gesellschaftliche Ansinnen.

Glück ist eine Sache, welche eh auf einem anderem Papier geschrieben steht. Statistisch unerfasst und gesellschaftlich meistzeit als “sektiererisch” gebranntmarkt.

Energie folgt der Aufmerksamkeit.

Ausgangsbeschränkung. Auf 35 Quadratmeter Deutschland.

Will wer tauschen?