Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (50): Tages ShowBiz

“Und wer sind jetzt Sie, werter Herr?”

“Wissenschaftler. Ich bin Wissenschaftler.”

“Wissenschaftler. Soso. Als Wissenschaftler wissen Sie sicherlich, wer ich bin?”

“Ich vermute Bischof, nach Ihrer Kleidung zu urteilen.”

“Soso. Sie vermuten. Mein lieber Herr Wissenschaftler, ich bin nicht nur geistlicher Würdenträger, sondern auch Politiker.”

“Oh, das konnte ich nicht erkennen.”

“Das macht nichts. Deshalb sag ich es ja Ihnen auch, nicht wahr. Mein Leben besteht nicht nur darin, das Seelenheil der Menschen zu ermöglichen, nein, ich trage auch noch die Verantwortung für das Leben der tausenden mir untergebenen Menschen. Sie wissen, was das ist, Verantwortung?”

“Ich …”

“Und weil ich Verantwortung habe, ist es auch erforderlich, dass ich immer ganz genau weiß, was vor sich geht, nicht wahr. Und dann kann es nicht sein, dass mir ein halbes Leben lang von der Wissenschaft erklärt wird, die Erde sei eine Kreisscheibe, und dann kommt jemand daher, die Erde sei eine Kugel, dann kommt wieder einer und sagt, sie wäre eine ovale Scheibe und jetzt erklären Sie mir über meine Kanäle, dass die Erde wahrscheinlich eine Kartoffel sei.”

“Nun … .”

“Was ist sie denn nu? Eine Scheibe, eine Kugel, eine Kartoffel? Wann kommt dann noch der nächste und erklärt mir, unsere geliebte Erde wäre nur eine Scheibenwelt mit vier Elefanten getragen von Schildkröten unter deren Füßen? Gestern kam wieder einer, der mir glaubhaft erklärte, die Erde sei doch eine quadratische Scheibe. Könnt Ihr Wissenschaftler, denn nicht mal konstant in eurer Forschung sein? Da ist überhaupt nichts einheitliches bei euch. Immer dieses hin und her. Das geht nicht.”

“Aber …”

“Wenn ich heute Schiffe ausschicke und die segeln munter drauf los, weil ich denen befehle, dass die Erde eine Kugel sei und dann fallen die doch über den Scheibenrand runter, wie soll das gehen? Ich hab die Verantwortung für Tausende! Ich muss doch auch mal verlässliche Entscheidungen treffen können.”

“Wir …”

“Da haben wir euch Wissenschaftler in die Politik geholt und jetzt bringt ihr alles durcheinander. Ihr Wissenschaftler könnt doch nicht einfach über unsere Köpfe hinweg sagen, was wir glauben sollen. Und dann könnt ihr euch doch auch nicht dauernd untereinander streiten. Das macht man doch nicht. Wir brauchen Fakten. Könnt ihr nicht mal einer Meinung sein?”

“Aber, Hochwürden, …”

“Raus! Geht mir aus den Augen! Ich kann auch Politik ohne euch Un-Wissenschaftler. Von euch erwarten wir Antworten. Und keine Streitgespräche oder keine neuen Fragen. Ihr seid übermütig geworden. Raus!”

Der Wissenschaftler ging mit gesenktem Kopfe hinaus.

“Hochwürden, was machen wir mit dem Subjekt? Weiterhin eingesperrt lassen, bis er widerruft? Oder auf dem Marktplatz vierteilen lassen? Oder gleich lebendig auf den Scheiterhaufen?”

“Och, pfählen wäre doch mal neues. Das Volk will nicht immer das Gleiche sehen. Wiederholungen gefallen denen einfach nicht. Gönnt denen doch mal auch eine Abwechselung.”

5 Gedanken zu „Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (50): Tages ShowBiz

  1. Die Politik lerne „dank der Arbeit der Wissenschaftler jeden Tag dazu“, verkündigte die Große Raute vor ein paar Tagen. Sie wollte damit wohl suggerieren, dass die Politik des Landes wissenschaftlich unterlegt sei.

    Doch wenn diese Wissenschaftler dann mal neue Erkentnisse frisch verarbeiten, ohne auf die wissenschaftliche Politik der Regierenden Rücksicht zu nehmen, dann ist das Pfählen eine historisch bewährte Methode, diese Wackeldackel stumm zu schalten.

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