Pro contra Contra. Hart, aber fair?

Es ist mir klar, dass das, was ich schreibe, immer auf der Kante genäht ist. Wahrheit ist immer eine Händewaschung eines Pontius Pilatus entfernt. Mit Trinkwasser. Nicht mit Klowasser. Ist zwar das Gleiche, aber diejenigen in den Dürreregionen werden so etwas eh nie verstehen.

Ein “Pro” zieht immer genügend “Contra” nach sich. Ein “Contra” begibt sich immer in die Sturmfluten eines “Pro”s. Und ein “Pro” war schon immer in den Wellenbergen des “Contra” ein Schiff ohne Kapitän und Sextanten. Von mir als konstruktive Kritik gemeinte Kommentare in diversen Bloggen, würden – weil unbequem und noch mehr unbequem – schon mehrfach als destruktiv und aversiv eingestuft. Weil die Blog-Owner es so lesen wollten, statt zu fragen, wenn sie Zweifel hatten. Entsprechend waren die Konsequenzen. Belegt mit einem Bann schmücken mich zweifelhaft diverse herausragende Blogs. Gefragt wurde nie von deren Schreiberlingen, was ich meinte. Reagiert wurde lediglich auf deren eigene Befindlichkeit.

Nie ist ein “Pro”-Anhänger damit zufrieden, worüber ein “Contra”-Adept sich in Applaus überschlagen würde. Und umgekehrt. Wenn sich ein Schlager-Adept dazu entschließt, hinsichtlich einer Begebenheit eine von anderen als seltsam empfundene Meinung zu vertreten, dann ist das erst einmal nichts ungewöhnliches. Wenn aber dann ein Sponsor eines jenen sich von eben jenen zurückzieht, dann wird gleich mit dem Begriff “Zensur” gekartet. Denn der Sponsor entzieht jenem die Gelder, die jener vorher erhalten sollte. Der Sponsor fühlt sich nicht mehr von jenem vertreten und entzieht ihm dessen finanzielle Zuwendung. Kein gleiches Ziel ergibt keine gleiche Loyalität per zuvor gemeinsam geschlossenen Vertrag.

Wenn sich ein Ehepaar bei deren Heirat auf Treue vereinbart hat und dann einer der beiden Ehe-Unterzeichnenden später diesen Begriff der “Treue” anders interpretiert, dann ist also die neue Interpretation unadaptiert. Und beide können ihre Ansichten über die Divergenz derer Ziele äußern. Nur wenn beide nicht die gleichen Sprachrohre habe, ist das ungerecht? Haben dann beide sich selbst überhaupt gemeinsam verstanden?

Ist es ein Fall für den Begriff “Zensur”, wenn der eine Mensch seine Interpretation von “Leben” und “Treue” erklärt, und der andere Mensch sich auf gesellschaftlich mehrheitliche Konventionen beruft? Wenn der eine sich auf den Begriff “Wandlung” beruft, der andere Mensch sich auf das „Wort “Loyalität” beruft? Und beide damit deren eigenes Verständnis von “Treue” meinen? Und somit die Abweichung als “Untreue” bezeichnen? Und die geäußerte und untersagte Meinung zur Deklaration dieser Abweichung als Zensur bezeichnen? Oder wird da “Zensur” mit “Loyalität” durchgemixt?

Kompliziert? Sicher das. Je nach Standpunkt.

Das Wort “Zensur” ist immer recht leicht verwendet. In Deutschland kennen 13 Millionen Mitbürger die Auswirkungen von Zensur vor 30 Jahren. Die anderen kennen es nur noch vom Hören-Sagen derer Elterns-Eltern. Wenn überhaupt, dann ist das Wort “Zensur” so eine Vokabel, welche nolens volens als Schlagwort der “Rhetoriker für Arme” dient. Also jenen, die es nur als empathische Vokabel inkarniert haben. “Zensur” war bislang immer etwas, was staatlicherseits den Untergebenen zwangshaft verordnet wurde.

Und jetzt ist ein beliebiger Begriff, unterworfen der eigenen Überlegung. Ohne Sinn und Verstand. Aber schlagkräftig.

“Zensur” ist inzwischen der Kampfbegriff der Linken, der Rechten und der Mitte, welche privat geäußerte Ansichten nicht in dem eigenen Kontext einordnen wollen. Geschweige überhaupt darüber nachdenken wollen. Der wohlfeile Anwurf, der andere mache sich der Zensur verdächtig, wirkt wie ein Anwurf eines Hundert-Gerechten gegen einen Betrüger.

