Und ewig schleichen die Erben … (2)

A: »Ja, guck dir bloß die beiden an.«

B: »Wo?«

A: »Hinter uns! Nicht hinschauen!«

B: »Wie soll ich die den sehen, wenn ich nicht hinschauen soll?«

C: »D-d-du muss-mu-sst ja ni-ni-nicht hinscha-auen.«

A: »Die müssen nicht wissen, dass wir sie kennen.«

B: »Wer?«

C: »D-d-die bei-beiden.«

A: »Sie ist die Tochter vom Ewald seiner ersten. Und er der Sohn des Schwippschwagers der Frau, welche damals hier in der Lokalpresse war.«

C: »Weil-weil sie Hä-hä-hengste liebt und zü-hü-züchtete.«

B: »Tochter vom Ewald seiner ersten? War die nicht eng mit unserem Ottokar, Gott hab ihn selig? Sie soll ja in dessen Testament stehen, munkelt man.«

C: »W-w-war ein Hä-hä-hengst, der O-o-otto-kar. U-hu-und sie soll ne Hä-hä-hengstin im Be-hett s-sss-sein.«

B: »Im Bett? Das ist schamlos! Und dann ist sie hier? So eine ausgeschamte Person!«

A: »Warum sollte Ottokar auch wohl sonst einen Herzinfarkt erlitten haben, Gott hab ihn selig. Er war ja bekannt für seinen Bio-Tick. Manchmal können Bettgeschichten nun mal zum Boomerang werden.«

C: »Bu-bu-merang. Der war gut. Be-be-bett-Bu-hu-booster.«

B: »Booster? Im Bett? Klar, junges Blut tut gut. Absolut ehrlos diese Frau. Das die sich traut hier zum Leichenschmaus zu erscheinen. Und er?«

A: »Tja, er soll ihr sexuell hörig sein, hab ich gehört. Eine Freundin eines Bekannten, den ich noch damals auf der Schulabschlussfeier bei dessen´m Sohnes kennengelernt hatte, meinte ihn schon mal auf BDSM-Partys gesehen zu haben.«

C: »Iih, bääh! W-w-wie e-e-ekelhaft!«

B: »Ja, komplett moralisch am Abgrund, diese Welt! Allein der Gedanke daran … total pervers, die beiden. Kein Wunder, dass es Corona gibt. Vielleicht kommt dadurch die Jugend endlich wieder in die Spur und lernt was wahre Werte sind! Wie gut, dass Ottokar das jetzt nicht mehr miterleben muss, Gott hab ihn selig.«

C: »Ah-a-armer O-o-otto-kar.«

B: »Gott hab ihn seelig. Und wer ist der Haupterbe? Wer kriegt jetzt sein ganzes Vermögen? Ich müsste ja alles erhalten, bin ja schließlich die einzige Person mit Erbrecht, weil um zwei Ecken mit Ottokar, Gott hab ihn selig, verwandt, da sollte doch wohl alles für mich drin sein.«

A: »Wahrscheinlich aber diese Nutte hier! Sagte mir die Liesl, als der Sarg niedergelassen wurde. Die Liesl trifft es besonders hart. Seit ihr Mann von ihr gegangen ist, …«

B: »Gott hab ihn selig.«

A: »Nein, nein, der Arsch hat sie dauernd mit einer Jüngeren betrogen, wollte dann neues Frischfleisch und ist dann mit dessen Ergotherapeutin, einer Mittdreißigerin, nach Gran Canaria getürmt. Auf und davon.«

C: »U-hu-unglaub-l-l-lich!«

A: »Und jetzt ist die Liesl unschuldig alleinstehend und muss alle ihre Rechnungen selber bezahlen. Eigentlich hatte sie auf Ottokar gehofft. In den hatte sie sich bereits in der Grundschule verguckt, aber dann kam dieses Mistviech von Nutte und jetzt muss Liesl wahrscheinlich mit Hartz 4 planen …«

B: »Psscht! Da kommt einer von den beiden!«

Die beiden Kellnerinnen schauten die drei schwarz-gekleideten Personen an und bemerkten eine weitere Person, die sich schleichend auf den Weg zu denen begab. Die eine Kellner schüttelte den Kopf und meinte leise zu der anderen:

»Boah ey, wenn man die so reden hört, möchte man nur im Strahl kotzen! Voll socially awkward! Alte, das ist hier ne Beerdigung. Echt total cringe! Das sind die, vor der wir uns safe warnen müssen!«

»Ey, Taschaia, nuff said. Wir jobben nur hier. Undertaker sind andere. Ey, die Dipshit-Peter-Pan-Truppe da drüben, die sieht safe trocken aus. Bring denen mal paar Hard Seltzer, damit die wieder lächeln.«

Und ewig schleichen die Erben … (1)

»Jetzt geh doch mal zur Tante Erna rüber, nu mach schon.«

»Aber Onkel Heinrich labert die doch gerade zu.«

»Na und? Der ist doch nur hinter ihrem Geld her. Wenn du nicht jetzt rüber gehst und mit ihr Small Talk betreibst, wird die ihn noch in ihrem Testament bedenken und dann ist das ganze schöne Geld futsch.«

»Wir könnten auch einen Kredit aufnehmen.«

»Bist du verrückt? Verschulden? Während unsere Verwandtschaft wie Dagobert in Geld badet? Hast du Lack gesoffen? Das ist hier kein Leichenschmaus, sondern knallhartiger Beauty Contest. Erben läuft nicht von selbst, man muss auch was dafür tun. Leistungsprinzip, verstehste! Wenne nix tust, haste es auch nicht verdient!«

»Soll ich etwa den Halbhorst deshalb jetzt wegbunkern, oder was?«

»Ja, was denn sonst. Der geht bei ihr doch ab wie ein rotes Moped! Denk dran, wir müssen noch die Flyer und Kleber bezahlen, um all die Vollhorste aufzuklären, dass Impfen und Boostern Gefahr für Leib und Leben bedeuten kann und das wir Spenden auf unser Konto brauchen, im Kampf gegen Impfidioten und für Aufklärung.«

»Ich denk ja schon an nichts anderes.«

»Und du hast doch seit gestern den positiven PCR-Test erhalten, dann kannste auch zur Tante Erna rüber. Sei mal cool mit denen dort. Yallah!«

