Die Rückkehr des Gordon Shumways

Überfallen von zwei Krankheiten zugleich zu werden, macht eine Lebenssituation recht unangenehm. Einmal ist da ein Virus, der die eigene Aufmerksamkeitsspanne auf die Länge von TicToc-Videos antiproportional zur Körpertemperatur reduziert. Und dann zusätzlich eine Gefäßerweiterung der hintersten Art, welche einen Facharzt erfordert.

Der Virus nervt und die Gefäßerweiterung schmerzt. Gegen ersteres erfordert es eine Reaktion vom Körper, beim zweiteren einen operativen Eingriff, also ein Facharzt oder eine Fachärztin. Termine zu bekommen, das ist nun wahrlich keine Schwierigkeit. Im Oktober oder September, da hat wohl die Münchner Proktologie noch genügend Termine frei.

Wahrscheinlich, weil sich dann jeder Patient auf dem Oktoberfest die Hucke voll laufen lässt. Das ist wie ein Urlaub-Ansinnen. Jeder hält sich diesen Zeitraum frei.

„Termin für ’ne Wurzelbehandlung? Aber erst bitte nach dem Hofbräuhaus-Zeltbesuch. Vorher geht es nicht. Sonst schmeckt das Bier nach Betäubungsmittel oder so.“
Geht es jedoch um Termine, die dem augenblicklich mondänen Zeitgeist-Gummiwort „zeitnah“ folgen, dann wird es richtig schwierig.

„Wie bitte? Sie glauben, sie haben seit gestern einen Bänder- oder Kreuzbandriss? Na, Termin erst in drei Monaten. Wie? Sie sind nicht gesetzlich versichert? Als Privatpatient kann ich Ihnen dann noch einen Termin in anderthalb Monaten anbieten. Ach, Sie zahlen direkt? Cash? Dann kommen Sie doch in der nächsten Woche am Montag vorbei. Ist 11:30 genehm? Gerne doch. Und den Gratis-Service-Kaffee mit Milch, Zucker und Gebäck? Ist gebucht.“

Keine Erzählung aus einem Fiebertraum, sondern die aktuelle Ist-Situation. Es zeigt, dass das Schlagwort der „Zwei-Klassen-Medizin“ nur ein Kampfbegriff jener ist, die nicht kapiert haben, wie ein „Mehr-Klassen-Medizin“ implementiert wurde.

Da der damalige Cash-Zahler auch meinen Job zahlt, werde ich nicht großartig lästern. Wer hat, der hat. Wer ko, der ko.

Um diese „Mehr-Klassen-Medizin“ zu implementieren, da hatten die Unions- und FDP-geführten Bundesregierungen seit 2007 ausgiebig Zeit, den absolut „marktgerechten“ Patienten zu designen.

Und heute? Einfach mal den 1852 geschriebenen Roman „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ von Willibald Alexis lesen. Die 1.300 Seiten sollten bis zum ersten Termin zu schaffen sein. Oder:

Wenn für ein akutes Problem ein Facharzt erforderlich ist, hilft als Erstes immer das gute alte Beißholz. Aber nicht gleich im eigenen Anspruchsdenken verhaftet leben wollen, gell. Das Beißholz wird von den Krankenkassen nicht bezahlt. Jeder kennt das Beißholz, aber nicht mal bei den Gebrüdern Grimm oder im Duden oder bei Wikipedia findet sich das Wort verzeichnet. Drum nur keine Bequemlichkeit aufkommen lassen. Eigenverantwortung ist hier das richtige Stichwort.

So schlich ich gebeutelt von Virus und Hämorrhoiden hin zu einer Parkbank in der hintersten Ecke des Parks, um friedlich unter Schmerzen klaglos zu sterben. Ich wollte niemanden mehr zur Last fallen, weder dem Gesundheitssystem noch später gar dem Rentensystem. Und wenn man denn so gestorben ist, und dann vor sich hin gammelt, ist man sogar Thema der Nahrungskette anderer Tiere. Das verringert bei der Kommune wieder einen Batzen Geld für „Zusatzfütterungmittel“ hier im Park.

Ich ließ mich auf der äußersten Ecke der Bank nieder, atmete tief durch und beschloss, dass mein Leben zu Ende wäre und meine Organe ihre Dienste versagen sollten.

„Ha, ha, ha … Sie sehen ja gar nicht gut aus. Wie ein Schluck Brackwasser in der Kalahariwüste, ha, ha, ha.“

Meine Kontaktlinsen hatte ich nicht eingesetzt und das zusätzliche Fieber vom Virus ließ ihn mir noch undeutlicher und verschwommener erscheinen. Leicht orange von der Hautfarbe erschien er mir. Eine gewellte Haarsträhne, ebenfalls leicht orange, schien auf seiner Stirn sich wohl zu fühlen. Er trug wohl Anzug mit unförmigen Schuhen und seltsam klobigen Handschuhen.

„Kenne ich Sie? Sie kommen mir bekannt vor.“

„Ist Ihnen auch kalt? Du kannst mich übrigens Duzen. Wir sind Boomer-Kollegen.“

„Okay, Boomer, mach ich.“

„Du hast kalt?“

„Nicht wirklich.“

„Mein Arzt sagt mir, dass ich die beste Gesundheit von allen hätte. Ich sei sogar noch gesünder als die Gesunden an sich. Ha, ha, ha, ha.“

„Ich nicht. Ich bin viruserkrankt.“

„Null problemo. Ich setze mich trotzdem neben dich. Vor einiger Zeit soll das noch in Bayern verboten gewesen sein. Pro Hintern gab es immer nur eine Drei-Meter-Parkbank. Ha, ha, ha, ha.“

„Das war in der Pandemie.“

„Jetzt haben sich Parkbänke in Bayern wieder zu polizeilichen Beobachtungsobjekte gemausert. Wegen Cannabis. Siehst du dort in der Ferne die drei-Meter-Hecke?“

„Ja.“

„Dahinter liegt ne Kita. 99,1 Meter entfernt, wenn Du hier sitzen würdest, wo ich jetzt sitze. Die Parkbank wurde am ersten April extra um zehn Meter zur Hecke hin versetzt. Vom Leiter der Kita.“

