“Schauen Sie, das hier ist unser Premium-Park mit Flussläufen und Wellness-Garantie. Für die Auszeit von der Hektik des Alltags. Mit ungehindertem Blick zum Nachhimmel. Eine 400 Hektar Oase.”
“Das sind ja mehr als der Englische Garten in München.”
“Und sicherer. Wir achten darauf, dass sich jeder dort wohlfühlen kann. Grasflächen, Bäume, Pflanzen und kleine ungefährliche Nagetiere wie Eichhörnchen, Häschen, Meerschweinchen und so weiter.”
“Und warum sind Sie so sicher, dass ihr Park der sicherste der Welt ist?”
“Am Eingang erhält jeder eine Eintrittskarte, welche einen NFC-Chip enthält. Damit lassen sich bei uns in der Hauptzentrale – wir nennen es unser “Doktor-Feel-Good-Center” – die Position von Personen übermitteln. Einzelne Spanner und andere bedrohliche, suspekte Individuen beim Versuch, ihre niederen Instinkte auszuüben, sind somit sehr leicht zu identifizieren und zu isolieren.”
“Sie sehen Einzelpersonen als Gefährder an?”
“Nicht unbedingt. Einzelpersonen haben sehr wohl Platz in unserem Park. Da viele Menschen inzwischen schon Fitnesstracker oder Smartwatches tragen, lässt es sich anhand deren ausgesendeten Signale recht einfach zwischen Einzelpersonen mit sexuellen Handlungen, also sogenannte Spanner und Wixer, und Einzelpersonen mit undifferenzierter Zielorientierung – also Verirrte, Wirre oder die Einsamkeit Suchende – unterscheiden.”
„Und wer keinen Fitnesstracker hat, wer keine Smartwatch trägt?“
„Statistisch gesehen befinden sich unter den nicht-technikaffinen Personen nur wenige, die unseren Park frequentieren. Sollte also trotzdem ein nicht-technikaffiner Mensch in unseren Park wollen, er hat ja von uns die NFC-markierte Eintrittskarte, die jeder mit sich führen muss. Wer dagegen verstößt, tut es nicht ohne Grund und wird von uns im Park nicht gewünscht.“
“Und wenn Einzelpersonen einfach nur Kontakte schließen wollen?”“
“Eher unwahrscheinlich. Für so etwas gibt es andere Orte. Hier ist ein Ort zum Wohlfühlen, nicht zum Anmachen oder Aufreißen. Darum haben wir hier auch einen Monitor, welche uns die kritische Masse für jeden Ort anzeigt. Sollten also auf 20 qm mehr als drei Personen angezeigt werden, dann ist davon auszugehen, dass diese mit Romantik nichts zu tun haben könnten. Ob es zu sexuellen Gelagen, Besäufnissen oder anderen unerwünschten Handlungen kommt, zeigt uns jene Anzeige, welche Smartphone ortet.”
“Sie orten die Smartphone?”
“Ja, freilich, warum denn nicht. Wir missbrauchen ja die Daten nicht. Wir setzen diese zum Wohle aller ein und nicht um jemanden zu stören. Jeder hat heutzutage ein Smartphone bei sich und auch diese Menschen haben den Anspruch darauf, dass wir verantwortungsvoll mit deren Wohlgefühl umgehen. Wir haben verschiedenste Handymasten mit geringer Streuweite aufgestellt, unauffällig in Bäumen eingearbeitet. Alle 20 Quadratmeter befindet sich so ein Handymast. Somit werden die Smartphone-Geräte der Besitzer ausschließlich von uns mit den Telefonsignalen versorgt und wir sorgen dafür, dass sie nicht telefonisch inkommodiert werden. Wir wollen eine Wohlfühloase sein und kein Gebiet für Belästiger.”
“Das heißt, Sie kontrollieren die Anrufer?”
