Wo man alles sagt, da fällt kein Wort …

Herr Kiki-Jouzu ist gestorben. Eigentlich sollte ich besser „Kiki-Jouzu-san“ schreiben, denn er ist Japaner und Japaner verwenden die Anrede „Herr“, indem sie dem Namen ein wertschätzendes „-san“ anfügen.

Yasashii Kiki-Jouzu-san ist also tot. Er lebt nicht mehr. Er hat die Löffel abgegeben. Er ist sowohl über den Jordan, als auch über die Wupper gegangen. Er hat abgedankt und das Zeitliche gesegnet. Er biss in Gras und streift jetzt durch die ewigen Jagdgründe. Er hat aufgehört zu existieren. Sein Leben endete tödlich. Yasashii Kiki-Jouzu-sans Leben war ungewöhnlich, so wie sein Sterben gewöhnlich war.

Ich sah ihn zum ersten Mal auf einer Tagung der „Freunde künstlerisch geschnitzter Go-Steine“, im Sommer 2002 in Bern. Er begleitete einen Vertreter einer winzigen Go-Steine Manufaktur aus Chindougu der Provinz Dokomo. Diese Manufaktur hielt damals noch 85% der globalen Kunst-Go-Steine-Geschäfte. Für Spieler des Brettspiels Go waren jene Steine das Edelste auf dem Markt. Und das Geschäft lief glänzend, bis jedoch ein Student aus Süd-Korea fünf Jahre später jener Manufaktur alle derer Geschäfte mittels eines 3D-Druckers in Vaters Garage entriss. Jener Vertreter und Redner der Kunst-Go-Steine-Manufaktur war ein gewisser Seki-san und eine bekannte Größe in der Go-Brettspiel-Szene. Und er hielt vor dem Publikum eine 45-minütige Rede über die Bedeutung einer Go-Stein-Kette, welche nur noch eine Freiheit besaß, und darüber, welche Macht dabei handgeschnitzte Go-Steine haben können, um aus solche unangenehmer Situation zu entkommen. Seki-sans Rede wurde von einem Kasachen auf unsere Kopfhörer simultan übersetzt. Leider aber aß der Kasache schwedisches Trockenbrot, weswegen ich irgendwann entnervt den Kopfhörer absetzte und einfach dem Klang der japanischen Sprache nachhorchte. Dabei fiel mir Yasashii Kiki-Jouzu-san auf. Er saß neben Seki-san und warf immer Zwischenbemerkungen in Seki-sans Rede ein: „Hai!“, „Ochin harasho!“, „A so“ und „Kyou-mi shin-shin!“ waren die Worte, die ich immer wieder identifizieren konnte. Yasashii Kiki-Jouzu-san war ein kleiner, hagerer, weißhaariger Mensch, unscheinbar. Und immer schien er leicht mit dem Kopf zu wackeln, wobei er ohne Unterlass lächelte. Seine Brille im John-Lennon-Stil hat ihn für mich aber unverwechselbar gemacht.

2007 begegnete ich Yasashii Kiki-Jouzu-san wieder. Es war eine kleine Klima-Konferenz über „Abholzung von Wäldern“ in Bologna. Der Japaner Hashi-san erklärte wie seine Firma in einem eigenen Biotop Bäume anbaute, um japanische Essstäbchen für den Weltmarkt zur produzieren. Kiki-Jouzu-san saß neben Hashi-san auf einem Rednerpult. Wieder gab es Kopfhörer und erneut einen unfähigen Übersetzer, den ich mir nicht antun wollte. Also lauschte ich dem Klang der Sprache. Und wieder warf Kiki-Jouzu-san in Hashi-sans Rede seine Zwischenbemerkungen ein.