Hm? Was? Was habe ich da geschrieben? Dass private Menschen für deren Meinung von privaten Menschen haftbar gemacht werden? Das private Anwürfe gegenüber anderer nicht mehr privat sein sollten? Privat? Was ist privat? Wenn Frau Merkel sagen würde, dass die Demokratie ein Scheißdreck wäre und Steinmeier als Bundespräsi erklären würde, es wäre nur Merkels private Meinung gewesen … geht das?

Geht natürlich nicht. Weil Merkel ist per se politisch. Hätte sie das nicht gewollt, hätte sie auch in den Vorstand von DSDS oder so klettern können.

Nur  allein, wenn ein Schnulzensänger sich – angesichts der Tatsache, dass er sich als öffentliche und bedeutsame Person identifiziert hat – dazu entscheidet, seine Hinterlassenschaften auf dem WC des gelben Boulevards (“Yellow Press”) als wichtige Meinung zu hinterlassen, dann ist das “Pulp”. Und was sich daraus entwickelt: “Pulp Fiction”. Trash as trash can. Quentin Tarantino hat bewiesen, dass selbst “pulp” für Niveau bester Güte herhalten kann.

Soweit so lustig. Niemand kann jemand daran hindern, sich als Hahn zu deklarieren,der jeden Morgen auf dem eigenen Misthaufen der aufgehenden Sonne seine Stimme als Protestnote entgegenkräht. …

( … ich bin mir sicher, dass ich mit diesem Satz garantiert 50% Sympathie derer erhalte, die aufgrund ihres Jobs gezwungen sind, vor dem ersten Jesus-Hahnenschrei aufzustehen, obwohl deren Körper das easy-going-Signal “Relax, don’t do it” erhalten … so etwas nennt man wohl Populismus … oder den Reflex der Natur …)

… Also, niemand kann jemand daran hindern, sich als Hahn zu deklarieren, der dreimal kräht, um all deren Jünger aufzuwecken, nur weil er sagt, er habe die nachdenklichen Seiten beim Sonnenaufgang entdeckt.

Das Symbol des Sonnenaufgangs ist ein gängiges. Wie häufig liest man in den Kommentarspalten des Internets den Ruf, dass die anderen aufwachen sollten, weil sie noch schlafen würden. Der Wache ist das Ideal. Im Gegentum zum Un-Wachen. Also, der Wachturm als das Leuchtfeuer der Sektierer.

Man sei ja bereits mehrere Stunden wach und dieser Waschzustand mache nach all diesen Stunden des Wachens müde. Hm, das hör sich nach dem Credo der Frühaufsteher an. Alterssenilität. Grauhaarige, alte Menschen. Ab in die Gruft, ihr Grufties.

Die Sonne geht unter, die Sonne geht auf. Alle anderen starren nach Osten, um das rotierende Rad des Schicksals zu erblicken. Aus den ersten Sonnenstrahlen wird die Zukunft gelesen und als Wahrheit verkauft. Gegenstimmen dienen als Beleg der eigenen Richtigkeit und der Falschheit der anderen. Nachdenken ist nur noch der Reflex auf Einwände der eigenen Seite bezüglich des Nicht-Nachdenkens.

Ich schaue aus dem Fenster. Wie immer seit dem Lockdown im Frühjahr dieses Jahres. Gestern wurde der Kran abgebaut und somit dessen Leuchtfeuer, welches den Werkern am Morgen halfen zu sehen, wo sie arbeiten mussten. Der Kran ist weg. Die Rohbauten werden gerade verputzt. Seit fast einem viertel Jahr erscheint es, als ob die Bautätigkeiten nur noch mir halben Dampf laufen. Ich muss die Fenster mal wider putzen.

Ich schau nach draußen und beobachte die “90/100000 Einwohner”-Auswirkungen. Ich hoffe, es hat keine Auswirkungen. Freundliche Hoffnung. In meiner Firma hatte ein Mensch einen Covid-19 positiv Test und die ganze Abteilung mit 94 Mitarbeitern wurde herunter gefahren. Berechtigt?

Damals hatte auch jemand ein Testergebnis HIV-positiv und es wurde nicht gleich die ganze Sozialabteilung vom hauseigenen Swinger-Club in Quarantäne geschickt. Obacht: HIV, nicht Cov-19. Ficken, statt küssen.