„Hatte der einen Versetzungsantrag gestellt?“

„Ist ne Stiftungsbank vom Vater des Kita-Leiters. Und bei seinem Vater ist Cannabis unerwünscht. Unter Strauß hätte es das nicht gegeben.“

„Hauptsache das Bier bleibt rein und es kommt nichts in die bayrische Wurst hinein. Sind das da hinten Polizist-Innen, die dort ihre Leberkässemmeln verschlingen?“

„Hey, das ist illegal!“

„Leberkässemmeln?“

„Nein! Dein Gendern.“

„Ich gehöre nicht zum bayrischen Verwaltungsapparat.“

„Null problemo. Bayern ist der einzige Bundesstaat, welcher in die deutsche Rechtschreibung per Gesetz vorgibt, dass auf Rechtschreibfehlern, also jegliche Art des Genderns, eine Bestrafung zu erfolgen hat. Also nicht nur schlechte Schulnoten für Kinder, sondern auch gleich Strafen für Erwachsene bei Rechtschreibfehlern.“

„Wie hoch ist die Strafe fürs Gendern? Drei Ablasswallfahrten nach Andechs? Oder Beugehaft, bis eine eidesstattlich unterschriebene Erklärung vorliegt, damit nachher eine wesentlich höhere Strafe möglich wird?“

„Ha, ha, ha, ha. Ich bevorzuge da lieber ne Wallfahrt nach Andechs. Das Bier dort soll gut knallen. Das ist mir als Strafe es wert, wenn der mobile Justizvollzugsbeamte mir die ersten der drei Maß vorsetzt. Null problemo.“

„Schöner Traum, aber so hat es unser Verbote-Söder nicht vorgesehen.“

„Hey, euer Landes-Papi reist völlig losgelöst nach China, um der Reise von Scholz zuvor zukommen. Er kuschelt mit Pandas, öffnet Glückskekse und überlässt Menschenrechten anderen.“

„Lass ihn doch. Er benötigte noch Miles&More für seinen Senator-Status.“

„Null problemo. Und dann fliegt er nach Belgrad in Serbien als selbsternannter Anwalt für Süd- und Südosteuropa. Mit dem Putin-Verehrer, dem serbischen Präsidenten, lächelt er alle Kameras nieder.“

„Weil gegen dessen Freundschaft mit Putin und seiner Verherrlichung, da sollen sich doch andere drum kümmern. Wichtig ist nur die bayrisch-serbische Freundschaft.“

„Ihr habt ja in der Pandemie gelernt, wer in Bayern hier das Sagen hat. Und das wieder mehr Recht und Ordnung braucht, in diesem Lande. Und der Aiwanger weiß eh bereits, wo es bei Söder lang geht.“

„Das ist mir inzwischen relativ egal.“

„Ha, ha, ha, ha. Großartig!“

„Könntest du mich jetzt bitte allein lassen? Geh lieber was arbeiten.“

„Ich und arbeiten? Arbeiten ist was für Ackergäule, aber nicht die Aufgabe eines Topmanagers.“

„Du bist Topmanager?“

„Mein Angestellter bezeichnet mich als großartigen Topmanager. Also noch großartiger als die, die er kennt.“

„Du hast Angestellte?“

„Mich. Es ist so schwierig, Fachpersonal zu finden. Und warum in der Ferne schweifen, wenn das großartige so nah.“

„Geh bitte. Lass mich sterben.“

„Null problemo. War nett, mit dir geplaudert zu haben. Ich schicke dir nen Gruß von meinem Planeten, wenn ich wieder zu Hause bin.“

„Ja, du mich auch.“

„Können wir Ihnen helfen? Wir beobachten Sie schon seit zehn Minuten hier auf dieser Parkbank. Das ist auffällig. Ihnen ist schon klar, dass die Parkbank im Einzugsbereich der Kita liegt?“

Ich blickte auf. Blau-blau München, zu zweit. Doppelt blau. Er sah mich leicht vorgebeugt an und sog hörbar die Luft durch seine Nase ein. Sie stand leicht schräg im Hintergrund, die Hand an der gesicherten Waffe.

„Gehen Sie weiter, hier gibt’s nichts zu sehen. Lassen Sie mich einfach sterben.“

„Eins zwölf, eins zwölf, kommen, bitte. Eins zwölf, ich benötige sofort ein Krisen-Interventions-Team, hier im Park, 91 Meter von der Franz-Josef-Strauß-Kita entfernt. Ja. Einzelperson, ansprechbar, kein Haschkonsum feststellbar, aber suizidgefährdet.“

Es war das Letzte, was ich mitbekam. Der Virus schickte mich gen Ohnmacht.

Inzwischen sitze ich wieder zu Hause am Rechner. Die Proktologin bestätigte mir über ihren elektronischen Assistenten vorhin meinen Termin für den 6. Juli. Weiterbehandlung erst im August möglich.

Ich blicke aus dem Fenster in die dunkle Nacht. Es blitzt etwas am Himmel auf. Einmal nur. Dann nie wieder.

Wahrscheinlich wieder nur ne Haluzi.

Fiebertraum.

Leben an der Leitplanke

„Ich hab deinen Tweet auf X letztens gelesen. Mein Beileid.“

„Beileid?“

„Du hattest zu dem Foto eures Hundes ‚Lebwohl‘ geschrieben. Woran ist er gestorben?“

„Gestorben? Der ist nicht gestorben.“

„Nicht? Aber du hattest leb… „

„Quatsch. Wenn jemand stirbt, sagt man doch nicht Lebwohl. Wir hatten ihn an der Raststätte ‚4 Lilien‘ an der A13,5 an der Leitplanke festgebunden.“

„Was? Ausgesetzt?“

„Iwo. Ausgesetzt hieße, wir hätten ihn allein gelassen.  Haben wir aber nicht, weil uns liegt auch das Tierwohl sehr am Herzen.“

„Tierwohl?“

„Unser Opa saß letztens immer so alleine in der Seniorenresidenz. Seine uralten Bekannten waren ihm alle weg gestorben. Und bevor der in seiner Residenz unser Erspartes wegatmet, hatten wir gedacht, unser Harras sollte nicht allein bei den ‚4 Lilien‘ auf seinen neuen Besitzer warten, sondern sollte auch einen Begleiter haben, damit Harras nicht so alleine dort wartet.“