Erneut vier Jahre später sah ich Yasashii Kiki-Jouzu-san in einem Hotelkonferenzsaal in Wanne-Eickel neben einem Japaner mit dem großen Namensschild Nejimakidori-san. Es war die Jahreshauptversammlung eines überregionalen Brieftaubenzüchtervereins, und irgendwer musste es wohl für eine geniale Idee gehalten haben, einen Gastredner zu arrangieren. Aber es gab keine Simultanübersetzung und Nejimakidori-san hielt selbstbewusst seine Rede komplett in Japanisch. Am Anfang war es im Publikum still und nur Yasashii Kiki-Jouzu-sans leises „Hai!“, „Ochin harasho!“ und „A so“ war zu hören. Aber dann rief jemand „Hey, tu mal Übersetzung!“ und ein anderer rotzte ein „Versteh nix!“ in die Rede. Nejimakidori-san schienen diese Einwürfe zu beflügeln. Seine Brust wurde breiter, seine Haltung aufrechter, seine Augen strahlten und seine Stimme wurde wesentlich lebendiger. „Wat sacht der Spakko?“, rief der nächste Zuhörer und ein anderer: „Kann der Zwerg neben dem nicht mal übersetzen tun?“ Nejimakidori-san redete sich offensichtlich in einen Rausch rein. Nur war die Reaktion des Publikums eine andere. Die ersten verließen den Saal. Bevor die Peinlichkeit des Publikumsschwund überhand nehmen konnte, trat der Veranstaltungsleiter applaudierend auf die Bühne, nahm Nejimakidori-san das Mikro weg und erklärte bedauernd, dass Yasashii Kiki-Jouzu-san wohl zur Übersetzung unfähig wäre. Nejimakidori-san und Kiki-Jouzu-san verließen kurz darauf das Podium. Nejimakidori-san zwar noch mit geschwellter Brust, aber bereits sichtlich ein wenig irritiert, und Kiki-Jouzu-san gebeugt, ihm hinterher laufend mit offensichtlich bekümmerten Blick.

Am gleichen Abend am Dortmunder Flughafen sah ich Kiki-Jouzu-san dann wieder. Er stand an einem Würstchenstand und stocherte mit einem Holzgäbelchen in einer Currywurst rum. Ich fasste die Gelegenheit beim Schopfe, ging zu ihm hin, stellte mich auf englisch vor und erklärte ihm, woher ich ihn kennen würde. Er schaute mich unangenehm berührt an.

„Careca-san? Sie sind Careca-san? Ich kenne Sie nicht.“

„Aber ich Sie. So oft habe ich Sie auf Podien gesehen und mich gefragt, was Ihre Aufgabe sei. Sie sitzen da immer neben dem Redner und das einzige, was sie sagen ist ‚Ja‘, ‚Sehr gut!‘, ‚Ach so‘ oder ‚Sehr interessant!‘. Warum machen Sie das? Was hat das für eine Bedeutung?“

Er musterte mich über den Rand seiner John-Lennon-Brille an und ein Lächeln huschte über seinen Lippen. „Doch jetzt erkenne ich Sie wieder. Hatten Sie nicht mal auf einem Go-Kongress ‚Smörrebröd-dump-ass-Junkie‘ gerufen und ihren Kopfhörer weggeworfen?“

Ich zuckte zusammen. Ja, offenbar hatte er mich wohl wieder erkannt. Er lächelte erneut und fuhr fort: „Ich bin ein guter Zuhörer.“

„Das tut mir leid, damals. Ich dachte, ich wäre damals dabei leise gewesen. Sie scheinen mir wirklich ein guter Zuhörer zu sein.“

„Nein, nein, Sie verstehen nicht. Meine Aufgabe ist, ein guter Zuhörer zu sein.“

„Ich verstehe nicht.“

„Ich werde dafür bezahlt, meine Auftraggeber bei deren Reden durch aktives Zuhören zu unterstützen.“

„Aktives Zuhören?“

„Schauen Sie. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Angenommen Sie führen einen Blog im Internet, dann wollen Sie doch wissen, ob er gelesen wird, nicht wahr. Sie bauen einen Besucherzähler in ihrem Blog ein, der Ihnen zeigt, wie viele Besucher sie hatten. Aber das reicht Ihnen nicht. Sie wollen aktive Resonanz. Sie wollen wissen, ob ihr Blogeintrag dem Leser gefallen hat. Sie wollen nicht nur Besucher des Besuches willen, oder. Sie wollen aktive Wertschätzung, nicht wahr.“