“Das hört sich so negativ an. Nennen Sie es lieber eine Telefonzentrale mit sympathischen Telefonistinnen, so wie es sie auch bei Wohlhabenden und leitende Führungspersönlichkeiten gibt. So etwas hat nicht jeder. Und so etwas sollte nicht ein Privileg von Vermögenden sein. Wir sorgen für die Demokratisierung von solchen Privilegien.”
“Und wie stellen Sie sicher, dass ihr Park wirklich sicher ist?”
“Sollten wir den Verdacht hegen, dass dort dem angedachten Zwecke des Parks etwas konträres passiert, dann können wir kurzfristig gezielt einzelne Masten aus – und wieder einschalten, somit die einzelnen Träger der Geräte positionsgenau bestimmen und unseren Sicherheitsdienst schnell eingreifen lassen. Die Sicherheit in unserem Park wird groß geschrieben. Man soll sich wohl fühlen können. Wer in Angst und Schrecken leben will, kann ja in die üblich verdächtigen wilden, unkontrollierten Parks gehen. Und dann auf eigener Verantwortung hin sich niederschlagen, vergewaltigen und ermorden lassen. Bei uns passiert so etwas nicht.”
“Sie sagten, dass Sie romantische Stimmungen erzeugen können.”
“Wir haben gestern eine Mondfinsternis veranstaltet. Die sogenannte Blutmond-Nacht.”
“Blutmond? Das klingt aber sehr martialisch.”
“Na, einen Kuschel- und Seifenblasenpark will ja niemand, wenn es um Romantik geht. Romantik entsteht ja erst durch den Kontrast der Vorstellungen als Kopfkino. So erklären wir den Besuchern auch immer vorher, welche Auswirkungen Vollmond hat, auf die Fruchtbarkeit, auf die Zeugung von Kindern, die danach entstellte Gliedmaßen bekommen könnten, auf Frauen mit menstrualen Beschwerden und wie man diese mit vom Blutmond beschienenem Wasser lindern kann.”
“Sie betreiben Desinformation?”
“Überhaupt nicht. Was eh schon Volkes Aberglaube ist, ist doch keine Desinformation.“
“Wie kann ein verfinsterter Mond Wasser bescheinen?”
“Darauf kommt es nicht an. Glaube versetzt Berge. Und nur wer glaubt, wird selig.”
“Sie bevorzugen die geistig Einfach-Gestrickten?”
“Warum muss denn alles immer kompliziert sein. Das Leben ist doch schon kompliziert genug. Also lassen Sie es uns einfach einfach machen.”
“Wie gestern mit einem Blutmond am Nachhimmel?”
“Nein, erstmal nicht mehr. Das Programm wird nun für ein Dutzend Jahre eingemottet. Die Kritiken für unser Programm waren schlecht: zu klein, zu dunkel, zu unscharf, nicht grandios genug, zu unbedeutend.”
“Und was planen Sie als nächstes in ihrem Park?”
“Mal schauen. Wir haben für nächste Woche in unserem Programm ‘Temperatur-Sturz’ mit Donner, Blitze, Regengüssen und kühleren Temperaturen.”
“Und das soll ein Wohlfühlprogramm sein?”
“Wir bieten freilich hier im Park den kostenfreien Kurs ‘Singing and dancing in the rain like Gene Kelly’ mit Gene-Kelly-Look-alike Animateuren. Der Vorverkauf läuft übrigens bereits überaus erfolgreich. Den Leuten ist momentan erheblich zu heiß.”
“Aber Mond ist auch eingeplant?”
“Ja, romantisches Mondlicht zwischen Wolkenlücken zwischen zwei Regengüssen. Wir wissen, was unsere Kunden wollen. Wir verwalten ja deren Daten. Jeder sehnt sich letztendlich danach, ein wenig ‚mondsüchtig‘ in seinem Leben zu sein. ”
Gib es auch Jahreskarten?
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Aber nur als App …
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Als Bewohner dieses Parks bin ich erschüttert, dass du seine Geheimnisse enthüllst ;)
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Ups. Ich bin erschüttert. 😁
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