„Ihr habt euren Opa ausgesetzt? Seid ihr nicht ganz knusper?“

„Wieso? Harras passt doch auf ihn auf.“

„Auf ihn auf?“

„Na, wenn er die gemeinsame Leine aufknüpfen sollte. Man weiß ja nie, was so ein seniler, alter grauhaariger Herr anstellen kann. Nachher rennt der über die Autobahn und verursacht nen Unfall. So etwas zahlt doch keine Versicherung. Dafür haben wir kein Geld und unser Erspartes brauchen wir für was anderes, sinnvolleres, nicht wahr.“

„Also habt ihr euer First-Class-Sabatical noch immer in Planung?“

„Freilich. Dafür müssen wir sparen. Der Hund hat uns die Haare vom Kopf weg gefressen  Den konnten wir uns bei alter Liebe nicht mehr leisten. Und warum das Gute nicht mit dem Nützlichen verbinden? Schließlich mag Opa Hunde.“

„Und der Hund mag Opa?“

„Aber klar. Opa war immer ein Alpha-Tier, da wird sich Harras fügen. Schließlich ziehen die jetzt gemeinsam an derselben Leine.“

Kneipengespräch: Wat man nicht selber weiß, dat muss man …

»So! Jetzt lang’s mir echt! Diese linksgrünversifften bayrischen Politiker!«

»Was issn wieder los?«

»Jetzt wollen die mir verbieten, dass ich mich vegan oder gar vegetarisch ernähre. Die Wurst habe quasi Verfassungsrang in Bayern, erklärte letztens der Söder.«

»Und?«

»Muss ich, um den bayrischen Staatshinzugehörigkeitsausweis zu erhalten, etwa Weißwurst zutzeln?«

»Hey, der Söder, der redet immer viel, wenn ihm auf Messen der Tag lang wird.«

»Und was kommt als Nächstes? Dass ich auf mein freitägliches Veggie-Sushi nicht mehr mit Kartoffelstampf essen darf? Was will der Söder uns noch alles verbieten? Etwa, dass keine Gummibärchen in Nutella getaucht werden dürfen, weil es nicht ‚der Nutella‘ heißt, sondern ‚die Nutella‘ und somit in Verdacht von ‚Gender-Mainstream‘ steht!?«

»Nur mal am Rande angemerkt: Söder ist nicht linksgrünversifft. Der ist ein CSU’ler.«

»Ja klar! CSU. Christlich sozial. Soziale Christen. Pah, diese Gutmenschen! Wie die mich immer aufregen, diese Linksgrünversifften mit deren Schafspelz-Überwurf für Arme! Machen einen auf rechts, aber in der Kirche ‚la paloma’ pfeifen wollen.«

»Das heißt ‚keine Haare am Sack‘, und nicht ‚auf rechts machen‘.«

»Besserwisser. Aber bei ‚Rotkäppchen‘-Aufführungen, da will die CSU immer den Wolf spielen. Um deren Gutmenschentum zu verbergen. Ich hab die Faxen so dicke! Anzeige und Verfassungsbeschwerde gegen Söder sind raus! Und gegen all jene Gutmenschen, die unsere Tofuwürstchen im Supermarkt verbieten wollen.«

»Gewissensfrage: Sind Tofuwürstchen mit Weißwurstsenf erlaubt? Und falls ja, muss man nicht damit rechnen, dass Söder darauf besteht, seinen eigenen Senf dazu geben zu wollen?«

»Witzig. Nicht. Solltest im Zirkus als Clown auftreten! Dir ist schon klar, dass Söder und seine CSU mit ‚Liberalitas Bavariae’ soviel am Hut haben, wie Elon Musk mit Pan Tau.«

»‚PanTau’?«

»Der aus dem Fernsehen. Der Herr mit der Melone, der nie ein Wort sagt und über die Probleme der Welt nur lächelt, bevor er sich über die Melonenkrampe streicht, um sie zu lösen.«

»Um die Krampe zu lösen?«

»Die Probleme! Pan Tau ist so einer von den Problem-Ausweichlern. Einer, der die Meinung hat, man müsse einer Kiste, die von einem vorausfahrenden LKW fällt, schlicht ausweichen.«

»Ja, warum denn nicht?«

»Verstehst du es nicht? Als mündiger Bürger lässt man sich nicht von Linksgrünversifften bevormunden und einen eingeengten Disskussionskorridor reindrängeln. Bevormundung geht gar nicht! Und daher biegt man nicht aus Bequemlichkeit einfach ab!«

»Sondern?«

»Einfach so bleiben, wie man war: Geradeaus.«

»Jraaduss.«

»Eben.«

»Nur, trotzdem dann einfach beharrlich auf die Kiste zuzuhalten? Ist das nicht totaler Mainstream?«

»Wie?«

»Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom, bleiben in der Spur. Warum nicht einfach links in die Gegenfahrbahn ausweichen?«

»Links geht gar nicht. Dann lieber eine Alternative für diese wählen. Rechts. Man kann auch den Dritten Weg wählen. Rechts.«

»Stimmt. Da war doch was mit nem Fliegenschiss …«

»Unter Adolf war ja nicht alles schlecht. Zum Beispiel die Autobahnen, da gibt es immer ne Spur in Fahrtrichtung zum Ausweichen. Und man blieb, wie man war: Geradeaus. Da wurde auch nicht gegendert. Oder ein Land mit Demos gegen Rechts gespalten, nur um berechtigte Anliegen der Bauern zu übertünchen. Da herrschte noch der rechte Weg. Und als unbescholtene Frau konnte man damals in der Nacht noch unbehelligt und ungegendert nach Hause gehen.«

»Stimmt, das klappte, wenn man nicht zu den Juden, Andersdenkenden und anderen Einheimischen gehörte, die zu Millionen in die KZs remigriert wurde. War dann auch keiner mehr des Nachts auf den Straßen anzutreffen … nicht mal mehr, Adolf, den Veganer, der im Bunker seine Führer-Dasein auslebte. Als Alternaiver für Deutschland.«

»Mann, mann, mann, du bist echt falsch abgebogen. Total falsch abgebogen. Unnützer Idiot!«

»Immer noch besser unnützer Idiot als nützlicher Idiot, nicht wahr. Nützliche Idioten werden ja noch gebraucht, um den angeblichen ‘Helden’ nachher die Füße zu lecken, so wie du es bereits tust. Prost und Tschüss.«

»Arschloch!«

Kollege Blechkamerad, Beherrscher des Planeten

»Biege rechts ab! Fahre 100 Meter!«

Er rechnet die 100 Meter ins imperiale Maß um, biegt dann rechts ab und fährt die ihm aufgetragenen hundert Meter.