„Und was hat das mit aktivem Zuhören zu tun?“

„Meine Aufgabe ist es, dem japanischen Redner während seiner Rede eine Rückmeldung zu geben, dass ihm mindestens einer zuhört. In Japan wird mein Job nicht benötigt. Dort übernehmen das die Zuhörer. So etwas gehört zum guten Ton, zu unseren Sitten und Gebräuchen. Aber das Problem mit euch Europäern ist, dass ihr immer zu ruhig seid, bei den Reden anderer Leute. Nie weiß man, ob ihr nicht bereits eingeschlafen seid oder ob euch die Rede interessiert. So wie jemand bei seinem Blog ‚Mag ich‘-Klicks oder Kommentare haben will, so benötigen wir Japaner bei unseren Reden in Europa Rückmeldungen, dass man ihnen zuhört. Ansonsten können wir keine Reden halten.“

„War deswegen der Referent der Brieftaubensitzung so begeistert, weil ihn keiner verstand, er aber meinte, er bekäme positive Rückmeldung auf seine Rede?“

Kiki-Jouzu-san seufzte. „Das, was da heute geschah, war anfangs für Nejimakidori-san unglaublich. Er hatte sich auf das normale Schweigen von euch Europäer eingestellt. Und als die ersten dazwischenriefen, glaubte er, seine Rede würde die Zuhörer mitreißen.“

„Hatte er nicht gemerkt, dass niemand ihn verstehen konnte, dass es keine Simultanübersetzung gab?“

„Er glaubte, alle hätten diese neuen Knöpfe im Ohr, jene die man nicht mehr sieht und trotzdem so unglaublich gut funktionieren. Jene mit dem japanischen Technik-Know-How.“

„Aber doch nicht in Wanne-Eickel!“

„Das hatte er nachher auch erfahren. Auf Englisch. Vom Veranstalter. Und Nejimakidori-san hat es mir angelastet, weil ich dem Veranstalter angeblich nicht richtig zugehört hatte. Nejimakidori-san hat meinen Vertrag gekündigt. Jetzt darf ich noch nicht mal ‚Gefällt mir‘-Klicks generieren, wenn er wie üblich auf seiner Firmen-Facebook-Seite und in seinem privaten Blog Zitate von Dōshō und Lehrmeister Kong veröffentlicht. Diese Referenz wird mir fehlen in meiner Aufgabe als aktiver Zuhörer.“

„Wo ist Nejimakidori-san jetzt?“

„Er ist dort hinten in der Senator-Lounge. Ich durfte ihn nicht begleiten und muss hier warten, denn sonst würde ich ihm unendliche Schande bringen und er sein Gesicht verlieren.“

Kiki-Jouzu-san hielt inne und schob sich eine Scheibe Currywurst in den Mund. Belustigt bemerkte ich, dass er in seiner Hand zwei Holzgäbelchen dazu benutzte, wie japanische Essstäbchen.

„Noch eine letzte Frage: Was um Himmels willen hatte Nejimakidori-san auf jener überregionalen Jahresversammlung von Brieftaubenzüchtern des Ruhrgebiets zu suchen?“

„Nejimakidori-san hat im Norden Japans eine sehr erfolgreiche Produktion von mechanischen Aufziehvögeln. Man nennt ihn deswegen in seinem Ort auch achtungsvoll ‚Mister Aufziehvogel‘. Er war zufällig in Europa und erhielt über Internet eine Einladung, weil die Brieftaubenzüchter ihrerseits dachten, dass ‚Aufziehvogel-Experte‘ für den Begriff ‚Aufzucht‘ stehen würde.“

Ich hatte erfahren, was ich wissen wollte und somit begann ich mich, zu verabschieden. Während der Verabschiedung und dem Austausch der Business-Karten kramte er noch schnell in seiner Aktentasche, um mir eine Doppel-CD zu überreichen. Er sagte, es wäre seine neuste Geschäftsidee: eine CD für japanische und europäische Anwender zur Unterstützung bei einer zu haltenden Rede.