Ich schaue aus dem Fenster meiner Firma in den Sonnenaufgang. Ein Mitarbeiter erinnert mich daran, dass meine Maske nicht korrekt sitzt. Ich entschuldige mich. Home-Office ist halt nicht meine Möglichkeit. Aber ich lese dann, dass meine aufmerksamtrue Kadavergehorsam sei. Treue. Schon wieder das Wort, wo so viele aufschreien. Aufschreie. Durch die allgemeine Zensur unterdrückt?

Ich verfalle ins Grübeln. Es wird mir klar, dass das, was ich schreibe, immer auf der Kante genäht ist. Hart, aber fair? Keine Ahnung.

Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (30): 35 qm Deutschland

31 Einträge bislang. Ein Monat später. Liest das überhaupt noch wer? Außer Rupi?

Was hat diese Blog-Serie aus mir gemacht? Was hat es aus allen gemacht? Wo stehen wir? Wo gehen wir hin? Wie oft muss man sich solche Fragen in Blogs durchlesen?

Basis dieses Blog-Eintrags: Prunotto Bansella. DOCG. 2017. 750 ml. 14,5% Vol.

Die Baustelle baut. Das Wetter wettert. Der Himmel himmelt. Die Krise kriselt. Die Wohnung mit Aussicht sichtet aus. Draußen dunkelt es dunkel.

Die monatlich bereinigten Arbeitslosenstatistiken, wie jeden Monat. Die monatlich unbereinigten CoVid-19-Statistiken wie immer. Trau, schau, wem du Expertenmeinung zugestehst.

Nach der Veröffentlichung der LEOPOLDINA-Papiere herrschte auf Twitter das Meinungschaos. Die Wischi-Waschi-Ansicht als pure Meinungsansicht gelesen in Auszügen. Oder über Drittquellen. Es hatte die Mehrheit der Twitter-Gemeinde blasenübergreifend erreicht. Das steht außer Frage. Aber wirklich sich selber jene Papiere durchzulesen, war wohl zu anstrengend, um sich eine differenzierte Meinung zu bilden. Das korrelierte zu der Forderung, die Jugend nicht in die Schulen zurück zu schicken. Weil man sich deswegen selber anstecken könnte. Und das gehe gar nicht.

Was eher konvenierte: den gemeinen Wald auch noch an den restlichen drei Ecken anzünden, um recht zu behalten, dass der Wald an allen vier Ecken lichterloh brennt. Besser er brennt an allen vier Ecken als nur an einer Seite. Es geht um Meinungsgewichtung.

Darf ich überhaupt Zweifel gegen die medialen Veröffentlichungen anmerken? Oder bin ich damit automatisch terroristischer Gefährder? Bin ich gar fehlgeleiteter Denker? Natürlich bin ich fehlgeleiteter Denker. Weil ich der Verfechter der populären These “Ein Geisterfahrer? Hunderte davon kommen mir entgegen!” bin?  Vox populi? Verschwörungstheoretiker? Dazu wird man schneller als ein Sonnenuntergang, wenn man sich eh nicht zuvor unter anderen Sonnen gebräunt hat.

Was ist Wahrheit? Es war vor ein paar Tagen Karfreitag. Also. Reicht mir meine Schale mit Wasser, um meine Hände in Unschuld zu baden. Um mich selber von meinen vorherigen  Entscheidungen frei zu sprechen. Vergesst aber bitte die Seife nicht. Ohne Seife, keine Virenbekämpfung. Das hatte in der Bibel eben jener dubioser Pontius Pilatus vergessen gehabt.

Ich bin kein Experte. Ich bin nur Expertenmeinungsverwutzer. Ist das okay? Nein? Dafür wurde ich inzwischen privat als “unmündiger”, als “Mainstreamgläubiger” wegklassifiziert.

Ich gnage an dieser abschätzigen Wertschätzung und versuche mich allein mir gegenüber, mich trotzdem zu rechtfertigen. Es klappt nicht. Ich stehe mir mit meinen Argumenten alleine gegenüber. Die daraus folgenden Grundsatzdiskussionen sind heftig. Weil, ich hätte ja wohl zuvor und überhaupt, da gab es Hinweise und andere hätten bereits gesagt und dann sind die aktuell anerkannten Experten und dann noch die nicht zu ignorierenden Schlagzeilen und dann die anderen die sowieso und ich bin ja eh dumm und unwissend und ohne hi und hott und dort gelesen zu haben eh unmündig und dann noch alles ohne Punkt und Koma geschrieben ist so wie eine Sahne-Creme-Torte anzurühren …

Ich schau aus dem Fenster. Es ist dunkel.

