Coming home for X-Mas (4)

Geliebte Geliebte,

Die Weihnachtsfeiertage sind vorbei. Meine Zeit hier neigt sich dem Ende zu. Ich war bei dir am Grab. Das Eichenlaub dieses Herbstes lag noch drauf rum. Drei Kerzen vom Allerseelentag und das dazugehörige Allerseelengesteck.

Erinnerst du dich noch an die Allerheiligentage auf dem Friedhof? Überall rote Grablichter glimmten auf den Grabfeldern. Und dann die Blicke und Getuschel der Friedhofsbesucher: “Schau mal, der hat ne ganz schmucke Grabkerze.” “Guck mal, der Schulze mal wieder, lebt in Saus und Braus aber nur ein mickriges Kerzchen und das dürre Gesteck. Wenn das sein Vater sehen würde, der würde im Grab rotieren.” “Ist das nicht die Neunbeck? Dass die sich mal hier wieder auf dem Friedhof sehen lässt, unglaublich. Und dann der protzige Grabschmuck. Schämen sollte die sich.” “Hab ich dir nicht gesagt, wir hätten den größeren Kranz nehmen sollen? Die Poltes haben auch einen ganz Großen gekauft! Dabei nagen die doch am Hungertuch!” “Warum hast du die Streichhölzer vergessen? Wie sollen wir denn nur die Kerzen jetzt anmachen?”

Erinnerst du dich noch an das Grab des Chinesen? Der hatte keine Kerze auf das grab seiner Frau gestellt, lediglich eine Schale Reis. “Hey, Chinamann, glaubste, deine Frau kommt raus, um deinen Reis zu essen? Wann soll denn das passieren?” “Zu dem gleichen Zeitpunkt, wenn deine Eltern aus dem Grab kommen, um sich deren Hände an euren Kerzen zu erwärmen.”

Zwei Grabkerzen habe ich im Dorf gekauft. Eine soll sechs Tage brennen, die andere drei. Ich hoffe, das 6-Tages-Licht schafft es bis Neujahr. Ich erinnere mich noch, als du in unserer Schule aus dem Klassenzimmerfenster geklettert warst, aufs Fenstersims, zwei Klassenkameraden haben dich dort wieder gewaltsam runtergezogen. Zuvor hatte noch einer aus meinem Dorf das lakonische “Spring doch” lachend gerufen. Es war eine 5-köpfige Gruppe aus meinem Dorf, welche den Rest der Klasse perfekt unter ihre Kontrolle hatte. Zwei waren deren Soldaten. Sie waren gewissermaßen die gewalttätige Exekutive, sie schlug zu, wenn sie es für notwendig erachteten. Einer war der Beifallklatscher und wortgewandte Befürworter, was die anderen beiden als intellektuelle Köpfe diese 5er-Gruppe waren. Diese beiden gaben die Anweisungen und die Richtung derer Pöbeleien vor. Heute bezeichnet man das als klassisches Mobbing, damals war es noch Seitens der Lehrerschaft ein vermintes Feld. Denn drei dieser Fünfer-Gruppe, waren Söhne von Lehrern, Schulleitern und Politikern. Lief etwas nicht richtig für deren Zöglinge, dann wurde den Lehrern die Konsequenz derer Überlegungen direkt vor Augen geführt. Die Eltern von zwei der Fünfer-Gang waren wirtschaftlich sehr gut verzweigt und angesehen. Wer einen Rabatt wollte, kam um diese nie herum. Und wer woanders kaufte, einer solchen Familie schossen die Eltern mit Gerüchten vor dem Bug. Es hört sich kurios an, nur vor vierzig Jahren war so eine Konstellation ein wohlbehütetes Nest für deren verkommene Brut. Du wurdest vom Fenstersims gezogen, aber dein Leben war nachhaltig ruiniert. Du warst immer nur der Spielball anderer Interessen, du konntest keinen Widerstand in dir gegen solche Halunken aufbauen. Daran bist du letztendlich gestorben.