Drei Wochen nach der Fukushima-Katastrophe glaubte ich Kiki-Jouzu-san während einer Podiumsdiskussion in Wackersdorf im Bayrischen Fernsehen wieder erkannt zu haben. Er saß dort neben einem japanischen Manager, der einer schweigenden Menge erklärte, warum Europas Energieunternehmen sichere Bündnispartner für Japans Energieunternehmen seien. Danach sah ich Kiki-Jouzu-san nie wieder.

Während meines Zwischenaufenthalts in einem billigen Hotel in Kölleda fiel mir eine alte Zeitung vom vergangenen Sommer in die Hand. In dem Lokalteil stand ein kurzer Bericht über ein japanisches Konsortium, welches Geld in einen Freizeitpark bei Sömmerda investieren wollte. Das ganze endete jedoch als ein Fehlschlag. Ein schlechtes Ohmen und Menetekel sollte wohl gewesen sein, dass ein Delegationsmitglied, ein gewisser Herr Yasashii Kiki-Jouzu, während des Vortrags des japanischen Redners offenbar verstorben wäre. Es fiel dem Publikum aus Presse und Zuschauern zuerst gar nicht auf, denn er verschied schlafend in aller Stille auf dem Podium. Allerdings – so meinte der Schreiber des Artikels – wäre der Name nicht gesichert, denn der Name wurde von den Japanern genannt, hieße allerdings übersetzt „der wohlwollende gute Zuhörer“ und man wisse nicht, ob jenes nicht doch eher dessen Funktion statt Name gewesen wäre.

Vor der Weiterfahrt in meinem Auto am nächsten frühen Morgen fiel mir bei der Suche nach Musik die Doppel-CD vom Dortmunder Flughafen in der Hand. Ich hatte sie achtlos in der Seitentasche der Tür verstaut gehabt. Als Verkäufer, der die kometenhaften Popularität der letzten Jahre dieser neuartigen Jojo-Kartuschen mit doppelwandigem Magnetzipper nach dem bilokativen Mirosions-Verfahren auf dem Lande verursacht hat und worüber jeder Landwirt momentan schwärmend spricht, dafür benötigte ich keine Unterstützung für Reden. Ich bin Verkäufer. Kein Redenschwinger.

Vorsichtig nahm ich die eine CD mit der Aufschrift „Effective support for Japanese Speaker (45 minutes)“ heraus und schob sie in den CD-Player. Die Zeit im Display lief los und kurz danach vernahm ich in kurzen Abständen Kiki-Jouzu-sans Stimme:

„Hai!“, „Ochin harasho!“, „A so“, „Hai!“, „Kyou-mi shin-shin!“, „Hai!“, „Ochin harasho!“, …

Ich nahm die CD wieder heraus und legte die zweite CD ein: „Effective support for European Speaker (45 minutes)“. Wieder lief die Zeit im Display los und ich lauschte intensiv, aber ich hörte nichts. 45 Minuten lang ertönte kein Ton aus dem Lautsprecher. Nur Stille. Dr. Murkes gesammeltes Schweigen.

Nach 45 Minuten Tonlosigkeit wurde die CD automatisch ausgeworfen. Ich ergriff sie und steckte sie in die CD-Hülle zurück und legte die CD in meine Aktentasche.

Den Rest des Tages verbrachte ich in Schweigen.

Abalone – Das Leben und Sterben einer pazifischen Meeresschnecke

Essen ist Nahrungsaufnahme. Und Essen kann auch zu einer Zeremonie werden. So wie es oft in Japan praktiziert wird.
Dann können sich Leben und Tod vor einem auf dem Tisch berühren, nur verdeckt durch einen Topfdeckel.
Zurück bleibt am Schluss die perlmutt-schimmernde Schneckenschale der Abalone.
Und was geht einem dabei durch den Kopf?
Ehrfurcht. Dankbarkeit. Und Verwirrung.
Das Leben sozusagen.

https://www.youtube.com/v/_VdP56VTa0g?version=3&hl=de_DE

Musik: „Point of no return“ von Roger Subirana Mata (http://www.jamendo.com/de/album/24858)

Internetlink zum You-Tube-Video: http://youtu.be/_VdP56VTa0g

Das Video ist auch in HD verfügbar.