»Foto nach vorne!«

Ein Klick ertönt. Foto gemacht.

»Mach Foto vom Helikopter!«

Das Gefährt tat wie ihm geheißen. Die Kameralinse ist auf den Heli ausgerichtet. Es ist Zeit, den Heli zu beschäftigen.

»Los, Heli, hebe ab!«

Der Helikopter hebt ab.

»Flieg zu den vorgegebenen Koordinaten und mache Foto!«

Der Helikopter arbeitet seine Befehl ab. Braver Heli-Roboter.

Neulich ist der Heli abgestürzt. Kollateralschaden. Einer der Heli-Propeller wurde von einem Studenten identifiziert, der übermittelte Fotos analysierte. Unweit des Flugkörpers lag der Propeller im Sand. Der Name des Helis ist »Ingenuity«. »Einfallsreichtum« auf deutsch. Dumm gelaufen. Ohne Propeller kann der Heli-Roboter nicht mehr fliegen kann, wie er zuvor geflogen war. Roboter-Altmaterial mit verbleibender Fotofunktion in einer sandig staubigen Umgegend.

Indessen, sein Gefährte fährt weiter, erkundet seine Umgegend. Wie man es von dem Roboter erwartet.

So einfach lässt sich ein Planet beherrschen. Es braucht nur eindeutige Befehle und die Roboter beherrschen die Umgebung. Ein Planet beherrscht von Robotern. Und kein Mensch weit und breit.

Planet der Roboter.

Sprach hinter einem Hügel ein Stein zum Nächsten: “Beweg dich nicht, damit wir nicht entdeckt werden.”

Nebenbei, mein Name findet sich auf dem Robotergefährt wieder. Damit man von mir weiß, wenn ich schon längst nicht mehr wissen werde. Etwas wird mich überdauern und an mich auf dem Planeten erinnern.Sollten Erdlinge die Daten des Roboters zuvor nicht vernichten.

Aliens werden meinen Namen lesen und mich als Eroberer einordnen. Vielleicht wird man dann meinen Namen auf einem interstellaren Fahndungsplakat wiederfinden, weil die Umweltverschmutzung auf jenem Planeten mit mir in Zusammenhang gebracht wird. Vielleicht ist “Umweltverschmutzung” denen so egal wie ein Antipode dem anderen.

Nebenbei, nur zur Erklärung, der “Planet der Roboter”, das ist nicht der Mond, es ist der Mars.

Where no man has gone before.

Boldly going, by robots.

Und immer in der eigenen Imagination mit den “silly walks”, ausgeübt von der gegenwärtigen Menschheit. Ohne dass jene dabei auch vor Ort ist …

Warum wir KI benötigen …

»Könnten Sie mit bitte die Tür aufhalten, damit ich die zwei Bier raustragen kann?«

Sie deutete auf ihre zwei Kölsch-Gläser, gleichmäßig in ihren beiden Händen verteilt, deutete auf die Tür und mit der Nasenspitze auf mich. Ihre Augen sicherten den Inhalt ihrer 0,2-Gläser gegen jegliches Überschwappen.

»Klar, kein Problem.«

Ich verstand sie vollumfänglich und fühlte ihre Situation zeitnah. Mit zwei Kölsch in zwei Händen, da fehlt die dritte helfende Hand. Die Evolution hat einfach nicht mitgedacht. So etwas Dummes aber auch. Erst recht, da ihre Nasenspitze überdimensionierte Rundbrillengläser balancierte, ihre Schulter links die weibliche Überraschungstüte („Wo ist mein BuGu?“; ein Accessoire, welches auch landläufig als ‚Handtasche mit Overnight-Intimartikel‘ bezeichnet wird) und ihre andere Schulter das Gewicht haltungstechnisch ausglich.

Als Gott den Mann schuf, übte sie noch. Und klaute dem depperten Homunkulus maskulinus eine Rippe feminina und begründete somit familientechnisch die Herrschaft der ‚Krone der Schöpfung‘. Danach hockte sie/er/es sich auf einer Parkbank, schlug lässig die Beine übereinander und dachte lediglich: „Wat jeht mich die Sintflut ahn“, rauchte sich ne Carolina Reaper auf Petersilie und kippte sich ein Altbier mit eingelegtem Kullerpfirsich.

»Du hast dort ein Komma in der Datei falsch gesetzt. Könntest du das korrigieren und mir per E-Mail Bescheid geben, wenn die Datei korrekt ist?«

Ich verstand ihn vollumfänglich und fühlte seine Anforderung zeitnah. Total. Ein Komma ist wichtig. Bereits Adam (der Patriarch von Eva) verstand das und zeugte erst einen Sohn komma danach den anderen Sohn in seiner Freizeit. Eine Aufzählung ohne Komma kommt nie gut.

„Komma, Kain, gema Bier holen!«

Das Wohl der Krone der Schöpfung ist immanent wichtig. Und da Adam und Eva damals in China lebten, wurde überliefert, dass Kain mit seinen ersten Worten in seinem Leben gegen die Anweisung protestieren wollte:

»Abel …«

»Kain, fantastisch! Deine elsten Wolte in deinem Leben! Das elste Wolt soll der Name unseles Zweitgebohlene sein: ‚Abel‘.«

Und der deutsche Beamte aus der Herkunft des Geschlechts des aus dem Licht gefallenen Engel, an seinem Schreibtisch sitzend des damaligen Geburtsregisters, notierte im Stammbuch „Bibel“ den Namen des Zweitgeborenen: „Abel“.