»Nur Alphakevins hier, walla.«

»Und Onkel Eduard. Bei dem Elch stehen wir doch garantiert im Testament. Solchen Boomern weint doch eh keiner mehr ne Träne nach. So wie die leben. Die mit ihren SUVs, monatlichen Flugreisen und Kreuzfahrten. Das sind doch die, die unser Klima versauen. Die haben schon genug auf unsere Kosten gelebt und verprassen unsere Zukunft und Geld. Mitleid haben die nicht verdient. Alles stabil bei dir? Du schaffst das.«

»Naise. Da nicht für.«

»Also? Moment. Hab ich da gerade “boostern” gehört? Wollen die Boostern? Reden die Boomer über Boostern? Wollen die etwa noch ewig leben? Solche Azzlacks! Da krieg ich Schnitzelpanik! Du musst sofort dazwischen!«

»Mach ich. Ahem. Und was sag ich?«

»Erst umarmen, intensiv abbusseln, Beileid wünschen und dann sagen, dass Onkel Otto eh nie skin positiv war und das hat ihn dahingerafft. Dann kriegen die alle Schnappatmung und du musst nur überlegen tief ausatmen. Beeil dich, da kommt auch Billo-Opa Rainer, der hat ne Finca auf Mallorca und ein Haus in Schwabing, ich steh auf seiner Erben-Liste! Mach! Denk dran, wenn wir fertig sind, dann zusammen Netflix und chill.«

»On fleek. Auf uns und unsere baldige Gönnjamin-Zeit. Chabos wissen, wer der Babo ist.«

»Eben, you’ve got the drip!«

»Covid-XOXO!«

Die beiden Kellner schauten dem Ehepaar zu, als einer davon sich schleichend auf den Weg zu der in schwarz-gekleideten Personengruppe machte. Der eine Kellner schüttelte den Kopf und meinte leise zum anderen:

»Ehrlich? Und ich dachte unsere Jugend wäre so. Es ist wohl doch die Generation, vor der uns früher unsere Jugend immer gewarnt hatte.«

»Mach dir keinen Kopp. Wir müssen nur arbeiten hier, ist nicht unser Leichenschmaus. Lebbe geht weiter. Die Trauergruppe da drüben sieht trocken aus. Bring denen mal ein Tablett Prosecco, damit die wieder lächeln.«

Notstandsbekämpfung

[…] Neulich sah ich ein Haus. Es brannte. Am Dache
Leckte die Flamme. Ich ging hinzu und bemerkte
Dass noch Menschen drin waren. Ich trat in die Tür und rief ihnen
Zu, dass Feuer im Dach sei, sie also auffordernd
Schnell hinauszugehen. Aber die Leute
Schienen nicht eilig. Einer fragte mich
Während ihm schon die Hitze die Braue versengte
Wie es draußen denn sei, ob es auch nicht regne
Ob nicht doch Wind gehe, ob da ein anderes Haus sei
Und so noch einiges. Ohne zu antworten
Ging ich wieder hinaus. Diese, dachte ich
Müssen verbrennen, bevor sie zu fragen aufhören. Wirklich, Freunde
Wem der Boden noch nicht so heiß ist, dass er ihn lieber
Mit jedem andern vertauschte, als dass er da bliebe, dem
Habe ich nichts zu sagen. […]

aus “Das Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus”, Berthold Brecht, 1937

Alles auf dem Tisch aufgetischt

Ich habe Steffen getroffen. Gestern, mitten in der Fußgängerzone. Steffen ging dort mit Stolz geschwellter Brust. Ihr kennt Steffen nicht? Steffen, das ist derjenige, der irgendwo im Internet etwas gelesen hatte, das niemand wusste. Und damit konnte Steffen das Problem lösen, an welchem Experten jahrelang auf der ganzen Welt geforscht und diskutiert hatten, aber zu dem keiner der Experten eine Lösung fand. Außer Steffen. Im Internet. Durch Lesen von etwas. Was niemand wusste. Steffen ist der wahre Experte aller sogenannten Experten.

Ihr kennt Steffen noch immer nicht? Steffen ist einer der ‘hidden champions’ dieser Welt. Er wird aus berufenen Mündern auch gerne ‘Ehren-Steffen’ genannt. So wie ‘Ehren-Mann’, nur halt ‘Ehren-Steffen’. Warum er Euch trotzdem nicht bekannt ist? Fragt euch selber: cui bono? Wem nützt es, dass er nicht Euch bekannt ist. Eben, den Forschenden, die mit der Schmach leben müssten, dass sie es selber im Internet nicht gefunden hatten. Und deswegen findet sich zu Steffen auch nichts in den Mainstream-Medien.

Gestern lief er mitten in der Fußgängerzone, mit seinem Smartphone vor der Brust. Er nutzte es als Fußgängernavigationshilfsmittel, weil er vom Münchner Marienplatz zum Münchner Stachus musste. Und ohne seine Information aus dem Internet, wer weiß, er wäre vielleicht auf der Kölner Domplatte rausgekommen. Oder im Hamburger Kiez. Wer weiß das schon so genau. Steffen verlässt sich halt nicht auf Expertenmeinungen, denn er hat Internet. Mobil auf seinem Smartphone. Er ist ja selber Experte und lässt sich nicht mehr ‘X’ für ein ‘U’ vormachen.

Freilich ist es wohlfeil und billig, mich hier über das Expertentum Deutschlands auszulassen. Vor nicht ganz 24 Stunden hatte ich es mit Experten zu tun. Ich nenne sie mal so, denn sie sind im Besitz akademischen Segnungen. Wie ich übrigens auch. Aber das tut hier nichts zur Sache.

Es ging mir darum, meine Impfung abzuholen. Nachdem viele Experten erklärt hatten, dass alle Geimpften im September sterben würden, dachte ich mir, dass – wenn jetzt binnen 24 Stunden mindestens 64% der Bevölkerung sterben würde – ich mit den restlichen 36% nicht mehr weiter leben mochte.

Die Impfstation war leer. Die Mehrheit bestand aus freiwilligen Ärzten, die vor ihren Tischen hockten und Kaffee tranken. Ich wollte mich den Tischen nähern, aber eine Person drückte mir Kugelschreiber und Papier in die Hand. Von der Wiege bis zur Bahre halt Formulare, Formulare, Formulare. Die üblichen Fragen mit Auswahlkästchen zum Ankreuzen halt. Ob ich Allergien hätte. Ob ich schwanger wäre. Ob ich die letzten vierzehn Tage eine Person mit Covid kontaktiert hätte. Ob ich dieses oder jenes hätte oder nicht hätte. Und ob ich bereit wäre auf eine medizinisch-ärztliche Aufklärung zu verzichten. Ja, verzichten, das wollte ich, denn die Infos dazu hatte ich schon mehrfach gelesen gehabt.