Blick zurück in den Zorn (oder: Kernschmelze des Vertrauens)

Anfang 1987 fand der damals frisch eingestellte Geschäftsführer der Hanauer Atomfirma „Transnuklear“, Hans-Joachim Fischer, falsche und überhöhte Abrechnungen der Abteilung „Radioaktive Abfälle“ auf. Fischer erstatte Anzeige wegen Veruntreuung von Firmengeldern. Im April 1987 begannen die umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Ende 1987 erreichte der Skandal für nicht möglich gedachte Dimensionen. Kontaminierte Abfälle mit den radioaktiven Elementen Kobald 80 und Plutonium waren in Fässern als harmlosere Abfallstoffe deklariert worden. Diese Umdeklarierung hatten sich mehrere Mitarbeiter der Hanauer Firma „Transnuklear“ sehr gut bezahlen lassen. Fünfzehn Millionen D-Mark Schmiergelder sollen es gewesen sein.
Anfang Dezember tauchten dann die ersten falsch deklarierten Fässer bei der Preussag in Hannover auf. Immer mehr falsche Lieferungen wurden im Dezember letztendlich bei anderen Firmen entdeckt. Am Ende waren es 1942 Fässer. Kurz vor Silvester ’87 hatte der Skandal seinen Höhepunkt erreicht.

Die Firma SIEMENS war dabei im Atomdorf bei Hanau für ca. eine Milliarde D-Mark, eine Anlage zur Produktion von Mox-Brennelementen zu errichten. Das brisante dabei war, dass in Mox-Brennelemente das nach dem Höllenfürsten Pluton benannte Plutonium eingebaut wird. Mox-Brennstäbe bestehen aus einem Uran-Plutonium-Mischoxid.
Das Brennelementewerk sollte das bei der dort ebenfalls geplanten Wiederaufarbeitung von Brennstäben anfallende Plutonium zu MOX-Brennelementen verarbeiten. Die SIEMENS stellte die Anlage zwar fertig, konnte sie aber nie in Betrieb nehmen und verzichtet 1995 komplett auf die Pläne zur Inbetriebnahme.

Zuvor positionierte sich SIEMENS mit seinen Plänen bereits, nachdem sie im Umfeld des Hanauer Bestechungskandals ahnte, dass deren Pläne zum Umsetzen der Anlage problematisch werden würden.
Der Super-Gau von Tschernobyl aus dem Jahr 1986 war noch frisch in Erinnerung. Im September 1988 wurden 100 Eisenbahnwaggons mit Cäsium 137 verstrahlter Molke bei Rosenheim aufgefunden. Die Süßwarenfirma Ferrero stellte ihre Bewerbung deren Produkt „Ferrero Rocher“ mit dem Werbezusatz „mit Bizantiner Königsnüssen“ ein, denn nachdem die Bevölkerung mitbekam, wo Byzanz lag und wie es mit der Kontaminierung u.a.a. von Haselnüssen damals generell aussah.

Der im September 1998 gestorbene SIEMENS-Vorstandsvorsitzende Karlheinz Kaske sprach am 2. Februar 1988 in einer Münchener Pressekonferenz über den damaligen Skandal bei den Hanauer Atomfirmen. Zu einer möglichen Gefährdung durch falsch deklarierte Atommüllfässer meinte er:

„Nur 0,2 Milligramm Plutonium war in den Fässern. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.“

Vielleicht hatte Karlheinz Kaske den damaligen Bayerischer Staatsminister für Umweltfragen Alfred Dick (CSU) als Vorbild. Dieser hatte im September 1988 medienwirksam einen Teelöffel Molke, welche mit Cäsium 137 belastete war und aus den 100 Rosenheimer Eisenbahnwagon stammte, vor laufender Kamera gegessen und dessen angebliche Ungefährlichkeit mit den Worten „Des tut mir nix!“ kommentiert.