Ich weiß inzwischen, wie sich die 5er-Gruppe weiterentwickelt hatte. Der eine Intellektuelle gründete beim vorletzten NRW-Landtagswahlkampf eine eigene Partei, weil er Recht und Ordnung und Tugenden bei den anderen nicht mehr erkennen konnte. Danach löste er seine Partei auf und trag einer Rechtsextremen bei, in der als Polizist für seine Ideen sich einsetzte. Der andere wurde mit Hilfe seines Vaters Bankdirektor und wurde inzwischen mit Cum-Ex-Geschäften in Verbindung gebracht. In der C-Partei wurde er dagegen ausgebootet, weil er wohl zu undemokratisch sich verhielt. Er sollte eigentlich auch dort Karriere machen. Der Applaudierer lebt unauffällig im Dorf. Man kann ihn nicht einordnen, weil er sein Fähnchen immer in den passenden Wind hängt, um das Geschäft seines Vaters über Wasser zu halten. Aber er soll recht ideenlos wirtschaften und nur den Vorteils des Vitamin-Bs des Bankiers haben. Die beiden “Soldaten” sind im Dorf als “Stinkstiefel” verschrien. Der eine klagt aus Prinzip vor Gericht, wenn er irgendwo einen Vorteil für sich oder einen Nachteil für andere drin sieht. Ihn müssen wohl bislang sogar die Frauen zum Heiraten gemieden haben. Der andere ist verheiratet, aber weiterhin gewalttätig. Seine Frau kommt nicht von ihm los, ihre Anzeigen wurden nie aufgenommen, sie scheint sich mit seinem Verhalten arrangiert zu haben. Will man mehr erfahren, dann schweigen des Sängers Lueder, aus Höflichkeit. Du siehst, deine Täter leben nicht wirklich das Leben eines Vorbilds. Ja, sie haben Freunde, die sich deren Meinung fügen (bis auf den einen, der sich halt selber anderen fügt), aber sie sind allgemein nicht wirklich beliebt und jeder lässt Vorsicht bei den Kontakten mit diesen walten.

Aber das wird dich nicht trösten, geliebte Geliebte. Denn zu deinen Depressionen kam letztendlich ja auch noch Krebs. Bei den fünfen weiß ich von einem, dass er meint, wer sich richtig und gut ernährt, der habe ein funktionierendes Immunsystem und dem könne keine Krankheit nichts anhaben, weder Krebs, noch Grippe, noch Covid19. Ich wünsche, er schläft mal mit ner Frau die Tripper oder Syph hat. Mal sehen, was dann er zu seinem Immunsystem meint. Er könnte auch gleich mal frische Kuhfladen essen. Oder einen Schwimmkurs im Ganges. Er hat ja sein Immunsystem als Rückversicherung, ihm sollte also nichts passieren.

Geliebte Geliebte, ich habe mich heute von meiner Mutter verabschiedet und weiß nicht, ob es nicht auch so sein wird, wie bei dir. Ich hoffe nicht, aber die Zeit tickt Sekunde für Sekunde die Lebensuhr runter. Irgendwann ist jede Lebensuhr einmal abgelaufen. Dann stellen andere Menschen die 6-Tages-Grablichter oder die Reisschalen aufs eigene Grab. Das Schöne heute war am Grab das Rotkelchen. Es tanzte dort munter und pickte sich deren Mittagessen aus dem Boden. Es war ein wilder Tanz: hüpfend, springend, seitwärts steppend. Einfach so. Aus reiner Lebenslust. Ein eigenwillig schönes Bild. Das Leben steppte gewissermaßen oberhalb der Erde, während darin der Mensch seine ewige Ruhe bekommen hat. Das Leben geht weiter, geliebte Geliebte. Auch wenn die Grablichter verlöschen und der Wind neues verwelktes Eichenlaub aufs Grab wehen wird.

Meine Mutter kommt am Mittwoch wieder aus dem Krankenhaus raus. Sie plant schon wieder ihr Leben bei sich zu Haus. Mit 90 Jahren. Für mich kommt es aber leider zu spät. Ich werde morgen mich auf den Rückweg machen. Ja, Fotos habe ich für mein Archiv gemacht, ihre Umarmung gespürt, ihre Stimme in meiner Seele eingraviert. Aber in Kürze bin ich wieder eine 8-Stunden-Reise von ihr entfernt. Auch du wirst wieder von mir entfernt sein. Nur in Gedanken, da ist die Entfernung kürzer. Ein Mensch stirbt nur dann für immer, wenn sich niemand mehr an ihn erinnert. Wenn er gestorben ist. Für die Lebenden gibt es das Handy, das Telefon, den Brief. Oder die Reise. Lebbe geht weiter, geliebte Geliebte.