Mit den ausgefüllten Zetteln in der Hand, meinem Personalausweis, meinem Impfpass und meinem Genesenen-Zertifikat begab ich mich zu den Tischen und wählte mir einen der Mediziner aus. Ich übergab ihm alle Papiere und setzte mich. Ob es meine erste Impfung oder meine zweite sein würde, war die erste Frage. Ich erklärte, dass ich Genesener sei und ich mir darum jetzt die sogenannte Zwei-Impfung abholen würde. Er schaute mich verwirrt an und beharrte auf die Beantwortung seiner Frage. Ich verwies auf mein Genesenen-Zertifikat, was ihn aber nicht weiter interessierte. Ein Kollege flüsterte ihm etwas zu und erst dann schien er zu verstehen. Darauf wollte er das Datum meiner Erkrankung wissen. Ich verwies erneut auf das Genesenen-Zertifikat. Er erwiderte mir, dass er etwas offizielles benötigen würde. Etwas, worin zu lesen wäre, wann meine Erkrankung festgestellt worden ist. Ich verwies zum dritten Male auf mein Genesenen-Zertifikat. Erst jetzt faltete er es unwirsch auf und erklärte mir:

“Nein, da steht dazu nichts drin.”

“Doch, da steht das Datum der Erkrankung drin. Sie müssen nur lesen.”

“Was soll das überhaupt sein, dieses Genesenen-Zertifikat? Das hab ich ja noch nie gesehen.”

Die Antwort lies mich anfangs sprachlos. Ich erklärte ihm, dass diese EU-Genesenen-Zertifikate seit ungefähr sechs Wochen in Apotheken ausgestellt werden, nachdem eine Gesetzesänderung verabschiedet wurde, welches den Apotheken diese erst ermöglichte. Zuvor war das nur bei Ärzten möglich.

“Ja, aber ich brauche das Datum, wann die Erkrankung festgestellt wurde, und das finde ich hier nicht in diesem seltsamen Wisch.”

Hat schon jemals jemand sich der Versuchung hingegeben, jemand anderem per Telefon die Bedienung eines Fernsehgerätes zu erklären? Oder die Verwendung eines Computers? Oder das Mixen eines primitiven Martini Cocktails? Meine Empfehlung: einfach mal versuchen. Es ist die beste Möglichkeit in tiefen Depressionen zu verfallen und der Menschheit das Überleben aus gewichtigen Gründen abzusprechen. Und bitte! Und bitte, niemals den Satz ‘Lies doch einfach mal in der Gebrauchsanweisung nach’. Das geht gar nicht. Alle Dinge müssen einfach sein. Mundgerecht vorbereitet, abwaschbar, verbrauchergerecht. Und bitte nicht vom Gegenüber verlangen, er müsse selbst etwas tun. Wie lesen beispielsweise. Wer noch nie im Internet eine Gebrauchsanweisung herunter geladen hat, um dem Menschen am anderen Ende der langen Leitung vorzulesen und zu erklären, wie er denn den Fernseher einzustellen habe, der gehört eindeutig zu den glücklichen Teil dieser Menschheit. Zu so etwas fällt mir der Film “Idiocracy” aus dem Jahre 2006 ein. Nicht dass der Film ein wirkliches Kino-Highlight wäre, eher ganz im Gegentum, aber er tröstet so unfassbar sehr. Besonders nach einem Telefongespräch mit Vorlesen und Erklären einer Gebrauchsanweisung, welche der andere Mensch selber lesen und verstehen hätte können.

Und so hatte ich auch meinen positiven PCR-Test von damals dabei. Voraussicht? Vorahnung? Die Gabe? Na gut, eher nur Berufserfahrung. In meinem Beruf rechnet man mit menschlichen Fehlern und versucht diese zu vermeiden. So etwas wirkt sich auch privat aus, was dann von anderen auch gerne als Negativismus ausgelegt wird. Daran habe ich mich bereits gewöhnt. Es ist lediglich die reine Risikoabschätzung. Und somit hatte ich mein damaliges PCR-Testergebnis gleich mit eingepackt gehabt. Somit lagen dann alle meine Papiere vor ihm auf dem Tisch.

Und der gute Mensch mir gegenüber nahm sich mein PCR-Testergebnis und fing auch gleich laut an zu rechnen, ob ich überhaupt impfberechtigt wäre: Erkrankungsdatum plus ein halbes Jahr. Und prompt hatte er sich um vier Wochen verrechnet. Trotz dem Ergebnis seiner Rechnung, wollte er mich ausnahmsweise zulassen.

Demütig schwieg ich zu seinem Rechenfehler. Er war es mir nicht wert. Er war es nicht wert.

Und dann fing er an, mir all jene Fragen zu stellen, welche ich zuvor auf dem Bogen beantwortet hatte und per eigener Unterschrift beglaubigte. Jede dieser einzelnen Fragen nochmals. Den Drang, ihn auf meinen ausgefüllten Bogen hinzuweisen, verkniff ich mir. Dafür unterschrieb ich erneut den Bogen, den er mir frisch aus seinem Laptop ausgedruckt vorlegte. Und auch noch einen Bogen, dass ich auf eine medizinisch-ärztliche Aufklärung zur Impfung verzichten würde. Alles lag nun endgültig auf dem Tisch. Und erst dann durfte ich in den Raum, wo ich den Spritzeninhalt injiziert bekam.

Am Anfang dieses Posts hatte ich übrigens gelogen. ‘Steffen’ habe ich freilich nicht getroffen. Auch nicht in der Fußgängerzone zwischen Marienplatz und Stachus. Und auch nicht im Impfzentrum. Aber ich hätte ihn treffen können. Jederzeit.

‘Steffen’ gibt es natürlich nicht wirklich. Weil ‘Steffen’ nur die Erfindung eines Karikaturenzeichners ist. Von Joscha Sauer. Derjenige, der die genialen “Nicht Lustig”-Cartoons zeichnet. Und das ‘Steffen’-Cartoon (hier) hatte Joscha Sauer über Twitter allen ‘Steffens da draußen’ gezeichnet. Der Arzt im Impfzentrum mir gegenüber war jetzt kein ‘Steffen’, aber er hätte gut und gerne einer der Applaudierenden (- nein, nicht in dem dargestellten Publikum, sondern aus dem applaudierendem Gremium -) in dem Cartoon sein können.