Nur, hätte der Atom-Gourmet Kaske das gleiche mit einem Teelöffel Plutonium verseuchten Lebensmittel getan, ihm wäre ein Staatsbegräbnis sicher gewesen. Seinen Worten des „auf der Zunge zergehen lassen“ folgten keine Taten.
Ein Milligramm Plutonium strahlt mit 2,5 Millionen Becquerel. In Konsequenz nach den Strahlenschutzverordnungen Deutschlands hätte dann aber die Aussegnungshalle als „radioaktiv“ und der Friedhof als „strahlengefährdetes Gebiet“ gekennzeichnet werden müssen. Mit 0,2 Milligramm Plutonium lassen sich langfristig 5.000 Menschen in Gräbern befördern, welche dann für die nächsten 100.000 Jahre Sperrgebiet wären. Das würde sich niemand einfach mal so auf der Zunge zergehen lassen, wie es der damalige SIEMENS Vorstandsvorsitzende Kaske lächelnd in die Kameras verkündete.

Die Bemerkung von Karlheinz Kaske war damals von den Medien als Beruhigungsmittel gedacht gewesen. Die Bemerkung fiel in einer durch die Hanauer Atomfabriken „Nukem“ und „Alkem“ aufgeregten Athmosphäre. Und, sie wirkte. Die Bevölkerung war beruhigter.

Jetzt wurde in der Umgebung von Fukushima Spuren von Plutonium nachgewiesen. Spuren von Plutonium. Wer möchte sich diese auf der Zunge zergehen lassen?

Vielleicht könnten sich diejenigen freiwillig zum Kernbrennstäbe putzen melden, welche jetzt meinen, dieser Fund wäre unbedenklich. TEPCO sucht sicherlich noch paar Freiwillige in Schutzanzügen, die deren schmelzende Brennstäbe runterkühlen … .

Quelle des Zitats von Karlheinz Kaske: „Süddeutsche Zeitung“ vom 3.2.1988, Nr. 27

Libyen, eine deutsche Blamage und was uns sonst noch fehlt …

Da tobt also die Presse von links bis rechts:
Westerwelle habe Deutschland blamiert.

So was dummes aber auch.
Da hat Deutschland gerade mal nen temporären Platz in der UN-Sicherheitsexpertenrunde und da macht das D-Land nicht das, was alle machen: Kriegerische Handlungen absegnen.

Wenn ich die renommierten Zeitungen jenseits des Boulevards lese, dann kommt mir der Eindruck, Deutschland habe einer dummen Minderheit gefolgt, den Einsatz gegen Libyen nicht zu legitimieren. Minderheit.
Wenn man dann so am Rande liest, dass die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) sich ebenfalls nicht für einen Militäreinsatz in Libyen …

Moment! Über Libyen. Denn es ging um die Lufthoheit in Libyen, nicht um die Bodenhoheit. Das sollte nicht vergessen werden, wenn Panzer und Truppen vor Bengasi aus der Luft von alliierten Kampfflugzeugen angegriffen werden. Panzer und Truppen können bekanntlich nicht fliegen, aber dieses Detail interessiert niemand. Eine UN-Entscheidung wird mal locker zum Gummiband degeneriert.
Flugverbotszone?
Haut weg, die Truppen von Gaddafi. Mit Bomben und Raketen. Schließlich geht es um den Schutz der apostrophierten „demokratischen“ Rebellen. Rebellen gegen Diktatoren sind automatisch gut.
Und schützenswert.
Sowieso.

Na, da werden wir ja wohl mit dem Angriff gegen Libyen auch militärisch die Bewegungen in Bahrain unterstützen, die niedergeschossen wird. Und die Widersacher bei den Diktatoren der Saudis demokratisierend aufräumen. Und überhaupt die seit 20 Jahren erwartete Demokratie in Kuwait, die soll dann wohl auch mit dem Frühlingsanfang endlich Einzug halten … .

Wurde eigentlich damals in der UNO in Sachen „Dafur-Konflikt“ (Sudan) genauso für einen Eingriff parliert? Hm. War da was? Ich glaube nicht.

Und Somalia? Ich mein, gleich eingreifen und die Piratenfraktion das Lebensgrundrecht entziehen. Was ist mit Kenia? Stimmt. Da wollten wir ja Waffen hinliefern, die uns die somalischen Piraten entführt hatten. Seitdem kreuzen dort Schiffe der Armeen und bewachen die Rüstungsexporte. Kenia gut, Somalia schlecht. Beide Länder sind alles andere als freiheitlich und demokratisch zu klassifizieren. Das eine entspricht Afghanistan, das andere liegt so zwischen Mubarak und Gaddafi.