Ich ende hier. Mein Schmerz des Fortfahrens erwacht und es wird kein Gegenmittel dazu geben.

Geliebte Geliebte, habe die Ehre und gehabe dich wohl.

Coming home for X-Mas (3)

Geliebte Geliebte,

Ich weiß nicht, ob du es wusstest, aber es gibt nichts einprägsameres und einprägenderes als Weihnachten. Zu dieser Zeit werden ganze Kindheiten geprägt, ganze Ehepartnerschaften verdengelt und die Verwandtschaft präsentiert sich von seiner hügeligsten Eigenschaft, als die bucklige. Überall in Zeitungen und Internet fanden sich diese Weihnachtszeit Ratschläge wie man das Fest der Liebe, des Friedens und der Freude am besten ohne Streitereien überlebt.

FAZ: “Wie Familien Streit unterm Weihnachtsbaum verhindern können”

Axel-Springer-Mainstream-Organ #1: ”Streit an Weihnachten: So übersteht ihre Beziehung die Festtage”

Axel-Springer-Mainstream-Organ #2: “Partnerschaft: Mit diesen Tipps vermeiden Sie Streit an Weihnachten”

Axel-Springer-Mainstream-Organ #3: “Es könne wir Frömmsten nicht in Frieden leben, wenn es Euch bösen Lesern nicht gefällt.”

RP Online: “Mönchengladbach: Tipps um Streit an Weihnachten zu vermeiden”

Süddeutsche Zeitung: “München: Tipps um Streit an Weihnachten zu vermeiden”

Bayrischer Rundfunk: “So wird Weihnachten harmonisch – Tipps von Experten”

WDR: “Weihnachten ohne Stress und Streit”

Spiegel: “Knatsch unterm Baum – Offen über die Probleme reden”

Hamburger Abendblatt: “Harmonisch Weihnachten feiern? Das rät die Psychologin”

Kirche und Leben: “Geheimtipp für Weihnachten in Rom: Ein Baby auf dem Kaptiolshügel”

Vatikan News: “Erzbischof Schick: Streit um Christmetten einstellen”

Geliebte Geliebte, es herrscht auf einmal so viel Frieden im Laden. Alle Kriege sind beendet, die Soldaten der verschiedenen Lager liegen sich heulend und schmusend in den Armen, in den Swingerclubs wird aus reiner Nächstenliebe gepoppt, vereinzelt huschen noch verquere Querdenker über weihnachtlich grüne Wiesen, die Bullen auf eben diesen beißen nicht, lächeln zärtlich widerkäuend mit großen Augen die Butterblümchen an, die Schafe muhen, Hund, Ochs und Esel blöken im Chor, eine Heerschar von Weiß-Gold gewandeten Englein flöten von Ramstein das Lied “Engel”, ein Baby grunzt in einer trockenen Einweg-Hightech-macht-mich-glücklich-Windel und irgendwo steh ich Querulant unter einer bereits entnadelten Nordmanntanne und brülle in die nächste Krippe: “Alles Frieden, oder was?” Es herrscht wieder Frieden im Land.

Ich komme aus dem letzten Adam-Driver-Gaga-Film, schaue in den Nachthimmel und erkenne … Sterne! Die Sternwolke im Sternbild des Orions. Unweit davon, brilliert die Flamme des Sirius. Ungewöhnlich. In München sieht man das Sternbild nur recht schlecht. Lichtverschmutzung. Haben die hier auf dem Lande keine Schwerindustrie und helle Straßenlaternen?