Ach ja. Und heute ist der 1. Oktober. Die Geimpften sind trotz der Aussagen gewisser verquer denkenden Experten gestern nicht wie die Fliegen gestorben, so wie in Kreisen der Impfschwurbler zur Angstmache einfach mal prophezeit wurde. Es ist einfach nicht eingetroffen, dass mal über 64% verstarben, so wie bei dem ‘Thanos’ aus dem Marvel-Universum der Avengers, der mit seinem Snap die Hälfte der Bevölkerung der Erde einfach mal wegschnipste. ‘Thanos’ des Marvel-Universums wohlgemerkt. Nur zum Verständnis: ‘Thanos’ ist das Pendant zu dem ‘Bill Gates’ der Querdenker.

So.

Damit ist das auch mal auf dem Tisch, was unsere vermeintlichen, so ungewertschätzte heimliche Expertenelite da draußen angeht.

#allesaufdemtisch

Sich im Kosmos herumzutreiben ist doch was für die Jugend, oder?

“Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2021. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung 5 Jahre unterwegs ist, um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“

»Jim.«

»Spock?«

»Unser Computer empfängt Frequenzen von einem Planeten der Klasse M.

»Klasse M?«

»Klasse M, Captain.«

»Also humanoides Leben? Faszinierend.«

»Jim?«

»Spock?«

»’Faszinierend’ als Aussage von Ihnen als Vertreter der Humanoiden ist unlogisch.«

»Sie haben recht, Spock. Ich würde sagen, seien wir vorsichtig. Alarmstufe 1. Maschinenraum! Scotty, alles auf Position! Alles bereit für einen potentiellen Alarmstart. Wir haben Kontakt zu einer unlogischen Lebensform. Sind die Warp-Kerne aktiv?«

»Jim, mein zweiter Offizier macht sich gerade einen Earl-Grey. Ich tue mein Bestes, aber 24 Stunden brauche ich mindestens.«

»Scotty, das ist nicht akzeptabel. Versuchen Sie es bitte in der Hälfte der Zeit.«

»Ay,ay, Captain.«

»Sulu! Kurs auf Klasse M Objekt! Ungefähre Ankunft?«

»Jim, Steuermann Sulu hat die korrekte Aussprache unseres R-Konsonanten noch nicht korrekt gelernt. Bis dahin ist ihm vom Kommando untersagt in seiner Rolle als Steuermann R-Worte auszusprechen. Das wäre gegen die achtzehnte Direktive.«

»Spock, das ist nicht witzig!«

»Ich habe einen Witz gemacht? Faszinierend.«

»Spock, wo ist Fähnrich Chekov, unser Navigator?«

»Jim?«

»Pille?«

»Ich muss leider mitteilen, dass ich Fähnrich Chekov zur Weizendestillation eingeteilt habe. Er kennt sich darin am besten aus.«

»Pille, warum? Konntest du nicht jemand anderen dazu einteilen, Pille?«

»Jim, ich war in unserem Vodka-Vorratsraum.«

»Wo warst du, Pille?«

»Im Vodka-Vorratsraum. Er ist tot, Jim. Fast tot, Jim.«

»Pille, sei kein Maschineningenieur, sei ein Arzt! Lieutenant Uhura!«

»Ja, Captain? Soll ich Sie wieder einmal küssen? Black and white, unite, unite?«

»Lieutenant Uhura, übertragen Sie die Kommunikation vom Klasse M Planeten! Frequenzen auf den Äther!«

»Guten Tag. Spreche ich mit dem Gesundheitsamt? Sind Sie Herbert?«

»Ja, hier ist Ihr Gesundheitsamt.«

»Ich brauche eine Quarantänebescheinigung.«

»Eine Quarantänebescheinigung?«

»Genau, eine Quarantänebescheinigung wegen einer Corona-Erkrankung und der von Ihrer Behörde verordneten Quarantäne.«

»Aber Sie haben doch bereits eine Quarantäneverfügung erhalten, da steht doch ihr Quarantäne-Zeitraum drin.«

»Ja, ja, ja. Aber die eigentliche Quarantäne ging länger, als wo da in der Verfügung drin stand. Und laut Gesetz müssen Sie mir eine Bescheinigung ausstellen.«

»Aber nur in begründeten Fällen.«

»Mein Fall ist begründet.«

»Ach ja?«

»Ach ja. Mein Arbeitgeber will das auch so.«

»Wie lang war denn ihre Quarantäne?«

»Zwei Tage länger als in der Verfügung.«

»Und da benötigt ihr Arbeitgeber jetzt eine Bescheinigung? Über diese zwei Tage?«

»Über diese zwei Tage.«

»Greift da nicht die Drei-Karenztage-Regelung für Erkrankungen?«

»Laut Gesetz müssen Sie mir eine Bescheinigung ausstellen.«

»Laut Gesetz muss ich gar nichts.«

»Laut Gesetz sind Sie Staatsbediensteter und somit ein Diener des Volkes! Und ich gehöre zum Volk! Also müssen Sie mir dienen!«

»Laut Gesetz benötigen Sie einen Anwalt.«

»Laut Gesetz werde ich Sie verklagen! Sie Herbert, Sie!«

»Ihren Namen, Geburtsdatum, Adresse.«

»Gebe ich Ihnen nicht! Datenschutz! DSGVO, Sie Analphabet!«

»Und wohin sollen wir dann die Bescheinigung schicken?«

»Ja, haben Sie denn meine Daten nicht? Warum muss ich denn ihrer Behörde alles hundertmal mitteilen? Erfassen Sie unsere Daten etwa doch nicht?«

»Laut Gesetz benötige ich dazu Ihre Daten.«

»Ja, glauben Sie ja nicht, wen Sie vor sich haben! Sie sind ja anmaßend! Ich will nur eine klitzekleine Bescheinigung, die binnen zwei Minuten ausstellt werden kann und Sie machen hier am Telefon nen Ballyhoo, als ob die Sicherheit des Staates in Frage steht! Wir reden bereits schon 125 Sekunden, also über zwei Minuten! Vergessen Sie nicht, wer Sie bezahlt! Und zwar ich von meinen Steuergeldern!«

»Ach ja? Sie zahlen brav Ihre Steuern? Ich würde das gerne mal von unseren Finanzexperten überprüfen lassen. Name? Adresse?«

»…«

»Hallo? Aufgelegt? Arschloch.«

»Ich hab Sie gehört! Sie Herbert, Sie! Geben Sie mir Namen, Geburtsdatum, Adresse, um Sie zu verklagen! Sie hören von meinem Anwalt!«

»Sie mich auch. Und Tschüß.«

»Jim?«

»Spock?«

»War das vom Klasse M-Planeten?«

»Direkt vor uns. Blauer Planet. Scheint bewohnt zu sein. Mit humanoider Lebensform.«

