Man lernt nie. Aus. (Teil 4)

Was bisher geschah: Teil 1, Teil 2, Teil 3

Freilich hatte das Internet Leute in Brot und Arbeit gebracht. Nirgendwo lässt sich das deutlicher als in Silicon Valey erkennen, wo sich die Spitzenkräfte der Internet-Softwareprogrammierung nieder gelassen haben. Jene verdienten viel Geld, zahlten es auf ihre Bankkonten ein und kauften sich in Silicon Valey Wohnungen. Social-Media-Gewinner. Die Verlierer dieses Booms mussten dagegen deren Wohnungen verlassen , weil sie deren Stadtteilpreise nicht mehr zahlen könnten und dann obdachlos wurden. Sie lebten auf den Straßen Silicon Valeys. Und was machten die Gewinner der sozialen Medien mit ihren Geld auf den Bankkonten? Sozial, edel, hilfreich und gut? Nun, diese Social-Media-Experten erfanden Roboter für die Obdachlosen. Jene Roboter fuhren auf den Gehwegen in der Innenstadt hin und her und sollten sie einen Obdachlosen antreffen, dann stellten sie sich neben dem Obdachlosen und … erzeugten äußerst penetrante und unangenehme Geräusche, damit die Obdachlosen das Weite suchten. Google, Uber und Microsoft sollten zu den Kunden dieser Roboter zählen. Social Media macht sozial. Zumindest für sich selber.

“Die von uns geschaffenen kurzfristigen Dopamin-gesteuerten Rückkopplungsschleifen zerstören die Funktionsweise der Gesellschaft. Kein ziviler Diskurs. Keine Zusammenarbeit. Fehlinformation. Falsche Wahrheiten. Und es ist kein amerikanisches Problem. Hier geht es nicht um russische Anzeigen. Dies ist ein globales Problem.” Chamath Palihapitiya, 2017, ehemaliger Manager von Facebook

Gott hatte sein sozialen Medien zum Zerreißen der Grundlagen unserer Gesellschaft und der Teufel seine Derivate als finanzielle Massenvernichtungswaffen. Die Rüstungsspiralen gegeneinander waren im vollen Gange. 

Zur privaten Entspannung saßen die beiden nun mit dem Sensemann und dem Midas beim Pokern. Midas hatte einen Straight Flush auf der Hand und Gott starrte ihn an.

“Du bist menschlich, Midas.”

“Ich weiß, ich bin ein Scharlatan. Dafür bin ich bekannt. Im Gegensatz zu dir bin ich als Scharlatan ehrlich, mein lieber Gott. Denn wärest du ein Scharlatan, dann wärest du des Teufels.”

“Du sollst meinen Namen, deines Satans, nicht missbrauchen! Da habe ich ein Copyright drauf”, warf der Teufel ein.

“Witzbold”, blaffte Gott den Teufel an, “ohne mich hättest du keine Daseins-Berechtigung, du Herr der Fliegen.”

“Ach ja? Ohne mich gäbe es die Erbsünde nicht, die Schuld, mit der wir die Weltenbürger auf deren Existenz zurecht stutzen”, gab der Teufel leicht säuerlich zurück.

“Und ohne mich, hättet ihr beide überhaupt nichts von euren Weltenbürgern. Die würden ewig leben auf deren Pilgerpfad zwischen Bankkonto und Internetkonto.” Der Tod prüfte mit einer seiner Pokerkarten die Schärfe seiner Sensenklinge.

“Liebster Tod, lass dich trösten. Ich streichle dir das Köpfchen”, Midas reckte seine Hand dem Tod entgegen.

“Fass mich nicht an! Gold ist weniger wert als Likes und Kommentare. Die haben höheren Status. Umsonst ist nur der Tod, kostenlos ist er aber nicht. Den Spruch kennst du doch, oder?” Der Tod zog seine schwarze Kapuze ein wenig tiefer ins Gesicht und blickte zu Gott. “Und du, du mit deiner Idee, deinen Sohn mir zu überlassen, hatte sich bekanntlich nicht gelohnt. Er brachte dir lediglich 30 Silberlinge. Das hatte ich dir schon vorher prophezeit gehabt. 30 Silberlingen reichten halt nicht, die Mehrheit an dem teuflisch systemischen Banksystem zu erwerben. Aber du wolltest ja nicht hören. Jetzt ist dein Sohn genagelt und die Freier dieser Welt nutzen es als Wortspiel.”

“Du bist niveaulos. Gefällt mir nicht. Kein Like. Außerdem besitze ich das Hirn der Weltenbürger, deren Internet”, grummelte Gott den Tod an.

“Dafür hatte ich mit deinem Sohn in der Wüste Spaß”, warf der Teufel feixend ein.

“Ruhe”, donnerte Gott in alter Odin-Manier und nahm sein Blatt hoch. “Mein Algorithmus sagt mir, dass dein Straight Flush, liebster Midas, zu niedrig ist, um zu gewinnen.”

“Vielleicht habe ich doch einen Royal Flush auf der Hand. Vielleicht habe ich vorhin nur geblufft, als ich von Straight Flush redete? Setzt du dein Internet dagegen?” schlug Midas vor.

“Gott, lass dir gesagt sein, nur mal so vom göttlichen Teufel wie mir und nem teuflischen Gott wie dir”, mischte sich der Teufel ein, “solche Karten haben selten Spieler auf der Hand. Zum Schluss gewinnt immer die Bank, also ich. Gehe also nicht all-in.”

“Was ich anpacke, wird zu Gold,” warf der Midas ungefragt in den Raum. “Wenn wir Freunde bleiben sollen, dann sollte es euch gefallen. Und freundlich sollten eure Kommentare ausfallen.”

Gott und Teufel schauten sich unschlüssig an. Midas wedelte ungeduldig mit seinen goldenen Karten und blickte abwechselnd von Gott und zu Teufel und von Teufel zu Gott.

Lediglich der Tod verharrte bewegungslos und unter seiner Kapuze drang nur der Satz hervor: “Egal wie ihr jetzt pokert, am Schluss krieg ich euch beide.”

Im Hintergrund ertönten Hammerschläge. Die Stewardess schaute beängstigt in Richtung Heck Boing 737 Max. Die Hammerschläge hörten sich vielmehr wie Steinkeulenhiebe an. Als ob jemand durch ein Stück Wassermelone mit einer Steinkeule Nägel in ein Holz treiben würde.

Leise pfiff und gurrte als Untermalung der Szene im Hintergrund in g-Moll ein 56-kBit-Modem, die Flugzeugsimulation stockte und auf dem daneben stehenden Herkules-Monitor formierte sich der pixelige Schriftzug “Game over”. Kain war nicht dumm und konnte 1 und 1 zusammen zählen. Kain hatte gelernt. Wütend zog Kain den Stecker.

Aus.

Ende