Das Zelt für den Schnelltest vor dem Supermarkt ist leidlich gefüllt. Er geht wirklich schnell vonstatten. Ins Krankenhaus darf ich nur mit entsprechenden Nachweisen. Pro Patient pro Tag nur ein Besucher für nur eine Stunde. Meine Mutter ist nicht wirklich begeistert darüber. Sie wäre lieber zu Hause statt Weihnachten im Krankenhaus

Geliebte Geliebte, draußen bläst der kalte Wind die Null-Grad-Außentemperatur durch meine Jacke. Es ist ungemütlich. Ich habe mir meine alte Schule angeschaut. Die Säulenreihe. An der sechsten hatte ich immer in der Pause gesessen und schmachtend zu dem kleinen braunhaarig gezopften Mädchen anhimmelnd rüber gestarrt. Und immer wenn sie mich anblickte, hatte ich schnell weggeblickt. Irgendwann hatte sie mich dann ignoriert und ich saß dort mit gebrochenem Herzen. Nun, heute würde mein Verhalten als eine Art “Stalking” klassifiziert werden. Als ich heute vorbeikam, war niemand an den Säulen, der Schulhof war leer und nur der Wind blies. Aber vor meinem inneren Auge wurde es Sommer und ich sah mich dort sitzen, heimlich zur vierten Säule rüber starrend und dabei ein Buch lesend. Auf dem Pausenhof tobten die anderen Kinder, spielten Fangen oder ähnliches, dazwischen der Aufsichtslehrer und ich an der Säule. Und dann spürte ich wieder den kalten Wind und das Bild löste sich vor meinem inneren Auge auf. Ihr Name fiel mir wieder ein und ich fragte mich, was sie jetzt wohl so macht, so vierzig Jahre später. Aber die Antwort interessierte mich nicht. Das Leben ist weiter fort geschritten. Wahrscheinlich ist das 40-Jahre-alte Bild dieses 14-jährigen Mädchens schöner, romantischer, besser als die Realität der Ulrike Schößler von heute. Der Blick in die Vergangenheit verklärt einiges und lässt es in einem mystisch erwärmenden Licht erstrahlen …

Geliebte Geliebte, als ich gestern bei meiner Verwandtschaft war und ich mich mit deren 18-jährigen Sohn unterhielt, habe ich gemerkt, dass ich alt geworden bin. Die geistige Beweglichkeit, die Schärfe seines Geistes, Dinge differenziert zu betrachten, es hat mich zum Schweigen und stillen Bewundern gebracht. Aber es hat mir auch ein Bild einer Familie gezeichnet, welches mir eher wie eine WG erschien statt einer Familie. Wie bei den katholischen Krippendarstellungen. Alles Einzelfiguren, die zusammengestellt werden. Von außen schaut’s aus wie eine Einheit, aber wenn es keinen mehr interessiert, werden die Figuren zu individuellen Einzelschicksalen. Streitbare Individuen.

Im Fernsehprogramm läuft der Roberto-Benignis-Film “Das Leben ist schön”. Ein schön trauriger Film. Oder doch eher traurig schön? Alternativ gab es auch die Filmreihe “Rambo” Eins bis Drei. Frohe Weihnachten. Nun ja. Ich schau mal weiter, was noch kommt.

Bis dahin, gehabt dich wohl, geliebte Geliebte.

Biss denne

Coming home for X-Mas (2)

Geliebte Geliebte,

die erste Nacht in fremden Gestaden war okay. Es war in der Nähe von der ehemaligen Gaststätte “Dicke Weib”. Am Emmerbach. Am See. Diesen verzierte eine dünne Eisschicht. Und am Ufer Schnee.

Schnee, geliebte Geliebte. Das musst du dir vorstellen. Allein die Erwähnung des Wortes “Schnee” führt dazu, dass die ganze Münchner Polizei hellhörig wird. Oder besser geschrieben “würde dazu führen, dass”. Denn die haben erst letztens massenhaft Schnee verbrannt. In München. Bei der Polizei. Schrieben die Zeitungen. Schreibe ich dir auch jetzt. Denn alles andere wäre ja rein undenkbar. Hoheitliche Aufgaben sind auch das Verbrennen von Schnee.