Und was ist mit China? Dort werden politische Gegner gleich weg gesperrt und erhängt von den dortigen blutrünstigen Machthabern! Die sind genauso so wenig zimperlich wie der Herr Gaddafi. Wieso greift in China niemand ein? Ach, stimmt. Ich vergaß. Wir machen dort ja gute Geschäfte und der chinesische Markt hilft uns aus der Krise. Da sind uns die Demokratiebestrebungen der Leute dort herzlichst egal.

Nur Libyen, die Obersau von Terrorist, der Lockerbie-Bomber, der hatte sein Land nicht mehr im Griff. Vorher war ja alles so toll. Der Gaddafi, sein Öl, seine Armee, welches als Bollwerk für die EU taugte. Und jetzt haut der mit den Rüstungsgütern, die er sich von den Waffenhändlern der 1. Welt zusammen gekauft hat, seine Bürger kaputt. Und der Ölexport nach Europa klappt auch nicht mehr, stattdessen nur Boat People, die nur wegen des Wohlstandes nach EU kommen…

NATOd, übernehmen Sie.

IMHO haben sich unsere oberen Herrschaften Deutschlands, die Westwelles und Merkels, bereits schon lange vorher blamiert, dass sie Nordafrikanische Staaten als stabile und unterstützendwerte Länder klassifizierten, welches sie wohlwollend betrachteten. Und eine wie auch immer geartete Blamage kam nicht mit der Enthaltung im UN-Sicherheitsrat, wo Deutschland am gleichen Strick wie die BRIC-Staaten (Vertreter der Mehrheit der Menschen dieses Globus, so am Rande mal erwähnt, was ich jetzt mal nicht als deren moralische Legitimation verstanden wissen möchte, aber das ist USA und EU ja auch nicht) gezogen hat. Ist ja freilich verwerflich…

Wer es vergessen haben sollte, Haiti liegt immer noch im Erdbebenschutt, den auch Japan gerade neben seiner AKW-Zerstörung bekämpft. Das letztere Land interessiert uns aber erheblich stärker als Haiti oder den 30000 Flüchtlingen in Brasilien wegen den Regenüberschwemmungen.
Oder will wer wissen, dass im worst-case BMW und Daimler seine Produktion hier einstellen muss, weil wichtige elektronische Schaltteile in Japan nicht mehr hergestllt werden?
Eben.
Was ist Haiti uns wert, wenn Japans Wirtschaft Brüderles „XXL-Aufschwung“ im Exportbereich hindern könnte.

Und was hat das mit Gaddafi und der Sperrung seines Luftraums zu tun?
Nun, ich weiß allerdings, dass Gaddafis Sohn den bayrischen KTG in seiner Copy&Paste-Leistung übertroffen hat (die Internetschwarmintelligenz demaskiert inzwischen auch dessen Doktorarbeit und Gaddafis Sohn war ein erheblich besserer Kopierer als KTG), dass Gaddafis Familie vor einem Jahr auf dem Wiener Opernball noch ein gern gesehener Gast war, dass Gaddafi selber vormals in der EU keine persona-non-grata war.
Weil aber die Widerstandsbewegung gegen Gaddafi sich als Windei herausgestellt hat, wollen alle von außen eingreifen. In Tibet, Birma, Dafur und in anderen Ländern wurde zugeschaut. Warum nur?

Dieses Eingreifen ist in meinen Augen ein erneuter Sündenfall und dass Deutschland dabei nicht mitspielt, hat nichts mit moralischer Überlegenheit zu tun, sondern eher von dem Gleichnis von dem mit Blindheit geschlagenen Huhn, der neben dem Gockel auch mal groß da stehen möchte.

Aus dem Bürgerkrieg wurde ein internationaler Krieg.

Wenn der Wind weht

“Ich kann heute nicht erkennen, dass unsere Kernkraftwerke nicht sicher sind, sonst müsste ich ja mit meinem Amtseid sie sofort abschalten,” sagte heute die Kanzlerin Angela Merkel.

