Das Corona-Tagebuch: Provinznotizen aus Deutschland Süd bei Südost (26): Karfreitag

Karfreitag.

Gibt es einen Gott? Und wenn ja, schaut er sich Karfreitags mit einer Tüte Popcorn Monumentalfilme über seiner Person als wichtigsten Nebendarsteller im Fernsehen an? Oder sitzt er lieber unter fast wolkenlosem Karfreitagshimmel in Bayern auf einer Parkbank und liest Terry Pratchetts “Good Omens”? Oder geht er statt des inzwischen völlig bierseeligen Alois Hingerls – Dienstmann Nr. 172 am Münchner Hauptbahnhof – in die Bayrischen Staatskanzlei, um dem bis heute vergeblich wartenden Söder und seiner ganzen Bayerische Regierung göttliche Eingebungen zu vermitteln? Oder kann es Gott deswegen nicht geben, weil Söder erklärtermaßen ohne irgendwelche Laschets und Merkels regieren will?

Zwei Rabbiner disputieren bis in die tiefe Nacht über die Existenz Gottes. Mit allerlei Bibel- und Talmudstellen beweisen sie jenseits allen Zweifels, dass es Gott nicht gibt. Als der Tag anbricht, macht sich der eine in die Synagoge auf. Der andere, verblüfft: “Ich dachte, wir hätten uns gestern geeinigt, es gibt keinen Gott.” “Ja, aber was hat das mit dem Morgengebet zu tun?”

Karfreitag in Zeiten von SARS-CoV-2 und CoVid-19.

Der Nächste. Zur Kreuzigung? Gut. Durch die Tür hinaus, zur linken Reihe, jeder nur ein Kreuz und zwei Meter Abstand halten, hm. Der Nächste.

Karfreitag. 30 Silberlinge. Geld oder Leben? Wie wäre es hiermit:

„Bringt eure Toten raus! Ich nehme sie in Zahlung! 3 Pens!“

Nun, unterschätze nie die Wichtigkeit einer gepflegten Panik. Auch nie im Krankheitsfall. Allerdings braucht niemand in diesem Theater unserer Welt Panik zu bekommen. Alle Notausgänge wurden eh bereits von außen verschlossen. Eine Panik – hier nicht mehr lebend heraus zu kommen – ist somit völlig unbegründet.

Um den Zustand der Menschheit zu verstehen, kann es ausreichen zu wissen, dass die meisten großen Triumphe und großen Katastrophen der Geschichte nicht darauf zurückzuführen sind, dass Menschen im Wesentlichen gut oder schlecht sind, sondern darauf, dass Menschen im Wesentlichen Menschen sind.

aus “Good Omens” von Terry Pratchett und Neil Gaiman