Habe ich dir mal erzählt, dass früher in Rio de Janeiro der Schnee nur ein Privileg der Reichen und Schönen war? Dann zusätzlich das Privileg der Polizei. Und dann das der Unterschicht. Aber du wohnst ja in München. Da gibt es keine Unterschicht. Höchstens Hartz-4-Empfänger. Und in deren Harz-4-Sätzen ist kein Koks mit einkalkuliert, außer das Koks, welches im Hausbrand Verwendung findet. Aber Hausbrand gibt es in Münchener Mietwohnungen eh nicht mehr. Die würden eh auf Kosten der Mieter energiesparmäßig aufgerüstet. Da gibt es Fernwärme und Gas und Heizöl. Alles CO2-konform reguliert. Hausbrand, das können sich nur noch die leisten, die Geld haben und in deren Heim ein Kamin befeuern können. Deswegen können die Kamine der Reichen auch weiterhin mit Holz, Papier und ja, und auch Koks befeuert werden. Es lebe die Demokratisierung des Hausbrands. Und sei es nur die eigene Schnapsbrennerei im eigenen Keller.

Und wenn denn mal ein Haus brennt, dann ist es nebenbei bemerkt kein Hausbrand, sondern eher eine Katastrophe für die Mieter. Oder anders betrachtet ein Beitrag zum Thema “Schöner Wohnen. Danach”. Also ein reiner Versicherungschadensvorfall und ne Arbeitsbeschäftigungmaßnahme für die Feuerwehrleute, die aus Langeweile gerade den neusten klandestinen Hausbrand aus Gustls Schnapsbrennversuchen zu verköstigen.

Geliebte Geliebte, ich war heute an der Düvelseik. Das ist ist regionales Homing-Speech. Auf Deutsch, heißt das Ding “Teufelseiche”. Ein Schaustück knorriger Natur in einem Regionalbezirk, welcher vor paar Hundert Jahren noch feucht und unwirtlich war. Ich traf jemanden, der sich “Dave R.T. Nuckel” nannte und mir eine Geschichte erzählte, die so unglaublich klingt, dass sie auch in den bekannten und  von allen favorisierten Mainstreammedien wie BILD-Zeitung, BILD-TV, WELT oder ntv hätte stehen können, wäre die Story nicht grad mal ein wenig länger als ein herkömmlicher Twitter-Post.

Es ging um eine Spinneleonore, einem Hoho-Mannecken, einem Rentmeister Schenkenwald, einer schwarzen Kutsche mit Mönchen und dem Unaussprechlichen höchstselbst. Ich habe mir die Rechte an seiner Kurzgeschichte gesichert und werde versuchen, diese über einen Buchverlag zu veröffentlichen. Die Erlöse der Veröffentlichung werden uns Wohlstand und Reichtum versprechen. Der Literaturnobelpreis sollte greifbar sein, wenn man mir wohl gesonnen sein sollte..

Und vom geplanten Erlös werden wir dann garantiert eine Reise in ein vom Chiemsee nicht entferntes Etablissement machen können. Zusammen. Gemeinsam ganz enthemmt. Sex pur. Ein Stundenhotel an der Dachauer Straße im Norden Münchens. Sollte dann die Erde beben, die Gegend südöstlich davon dabei flach gelegt werden, dann könnten wir sogar den Chiemsee mittels Ferngläsern vom Dach des Drive-In-Apartments sehen. Was hältst du von dieser Idee?

Geliebte Geliebte, es soll hier auch “Lost Places” geben, also Orte die verlassen wurden und die den Geist von vollprozentigen-Mysteriums atmen. Zwei Flugzeugabsturzstellen. Ein Flugzeug davon musste man aus dem Erdreich erst aus buddeln. Das andere knallte so in die Davert rein. Zwei Kreuze, zwei Tote. Dazu noch ein Schießübungsplatz und verlassene Kasernen. Das hört sich an wie in Bayern Landsberg, wo nicht nur Hitler einsaß, sondern wo auch unterirdische Startbahnen geplant wurden und wo in dessen Frauenwald nur noch die Ruinen davon übrig sind. Ich werde dieser Sage hier nachgehen. Es kann nicht sein, dass so etwas in Vergessenheit gerät, woran sich eh keiner mehr dran erinnert.