Meine Beleuchtungsanlage dimmt das Licht. “35 Quadratmeter Deutschland”. Null Balkon. Null Garten. Null Wohnungsluxus. Aber mit Blick nach draußen, gen Süden in die Sonne, das ist mein Anrecht an Ausgangsbeschränkung und Kurzarbeit. Hätte ich vormals ordentlich und fleißig gearbeitet, hätte ich wohl jetzt keinen Grund eben diesen anzumäkeln. Ich bin wohl faul, weil ich in der Innenstadt Münchens keinen Balkon oder Garten mir leisten konnte … ich hörte heute, wie großzügig Kollegenschweine dieses erklärten. Nur jene Fete der 50 Studenten wurde verurteilt, jene Party, welche die Münchener Polizei am Sonntag aufgelöst hatte. Unverantwortliches Gesocks. Und alle nickten. Eine normative Kraft des Faktischen ist so leicht herzustellen.

Meine Mutter ist 86. Am Telefon meinte sie, dass ihre Lebensqualität durch die Maßnahmen gekappt wurden. Warum würde ihr niemand deren letzten Jahre mit Kontakt zu anderen gönnen? Durch diese Verordnungen wäre sie noch einsamer als zuvor. Damit sie weiterhin in Isolation leben werde, um dann ohne CoVid-19-Einfluss zu sterben? Sie beklagte sich zuvor über wenige Kontakte. Und jetzt klagt sie durch die Social-Distancing-Parole aller anderen Personen (Bruder, dessen Sohn, dessen Frau, die Nachbarn) noch weniger Kontakte zu haben. Ich versuchte ihr zu erklären, wie brutal der Virus in der Lunge wüten würde und welche irreparablen Schäden der Virus anrichten würde, welche Qualen er hervorrufen könne, dass ihre Abgrenzung ihr paar Lebensjahre mehr bringen würden. Sie meinte, dass sie nicht für die Statistik leben würde, sondern für ihr Leben. Für ihre eigene Lebenserfahrung, für ihren Kontakt von ihr mit der Welt, von ihr Leben in dieser Welt.

Geht es nur darum, die statistischen Zahlen niedrig zu halten? Zahlen vor Kontakte? Ich gerate ins Grübeln. Ich hatte fahrlässig gegenüber meiner Mutter zu erwähnen vergessen, dass durch ihre Einstellung als unverständige 86-jährige die Gesundheitskosten unverantwortlich nach oben getrieben würden. Was nützt mir Tinder, wenn ich es im Sinne der Corona-Maßnahmen nur als reinen gedanklichen Austausch nutzen darf? Tinder ist keine Philosophenplattform, in der man alle elf Minuten seine Meinung wechselt, wenn man ein Foto sieht.

Verdammt. Was ist Gesundheit? Kann mir das mal jemand erklären?

Ist Gesundheit lediglich die Abwesenheit von Krankheit? JA! Genau das ist es. Das Ideal ist Gesundheit, ist die Norm. Und alles was krank ist, ist abnorm. Ausmerzenswert. Hallo? Darum schluck ich Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil und andere, damit ich dem Idealbild eines gesunden Mannes entspreche. Schon mal wegen den fehlenden Wirkstoffen der Letzt Genannten von der Bettkante geschubst geworden? Nur mein Problem? Okay. Eure Meinung.

Nein? Nicht? Solltet ihr das nicht einordnen können, dann seid ihr empathisch negativ einzuordnen. Denn deswegen abgeurteilt zu werden, scheint nur für empathisch Unbedarfte ein “normal” zu sein. Denn “normal” braucht das nicht. Nicht in dieser Gesellschaft, welche “empathisch” als Kampfbegriff ohne jegliche Differenzierung nutzt. Wahrscheinlich, um direkt danach die Schublade der narzisstischen Dysfunktionalität zu ziehen.

Was ist gesund? Per definitionem ist “gesund” das, was die Wirtschaft am Wachstum nicht hindert. Seid ihr der gleichen Meinung? Oder habt ihr eine andere Version, welche Neoliberalismus nicht beinhaltet?

