Was bisher geschah: Teil 1, Teil 2
Aber es gab auch Verräter. Unbotmäßige Mitmenschen, welche sich die Beschuldigung gefallen lassen mussten, im Internet Trollwiesen zu schaffen. Welche angeschuldigt wurden, aus dem Wohlfühl-Areal einer Seifenblasenlandschaft mit Regenbogenstaub und rosa Einhörnern eine Mördergrube zu machen:
„Bei dem Gedankengang, der zum Erstellen dieser Anwendungen erforderlich war, ging es darum: „Wie verbrauchen wir so viel deiner Zeit und deiner bewussten Aufmerksamkeit wie möglich?“ Und das bedeutet, dass wir dir ab und zu einen kleinen Dopamin-Kick geben müssen, eben weil jemand ein Foto, einen Beitrag oder was auch immer gern hat oder kommentiert. Und das wird dich dazu bringen, mehr Inhalte beizutragen, und genau das wird dich einfangen… mehr Likes und mehr Kommentare. Das ist eine soziale Rückkopplungsschleife der Anerkennung … genau diese Art von Sache, mit welcher ein Hacker wie ich kommen würde, weil es eine Schwachstelle in der menschlichen Psyche ausnützt. Die Erfinder und Schöpfer wie ich, Mark Zuckerberg, Kevin Systrom mit Instagram, all solche Leute eben, verstanden diese Schwachstelle bewusst. Aber wir haben es trotzdem durchgeführt.“ (Sean Parker, 2017, Gründer von Napster und ehemaliger Mitgründungspräsident von Facebook)
Gott und Teufel war das egal, ob Mitdenkern im Internet Raum zur Kritik zugestanden wurde. Für beide war jeder im Internet bereits korrumpiert und nicht Ernst zu nehmen. Wer nimmt schon jemanden Ernst, der an dem Ast sägt, auf dem er sitzt. Ganz im Gegentum. Mitmenschen, welche es nur darauf abgesehen hatten, eben die Glückshormonausschüttung zu vermiesen, würden schon von Menschen gemaßregelt und eingenordet werden. Denn es galt weiterhin das alte Steinzeitalter-Gesetz: Willst du nicht mein Bruder sein, dann dann ist die Würde des Menschen bereits vom Kopf an antastbar. Gibst du mir nicht das, was ich mit dem mir angestammten Recht einfordere – also Likes und Kommentare, meinen täglichen Dopamin-Kick, meine Währung im Paralleluniversum – dann werde ich mich dir bar meines Verstandes erkenntlich zeigen.
Als der sogenannte “Arabische Frühling” auf Twitter der Freiheit wegen seine Sternschnuppen-Karriere machte und Twitter in Folge als das Instrument der Freiheit mutiger Individuen abgefeiert wurde, grinste Gott lediglich. Den Menschen war es zu jener Zeit noch undenkbar, dass Jahre später Twitter und sein Dopamin-Belohnungssystem auch von Regierungen massiv systematisch genutzt werden würde. Und nicht nur mittels Twitter entstanden jene Blasen, in welchen Hofnarren-Onanie weitere Dopamin-Kick-Möglichkeiten bereitstellt. Die Anzahl der Twitter-, Instagram-, FB-, Blog-Follower dient als Rechtfertigung und als Rückkopplung zur eigenen Existenzberechtigung im Internet. Der Nutzer giert süchtig nach dem Kick, nach Glücksgefühle. So wie es bereits zuvor in Foren, Blog-Communities und anderen Gemeinschaften Gang und Gebe war. Wer dem “Du bist nicht wie wir, welches wir unser ich ist” entsprach, setzt sich der Gefahr der aktiv betriebenen Ausgrenzung, dem Shit-Storm, aus. Dem Mitmenschen mit der eigenen Internet-Steinkeule zum Blockieren, Löschen, Ignorieren. Gott gefiel es. Blasen waren für ihm keine Konkurrenz, da sie rein technisch waren.
