Lebbe geht weider.
Das Zitat ist von Dragoslav Stepanović, ehemaliger Bundesligatrainer von Eintracht Frankfurt, nachdem die Meisterschaft gegen Hansa Rostock verspielt wurde.
Lebbe geht weider.
Nie mehr Mutter Beimer beim Spiegeleier-Braten als Übersprungshandlung beobachten, nie mehr Lindenstraße. Na und? In der letzten Szene wurde klar, die Straße liegt in Schwabing. Computerrechenpower machte es möglich. Schöne, alte Fernsehrealität
Lebbe geht weider.
Ich höre im Umfeld inzwischen die ersten Klagen, dass Corona das wesentlich Wichtige des Lebens überdeckt: Genderismus, Klima-Debatte, Ausländer und Kriminalität, deutsche Kultur, Religion, Lügenpresse waren einige Themen. Klar, ich kann Themen blocken, die mir nicht gefallen, und wenn nicht, werden sie an mich heran getragen. Jeder darf sich bei mir blamieren, wie er möchte. Es gibt kein Anrecht von mir darauf, dass sie es nicht dürfen. Nur wird mir vorgeworfen, unmündig zu sein oder Mainstream zu folgen oder nichts zu tun oder das Falsche zu glauben. Interessanterweise sind auch Expats darunter, die erst dann wieder zurück kehren wollen, wenn das bereinigt wurde, was jene als Missstände empfinden. Und ich soll deren Vorkämpfer sein, damit sie zurück kehren können. Ich bin aber kein Held. Helden sterben immer als erste und ich will nicht Märtyrer für irgendwelche geistig Benachteiligten außerhalb Deutschlands werden. Auch nicht für mich, der innerhalb lebt. Davon habe ich nichts. Ich tauge nicht zum Helden.
Lebbe geht weider.
Meine Mutter rief mich an. Meine Mutter ist weit über 80 Jahre (86 Jahre) und lebt über 600 km im Norden. Ich habe keine Chance, sie zu Ostern besuchen. Ihr geht es soweit so gut. Bis auf die fehlenden Gottesdienste. Die fehlen ihr. Und dass der Papst inzwischen mehr im Internet als im Fernsehen zu sehen sei. Sie weiß gar nicht, was das sei, das “Internet” und sie wolle es auch gar nicht mehr lernen, aber den Papst, den würde sie gerne häufiger sehen, weil er ihr Kraft gäbe. Im Altersheim gegenüber dürfe sie nicht mehr.
Zuvor war sie schon nicht mehr gern gesehen. Weil die neue Abteilungsleiterin ihr vorwarf, sie käme Sonntags nur, um ein Mittagessen abzustauben. Sie war vormals immer Sonntags da und hat den gleichaltrigen Menschen geholfen, ihr Mittagessen zu sich zu nehmen. Das hat die Pflegekräfte entlastet und sie erhielt dafür lobende Worte. Sie traf dort in einem Bett ihre ehemalige Nachbarin vom Lande wieder. Jene hatte sie zu Lebzeiten geschmäht und schlecht gemacht. Meiner Mutter war das jetzt egal, denn die Nachbarin ist inzwischen dement und erkannte meine Mutter nicht mehr. Sie erinnert sich auch im Gegensatz zu meiner Mutter auch nicht mehr an damals. Beide sind im gleichen Alter. Die eine ist nicht nachtragend, weil sie es nicht mehr kann. Die andere ist nicht nachtragend, weil sie das Gefühl für sich als für überflüssig erkannt hat. Und da die Familie (die drei Töchter und Ehemann) jener Frau sie mittags nicht mehr besuchen, so fütterte die einstige Feindin ihre damalige Integrantin. Und beide fühlten sich wohl. Meine Mutter hatte längst Frieden mit ihr geschlossen und sah die damalige Situation als komplett sinnlos an. “Und was hat sie jetzt von ihrem Triumph? Alle hat sie gegen mich mobilisiert und unsere Familie als Sündenböcke dargestellt, damit deren Familie die staatlichen Fördergelder erhalten konnte. Und was hat sie jetzt davon? Ihre Kinder kommen nur einmal im Monat. Und ich jeden Sonntag, um ihr das Mittagessen zu reichen.”