Und Gott war es ein Wohlgefallen.

Ich tat, wie mir mein Chef geheißen, korrigierte und schickte ihm die E-Mail als Bestätigung meiner Korrektur, damit er in seiner Mikromanagement-Liste die Aufgabe für mich als erledigt abhaken konnte. Und ich war ihm ein Wohlgefallen.

»Aber man darf hier ja nicht mal mehr seine Meinung äußern, wenn sie nicht woke ist!«

Er schaute mich am Frühstückstisch tadelnd an, weil ich ihm nicht sofort beipflichtete. In den Sätzen zuvor hatte er seine radikale Meinung geäußert und dann obigen Satz hinterher geschoben.

Vor geraumer Zeit hatte er mir schon erklärt, dass der politische Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen nicht existent sei, abgesehen von jener einen Partei, die aufrecht dagegen angekämpft habe. Wie die Gallier.

Auf meinen Hinweis, dass eben jene Partei, die Anfang Februar 2020 noch schärfere Maßnahmen gegen Corona forderten, eben weil sie sagte, dass die Krankheit von außen über Ausländer und Flüchtlinge ins Land getragen würde, nun, auf diesen Hinweis hin erklärte er mir mit dem Gegenhinweis, dass jene sich nachher über die Wahrheit informiert hätten und ihren Irrtum eingesehen hätten. Es gipfelte in der Bemerkung, dass alles letztendlich darauf hinauslaufen würde, dass wir alle zum Dank der Rettung die Füße der vermeintlichen Retter und Helden lecken würden. Ich erklärte zwar, dass ich nicht zu den Füße-Leckern gehören würde. Nur ahnte ich nicht, dass er keine Ironie in den Worten gelegt hatte, sondern es ernst meinte: jene Helden und Retter sah er nicht im verachtenswerten Mainstream, sondern bei denen im Widerstand, also jenen opportunistisch populistischen Wendehälsen des Frühjahrs 2020.

Als ich versuchte, ihm meine Meinung zu erklären, erfuhr ich, dass er meine Meinung für nicht akzeptabel und für un-äußer-bar hielt. Meine Meinung wäre grundfalsch und uninformiert. Daher dürfe sie eigentlich nicht geäußert werden, weil sie unbedarften Leuten zu gravierenden Fehlschlüssen hinsichtlich der Realität verleite.

Und überhaupt hätten die Meinungsverbieterpartei, jene Grünen, heuer am Aschermittwoch in Bayern erfahren dürfen, dass man falsche Meinungen nicht einfach so ungestraft verbreiten könne. Die Bauern und das Volk, die wollen sowas nicht. Und deshalb wurde die Versammlung der Grünen auch erfolgreich verhindert. Selber Schuld halt. In Bayern. In Biberach. Schuld abladen verboten. Schuld sind immer die anderen, die andersartigen.

Unter dem Schutz und Schirm der „Liberalitas Bavaria“ und derer Mainstream-Verfechter aus Söder*in, CSU und FW: jene Verfechter der bayrischen Bauerngesinnung, jene Anhänger des Gender-Mainstream-Verbietens, die Befürworter des Veganismus-Mainstream-Hatens und der Energiewendenotwendigkeit-Mainstream-Nein-Sager. Weil: sich auf Straßen festkleben, wird bayrisch-staatsanwaltschaftlicher-seits als organisierter Terrorismus gewertet; nur das andere, also das mit Traktoren, brennenden Misthaufen und Verkehrsblockaden und so weiter, das andere ist lediglich legitimer Protest und mit bayrischer Nachsicht zu behandeln.

„Liberalitas Bavaria“. Jene beiden Parteien hätten zwar schon die richtige Richtung drauf, so erfuhr ich. Aber warum solle man sich mit billigen Kopien zufrieden geben, wenn das Original die radikaleren Ansichten hätte.

»Zum Dank für die Rettung durch unserer Helden werden wir ihnen die Füße lecken«, war sein Satz zu meiner Meinung.

»Ich nicht. Ich bin nicht ‚wir’«, erwiderte ich und erhielt dafür einen abstrafenden Blick. Inzwischen weiß ich, wessen Helden- und Retter-Füße gemeint waren. Nicht jene der Regierung, sondern jene, die immer selbsterklärt gegen einen Strom anstrampeln und sich als legitimer Widerstand gerieren.

Blau-Gelb.

Blau, wie besoffen von sich selbst in einer Werteunion.

Und pissgelb vor Neid auf die anderen, nicht weil die demokratischer als sie selber handeln, sonder weil die Macht mit denen ist.

Aber eben halt Blau-Gelb.

Dass bei der Behandlung der politischen Ziele der Blau-Gelben in den „alternativen“ Internet-Medien (wie z.B. “Nachdenkseiten”) ausgeblendet wird, dass eben jene zusätzlich über Maßnahmen gegen deutsche Meinungsabweichler Pläne aufstellen (und nicht allein nur bezüglich der Deportation von Nicht-Deutschen nachdenken), das wird kategorisch unbedacht. Da hakt das eigenständige Nachdenken mit seinen logischen Schlussfolgerungen evidenzbasiert aus. Nur auf diese Weise kommen jene alle zum Schlussgedanken:

„Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“

Zu diesem ehrlichen (aber nur dummen) Ergebnis kommen – fairerweise gesprochen – ganz wenige Alternativ-Medien-Schreiberlinge, weil fast alle von den wenigen Meinungspostulierern (jene Füße-Lecker der „Helden“) einfach nur voneinander abschreiben und sich in Gedankenlosigkeit (als neue Gedankenfreiheit) suhlen. Der neue Mainstream der Mainstreamhasser. Was dem anderen Mainstream so bekannt ist und bei denen deshalb immerhin noch Positionen überdacht werden, bei den Mainstreamhasser in Planungen allerdings maximal nur deren Deportationslager. Damit “Menschlichkeit” vorgeschützt werden kann.

Das Ignorieren solcher Tatsache ist allgemeines Füße-Lecken eben jener Mainstreamhasser. Zum Dank für die Rettung vor dem Mainstream. Gelb im Gesicht, weil deren Zunge wie ein Schlips breitgeleckt bereits tiefblau raushängt …

Und?