Ob man als deutscher apostrophierter abendländischer “Christ” sein Leben einem anderen opfern solle? Also, der Toten-Trage anderer zuvor zu kommen? Über Ostern habe ich die normative Kraft der Argumentation erhalten: Ein Verzicht auf das eigene Leben zugunsten eines anderen Menschen wäre Selbstmord und somit unchristlich. Das wurde mir von berufener christlicher Seite erklärt. Da ich ausgetreten bin, darf ich jene christliche Ansicht eh nicht verstehen. Ich versuchte darauf, gleich Oberst Klein anzurufen und ihm im Sinne des abendländischen Christen-Seins zu seiner Attacke in Afghanistan zu beglückwünschen. “Kein Anschluss unter dieser Nummer.” Der BND hat meinen Anruf wohl registriert.

Egal.

Ich gebe es auf. Es ist mir egal. Genauso wie jene die mir permanent erklärt hatten, ich solle heiraten, weil man dann im Angesichts des Todes nicht alleine sterben würde. Mein Vater starb auf einem Schrottplatz. Da hat es ihm nicht geholfen, dass er zuvor die goldene Hochzeit gefeiert hatte. Er starb einsam an einem Schrotthaufen, wo er wohl etwas für ihn wertvolles entdeckt haben mochte. Die Wiederbelebungsmaßnahmen des Rettungsteam des Rettungswagen kamen eine Stunde zu spät. Muss man heiraten, um sterben zu dürfen? Ab wann ist ein Tod menschenwürdig? Ist das abhängig von einem Virus? Ist menschenwürdig nur dann menschenwürdig, wenn die Statistik keinen Ausschlag zeigt? Was sind die krankheitsbereinigten Corona-Statistiken? Die Arbeitslosen-Statistiken werden immer bereinigt. die der Corona-Erkrankten nicht.

Verzweiflung macht sich bei mir breit. Ich will ja nur verstehen, nur verstehen.Bislang habe ich euch immer und überall verstanden. Nur versteht mich wer? 31 Einträge bislang. Ein Monat später. Liest das überhaupt noch wer?

Ich werde wohl diese täglichen Corona-Blog-Einträge reduzieren. Es ist eh kein Tagebuch-Blog. Nichts bedeutsames. Eher unbedeutsames.

Zudem, weil das kollektive Imperativ nur einen Gedankenkorridor (gemeinhin “framing” genannt) offen lässt.

Ich weiß nicht, ob ich CoVid-19 positiv oder negativ bin, aber in mir reift der Gedanke, als potentieller Muttermörder in die Geschichte einzugehen: indem ich meine Mutter umarme und sie dadurch glücklich mache, aber die Gesellen von Spahn bis hin zu Söder sonst unglücklich mache. Ihr Lebensende soll statistisch positiv in de Daten eingehen, so ist das gesellschaftliche Ansinnen.

Glück ist eine Sache, welche eh auf einem anderem Papier geschrieben steht. Statistisch unerfasst und gesellschaftlich meistzeit als “sektiererisch” gebranntmarkt.

Energie folgt der Aufmerksamkeit.

Ausgangsbeschränkung. Auf 35 Quadratmeter Deutschland.

Will wer tauschen?

Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (7): Konflikte

Es war verdächtig, dass heute die Medien verkündeten, die Neu-Erkrankungsrate an CoVid-19 sei zurück gegangen. Und seltsamerweise wurde das nicht hinterfragt. Jetzt am Abend wissen wir, es wurden nicht alle Daten zurück gemeldet. Das heißt, die aktuellen Daten waren zum Zeitpunkt der Verkündung nicht datenaktuell. Eine Krankheit, von der in den Medien dauern gepredigt wird, dass sie eine Inkubationszeit von sieben bis vierzehn Tagen hat, wird nicht von heute auf morgen aufgrund von Ausgangsbeschränkungen einfach mal ihre Schädlichkeit einstellen. Einer Krankheit sind Statistiken scheißegal. Krankheiten haben kein statistisches Gedächtnis. Genauso wenig wie Lottokugeln. Krankheiten passieren. Ganz einfach.

Darf ich das überhaupt schreiben? Also “Krankheiten passieren”? Eigentlich nicht. Jeder sucht doch den Schuldigen. An der Krankheit sollen die Chinesen SCHULD sein. Denn Schuld in Deutschland fordert Sühne. Richter und Henker. Fakt ist, jedes Mal, wenn sich Menschen auf Tiere eingelassen haben und sich zu nahe gekommen waren, dann endete das nicht gut für den Menschen an sich. Der Homo sapiens ist damit gemeint. Alle Pandemien der Historie lassen sich darauf zurück führen. Klar, es ist legitim zu erklären, dass hygienische Standards von einigen wenigen nicht eingehalten wurden und daraufhin die Mehrheit dafür büßen musste. Mich beschleicht aber der Gedanke, dass “hygienische Standards” aber immer dann von Menschen nicht eingehalten wurden, weil sie diese nicht einhalten konnten, weil denen die Mittel zum geregelten Überleben fehlten. Sollte es etwa wieder auf die alte Sache “Reicher Mensch, armer Mensch” zurück zu führen sein? Wenn die Armen schon kein Brot mehr zum Essen haben, warum isst dieses verlauste Pack dann nicht einfach Kuchen? Kuchen? Wenn das so einfach wäre, …