Ach ja. Deswegen bin ich ja nicht hier. Heimreise war das oberste Ziel. Mutti besuchen.  Bürgertests durchführen. Lächeln hinter der FFP-2-Maske an Eingängen, damit die eigenen Augen strahlen. Das ist ungewohnt. In Bayern hat mir die FC-Bayern-Armbinde immer gereicht, um Einlass zu bekommen. Mir wurde gesagt, dass das maximal noch hier im Westfalen-Lande in Lippstadt, dem Heimatort vom Ex-Bayern-Vorstand KHR (Karl-Heinz Rummenigge) klappen könnte … nur wenn ich Bayern erwähne, ernte ich immer nur hasserfüllte Blicke.

HG Butzko hatte ich geschrieben. Er wollt mal wieder unbedingt Mettigel, so hab ich sein letzten Beitrag interpretiert.. Auf deutsch, München geht gar nicht. Typisch. Schalke 05  hatte sich doch extra in Liga 2 platziert, weil es dort von schlechten Mettigeln und hundsmiserablen Currywürsten in den Stadien Bayerns sicher war. Mettbrötchen gibt es in München nur als “Mett-Baguette” und die sind so knusprig wie ne Münchner Weißwurst. Und Currywürste in der Allianz-Arena? Darüber schweigt des Sängers Höflichkeit.

Geliebte Geliebte, ich bin nicht hier um Bayerns Glanz und Gloria (auch nicht von Thurn und Taxis) zu polieren, denn dafür gibt es in Bayern eine eigene Abteilung. Ich wollte dir schreiben, wie ich meine Vergangenheit hier aufarbeite. Hier im Westfalenland außer Rand und Band. Hier im Münsterland. Hier als Davertnickel. Geht so etwas überhaupt? Ich gehe in mich und konfrontiere mich mit meiner eigenen vergangenen Leere als schwarzes Loch einer expandierenden vorwärtsschauenden Vergangenheit. Geht das überhaupt?

Bis dahin, gehabt dich wohl, geliebte Geliebte.

Biss denne

Karneval 2016

„West-faaalen-land, West-faaalen-land, ist wihida aauser Rand un Band …“

„Kannste mal mit dem Geleiere aufhören? Bekommt dir das Bier nicht?“

Der Angesprochene hielt mit seinem monotonen Singsang ein und schaute seinen Saufnachbarn an.

„Wad willschte?“

„In Ruhe den Kehraus feiern!“

„Tu’s doch.“

„Aber du lallst monotone grässliche Lieder!“ Weiterlesen

Westfalenland, Westfalenland ist wieder außer Rand und Band

Mit lachen und scherzen und singen, woll‘n wir eure Herzen bezwingen, wer anders denkt, hat dich nie richtig erkannt, du schönes Westfalenland!

Jawohl!
Es wird wieder mit Konfetti gearbeitet! Unweit von Bielefeld!
Die fünfte Jahreszeit ist voll im Gange. „Helau“ auf allen Karnevalswagen. Kamelle und Blumesträuße regnet es und jeder ist bier-fröhlich und doppelt gekornt …

Hm, wie bitte? Ich soll mich zusammenreißen? Es ist schließlich Pfingsten?

Wieso? ist Pfingsten nicht der Tag als der Heilige Geist den Jüngern Jesus das erste Doping der Nach-Christi-Ära verabreichte? Was haben die Jünger da in allen Sprachen geplappert. Da hatte die Innung der antiken Dolmetscher protestiert. Was das denn solle? So einfach in fremden Sprachen reden? So ganz ohne Ausbildung und Diplom?

Ja, nee, is klar, nich, sagten darauf die Jünger, und interessierten sich einen feuchten für Dolmetscherausbildung, mittlerer Reife oder Abitur. Die sind einfach in alle Himmelsrichtungen raus und haben in allen Sprachen geplappert, dass die Innung der Dolmetscher stinkig hoch drei wurde.

Vergleichbar ist das heute mit den Friseuren. Da macht jetzt jeder Hinz und Kunz, jeder Grieche und Türke nen Friseursalon für 10 Euro den Haarschnitt auf, statt 35 Euro zu kassieren, wie es deren deutschen Pedanten normalerweise so tun.