Für ihren Dienst erhielt sie immer ein freies Mittagessen und niemand hatte es ihr geneidet oder missgönnt. Eher ganz im Gegentum. Mit der neuen Abteilungsleiterin wehte der Wind aus einer anderen Richtung. Jene stellte meine Mutter zu Rede und warf ihr vor, für deren Fütter-Dienste vorsätzlich ein freies Mittagessen abzustauben. Meine Mutter solle ab sofort dafür zahlen. Schließlich müsse das Altersheim auf die Kosten achten und habe zu sparen und nichts zu verschenken. Meine Mutter bedankte sich für das Einspar-Angebot und entzog dem Altersheim ihren freiwilligen Dienst. Unter Bedauern, wie sie mir sagte, denn sie hatte gesehen, wie die Pflegekräfte mit den alten Menschen beim Füttern umgehen. Pro Fütter-Dienst hatten sie nur eine bestimmte Zeitspanne zur Verfügung und daher erinnerte meine Mutter deren Fütter-Dienst-Aktionen eher an eine Art Zwangsernährung, welche effizient zu sein habe, und somit die zu-fütternden Person lediglich als Störfaktor für die maximal zugestandenen Fütter-Zeit sehen musste. Patienten, die nicht schnell genug schluckten, waren immer diejenigen, die alle Zeitpläne der Pflegekräfte störten. Und Zeit war Geld. Und das galt es zu sparen. Und es könnte nicht sein, so die neue Abteilungsleiterin, dass altersheimfremde Personen versuchen würden auf Kosten andere sich Leistungen zu erschleichen.
Inzwischen dürfte meine Mutter eh nicht mehr dort mithelfen. Die neuen Infektionsschutzgesetze erlauben es ihr nicht mehr. Sie hat mit mir inzwischen eines gemeinsam: 35 qm Deutschland aufgrund der Ausgangsbeschränkung. Mein Bruder stellt ihr die Lebensmittelpakete vor deren Tür ab, weil auch er nicht will, dass er derjenige sein könnte, der durch eine Viruserkrankung ihren Tod herbeiführen würde. Eigentlich wollte ich sie zu Ostern besuchen. Daraus wird nichts mehr werden.
Italien und Spanien haben gerade deswegen so viele Tote, weil durch die Finanzkrise Deutschland darauf gedrängt hat, dass beide Länder gerade im Gesundheitsbereich Einsparungen zu treffen hatten, um deren internationale Schuldendienste zurück zu fahren. Ich denke gerade an Griechenland
Lebbe geht weider.
In der Firma hörte ich einen Mann, welcher vorgestern (am Freitag) erklärte, er würde an diesem Wochenende zu dessen Zweitwohnung ins Allgäu fahren. Er bräuchte das jetzt. Verständlich. Er wohnt in einen der teuersten Gegenden Münchens. Da kann man ihm nicht zumuten, zu Hause zu bleiben, wo um ihn herum alle Corona-positiv seien. Ihm als Besserverdienender so etwas zuzumuten, wäre doch nicht sachlich. Klar. Wea ko, dea ko. Und wieder fiel der rechte Anteil des gespaltenen Haares in die Populärdeutung von Ausgangsbeschränkung: die anderen müssen sie endlich mal befolgen, weil man selber ja gesund wäre. Und auch die Familie als Kernzelle Deutschlands solle endlich wieder an jene Bedeutung gelangen, die sie bekommen müsse. Und mit seiner Familie würde er ins Allgäu fahren. Die Großeltern würden sie bereits für dieses Wochenende erwarten. Nebenbei war er auch in Tirol Ski-Fahren. Zu der Zeit, wo der Virus noch hemmungslos sich im After-Ski-Bereich ausbreiten konnte. Aber er und seine Familie hätte den Virus ja sicherlich nicht eingefangen, ansonsten wäre ja mindestens einer mit leichten Symptomen erkrankt gewesen. Ein Einwand wurde von einem Umstehenden schüchtern geäußert, dass das nach dem Infektionsschutzgesetz kein triftiger Grund wäre, aber mit der Macht des Vorgesetzten weggewischt: nach vierzehn Tagen wäre der Virus garantiert ausgebrochen und in seiner Familie sei seitdem keiner erkrankt gewesen. Basta.
Lebbe geht weider.
Morgen beginnt meine erste 3-Tage-Woche. Kurzarbeit bedeutet jetzt mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen zu müssen. 35 qm Deutschland. Und vom Fenster aus den Bautätigkeiten als Abwechselung zuschauen zu können. Die fangen mit deren “Krach” immer um Viertel vor Sieben (für diejenigen, die das nicht verstehen: dreiviertel Sieben) an. Ich trinke gerade an einer Flasche Wein. Normalerweise mache ich das Sonntags nicht, weil ich Montags raus muss. Es lässt ein wenig vergessen, wie beschissen es doch ist, zu Hause auf wenig Quadratmeter festgenagelt zu sein, ohne triftigen Grund die Wohnung verlassen zu dürfen. Ob das gut ist? Keine Ahnung. Ob ich zum Alkoholiker werde, werde ich nach dem Ende der Kurzarbeit und Ausgangsbeschränkung wohl dann erfahren haben. Es ist aber dann zum Wohle aller. Meins war eh niemand wirklich wichtig.
Lebbe geht weider.