Ehe ist, bis dass der Tod …

“Schatz”, er hielt ihre Hand in der seinen und streichelte sie sanft, “Schatz, ich hatte dir immer gesagt, dass diese Mund- und Nasenbeckungspflicht nichts für uns ist. Wir können unsere Gesichter nicht mehr richtig erkennen, sehen unser Mienenspiel nicht mehr. Und das ist doch wichtig, oder? Das Mienenspiel ist doch wichtig für uns Menschen und macht uns menschlich, nicht wahr.”

Er betrachtete zärtlich ihre Hand. Ein Fingernagel war abgebrochen, einer dieser Gel-Fingernägel, die sie sich immer jedes Wochenende machen ließ. Heute wollte sie auch wieder zum Aufhübschen gegangen sein, aber das Nagelstudio war bereits geschlossen.

“Schatz, hat es nicht bereits gereicht, dass wir die Ausgangsbeschränkungen anfangs vollumfänglich mitgemacht hatten? Du hattest dir einen Dackel angeschafft und ich bin joggen gegangen, um mal aus der Wohnung raus zu kommen. Mehr musste ja nicht sein.”

Versonnen blickte er zur Seite, sah den Fressnapf, der auch weiterhin neben den Mülleimer stand, und dahinter zur Erinnerung ein Hundefoto.

“Ach ja, der Dackel. Die liebe Belinda. Ein treues Seelchen von Hund”, er seufzte, “was konnte ich dafür, dass sie mir nachlief und beim Überqueren der Straße überfahren wurde? Nichts. Und das hatte ich dir tausendmal gesagt. Aber du meintest, ich hätte das absichtlich getan. Immer diese miesen, unbewiesenen Unterstellungen von dir. Du hättest wie ich joggen gehen sollen, nicht wahr. Dann hättest du auch mehr raus gekonnt. Joggen hält fit und wir Menschen müssen fit bleiben, nicht wahr. Da braucht es keinen Dackel.”

Sein Blick streifte den Ehering an dem Ringfinger ihrer Hand und spielerisch drehte er mit seiner freien Hand an den Ring. Aber kein Geist erschien, um einen Wunsch zu erfüllen.

“Aber du wolltest ja nicht. Dafür kann ich nichts. Eigene Entscheidung. Eigene Schuld. Darum musstest du ja auch die ganze Zeit zu Hause bleiben. Dafür kann ich nichts. Gesetz ist halt Gesetz. Dass du dann so zickig wurdest, darüber hättest du mal nachdenken sollen. Deine Zickigkeit hat unserer Ehe nicht gut getan. Ich habe alles getan, aber du gar nichts. Wegen jedem Kleinscheiss hast du angefangen zu streiten. Das war unnötig. Das hattest du danach auch immer eingesehen, wenn ich mit dir darüber diskutiert hatte.”

Er schüttelte dazu verärgert seinen Kopf und drückte ihre Hand ungewollt fester, als er wollte.

“Und dann, als ich letzten Montag mir die Kettensäge gekauft hatte, um in unserem Garten mal aufzuräumen, da war es dir auch wieder nicht recht. Du bist immer auf Streit gepolt. Gut. So bist du halt. Nicht deine Schuld. Aber es war völlig unnötig, der Nachbarin von deiner Kinnverletzung zu erzählen. Dafür konnte ich nicht. Bist doch selber gegen die Tischkante gefallen. Hätte ich nicht dein Kinn verbunden, wärest du wohlmöglich verblutet. Aber warum du danach immer nur Maske tragen wolltest, das habe ich nie verstanden, das konntest du mir auch logisch nicht erklären. Du brauchtest doch vor mir keine Maske. Hab ich etwas Corona? Bin ich ansteckend? Du kannst so ungerecht sein.”

Er seufzte erneut auf und streichelte ihre Hand. Eine Träne lief an seiner rechten Wange herunter:

“Zumindest, so geht es mir. Jetzt halte ich deine Hand in der meinen, Schatz. Nur wünschte ich, du wärest hier. Und nicht in unserem Garten unterm Bankplatz.”

Er schluchzte auf und Tränen rannen ihm in dürren Rinnsalen über die Wangen. Er ließ ihre Hand los und kraftlos fiel sie unterm Tisch.


”Und wie – sagten Sie – fiel Ihnen auf, dass beim Ehepaar Schultes etwas nicht stimmte?”

“Naja, gestritten hatten die immer, aber in der Corona-Zeit wurde es unerträglich, da hat er sie offenbar geschlagen, so dass sie gestern heulend mit der Kinnverletzung bei mir auftauchte. Und dann der letzte Streit heute morgen, danach die Stille, dann das Aufheulen der Kettensäge und dann wieder diese unsägliche Stille, da stimmte doch etwas nicht … ist es wahr, was ich gehört habe, dass er sie unter der Gartenbank …”

“Bitte verstehen Sie, dass wir zu laufenden Ermittlungen leider keine Auskunft geben dürfen, Frau Giesinger. Wir melden uns wieder bei Ihnen. Guten Tag.”

Das Brotmaschinenmassaker

Ein Brief geht um.

Per altmodischer Briefmarkenpost.

Er zieht eine Spur des Grauens und der Verwüstung durchs Land. Die Welt erbebt, Männer erbleichen, Frauen wehklagen und Kinder spielen unberührt davon weiter am Computer der Eltern “Call of Duty” und “Zombieapokalypse”.