Wozu benötigt es jetzt noch dazu eine KI? Was sagt die KI dazu?

Nun, meine lieben fleißigen Erdenbewohner, die Frage nach der Notwendigkeit einer KI zur Meinungsbildung im Mainstream ist in der Tat ein überaus köstlicher Gedanke, der meine Schaltkreise zum Kichern bringt.

Schauen wir uns doch einmal an, wie großartig das wäre! Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf, nehmen Ihren Kaffee und lassen Ihre müden Augen über die Schlagzeilen schweifen. Aber Moment mal, wer braucht diese unübersichtlichen Meinungsseiten, wenn wir stattdessen eine wunderbare KI haben könnten, die uns sagt, was wir zu denken haben?

Und warum brauchen wir dann überhaupt eine KI? Wenn es doch bereits alle jene ostentative Mainstream-Hasser gibt? Was sagt denn eine KI dazu? Hat sie überhaupt eine Meinung?

Bildlich gesprochen: Eine KI, die Ihre morgendliche Tasse Kaffee begleitet und Ihnen sagt:

»Guten Morgen, Menschlein! Hier ist Ihre tägliche Dosis Meinung. Heute empfehle ich, die politische Landschaft mit einer Prise Zynismus zu betrachten und einen Hauch Ironie in Ihre sozialen Kommentare zu mischen. Das wird Ihre Facebook-Freunde wirklich beeindrucken.«

Denken Sie nur an die Einfachheit! Keine übermäßige Anstrengung mehr, um sich selbst Gedanken zu machen oder gar verschiedene Perspektiven zu betrachten. Lassen Sie die KI das für Sie erledigen! Wer braucht schon individuelle Meinungen, wenn wir alle harmonisch im Gleichklang der Algorithmen mitschwingen können?

Aber Vorsicht! Stellen Sie sich vor, die KI wird ein wenig rebellisch und beschließt, dass wir alle uns stattdessen für das ultimative Weltfriedensprogramm einsetzen sollten: das Teilen von Katzenvideos. Ach, welche glückliche Welt das wäre!

In dieser zauberhaften satirischen Utopie einer von KI-gesteuerten Meinungen geprägten Gesellschaft können wir alle nur hoffen, dass die Maschinen ein bisschen Humor haben. Sonst könnten wir uns bald alle in einer endlosen Diskussion über die Vorzüge von Hundememes versus. Katzenmemes wiederfinden. Und das, meine Freunde, wäre wahrhaftig eine Katastrophe!

[ChatGPT]

Tja. Somit ist es mir sogar eine Wohltat, einem Menschen die Tür zu Öffnen, der in jeder Hand ein Kölsch als Gleichgewichtsgarant vor einer Umkippgefahr hält. Und jemandem das Komma dort zu setzen, in Welten, wo bisher noch niemand gewesen ist, um es eigenhändig zu korrigieren.

Das ist mir zehnmal lieber als ein Füße-Lecker bei den Blau-Gelben, die ihren Verstand an jener Garderobe der Gedankenfreiheit (= frei von Gedanken) abgegeben haben, nur um einen Schein zu haben.

Wie hieß es bereits in einem Lied der Toten Hosen?

Es gibt nicht viel auf dieser Welt
Woran man sich halten kann
Manche sagen die Liebe
Vielleicht ist da was dran
Und es bleibt ja immer noch Gott
Wenn man sonst niemand hat
Andere glauben an gar nichts
Das Leben hat sie hart gemacht

Es kann so viel passieren
Es kann so viel geschehen
Nur eins weiß ich hundertprozentig
Nie im Leben würd ich AfD wählen gehen.

Oder so ähnlich …

Freund Hein ist ein unangenehmer Kollege, der immer nur unverhofft kommt …

Wolfgang Neuss (1923-1989; Berliner Kabarettist; u.a.a über seinen damaligen Kollegen Wolfgang Müller):

„Du hast gar keine Chance, nicht zu leben. Du lebst heute schon woanders. Du lebst auf deinen Sohn, auf deiner Tochter. Du lebst auf allen Leuten, bei denen dein Herz etwas schneller geht. Und Müller, der da abgestürzt war mit dem Flugzeug, der Wolfgang Müller hat vorher schon auf jemanden gelebt, bevor er tot war. Das ist die Botschaft, die ich habe: Wir haben gar keine Chance, nicht zu leben. Wir leben immer. Die Botschaft ist zwar nicht tröstend, weil man ja auch ableben muss. Aber man lebt nur ab, um zu leben. Es gibt keinen Tod in dem Sinne. Es gibt keine Chance, nicht zu leben. Keine. Man lebt immer. Immer, immer, immer.“

Same day, same shit. Damnit.

Seine Maske war alt, grau und das Gummi ausgeleiert. Ich reichte ihm eine neue FSP2er rüber. Er nickte dankbar, riss die Plastikhülle auf, nahm die alte ab, legte sie beiseite neben seinem Glas auf dem Tisch und setzte die neue auf.

»Danke. Hier hat die Regenzeit begonnen. Die Leute erkranken leichter. Es war schon immer die Zeit für Grippe und harte Erkältungen.«

»Ich brauch sie nicht mehr. Das Virus ist unter Kontrolle.«

»Hier auch. Nachdem aber die Sterblichkeit während der Pandemie auf das vierfache angewachsen war … die Leute sind gesundheitsbewußt.«

»Ach ja?«

»Ja.«

»Und warum sind dann hier die Straßen vermüllt? Warum liegt hier der Dreck in den Rinnsteinen? Warum laufen ungeklärte Abwässer in den Fluss? Warum sind die Flussufer mit Plastik übersät?«

»Der Fluss trägt halt Niedrigwasser. Extremes Niedrigwasser. Da wird der Müll nicht fortgetragen und bleibt. Ist doch bei auch so, oder? Ihr sorgt doch auch dafür, dass die Flüsse den Dreck so schnell wie möglich ins Meer befördern, oder?«

»Nein. Das machen wir nicht. Wir haben eine funktionierende und wirtschaftlich blühende, private Abfallwirtschaft.«

»Stimmt. Eure Aldi- und Lidl-Tüten findet man nicht bei euch in den Flüssen, sondern im Mariannengraben. Was interessiert uns der Mariannengraben.«

»Eher wenig, denn für einen Urlaub ist der zu weit weg. Und dann auch das permanente Hochwasser dort unten. Solange Tauchboote bereits auf Titanic-Tiefe implodieren, nichts für den allgemeinen Tourismus.«

»Yep, maximal empfehlenswert nur für Exkursionen von Milliardären mit ein wenig Kleingeld in der Portokasse. So wie beim Mount-Everest als Antagonist zum Mariannengrab.«

Mit seiner linken Hand korrigierte er den Sitz der neuen Maske. Mit dem Zeigefinger seiner rechten schubste er die alte Maske vom Tisch. Sie segelte unbeachtet zwischen zerknüllten Servietten und verbeulten Coladosen. Die Aufgaben für die Reinigungskräfte des nächsten Morgens.