Es gibt ein ganzes Spielbuch mit Techniken, mit denen Sie das Produkt so lange wie möglich verwenden können … . Ob sie [Inhalt erzeugende Menschen] wollen oder nicht, sie formen unabsichtlich die Gedanken und Gefühle und Handlungen der Menschen … . Es gibt immer diese Erzählung, dass Technologie neutral ist. Und es liegt an uns zu entscheiden, wie wir es verwenden. Das stimmt einfach nicht.” Tristan Harris (2017, Google Produkt Manager )
Doch was kümmern Gott und Teufel jene Rufer in der Wüste, welche eh niemanden niemandem das Wasser reichen können. Besonders nicht in der Wüste, wo es eh kaum Wasser zum Abschöpfen gibt. Menschen können zwar Wüsten zum Erblühen bringen, aber warum sollten solche Menschen gerade mit ihrer eigenen Wüste über deren Augenhöhe anfangen?
Und somit klinkte sich der Teufel in die Vermarktung ein. Er streute Verdienstmöglichkeiten. Jedes Mal, wenn Nutzer der Social-Media-Plattformen dann um deren Verdienst an Likes und Geld fürchten, dann regen sich diese Nutzer und brachten sich selber mit ihren Beiträgen ein, um die Befriedigung an Likes und Geld sicher zu stellen. Ansonsten verrichten sie nur das Werk jenes Antipoden, der seine Erde zurück haben wollte.
Und jenes Werk geht weiter. Gott erschuf Algorithmen. Die Menschen folgten den Algorithmen wie Schafe ihrem Schlachter zur Schlachtbank. Standen Wahlen an, dann sagt der Wahl-O-Mat, ob man aufgrund seiner Antworten eher ein Wähler der CDU/CSU, SPD, Grünen, AfD, FDP, Linken oder der MdB wäre. Algorithmen erklärten, ob der Regenschirm sinnvoll am Arm baumelte, ob der Eisprung termingerecht eintrat oder ob der vorzeitige Samenerguss in Korrelation mit Mondphase, Kussfrequenz und Aszendenten stand und wo man gegen die Mondphasen Super Kamagra unerwischt einkaufen konnte. Der Mensch denkt, der Algorithmus lenkt. Der Mensch dachte, Gott und Teufel lachte.
Der Algorithmus diktierte Menschen das Leben auf der Suche nach dem Glück. Die Lottozahlen für nächsten Samstag. Die Wahlergebnisse der nächsten EU-Wahlen. Wir können uns gerne darüber in einem Restaurant über dieses Thema uns weiter vertiefend unterhalten. Kennst du ein gutes Restaurant? Nicht? Lass uns mal unter TripAdvisor, Foursquare oder Yelp schauen und Bewertungen vergleichen. Oder ich kenne einen Blog, der empfiehlt gutes. Und irgendwann führt urplötzlich am Karfreitag der Weg in ein Haus, in dem aus Hunderten von Kehlen in g-Moll intoniert “Oh Haupt voll Blut und Wunden” erschallt. Trauriges Lied gesungen mit glückseligen Gesichtern, weil ein Algorithmus versichert, der Typ dort am Kreuz kommt in paar Tagen eh ungeschunden davon.
Der Algorithmus unbestechbar, logisch, alternativlos: “Wie alt bist du?” “Über 50.” “Hast du ein Haustier?” “Nein.” Wollen deine Kinder keins?” “Ich habe keine Kinder.” “Was sagt denn deine Frau dazu?” “Ich bin nicht verheiratet.” “Schwule Sau!” Wieder was gelernt.
Oder man sitzt per Algorithmus in einem Flieger Richtung Düsseldorf, weil einem das Navi geraten hat, dem Verkehrschaos am Kölner Ring zu entgehen, und hört dann den Piloten zuvorkommend und höflich die Passagiere fragen, ob sich jemand mit dem neuen Board-Computer-Software der Boing-737-Max auskenne. Und in der letzten Reihe sitzen Gott, Tod und Teufel und pokern mit Midas um das Leben der Stewardess am Versorgungswägelchen mit den Sektflaschen.
Fortsetzung folgt