»Faszinierend.«

»Ähhmmm – mir fällt da etwas ein: Warum sagen die eigentlich immer Herbert zu Ihnen, Spock?«

»Jim, ja, wissen Sie, sehr schmeichelhaft ist das nicht, Captain. Herbert war ein mittlerer Beamter, der für seine engstirnige, kleinkarierte Denkweise bekannt war.«

»Dann versuchen Sie eben in Zukunft etwas weniger eng zu denken, Herbert. Scotty?«

»Jim, hier Scotty, alles erledigt, der Whisky ist gelutscht, der Warp-Kern steht bereit. Wir können.«

»Sehr schön, Scotty. Warum nicht gleich so schnell.«

»Ay, ay, Jim. Unmögliches mache ich sofort, nur für Wunder brauch ich länger. «

»Pille?«

»Vodka-Vorräte sind wieder aufgefüllt, Jim. Chekov kommt sehr viel später wieder auf deine Kommandobrücke zurück. Er ist tot, Jim. Noch. Ich muss ihn noch von seiner Vodka-Verkostungstour reanimieren.«

»Er gehört dir Pflaume, ähh… Doktor McCoy.«

»Jim, Wuuzi-wuuzi-kuuzi-kuu, wuuzi-wuuzi-kuuzi-kuu!«

»Pille, wuuzi-wuuzi-kuuzi-kuu? Spock? Weitere geistreiche Bemerkung zum Ergänzen?«

»Wuuzi-wuuzi-kuuzi-kuu, Captain?«

»Wuuzi-wuuzi-kuuzi-kuu, Spock.«

»Faszinierend.«

»Spock, eine anhaltende, humanoide Vorliebe für Irrelevanz. Demonstriert nur für Sie. Sulu, nächste Galaxie mit intelligentem Lebensformen ansteuern. Am besten die dort hinten rechts, die da wo so blau blinkt und leuchtet. Spock?«

»Jim?«

»Eine Runde Scrabble?«

»Faszinierend.«

»Tun wir’s so.«

König Kunde

»Könnten Sie bitte Ihre Maske aufsetzen? Der Aufenthalt hier ist ohne Maske nicht erlaubt.«

Er reagierte nicht, sah durch sie hindurch. Mit routinierten Handgriffen überprüfte er das, was er glaubte mit seinen eigenen Händen greifen zu können: die Frische der Brötchen.

»Ihre Maske, bitte.« Sie machte eine entsprechende Geste zu ihrem Gesicht und deutete auf ihre eigene FFP2-Maske.

»Was wollen Sie von mir?«

»Mein Herr, ich muss Sie leider nochmals auffordern, Ihre Maske aufzusetzen.«

»Was soll ich?« Sein Blick war weder fragend noch irritiert, er war herausfordernd.

»Der Aufenthalt hier in der Lounge ist ohne Maske nicht erlaubt.«

»Warum sollte ich eine Maske aufsetzen? Ich wurde in den letzten 48 Stunden negativ getestet. Extra für meinen Flug.«

»Würden Sie jetzt bitte Ihre Maske …«

»Warum sollte ich? Mein Test war negativ. Wo bitte ist denn der Ihrige, um mich zu schützen?«

»Wie bitte?«

»Sie quatschen mich hier von der Seite an, meine Maske aufzusetzen, dabei wissen Sie doch, dass jeder Passagier einen Test vorzuweisen hat, der diesen als negativ ausweist. Ansonsten kommt er doch gar nicht erst in den Sicherheitsbereich. Und ich selbst, ich bin negativ. Also brauche ich auch keine Maske hier!«

Er war lauter geworden, hatte sich provokant einen Meter vor ihr aufgebaut und starrte sie jetzt durchdringend an.

»Die Maske hier in der Lounge ist eine Pflicht!«

»Ach ja? Und Sie müssen sich nicht testen lassen? Und haben dann das Recht, mich so schwach von der Seite anreden zu dürfen?«

»Ich …«

»Wer sind Sie überhaupt?«

»Ich arbeite hier.«

»Dann sollten vor allem Sie einen Test vorweisen können, um nachzuweisen, dass Sie kein Risiko für uns Passagiere sind! Wir haben schließlich teuer für unsere Tickets und das Zutrittsrecht zur Lounge bezahlt! Da kann man doch auch wenigstens von den Bediensteten verlangen, …«

»Ich diskutiere nicht mit Ihnen. Sie haben Ihre Maske aufzusetzen oder ich muss Sie von hier entfernen lassen.«

»Ach ja? Und wer gibt Ihnen das Recht dazu? Wollen Sie mich etwa als einen dieser dämlichen Querdenker diffamieren? Oder als irgend so ein Leugner? Ich habe einen negativen Test und Sie konnten mir bislang keinen vorweisen, trotz meiner Aufforderung. Ich möchte umgehend Ihren Vorgesetzten sprechen! Sie behandeln mich unverschämt! Typisch Servicewüste Deutschland, mal wieder!«

Die letzten Worte hat er ihr mit lauter, fester Stimme ins Gesicht geworfen, zu ihr drohend vorgebeugt, mit dem erhobenen Zeigefinger fuchtelte er wie mit einem Degen vor ihren Gesicht erregt hin und her.

Eine uniformierte Frau tippte dem Passagier von hinten auf die Schulter: »Kommen Sie doch bitte mal mit. Ich bringe Sie direkt zu der Vorgesetzten unserer Mitarbeiterin. Kommen Sie bitte mit.« Freundlich, aber bestimmt nahm sie ihm beim Arm und schob ihn Richtung Ausgang.

Die Servicemitarbeiterin atmete tief durch, um ihren Ärger herunter zu schlucken. Die uniformierte Frau drehte sich noch kurz zu ihr um und erinnerte sie freundlich: »Und bitte, werfen Sie bitte alle Brötchen weg, die der Mann hier einfach so angefingert hatte. Die können keinem anderen Passagier mehr zugemutet werden.«

Das Leben ist voller Leid, Krankheit, Schmerz – und zu kurz ist es übrigens auch … (Woody Allen)

Das Spiel ist eröffnet.

Ein erneutes Match Mensch gegen Virus. Über vierzehn 24-Stunden-Runden. Der Sieger wird durch das Absterben des anderen gekürt. Ein Remis wird es nicht geben. Kampf ums Überleben.

