Gigantische Schiffe am Tannhäuser Tor

Ich habe Sachen gesehen, die Menschen niemals glauben gelesen zu haben. Gigantische Reisegruppen, die vor Leidenschaft brannten, draußen auf den Schultern des Orion. Ganz ohne James Webb.

Ich sah Sichtbalken auf Monitoren, glitzernd im Dunkeln vor privaten Sendern, welche keine gebührenfinanziert bezahlt- nur deutlich mehr begeisternd beklatschend – klatschend auf Balkonen am Tannhäuser Tor aus Solidarität zugunsten des emotionalen Empathie-Event. Dem Event, wegen dem die Fotographen deren Akkus aufgeladen, deren Speicherkarten geleert und deren detaillierte Zooms angeschnallt hatten. Ein Klatsch-Klatsch-Event der Extra-Klasse. Fotos ohne Akustik. Beeindruckend. Fast so wie bei BAPs “Kristallnaach”, gespielt live immer am Anfang.

Ich sah Rentner zwischen deren Koffern am Gleis 2, Abschnitt B. Ich sah Hartz-4-Empfänger in der Wartezone mit gezogenen Nummern in der Hand. Ich sah, Anwälte von Gutverdienenden vor Richtern, gespickt mit gut verischerungsbezahlten Argumenten. Ich sah Wettervorhersagen mit Aussagen in Trockengebieten, Aussagen über Regengebieten über Ozeanen, ich sah Politiker, sich auf Koalitionsvereinbarungen berufend, sich gleichzeitig in Videos geistig einen  runterholtend. Ich sah Oppositionspolitiker, die flogen, bevor sie überhaupt geflogen werden konnten, weil es BILD & Co KG als untragbar beurteilt wurde. Ich sah Oppositionspolitiker, offen masturbierend und dafür um Beifall für deren Orgasmus heischend. Und das, komplett unabhängig von den anderen Medien, welche ein 08/15-Leser in den 1/4-stündigen Betriebsarbeitspausen liest.

Ich sah alle. Mich zugleich im Spiegel. Und ich sah die Gesellschaft sich selber spiegelnd. Ich stand derweil in der ersten Reihe. Trotzdem meckere ich hier unreflektiert. Warum auch nicht? Das ist das Anrecht, sich unreflektiert über andere zu echauffieren. Letztendlich reicht ein sich berufen auf das Schlagwort “Meinungsfreiheit”. Es ist dabei völlig uninteressant, ob “Meinungsfreiheit” gegen Staatsorganisationen erschaffen wurde, um deren diktatorische Zensur (staatliche Informationskontrolle) zu bekämpfen, oder ob “Meinungsfreiheit” erschaffen wurde, um dem direkten Nachbarn mit konträrer Meinung den Mund zu verbieten. Es bleibt unerheblich, ob “konträre Meinung” mit Sachlichkeit oder mit Polemik zu tun hat, aber Hauptsache “verbieten” oder “cancel culture”. Definitions are belonging always to the one of the owner of an opinion topic. Could be wired, really, but has to be carried over as a thought..

Ich habe Sachen gesehen, die Menschen niemals glauben, gelesen zu haben. Reisegruppen, die vor gigantischer Leidenschaft brannten und Handtücher auf Liegestühle dominierten. Ich sah Influencer, die man früher Manipulierer schimpfe, die glitzernd im Dunkeln am liebsten vorm Tannhäuser Tor brillierten, um deren Selfie-Aufnahmen zu machen.

Ich sah mich im Spiegelkabinett, von gestern, heute, morgen und den “Okay Boomer”n. Und ich sehe meine Boomer-Mitkollegen. Ich denke, ich bin zu lahm, um mit den Herausforderungen der Gegenwart mitzuhalten. Alle sind kompetenter (inklusive meinem älteren Bruder) und alle wissen mehr als meiner einer. Selbst von älteren Boomern werde ich maximal nur noch gefragt, ob meine Meinung nicht erheblich zu revidieren zu sein hat, weil meine Meinung in der Form nicht zähle (und ich eh das falsche wählen würde, statt mich der obligatorischen Mehrheit zu beugen; freilich im demokratisch Sinne, woll).

Meinung ist kein Pfund zum Wuchern. Sondern zu, Verstehen.

Boundary talk.