Am Freitag fiel mir in der Firma noch eine weitere Sache auf. Der Generationenkonflikt tobt. Die Mitvierziger schimpfen auf die Jüngeren, weil die nicht auf die Älteren Rücksicht nehmen, die Jüngeren schimpfen auf die Älteren, weil “verbieten” deren wahre Natur sei, die Älteren schimpfen auf alle Jüngeren, weil die Einfach deren Erfahrung nicht annehmen und stattdessen deren Tod in Kauf nehmen, und ich, ich sitz einfach dazwischen und hör mir deren “Argumente” an. Besonders witzig wurde es an der Stelle, als sich alle über die Toilettenpapier-Hamsterer und -Suchenden lustig machten. Diejenigen, die kein Toilettenpapier jetzt hätten, – fiel als Argument – wären selber Schuld daran, weil – als es losging – hätten die sich auch rechtzeitig bevorraten können. Sie hätte bereits genug Toilettenpapier für die nächsten vier Wochen. Aha. Erst selber klauen und dann den Chorgesang “Haltet den Dieb!” anstimmen. Das ist wahres Rechtsbewußtsein. Solche Menschen sind prädestiniert fürs “Social distancing”. Aber “Social distancing” meint inzwischen ja etwas anderes, nicht wahr.

Einer schrieb mir, die Menschen würde sich jetzt benehmen wie die Letzen ihrer Art. Er hatte nicht zu Ende gedacht. Wir sind die letzten unserer Art. Den Homo neanderthalensis hat der Homo sapiens ja bereits assimiliert und dann ausgerottet. Vielleicht macht es das alles besser, wenn wir uns als Homo habilis oder Homo erectus definieren. Dann könnten wir uns als Nachfahre von der Ausrottung der Homo neanderthalensis freisprechen, wenn wir postulieren, wir wären das Allerletzte an Menschen, was hier so rumläuft … .

Meine Firma hat mir zwei Briefe geschickt. Ich hatte gedacht, in einem wäre ein Passierschein und in dem anderen mein Lohnzettel. Dem war nicht so. In jedem Umschlag ein Passierschein: “Arbeitgeberbestätigung für pandemiebedingte Ausgangssperre”. Da freu ich mich. 35 qm Deutschland sind halt nicht sehr angenehm. Wer Nudeln, Mehl und Toilettenpapier hortet, lebt garantiert nicht in einer kleinen Einzimmerwohnung. Zur Lagerung der Hamsterkäufe erfordert es mehr Quadratmeter. Und daher ist Ausgang eine nette Abwechselung, auch wenn jeder nach “Home-Office” schreit. Ich brauch das nicht. Bewegung schadet nicht und meinen täglicher Fußmarsch zur Arbeit gönn ich mir.

Ab demnächst ist die Ansammlung von drei Personen eine Gefährdung der Öffentlichkeit. Okay. Akzeptiert. Kriegt dann derjenige, der sein Leben allein fristet dann wenigstens einen Orden?!? Ich mein, der Single, der Solo, der ist doch das Paradepferd für die Harmlosigkeit an sich. Man sollte dann so etwas auch gewissenhaft honorieren, dass jene seuchenschutz-technisch alles erforderlich unternehmen, indem sie deren bisherige soziale Einsamkeit jetzt als gesundheitlichen Vorteil verkaufen können. Und kommt mir nicht mit “einsam sterben”, das ist in Corona-Zeiten ein Affront!

Ob ich Angst habe, wurde ich gefragt. Vorbeugend hatte ich “Nein” gesagt, insgeheim aber “ja” geantwortet. Das galt aber nicht der Krankheit, sondern den Mitmenschen. Besonders den Überzeugten mit felsenfester Meinung. Ich habe Angst von deren Felsen nicht erschlagen zu werden, weil ich deren nicht teile. Panik? Nein. Panik kriege ich immer nur vor Überzeugungstätern. Denn die haben immer Recht. Immer.