Was ist der Virus? Was ist der Mensch? Ein Raubtier, ein Karnivor, ein Prädator? Ein unbequemer Gast auf dieser Welt? Die Krone der Schöpfung? Eine mit roten Blutkörperchen vollgestopfte Mammalia gesteuert mit ADHS im Hirn? Ein Attentat der Natur auf sich selbst? Eine schlechte Laune der Natur? Ist der Mensch souverän? Ist der Mensch autonom?

Nach Karl Marx, haben Philosophen immer nur die Welt interpretiert: Veränderung war nicht deren Metier. Allein der Kinder wegen müsste die Welt verändert werden. Nur eine neue Realität, die will keiner. Alle wollen nur die alte Realität. Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich.

Und am besten ist, der Mensch partizipiert an der Situation. Die Besten sterben zuerst. Niemand will beim Sterben der Erste sein. Helden, sagt man, Helden sterben immer zuerst. Denn sonst wären es keine Helden. Und Helden sollen immer die anderen sein. Denn man selber hat gerade zu tun. Damit, beim Sterben nicht der Erste zu sein. Erster zu sein, das ist maximal im wirtschaftlichen Leben förderlich. Denn wer Erster ist, der kassiert die ganze Ziffer aus der Bruchrechnung. Und die besteht bekanntlich aus Nenner und Zähler. Die Nenner stehen oben, die Zahler unten und es wird alles gebrochen. Das, was dabei raus kommt, also das Wichtige dabei, das ist der Rest vor dem Komma. Diesen Rest gilt es zu bekommen. Zum Erreichen des Zieles tut es notfalls auch Bestechung.

Das Problem der Bestechung ist nicht das Ungewöhnliche oder das Verwerfliche. Denn eigentlich ist es ja das Normale. Das Ungewöhnliche ist vielmehr bei allen die vielfachen Fragezeichen hinter der Frage: Echt? Hat der so wenig genommen? War der wirklich so bescheiden? Es wird dann auch gar nicht mehr großartig verschleiert. Nein, verschleiern ist ja bekanntlich belügen.

Es wird einfach gemacht, durchgeführt, umgesetzt. Hauptsache, einträchtig einträgig. Immer als Beratertätigkeit abgerechnet. Ist eigentlich bewusst, dass das Justizministerium zur Erstellung von Gesetzen Beraterfirmen beauftragt? Und wenn das Gesetz später kassiert wird, ist die Tätigkeit bereits bezahlt. Und allenthalben erfüllt ein großräumiges Schweigen die enge Sprachlosigkeit darüber, dass sprachgewaltige Experten stumme Experten beauftragen, gemeinsames Experten-Know-How zu simulieren.

Show-Program for customers. Das Handgeschäft der Zauberer. Wenn allerdings echte, also wirkliche Experten komplizierte Sachverhalte einfach erklären, dann ist das Geschrei groß. Denn Zauberer erklären nie deren Tricks. Also ist einer, der erklärt, wie es geht, eben drum allen suspekt.

Denn wer schon alle Herr-der-Ringe-Film-Folgen und alle Avengers-Filme sich einverleibt hat, der gibt sich nicht mehr mit normalen Erklärungen zufrieden. Da ist dann zu wenig Chichi, zu wenig Krach-Bumm-Peng und zu wenig Dutzend tote Affen-Trinitäten. Die Realität ist zu ernüchternd. Und deswegen muss dagegen die eigene Stimme erhoben werde. Gegen die Experten, welche wirklich Ahnung haben. Denn wenn denen keiner widerspricht, dann könnte die Ahnung aufkommen, dass man selber erst recht keine Ahnung habe. Ich frag mich, für wie blöd halten eben solche ihre Mitmenschen eigentlich?

Richtig. Genau für so blöd, wie wir nun mal sind. Wissen ist Macht. Von Experten mit Wissen, davon war ja bei „Wissen ist Macht“ nie die Rede. Es geht darum, Meinung zu äußern. Auch gegen Expertenwissen. Und wenn jene Meinungen kein Gehör finden, dann ist es opportun von Meinungsdiktatur oder Meinungszensur zu reden. Wissen, das ist etwas ganz anderes.

“Ich weiß, dass ich nichts weiß”, sagte irgendwer im alten Griechenland, kurz bevor er den gereichten Schierlingsbecher leer trank

“Ich weiß nicht mehr, was ich gewusst habe”, sagte irgendwer im Mittelalter angesichts der Folterwerkzeuge, die ihm präsentiert wurden.

“Hehehe, mir sollte mal erst jemand beweisen, dass ich etwas gewusst habe”, sagen die Leute von heute, vertreten deren Ansichten felsenfest und pochen auf Meinungsfreiheit.

In der Politik wird immer fatal deutlicher, dass in der Corona-Angelegenheit nie eine einheitliche Linie bestand. Vor zwei Wochen drohte Merkel noch, dass sie sich das Ganze in Deutschland keine vierzehn Tage mehr anschauen und dann reagieren würde. Hat Sie inzwischen auch. Sie denkt jetzt nach. Über eine gemeinsame bundesweite Linie der Länder zur Corona-Frage. Als Physikerin weiß sie, dass die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten keine gerade Linie ist. Bewusst wird ihr allerdings wohl auch, dass momentan die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten eher eine unbestimmte amorphe Linie ist.

Und weil eine gerade einheitliche politische Gedankenlinie nicht existiert, wird sie halt erdacht. Von anderen. Vorsätzlich konstruiert. Wo bestimmte Leute ohne Hosen da stehen, gefällt es den Züchtigen nicht und sie dichten denen eine gestrenge Hosennaht als Linie an. Damit dazu deren eigenes Denken quer gelegt werden kann. Eine erdachte Linie wird als real existierend erklärt. Ansonsten würde dem eigenen Querdenken überhaupt eine Orientierung fehlen. Man müsste dann zugeben, dass man im Denken amorph nachzugeben hätte, um gedacht quer zur Regierungslinie zu kommen. Was im Grunde ein ganz unsympathischer Gedanke ist. Eine schwabbelige undefinierte Linie als Basis der eigenen Querdenkerei.

Bereits damals hatten schon immer die Eltern ihren Kindern versucht zu erklären, der Klügere gibt nach. Der Klügere gibt nach und stellt sich nicht in die Quere. Der Klügere gibt nach und gönnt dem Denken das Verquere. Nur, Nachgeben ist ja nur etwas für Schwächlinge. Also jene, denen eben jene Herr-der-Ringe-, DC- und die vielen Marvel-Filme nicht gewidmet worden waren und die die Q-Denker jahrelang begeistert konsumiert hatten.

