Über kreisende Berge und geborene Mondkälber

»Und an dieser Stelle, meine sehr verehrten Herren und Damen Politiker hier anwesend im Saale, möchte ich nun nachfragen, ob Sie eventuell ein unübliches Getränk zu sich genommen haben. Denn Sie sagten unvernünftiger weise bereits …«

»Stopp! Stopp! Das geht so nicht.«

»Was geht so nicht?«

»Ihre Rede ist ja komplett für Somnambule. Professor Hastig der Sesamstraße wäre zu Ihnen bereits die reinste Redekanone.«

»Professor Hastig? Wer soll das sein? Ein Somnambuler?«

»Manno, im Vergleich zu Ihrer Rede erregen zwei Schnecken mehr Aufmerksamkeit, wenn die statt Ihner am Rednerpult einfach nur vögeln würden.«

»Schnecken vögeln für Aufmerksamkeit?«

»Sagen Sie doch einfach: ‚Und an dieser Stelle, Ihr Poly-Ticker hier im Saale, habe ich nur eine Anmerkung: Ob Sie Lack gesoffen haben, habe ich gefragt’«

»‘Lack gesoffen’? Wer tut den so etwas?«

»Ihre angesprochenen Leute. Die vor Ihrem Rednerpult.«

»Die sollen Lack saufen?«

»Das ist Rhetorik!«

»Lack trinken, das könnt ich noch verstehen. Also so ein Mal, so aus Irrtum. Aber Lack saufen, so regelmäßig in Übermaß? Das schlägt doch auf den Magen, oder etwa nicht?«

»Man, hey, das ist Rhe-to-rik! Das ist doch nicht wörtlich zu verstehen!«

»Nein?«

»Nei-en! Das ist lediglich eine kalkulierte Verbalinjurie!«

»Aber warum soll ich denn so eine Beleidigung aussprechen?«

»Weil, politisch Korrektes können Sie ruhig anderen Volltrotteln überlassen. Sie aber müssen mitreißen, bewegen, aufwühlen, Widerspruch erzeugen, kontrovers sein.«

»Und für so etwas nehme ich dann an, dass die anderen Lack saufen?«

»Mann, oh Mann.«

»Ich kannte da mal ein Elternpaar, die hatten einen Sohn, der hatte mal Lack getrunken. Sie hatten es nicht verhindert. Weil sich dessen Widerstandskraft und Immunsystem auf Umweltgifte einstellen sollte, meinten sie. Danach hatten die den Lackhersteller verklagt, weil dessen Warnung auf der Dose für Kinder nicht deutlich genug lesbar gewesen sein sollte. Und den Hersteller der Gegenmedizin.«

»Darum geht es nicht, ob Sie irgendein, so ein Vollhorst-Elternpaar kennen …«

»Lehrerin für Deutsch und Religion und er Ingenieur. Beide Akademiker. Sie prozessierten bis zur letzten Instanz.«

»Mir doch egal. Ihre Geschichte interessiert keine Sau. Was zählt, ist die Rede. Es geht darum, was Sie mit Ihrer Rede bewirken. Und wenn nachher alle Lack saufen sollten, okay, nicht Ihr Problem, okay, das kann Ihnen doch letztendlich egal sein.«

»Ja aber ….«

»In Ihrer Rede kann es nur um das eine gehen: wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg zum Propheten. Darum kreist Ihre Rede. Ihre Rede muss einschlagen, wie ein Berg bei den Propheten. Also nochmal das Ganze!«

»Und an dieser Stelle, meine sehr verehrten Herren und Damen hier im Saale, habe ich nur eine wichtige Anmerkung, die mir mein Redenschreiber vermittelte: Lack reißt mit, Lack bewegt, Lack wühlt auf und erzeugt Widerspruch. Seien sie kontrovers, kaufen Sie Lack. Das schlägt ein!«

»Saufen! Nicht ‚kaufen‘, Dämlack!«

»Äh, saufen. Also nicht kaufen, Sie Dämlacke!«

»…«

»Besser?«