Wie versprach sie noch den Bürgern am 6.9.2010, nachdem die Laufzeitverlängerung als mit dem absurden Begriff dieser als „Revolution in der Energieversorgung“ den Medien verkauft wurde:
„… dass die Unternehmen auch in den nächsten Jahren noch erhebliche Summen in die Sicherheit investieren müssen. Denn Sicherheit geht vor und wir haben heute schon die sichersten Kernkraftwerke der Welt.“

Die WDR-Sendung Monitor berichtete am 9.9.2010 unter dem Titel „Bundesregierung will Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke senken“ folgendes:
„Denn laut Bund-Länder-Liste müssen wichtige Nachrüstungen erst mittel- bis langfristig erfolgen. Beispiele: Die Vergrößerung der Flutbehälter, wichtig, für den Fall, dass das Kühlsystem des Reaktors ausfällt. Auf die lange Bank geschoben, ebenso die Trennung redundanter Sicherheitseinrichtungen. Also Systeme, die im Notfall unabhängig voneinander funktionieren sollen. Später vielleicht. Und auch der Austausch der Rohrleitungen. Laut Papier nicht so dringlich.“

Wie gut, dass die Flutbehälter nicht groß genug sind, dass Notsysteme offensichtlich voneinander abhängig sind und dass die Rohrleitungen auch nicht mehr dem aktuellen Standard entsprechen.

Wetten, dass Frau Merkel auch morgen mit ihrem Amtseid die AKWs nicht abschalten wird?
Denn an sich ist das ja nicht wichtig. Angesichts der sich materialisierten „worst case“-Szenarien im japanischen AKW „Fukushima-1“. Denn der Wind bläst ja momentan gen Pazifik.
Und alles ist gut …

… ob ich noch meine bereits geplante Dienstreise nach Japan antreten darf? …

Die japanische Weiterentwicklung von "Karaoke": "Air Sex"

Die Japaner sind erfinderisch.
Sie erfanden die Möglichkeit zu Musik zu singen und sich lächerlich zu machen, noch bevor RTL DSDS-Casting-Shows 1:1 abfilmte und als Abendprogramm uns verkauft hat.

Und jetzt haben sie auch noch eine andere Sache weiter entwickelt. Durch eine Email eines Bekannten, stieß ich auf eine neue Freizeitbeschäftigung mit Wettbewerbsgitarre.
Was dem jugendlichen Headbanger seine „Luftgitarre“ ist, das ist dem Japaner jetzt sein „Air Sex“.

Seht selbst:

P.S.:
Für diejenigen, die nicht so viel Englisch verstehen, der „Air Sex“-Wettbewerbsieger hatte nach eigenem Bekunden noch nie wirklichen Sex mit einer Frau …

P.P.S.:
Was denkt sich Frau nur jetzt dazu? …

Lebe wild und gefährlich (3)

Will im Flieger die Vodka-Flaschen öffnen.
Stelle mit Entsetzen fest, dass die Flaschen wohl noch in London auf dem Flughafen rumstehen.
Frage Stewardess, ob wir nicht noch umkehren können.
Stewardess versteht wohl mein Englisch nicht.
Wende mich an den Steward.
Aber der mag mich wohl auch nicht.
Beschließe mich ersatzweise an Boardgetränke zu berauschen.

Lebe wild und gefährlich, Careca

Stelle fest, dass das Glas aus Glas ist und die Dose aus Metall.
Finde in meiner Hosentasche noch eine Tüte „Düsseldorfer Löwensenf extra scharf“ und ein Gasfeuerzeug.
Überlege, wie ich aus der Dose, dem Senf und dem Feuerzeug eine Senfgasgranate basteln kann.
Versuche das Nachdenken mit diversen Fläschen Rotwein anzuregen.
Schlafe beim Nachdenken ein.
Wache auf meiner Brille sitzend auf.
Brille verbogen.
Fotoapparat jedoch nicht.

Erkenne zu meinem Leidwesen, ich lebe noch immer nicht wild und gefährlich.
Mist.