Das Prinzip “Der Klügere gibt nach” ist dumm, weil dann alle, die sonst nichts zu sagen haben, das Sagen haben werden. Aber nicht die Klügeren. Was den Querdenkern nicht gefällt. Auch wenn es denen nicht auffällt. Oder sollte den Eltern mal recht gegeben werden, dass sie doch recht hatten und die eigene jugendliche Pubertät nichts als die reine Pubertät war? So etwas geht gar nicht. Schließlich erklären bereits Psychologen, dass die Pubertät immer auch die Verneinung der Prinzipien in sich vereint, welche Eltern den Pubertierenden vorhielten, um sie in deren jugendlichen Handlungen zu entmündigen. Oder wie heißt es so schön: wir sind die, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt hatten. Und womit? Mit vollstem Recht.

Aber das zu erkennen, würde bedeuten, dass Superman, die Hobbits und die Avengers in Ricks Café in Casablanca sich bei einem alten Cognac unter den Augen eines Kommandanten nie die üblichen Verdächtigen zur Brust nehmen würden. So sitzen sie einträglich mit deren Experten am gleichen Tisch und planen die nächsten Predigten für deren Gläubige. Die Bergpredigt über Thanos seinen Finger-Schnipp.

Es werden keine “Glorreichen Sieben” am Horizont zu meinem Kampf “Against all odds” auftauchen und mir helfen. Kein Avengers, kein Batman, keine Wonder Woman, kein Superman wird sich neben mir stellen. Allein.

Der Sauerstoffgehalt liegt bei 98%, Puls bei 79, Temperatur erhöht, leichter Husten, der Blutdruck wie immer zu hoch und das Konto für mein 14-Runden-Match noch gedeckt. Wie geschaffen für ein Duell mit einem Virus, der mit N501Y klassifiziert wird.

Los geht’s.

Lebe geht wieder.

Ich hasse die Wirklichkeit, aber es ist der einzige Ort, wo man ein gutes Steak bekommt. (Woody Allen)

Warteschleifen

Wie lange ist Warten? Ist Warten länger, wenn es kürzer dauert? Das ist natürlich eine schwachsinnige Frage. Zeit hat eine konstante Beschleunigung. Und zwar keine. Zeit steht für sich alleine. Wäre Zeit variabel, dann gäbe es keine Uhren.

Als in der Gegend von Manchester zur Zeiten des Manchester Kapitalismus festgestellt wurde, dass Terminlieferungen aufgrund unterschiedlicher Zeitdefinitionen nie zuverlässig funktionierten, da führten die Engländer Zeitzonen ein. So wurde einigermaßen sichergestellt, dass der 16-Uhr-Nachmittags-Tee immer von allen zur gleichen Unzeit begangen wurde. Okay, es ging nicht um “tea time”, sondern “just in time”-Lieferungen, aber egal. Prinzip ist Prinzip.

In Deutschland wurde darauf einerseits die kostenlose Zeitansage per Telefonnummer eingeführt, andererseits diente das Signal der “heute”-Sendung oder der “Tagesschau” immer zur genauen Kalibrierung der stoisch ungenauen Küchenuhr.

Mein Vater stellt immer die Uhr um fünf Minuten vor, nur um sicher zu gehen, dass alle nachher auch pünktlich waren. Später aber studierten zwei seiner Söhne, und aus den “nur-fünf-Minuten-zu-spät” wurde gleich eine akademische Verspätungsviertelstunde. Danach stellte er die Uhr immer passend zum “Tagesschau”-Gong. Er war “Tageschau”-Schauer. Der “Tagesschau”-Gong war seine zeitliche Orientierung. Das Zeitalter der Internet-Uhren und die damit einhergehende Reduzierung der analogen Signalübermittlungsverzögerung lernte er nicht mehr kennen.

Der Zettel vor mir sah aus wie ein Kassenzettel. Oder eher so einer, den man an Kassen erhält, wenn man seine Telefonkarte aufladen möchte. Benutzername plus PIN.

Warten. Jeder Versuch des Runterladens des Ergebnis resultierte in der Information, dass die Information noch nicht vorliegt. Eine gewissermaßen validierte Nullinformation.

Von dem Ernst der Lage erfuhr ich durch meine Kontaktperson. Den Beweis erhielt ich direkt auf mein Smartphone. Direkt meldete ich mich auf meiner Arbeit krank. Krank oder potentiell krank sind ernste Angelegenheiten, die über Tod und Leben entscheiden können. Seit dem Germanwings-Flug 9525 von Barcelona nach Düsseldorf, der für deren Passagiere nicht auf der Düsseldorfer Kö, sondern an einer Gebirgswand der Westalpen endete, wurde jedem Menschen blutig vor Augen geführt, dass kranke Menschen oder Menschen, die vor der Gefahr des krank-Werdens stehen, nicht mehr arbeiten sollten. Auch nicht bei leichtem Schnupfen oder zartem schleimigen Husten. Oder einem leichten Unwohlsein.

Wer vor 16 Uhr getestet wurde, sollte das Ergebnis noch am gleichen Tag erhalten. So stand es im Internet. Um Mitternacht gab ich es auf. Immer wieder war die Antwort ein Hinweis, dass Warten angesagt wäre.

Warten war auch vor dem Testzentrum angesagt. Trotz Terminvereinbarung reihte ich mich in eine zwanzig-Meter langen Schlange ein. Zwanzig Meter bedeutete hier 10 Leute vor mir. An Supermarkt-Kassen bedeuten momentan 10 Leute kaum 10 Meter, inklusive natürlich dem Ruf nach einer weiteren Kasse.

Zwei Rumänen vor mir fragten mich, ob ich Ihnen den Platz vor mir frei halten würde. Sie sahen am Ende des Platzes des Verkehrsmuseums eine riesige, putzige in Stein gehauene Schnecke. Sie wollten dort noch ein paar Selfies machen. Erst habe ich verneint. Jeder würde halt warten müssen und warum sollten die gerade ihre Selfies nicht auch nach dem Testen erledigen können. Die Schnecke würden denen schon nicht weggekrochen sein. Aber dann war es mir egal. Ich sagte denen zu, sie vor mir wieder rein zu lassen. Auf die zwei Minuten mehr Warten käme es auch nicht an. Mein Sterbedatum würde von den zwei Minuten nur unwesentlich bis gar nicht abhängen. Außer es würde mir der Himmel auf den Kopf fallen. Mein Blick nach oben zeigte den kalten, grauen April-Himmel. Es roch nach Schnee.