Moment!
Bevor jetzt die weibliche Leserschar bei den 35 Euro respektive 10 Euro pro Haarschnitt nervös wird, der Preis gilt nur für Männer. Bei Türken und Griechen zahlen auch Frauen entsprechend mehr, plus Aufpreise versteht sich. Gleichberechtigung der Frauen zu den Männern bei den Haarschnibblern gibt es auch woanders nicht. Frauen zahlen generell mehr, weil sie Frauen sind.

Weiter im Kontext:
Während also die Jünger Jesu am Pfingstsonntag per Daumen trampend an den Straßen dieser Welt standen, um den jetzigen Status Quo des christlichen Abendlandes herzustellen, da müssen die auch ins Westfalenland getrampt sein.
Wieso denn „trampen“? Na, weil die „Reiter der Apokalypse“ die paar Jünger mitgenommen hatten. Direkt von Jerusalem bis hin nach Kamen. Und dann am Kamener Kreuz, da wurden die Reiter von einem mehrfachen PS-Pferdegespann – wahrscheinlich mit Stern – einfach niedergebrezelt und schon hatte das Altertum den ersten Verkehrsstau der Weltengeschichte.
Da sagten dann die Ureinwohner Kamens: „Nee, isse das wieder n Kreuz mit den Rasern.“ Die Reiter der Apokalypse wurden direkt am Unfallort begraben und die Jünger Jesu packten gleich noch ein Kreuz auf dem frischen Erdenhügel. Und schon hatte die Gegend ihren bösen Namen weg.
Kamener Kreuz.
Noch heute stauen sich viele PS-Gespanne mit und ohne Stern zum Gedächtnis an jenen verhängnisvollen Verkehrsunfall am Kamener Kreuz auf der BAB A1 und klagen, dass es der Offenbarung Johannes eine Freud gewesen wäre.

Nun, die Jünger Jesu sahen so dermaßen von den Apokalyptischen Reitern mitgenommen aus, dass sie sich also zu Fuß auf den Weg machten. Sie kamen von Kamen aus dann an Hamm vorbei (bei der gastfreundlichen Begrüßung einer Frau aus Hamm soll dann einer der Jünger auch gleich den ersten Hammer der Welt erfunden haben … Coitus Interruptus kannte der noch nicht …) und gelangten schließlich in eine Stadt, die von sich behauptete, sie hieße Beckum.
Das muss dann so um 1134 gewesen sein. An dem Tag, wann der Beckumer Chronist meinte, nu sei es geschehen, nu sei Beckum gegründet und wert schriftlich erwähnt zu werden.

Der Legende nach soll Beckum ja identisch mit der Stadt Schilda sein, der Heimat der Schildbürger. Das wussten die Jünger aber nicht. Als sie dann aber in einer Eulenspiegel-Verkleidung aus der Stadt flohen, hatten sie immerhin zweierlei geschafft. Die weltbekannte Geschichte von Schilda geprägt, war sicherlich ein erwirtschafteter Mehrwert für die Vergangenheit.
Aber was erheblich wichtiger für die Nachwelt sein sollte: Die Stadt war christlich geworden und man fing an, vor der langen Fastenzeit den Karneval zu feiern. Wie es nun mal bei frommen Katholen so Brauch ist. Denn schließlich ist nur am Aschermittwoch alles vorbei. Und nicht am Karfreitag.

Nun gut. So begangen Beckumer Bürger brav bäuerlich westfälisch beinhart Bauernkarneval: Karnevalsschlägereien, Kirchengottesdienste mit Beite am Aschermittwoch. Und jedes Jahr berichteten Zeitzeugen darüber, dass etliche brave Westfalen im Alkoholgenuss abstürzten.