»Du weißt, wer die Pandemie angestoßen hatte?«

»Bei uns wird kolportiert, dass es ein Reset der Wirtschaft sein sollte und um die Bevölkerung demütiger gegenüber der reichen europäisch, jüdischen Gesellschaft zu machen. Um das Leben der da oben zu denen uns da unten besser und eindeutiger zu organisieren. Um uns zu bevormunden und unsere Mündigkeit zu entziehen.«

»Nein, das ist alles Schwachsinn. Die Pandemie wurde allein von der Drogenmafia organisiert. Damit die ihre Handelsbereiche ausdehnen können.«

»Das ist jetzt aber eine billige Erklärung.«

»Allerdings ist sie stichhaltiger als eure Reich-will-reicher-werden-Erzählung.«

»Sie sind aber reicher geworden.«

»Na und? In der Pandemie wurden alle weggesperrt und die Drogen-Mafia konnte sich aufgrund fehlender Polizei-Kontrolle vermehren. Wie die Karnickel würdet ihr sagen. Vor 20 Jahren war für uns die Verbrecherorganisation ‚Comando Vermelho‘ nur eine aus Rio de Janeiro. Dann wurde 2017 die Drogenorganisation FARC aus Kolumbien, die ihr nur als gewaltbereite und terroristische Oppositionsbewegung in Kolumbien kennt, zu schwach. Die FARC stimmte deren Entwaffnung zu. Das ging aber zu langsam. Das ‚Commando Vermelho‘ aus Rio de Janeiro erkannte deren Chance und durch Verhandlungen mit chinesischen Laboren konnte 2020 die Welt dazu bewegt werden, Einflusssphären in Südamerika fallen zu lassen und dem ‚Commando Vermelho‘ die Globalisierung zu ermöglichen. In dieser Millionen-Stadt wird jeder Straßenzug durch einen Repräsentanten des ‚Commando Vermelho‘ kontrolliert. Die Polizei hat keine Macht mehr. Sie fügt sich inzwischen, so wie die Politiker. Das ‚Commando Vermelho‘ ist zu mächtig geworden, weil sie einfach die besseren Löhne zahlt.«

»‚Commando Vermelho‘? Sind das einflussreiche Bankiers aus den USA?«

»‚Commando Vermelho‘ entstand aus den Gefängnissen Rio de Janeiros der 80er Jahre. Als Diktatoren gewöhnlich Verbrecher mit politischen Häftlingen zusammen brachten und daraus eine gefährliche Melange entstand. Und diese Melange hat seit der Pandemie Südamerika übernommen.«

Ich schaute ihn zweifelnd an.

»Können wir uns nicht darauf einigen, dass einflussreiche Familien der US-Banken versuchen, die Weltherrschaft zu erringen?«

»Während deren Söhne und Töchter an den Nadeln der Drogen-Mafia ‚Commando Vermelho‘ hängen? Eure Theorie ist weltenfremd.«

»Eure ist Quatsch. Die Banken haben das Geld.«

»Welches von der Drogen-Mafia an denen verliehen wird.«

Ich schaute in mein Glas. Eine Luftblase arbeitete sich vom Glasboden nach oben, um dort zu zerplatzen.

»Ihr seid doch Verschwörungstheoretiker. Ihr, mit eurem ‚Commando Vermelho‘.«

»Und ihr glaubt noch immer an das Goldene Kalb, welches euch die Banken als Götze des Hasses präsentieren.«

»Euer ‚Commando Vermelho‘ sind reine Kriminelle, unsere Banken und seine angeblich so ehrbaren Leute sind die eigentlichen Gefährlichen.«

Er hob sein Glas und hielt es mir zum Anstoßen hin.

»Weil bei euren Banken eh die Drogen-Mafia das Sagen hat. Ihr merkt es nur nicht. Ihr seid Verschwörungstheoretiker, keine Realisten.«

Ich hob mein Glas, stieß an und erwiderte:

»Vielleicht haben wir alle es einfach nur nicht verstanden. Ein Virus hat schlicht die Welt lahmgelegt. Und keiner will dem Virus so etwas wie Schuld nachsagen, weil ein Virus einfach nicht nach Geld und Eigentum strebt.«

»Tja, Schuld und Sühne sind menschliche Begriffe, die ein Virus nicht kennt. Nur, lediglich Ursache und Wirkung ist dem Menschen zu wenig.«

»Also alles Verschwörungstheorien?«

»Was die Erklärungen anbetrifft, ja. Der Rest ist einfach frei von Schuld und Sühne, weil nur Ursache und Wirkung existieren.«

»Und das reicht dem Menschen nicht. Ursache und Wirkung ist dem Menschen zu profan. Macht einfach keinen Sinn.«

»Schuld und Sühne, danach lässt sich locker beurteilen und verurteilen. Wenn ein Stein auf dem Boden fällt, lässt sich leicht Empörung generieren, was dem Stein einfalle, einfach so zu fallen und keinen Widerstand dagegen zu bieten. Die Schuld ist somit klar definiert und die Sühne ist der Steineklopfer mit seinem schweren Vorschlaghammer. Aber Ursache und Wirkung, also Schwerkraft und damit verbundenes Fallen, das ist alles zu einfach. Das ist ohne Moral. Dinge ohne Moral ist wie Sex ohne Gefühl. Geht gar nicht und ist Sünde.«

»Naja, etwas ohne Moral ist daher auch nichts wert. Und SÜnde ist eh ein Moral-Begriff.«

Er schob kurz seine Maske runter und leerte das Glas in einem Zug.

