»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Dann lass es.«
»Aber ich muss es sagen. Es muss aus mir raus. Weil es hier ne Parkbank ist.«
»Dann sag es und gut ist.«
»Es regt mich auf.«
»Okay, was regt einen momentan eh nicht auf.«
»Aber das hier ist ernst.«
»Ernst ist das Kind von Verhütungsplanung. Ernst sein Vater ist jetzt geschockt, dass Verhütung nicht allein Frauensache ist. Nach zehn Jahren Rumbumsen ohne jeglichen Ernst …«
»Das mein ich nicht.«
»Sondern?«
»Eher das, was mit der Inflation vor Ort am gemeinen Essenslokal angepasst wird.«
»Die Preise von McDonalds?«
»Der Preis der Menschheit.«
»Ach ne, was du nicht sagst, du Hobbyphilosoph.«
»Ich hatte einen Freund …«
»Wer hatte den nicht.«
»… und der war auf seine Weise intellektuell.«
»Jaja, nee, ist klar. Hatte der jemals einen offenen Brief geschrieben? Nein? Dann ist der auch nicht intellektuell. Wenn jemand einen offenen Brief schreibt, dann muss er auch die augenblickliche Inflation der offenen Briefe im Auge behalten. Und der Reaktionen darauf. Und den Stand der Immobilienfonds im eigenen Portfolio. Ansonsten ist so einer nur Schwätzer..«
»Ich glaube, du verstehst nicht, was offene Briefe sind.«
»Briefe, die dem Postgeheimnis unterliegen, auf das der Sender des Briefes keinen Wert legen. Also so wie ein Wichtigtuer von Datenschützer, der mit Google-, Microsoft- und Amazon-Apps auf seinem Smartphone rumläuft, um wichtige Emails zu schreiben. Der allein schon beim Einloggen ins GMS-Netz seine Spuren für jedem hinterlässt.«
»Das ist Kappes, das meinte ich nicht. Eher das folgende: ich denke, also wissen wir.«
»Freilich. Wissen ist immer gut.«
»Wissern ist wichtige!«
»Okay, nur vom eigentlichen Wissen wissen wir immer zu wenig. Sagt bereits die Volksseele.«
»Was uns als Wissen aber fehlt, sind für uns Wissende die Wissenslücken.”
“Freilich. Wir sind Unwissende.”
“Es gibt Menschen, die behaupten aber nicht bloß, dass wir nichts von all dem wirklich wissen, was wir allgemein zu wissen glauben – sie behaupten sogar, dass sie wissen, wie es wirklich ist.«
»Kenn ich. Der Volksmund nennt solche Menschen schlicht und ergreifend: Wichtigtuer. Im Neudeutsch auch ‘Verschwörungstheoretiker’.«
“Somit lässt der Volksmund sie dort liegen, wo sich jene schon immer befanden: an den Rändern der gesellschaftlichen Kommunikation.«
»Mainstream eben.”
“Mainstream bedeutete ja ursprünglich kommerzielle, massentaugliche Oberflächlichkeit. Woraus sich in der Kritik eine gewisse Geringschätzung ergab.«
»Mainstream gab es für uns Boomer nicht. Das ist ein Begriff der ‘Gen Y’ ausgesprochen ‘generation why’. Boomer nannten das damals lediglich ‘Massengeschmack’. Also, etwas ohne besondere Würze und für jeden ohne Schluckauf schluckbar. Gen Y nennt es jetzt ‘Boomer Mainstream’.«
»Egal. Die radikalen Ränder haben nun eben diesen Boomer-Begriff ‚Mainstream‘ gekapert, nur um die gesellschaftlichen Mehrheit zu deren Feind zu erklären. Sie bezeichnen die gesellschaftlichen Mehrheit als Diktatur, weil die Mehrheit sie abweist und an den Rändern hält.«
»Und nu, was soll das? Ränder sind nun mal Ränder. Jede Pizza hat Ränder, auch wenn sie knusprig und lecker sind.«
»Eben jene Ränder sind nun nur deshalb sichtbar, weil die Mehrheit sich mit ihnen beschäftigt. Der Mainstream beschäftigt sich nun mal mit jenen.«
»Wahrscheinlich aus Langeweile.«
»Und das geschieht besonders immer in einer Demokratie. Demokratie setzt sich für so etwas ein, dass soziale Ränder möglichst nicht ausgegrenzt werden. Die Ränder mögen das nicht und schelten sie daher als Diktatur. Paradox.«
»Sie meinen also wohl eher ‘Demokratur’?«
»Nur, in einer Diktatur werden aber solche, wenn sie denn gefährlich zu werden drohen, direkt in Gefängnissen und Lagern isoliert. In der Demokratie lediglich in den verschiedensten Medien berücksichtigt und besprochen.«
»Ich hab noch ne Rollte Alufolie. Kann man locker nen Aluhut raus basteln. Für dich und deine Gefängnisse- und Lager-Argumentation. Du driftest ab in Verschwörungsmythen.«
»Nun. Verschwörungsmythen stellen auch Teil eines Unterhaltungsgewerbes dar.«
»Du meinst, mit wenig Aufwand eine Erschaffung von Gruppenzugehörigkeit und Weltbilder?«
»Und jene sind die irgendwo zwischen Gaming und Kino angesiedelt sind. Zwischen ‘Marvel Universe’ und dessen ‘Avengers’ und einem Krieg a la ‘Call of Duty’, den erfolgreichsten Beschäftigungsprogrammen für Großhirne vor Monitoren.«
»Aha, beim Lästern bist du jetzt bei der Playstation und den privat finanzierten Fernsehkanälen angekommen? Dem allseits bekannten Kino für geistig Arme?«
»Kino und Internet haben in den letzten 30 Jahren ein ganzes Universum an Verschwörungen ausgedacht. Das Monster bei Karstadt lässt grüßen. Oder Bielefeld und seine Saga.«
»Und das Drei-Hasen-Fenster in Paderborn.«
»Viele Verschwörungsgläubige scheinen in dem einen oder anderen Blockbustern der eigenen Blasen hängengeblieben zu sein. Da ist das 3-Hasen-Fenster nur das kleinere Übel.«
»Okay, momentan gibt es viele Superhelden- oder Anti-Superhelden-Filme und Serien auf den Streaming-Kanälen. Das ist wohl der neue geistige Existentialismus im virtuellen Hirn, der real viral in solchen Köpfen hoch und runter stiefelt.«
»Nicht wahr? Im virtuellen Raum lässt sich das echt prima ausleben.«
»Wir beide sind hier aber auf einer Parkbank. Die ist nicht viral und auch nicht durch einen Virus verursacht. Und die Parkbank geht auch nicht hoch oder runter.«
»Das ist wahr.«
»Und was sagt das uns?«
»Nun ja. Das alt bekannte Rezept: lasst es uns öffentlich aussitzen.«
»Da vorne ist ein McDonalds. Wir könnten in der Zwischenzeit ja ne Apfeltasche mit Cola mit nem Milcheis danach zu uns nehmen.«
»Gerne. Wenn es danach nicht viral geht …«