Nur dieses Jahr da stürzte denn letztendlich auch der Prinz ab. Der Prinzkarneval von Beckum. Helau. Erst haben ja alle gelacht.
Toller Karnevalsstunt.
Fast wie in Bottrop-Kirchhellen im „Movie Park Germany“, da wo die Stuntmen Sponge-Bob doubeln, wenn der mal wieder von rachsüchtigen TV-Serien-entnervten Eltern gejagt wird.
Bei Erstürmung des Rathauses einfach mit dem Kranwagen abgestürzt. Eine Nummer wie aus einem Bruce-Willis-Film.
Dummerweise war das aber kein Stunt. Sondern echt. Drei Meter tief aus dem Frontlader eines Treckers runter in den Rathausstaub.
Das Rathaus verblieb also in politischer Hand und so wurde folgerichtig der Beckumer Karnevalsumzug an Rosenmontag abgesagt. Er wurde verschoben. Auf den 31. Mai 2009. Auf heute.

Das hatte bislang nur Düsseldorf im Jahre 1990 geschafft, als deren Karnevalsumzug von der Karnevalsgabel Düsseldorfs geweht wurde.
Nebenbei, Kölner schaffen solche Terminverlegungen nicht. Die feieren trotz Orkan, Golfkrieg und Kardinal Meisner einfach munter flockig ihren Karneval weiter.

Nun.
Weiter.
Wegen des Rathausturzes ist nu heute in Beckum Karneval. Und der alte Prinzkarneval und seine Marschälle sind gesund wieder mit von der Partie.
Und daher gilt es jetzt, ihr Westfalen, schunkelt diszipliniert jeder Zweite! Denn jeder Erste arbeite dafür heimatverbunden mit Luftschlangen, Konfetti, Doppelkorn und Doppelkopp-Blatt.
Und darum stimmen wir jetzt heute alle ein:

Kinder, laßt uns fröhlich sein, denkt nicht mehr an morgen, stimmt in unser Lied mit ein, und vergeßt die Sorgen! Und sollte auch mal einer strein‘, Westfalen, die sind stur. So laden wir ihn freundlichst ein und singen ihm dann nur:
Westfalenland, Westfalenland ist wieder außer Rand und Band, mit lachen und scherzen und singen, woll‘n wir eure Herzen bezwingen, wer anders denkt, hat dich nie richtig erkannt, du schönes Westfalenland!

Kennt ihr unsern Doppelkorn, und den prima Schinken, die besänftigen unsern Zorn, daß wir fröhlich winken.
Und sollte auch mal einer strein‘, Westfalen, die sind stur. So laden wir ihn freundlichst ein, und singen ihm dann nur:

Ja! Westfalenland, Westfalenland ist wieder außer Rand und Band, mit lachen und scherzen und singen, wolln wir eure Herzen bezwingen, wer anders denkt, hat dich nie richtig erkannt, du schönes Westfalenland!

Westfalenland, Westfalenland ist wieder außer Rand und Band, mit lachen und scherzen und singen, wolln wir eure Herzen bezwingen, wer anders denkt, hat dich nie richtig erkannt, du schönes Westfalenland!

Wer Westfalen richtig kennt, Städte, Land und Leute, gerne unser Freund sich nennt, so wie wir auch heute. Sollte auch mal einer strein‘, Westfalen, die sind stur. So laden wir ihn freundlichst ein, und singen ihm dann nur:

Ja! Westfalenland, Westfalenland ist wieder außer Rand und Band, mit lachen und scherzen und singen, wolln wir eure Herzen bezwingen, wer anders denkt, hat dich nie richtig erkannt, du schönes Westfalenland!

Westfalenland, Westfalenland ist wieder außer Rand und Band, mit lachen und scherzen und singen, wolln wir eure Herzen bezwingen, wer anders denkt, hat dich nie richtig erkannt, du schönes Westfalenland!

Jetzt fragt freilich der gläubige Christ zu Pfingsten:
Und was wurde aus den Jüngern?

Nun ja, da gehen die Geschichten auseinander. Die sollen über die B61 via Gütersloh und Brackwede nach Bielefeld gelangt sein. Dort haben sie eine Modefirma und ein Tennisturnier aufgemacht.

Aber das ist sicherlich nur tiefster, dunkelster Mär. Alles völlig unverbürgt. Einfach nur eine Geschichte aus westfälisch langsamer Doppelkornmentalität.
Denn wie jeder weiß:

Bielefeld gibt es gar nicht!!

Klarsoweit?