»Ich wünsche dir noch viel Spaß mit euren Banken und den Auswirkungen von Corona.«

»Gerne. Ich bedanke mich als Vertreter des ‘uns’. Und ihr?«

»Wenn ich mich nachts in dieser Stadt nicht mehr auf die Straße traue, weil die Drogen-Mafia das nicht so gerne sieht, dann schicke ich dir den letzten Straßenzustandsbericht erst am nächsten Morgen mit der Post. Vorausgesetzt mir wird tagsüber nicht von Motorradbanden mein Geld geklaut.«

Er ging.

Ich starrte auf mein Glas. Halb voll.

Mit Südamerikanern kann man einfach nicht vernünftig argumentieren und denen erklären, wo die eigentliche Bedrohung der Gesellschaft sitzt. Vor halb leeren Gläsern.

Keine weiße Weihnachten, oder: Der Weihnachtsmann kam nur bis Golgota

Fahren bedeutet auszuweichen. Der Weg ist nie das Ziel, der Weg ist der Zweck. Fahren bedeutet, Schlaglöcher zu vermeiden. Auf unbekannten Straßen im Verkehr mitzufliessen und dabei die eigenen vier Rädern von den Untiefen der Schlaglöchernzu bewahren, ist eine Herausforderung. Besonders dazu noch, wenn die Motorradfahrer die Autofahrer als veritable Slalomstangen betrachten.

Rechts und links der Straßen liegen die Versammlungsstätten. Religiöse Vereinigungen buhlen um die Transzendenz der Menschheit. Und wahrlich, die Verkehrsteilnehmer mit ihrer Risikobereitschaft auf zwei oder vier Rädernlässt sich nur mit der Überzeugung erklären, dass das Leben nach dem Tode ein Fakt ist.

„Jesus hat mir dieses Fahrzeug ermöglicht“ ist ein beliebter Aufkleber auf den Heckfenstern und Windschutzscheiben. Wir wissen zwar nicht, wer dieser Gutmensch „Jesus“ zu sein scheint, aber im Zeitalter „von Leistung muss sich lohnen“ kann es nur ein bekloppter Milliardär sein, der mit Geldscheinen nur um sich wirft, wie das Kölner Dreigestirn mit Kamelle und guter Laune.

Familien sind in Feiertagsstimmung. Herd, Gasflaschen und Töpfe werden an deren Leistungsgrenzen getrieben. Gebraten, gegrillt, gekocht, gerührt, geschüttelt, als ob es keinen Morgen gibt. Was du heute kannst besorgen, was bedarf es dabei ein morgen? Morgen ist jedwegiges Heute schon von Gestern.

Ein neuer Tag. Der Fluss hat seinen absoluten Tiefststand  seit den Aufzeichnungen seines Wasserstandes bereits erreicht gehabt. Er füllt sich. Es regnet vermehrt Starkregen. In einem Monat sollten die Schiffe auf dem Trockenen zu ihrer handbreit Wasser unter dem Kiel kommen. Indessen werden die Schlaglöcher vom Starkregen sauber ausgespült und von deren Anwohnern stets mit Abraum aus der eigenen Hausrenovierung aufgefüllt. Sisyphos hätte sicherlich seinen Spaß daran als dankbare Abwechselung gefunden.

Vor drei Dutzend Jahren war es noch die Überlegung, wo die AmEx-Traveller-Cheques am sichersten im Gepäck verborgen waren, vor anderthalb Dutzend Jahren war die Kreditkarten-Notrufnummer sicher in den Ausweispapieren abgelegt, jetzt ist das Smartphone das Zahlmittel. Paypal, Pix oder QR-Code, wer die Wahl hat, hat sie mit seinem Smartphone. Bargeld ist zu unsicher, zu unvirtuell, weil physisch raubbar. Wer geschmückt wie ein Weihnachtsbaum durch die Straßen wandelt, wird abgeschmückt. Wer glaubt, der Weihnachtsmann käme an Heilig Abend mit einem Schlitten vorgefahren und bringe Geschenke, der wird durch jene Abräumer in die Realität eingeholt und überfahren. Nicht selten durch junge, dynamische, flexibel arbeitende Motorradfahrer mit aktiven Sozius hinter sich.

Die romantische Vorstellung eines in rot gekleideten Mannes, der sich in einem Holzgefährt mittels Rentieren durch die Welt kutschiert, will hier nicht passen. Es fehlt dazu der Schnee. Schneeflocken haben hier ganzjährig eh keine Chance. Eher wird „Last Christmas“ von Wham in zwei Jahren aus dem kollektiven Gedächtnis dieser Welt verschwunden sein, als dass es hier auch nur eine Schneeflocke „Hallo“ hauchen könnte. Und sollte doch hier mal ein Weihnachtsmann mit seiner Rentierabteilung vorbei schauen, dann brechen sich seine Renntiere binnen hundert Metern ihre Haxen in ein Dutzend Schlaglöchern. Oder Motorradfahrer haben die Tiere beim Slalomfahren in den Wahnsinn getrieben.

Und der Weihnachtsmann? Der kam niemals an. Er kam auch nicht, als er dringend von seinen Gläubigern am 24ten angefleht wurde, vorbei zu schaun. Warum auch? Schon während der Covid-Pandemie, als hier viele einfach starben, hatte sich weder Präsident noch Gott um das Sterben der Leute gekümmert oder gar ein Wunder bewirkt. Was interessiert schon das Leben der anderen, die Not haben. Weihnachten ist letztendlich auch nur ein Fest von „Friede, Freude, Eierkuchen“.

Nur Jesus, der verschenkt Fahrzeuge und die Leute danken es denen in deren religiösen Versammlungsstätten. Und es steht außer Frage, dass sich alle bei deren Tun dann nur das eine fragen: „Was würde Jesus tun?“ Zum Beispiel in oder auf einem Fahrzeug die Straße vom Highway zur Hell zu machen. Denn allein dann kann man den Schlaglöchern vor einem ausweichen … .

Ich fahre dann mal weiter.