Die beiden verließen die Schlange in Richtung Schnecke. Unweit davon saß eine Gruppe Menschen zusammen. Vielleicht sechs, vielleicht sieben. Ein Hinzukommender wurde per Handschlag begrüßt. Nein, kein Alkohol, keine Musik, keine Feierei oder Party. Smalltalk in der Gruppe. Und wir hier in der Schlange. Wartend. Stumm. Schweigsam. Egal.

In der Schlange fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, die von mir zu Hause zuvor ausgefüllten Fragebögen mitzunehmen. Ärgerlich. Ich hatte diese extra mit der passenden Software am Rechner ausgefüllt, ausgedruckt, unterschrieben, auffällig an meiner Wohnungstür platziert und dann dort vergessen. Warum auch nicht.  Hätte ich sie nicht so auffällig platziert, wahrscheinlich wäre mir aufgefallen, dass mir was fehlte … Meine kurz aufkommende Sorge, man würde mich ohne diese Fragebögen abweisen, verwies ich nach kurzem logischen Nachdenken ins Reich der Legenden. Die Basis für solch einen Test kann nicht das Besitzens eines Druckers sein. Wenn jemandem so etwas aufgefallen wäre, dann doch den Schnellmerkern der Querdenkern. Aber die hatte nie darauf hingewiesen. Cui bono? QED.

Nebenbei: Wer momentan Drucker kaufen will, wird überrascht sein. Es gibt nur noch wenige günstige. Falls überhaupt. Überall ist Home Office angesagt. Darum sind alle Drucker ausverkauft und die Druckerindustrie kann nicht mehr ausreichend liefern. Entweder sind die wenigen Billig-Drucker überteuert oder ausverkauft.

Es ist beileibe nicht die einzige Hardware auf dem Markt, welche momentan Mangelware ist. Preisgünstige Grafikkarten gibt es momentan auch nicht mehr. Wer eine sucht, um seine Videos zu bearbeiten oder um Spiele zu spielen, guckt bei schlecht gefüllter Börse in die Röhre. Aber das hängt nicht mit der Pandemie zusammen. Auch nur sekundär mit der Rohstoff-Krise am Weltmarkt, welche die Automobilindustrie momentan am Rande des Produktionsstopps treibt.

Es hängt mit den Bitcoin-Währungen zusammen. Viele der Grafikkarten werden inzwischen verwendet, um nach diesen Bitcoins zu “minen”. Das heißt, die Grafikkarten werden mit Rechenaufgaben (Algorithmen) beschäftigt, die immer wieder virtuelles Geld erzeugen. Wer genug Bitcoins geschürft hat, der hat die Kosten seiner Grafikkarten bald wieder raus. Rechner dienen somit der Vermehrung des eigenen Vermögens. Und verbrauchen dabei Unmengen an Strom. Daher wird inzwischen auch drüber nachgedacht, ob Bitcoins wirklich so umweltfreundlich sind, wie es zuvor erscheinen mag. Sicherlich ist es menschlicher, PCs mit Grafikkarten nach Bitcoins “schürfen” zu lassen, als Kinder in afrikanischen Goldgräberminen oder auf asiatischen Schrotthaufen mit Quecksilber Gold zu waschen … aber so richtig überzeugend sind beide Lösungen nicht.

Warten. Im Innern vom Museum lasse ich mich an einen der fünf Stellen für den Test registrieren, erhalte den Kassenzettel und ein Aufkleber-Etikett und reihe mich in der Schlange vor dem Test-Zelt wieder ein. Im Austausch zum Klebeetikett erhalte ich ein Stäbchen in den Hals und gehe wieder. Die beiden Rumänen sehe ich nirgends mehr, weder in der Schlange zur Registration, noch in der vom Test-Zelt, noch in der Nähe der Schnecke.

Die Gruppe hat sich vergrößert. Jetzt sitzen an die neun Leute auf dem kalten Boden und quatschen miteinander. Ich schaue in den Himmel. Es braut sich etwas zusammen. Der Geruch von Schnee wird penetranter. Eine Flocke segelt auf mich zu.

Um Mitternacht versuchte ich es zum letzten Mal. Direkt nach der Wiedergabe des Film “Fantomas” mit Luis de Funes aus der ARD-Mediathek. Als der damals zum ersten Mal im ZDF lief, war ich noch quietschjung und fand den Film oberspannend und komplett lustig. Wiedersehen macht Freude. Wahrscheinlich kamen auch 50% meiner Lacher daher. Die anderen Fantomas-Filme warten noch aufs Streamen.

Morgens dann, nach dem Aufwachen, der erste Griff zum Smartphone und nach dem Abrufen bin ich noch immer in der Warte-Schleife. Gut Ding will Weile haben. Guten Wein trinkt man auch nicht direkt nach dem Abfüllen aus der Flasche. Okay. Beaujolais Primeur schon.

Auf der Arbeit war man über meine erneute Krankmeldung genau so begeistert wie am Tage zuvor. Wann ich denn vorhätte, wieder zur Arbeit zu kommen. Und dass ich am dritten Tage eine Krankschreibung benötigen würde. Die Schnelltests dort in meiner Abteilung waren bereits durchgeführt. Alle negativ. Warum sollte ich denn bitteschön positiv sein?

Der Guten-Morgen-Kaffee war wie ein Dunlop-Reifen: stark, schwarz und schaumig schön. Mit ein wenig Zucker erhielt er die richtige Süße. Mein innerer Motor startete und hinterließ nach dem ersten Schluck Gummi auf dem Asphalt des morgentlichen Daseins.

Ich malte mir aus, was es bedeuten würde, wenn der Fall der Fälle eintreten würde. Eine ganze Abteilung könnte dann sofort ins Wochenende abtreten. Ich konnte mir das mephistophelische Grinsen nicht verkneifen. Nur danach: Formulare, Formulare, Formulare von der Wiege bis zur Bahre. Jedes Grinsen hat seinen Preis.

Gegen Zehne zeigte mir das heruntergeladene Dokument noch immer nur eine Botschaft: Warten. Der vierte Espresso tröpfelt in meiner Tasse. Etwas Zucker und dann: genießen. Diesen Geschmack aus süßer Bitternis.

Zwischen zwei Kapiteln meines aktuellen Hörbuchs “Die Hungrigen und die Satten” versuchte ich es noch einmal: Seite aufrufen, Benutzername eingeben, PIN reintackern, den Button drücken und dann … das Telefon klingelte:

“Hast du schon dein Testergebnis?”

“Moment.”

“Ja?”

“Hm. N501Y“.

“Was?”

“Warte mal. Ich ruf dich gleich zurück. Warte, okay?”