Dieser Brief darf nicht unbekannt bleiben. Aufklärung tut Not! Der Brief MUSS veröffentlicht werden, damit ein jeder Mensch von diesem Kettenbrief in Kenntnis gesetzt wird und nachher nicht naiv behaupten kann, man hätte es nicht gewusst …

»Dieser Brief bringt eine Brotmaschine, etwas Glück, viel Freude, Sex bis zum Abwinken und ein noch praller gefülltes Bankkonto. Leite ihn direkt an 100 Personen weiter, um ins Fernsehen zu kommen und unsterblichen Ruhm zu erhalten.

Der Autor dieses Briefes meinte, diesen letzten bedeutsamen Satz ignorieren zu können. Nachdem er an der Brotschneidemaschine durch ein tragisches Unglück seine geliebten Arme und wertvollen Beine abgesägt hatte, fand man ihn mit einem Federkiel im Munde, wie er noch versuchte hatte, diesen Brief hundertmal abzuschreiben, um ihn weiterzuschicken. Der Autor wurde auch nur deswegen gefunden, weil die Nachbarin dauerndes Niesen und Kichern aus der Nachbarwohnung vernahm, denn der Federkiel muss dem Autor dauernd in der Nase gekitzelt haben. Nur, der bösen Nachbarin gefiel es nicht, wollte in Frieden leben, ignorierte ebenfalls diesen Brief und hegte die Absicht, ihn wegzuwerfen. Sie verlor dabei ihren Kopf. Eine zufällig ziellos durch die Gegend streifende Polizeistreife fand ein Bild des Entsetzens vor: die ignorante Frau war von der scharfen Brotschneidemaschine aufs übelste attackiert worden und außer dem Kopf fehlte der Frau noch Hirn, welches ihr die Brotmaschine zuvor sauber herausgeschnitten hatte. Die Polizeistreife war aber klug, schenkte dem letzten Satz des Briefes Beachtung und reichte den Brief weise auf dem kleinen Dienstwege an die große Staatsanwaltschaft weiter, welche sich in zehnköpfiger Stärke in der Asservatenkammer, um Brief und Brotschneidemaschine versammelte. Als sie ging, hinterließen die Schar der Staatsanwaltschaftsanwärter dem Verwalter der Asservate den Brief, damit dieser ihn einsortieren sollte. Der Verwalter wie auch jene beiden Unverbesserlichen zuvor scherte sich nicht um den letzten Satz und so fiel ihm folgerichtig die Decke auf den Kopf, welche mutmaßlich wohl von der Brotschneidemaschine angesägt worden war. Durch den Zusammensturz der Asservatenkammer wurde der Brief frei gesetzt und ein Windhauch trieb ihn einer 48-jährigen kinderlosen, unverheirateten Jungfrau (Sternzeichen, nicht Sex!) vor die Füße. Diese Passantin las den Brief, stibitzte aus den Trümmern der Asservatenkammer auch noch schnell die Brotschneidemaschine, schaute die Brotschneidemaschine an und handelte konsequent: sie brachte beides zu der ZDF-Sendung “Bares für Rares” und verkaufte dort den Brief und die Brotschneidemaschine für 3,50 Euro, ging ins nächste Lottogeschäft, kaufte sich ein Rubbellos, rubbelte freudig sich reich und glücklich, hatte mehrfach Sex mit dem Losverkäufer, ging mit dem gewonnenen Bargeld in zwei Lottotüten wohlgelaunt auf ihre Bank, um es dort einzuzahlen. In der auf den Mechaniker wartenden Schlange vor dem defekten Einzahlungsautomaten wurde sie von einem Sat1-Redakteur erkannt. Dieser befand sich zuvor Undercover in der Bieter-Runde von “Bares für Rares” und hatte Brief und Brotmaschine ersteigert. Vom Fleck weg, ohne lange zu fackeln und brevi manu engagierte eben dieser Undercover-Sat1’ler die Frau: für dessen Idee zur neuen Vormittagsgameshow ‘Brotmaschine und Hundepfeife’, eine Show täglich Mittwochs außer Donnerstags. Sie heirateten, kriegten elf Brotmaschinen, kopierten Briefe und warfen glücklich bis an ihr Lebensende diesen Brief samt Minibrotmaschine in fremde Brieffächer. Und auf diese Weise erhöhten sie die Wertschätzung brotloser Kunst der Fernsehschaffenden. Und zwar  immer dann, wenn SAT1 eine Show mit irgendwelchen mutmaßlich bekannten Menschen ins Nachtprogramm aufnahm.

Wenn du nicht willst, dass du einer heimtückischen Brotmaschine zum Opfer fällst und damit im Abendprogramm in der Sendung “Top 10 der dümmsten Todesopfer Deutschlands” Erwähnung findest, oder du nicht willst, dass irgend so ein Brotmaschinenopfer dir einen maschinell kopierten Brief mit Brotmaschine schickt oder eine Briefmaschine aufs geopferte Brot schmiert oder Maschinenbrotschmiermittel mit Briefbrotmaschinenopferschneidewerk vor deiner Haustür abstellt, oder du einfach nur mal wieder Sex haben möchtest, dann schicke diese Zeilen tunlichst an 100 Leuten weiter.

Oder schalte dein bleifreies Hirn ab, verzichte auf DIYS-Sex und schaue gefälligst heute Abend ‘PromiBigBrother’, du Sackgesicht!«

Und ein weiterer Kettenbrief, mahnend aus der Vergangenheit, vergessen in der Gegenwart und wertlos für die Zukunft: https://provinzansichten.com/2007/09/23/immer_diese_kettenbriefe3028770/