Im Jahr 1949 steckte sich der junge Joachim Fest einen Zettel ins Portemonnaie, den er bis zu seinem Tode mit sich führte. Auf dem Zettel stand der Satz:
„Ertrage die Clowns!“
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Stellen wir uns doch mal eine essentielle Frage:
»Was ist ein Fisch?«
Als Antwort könnte dann kommen: »Das ist ein Lebewesen, was im Wasser schwimmt.«
»Der Kandidat hat richtig gelöst, der Kandidat hat hundert Punkte«, sprach der Pastor, warf das groß gewachsene Ferkel in den Fluss, lies es dort ersaufen, betrachte den schwimmenden Kadaver, lies ihn herausholen und segnete es mit den Worten »Ego te baptizo carpam!« und erklärte dann den versammelten Teilnehmern der Feier:
»Schmeißt den Grill an! Das Tier hat geschwommen, wie ein Karpfen, das Tier ist ein Fisch! Mahlzeit!«
Die Gesundheitsapostel steckten dem toten Tier noch einen wurmfreien Apfel ins Maul und das Gesinde hatte den Kadaver aufzuspießen, einzupinseln und überm Lagerfeuer den Privilegierten mundgerecht zuzubereiten.
Und damit auch die Dümmsten des niederen Volkes es verstanden, wurde denen eingebimst »Fisch ist kein Fleisch«. Der Fisch diente den ersten Christen schließlich als Erkennungssymbol bei den Römern. Und Symbole sind nie fleischig. Ein Fisch schwamm im Flüssigen. Ob mit oder gegen den Strom, das war unwichtig. Wichtig war nur, das Flüssiges das Fasten nicht bricht. Womit die Bayern dann ihr Starkbier als Fastengetränk vermarkteten. Zu dem Fischgericht, den Karpfen, den der eigens dafür eingeladene Kleriker durch die wundersame Schweinswandlung am Fluss ermöglichte. Und Fisch ist kein Fleisch. Fisch galt schon immer als Fastenspeise.
Die Schwaben gingen sogar noch einen Schritt weiter. Sie versteckten das zum Fisch verwandelte Fleisch in Mehl und Eiern und fasteten bei ihren Maultaschen („Herrgottsb’scheißerle“) sich den Speck von den Rippen ihrer Untergebenen.
Fastenzeit sollte ja immer auch eine Zeit sein, von alten Verhaltensweisen Abschied zu nehmen. Zumindest temporär. Also eine Zeitlang. Das heißt, solange man es als notwendig erachtet. Das hat sich auch ein fleischgewordener Herrgottsb’scheißerle wohl so gedacht und einen Krieg vom Zaun gebrochen, und zwar von dem Zaun bei dem er nicht mehr alle Latten dran hatte. Besser gesagt „alle Latten komplett fehlen“. Hätte er noch alle Latten am Zaun, dann könnte man ihm doch raten, diejenigen zur Reparatur zu nehmen, die er vor dem Kopf hat. Und wenn die nicht gereicht hätten, dann hätte er zumindest immer noch die Latten zum Zaunnageln verwenden können, die er unter seinen Füßen hat und als Bühne der Welt betrachtet.
Nun, eigentlich ist der Knispel total vernagelt. Und das, ohne überhaupt in einem Nagelstudio gegangen zu sein. Aber der hätte dem Bedienpersonal ja noch nicht mal das eigene Schwarze unter den eigenen Nägeln gegönnt.
Bevor jetzt noch jemand kommt und meint, mit Nagelstudio hätte man vor einem Dutzend von Jahren noch etwas anderes gemeint, sollte man wieder zu den Latten kommen, die manchen Mitmenschen fehlen. Oder weil sie die für einen privaten Streit von deren eigenen Zaun gebrochen haben.
Vor zwei Tagen ließ sich ein Knispel bestaunen, der Nägel mit Köpfen gemacht hat. Und weil ihm das unentwickelte limbische System im eigenen Kopf näher war als der Kopf des anderen, ließ er sich dabei filmen, wie er einem anderen Menschen unvermittelt eine kräftige Ohrfeige versetzte, so dass jener andere Mensch vom eigenen Stuhl flog.
Das Internet johlte und quietschte vor Vergnügen und kreierte seine Memes. Der Sonntagmorgen war gerettet, nachdem man das sich anschaute, was jemandem am Samstagabend widerfuhr. Im Mittelalter hätten jene beiden Protagonisten (der Täter und sein Opfer) die Rolle des Hofnarren bekleidet. Im Zeitalter der Influencer (auf Deutsch Manipulierer oder „Content-Creater“, wie die sich selber klassifizieren) nennen sich die beide „Comedians“: der eine beim Internet-Fernsehen („Fat Comedy“, bekannt von TikTok), der andere beim linearen Fernsehen (Oliver Pocher, bekannt von RTL). Also Pausenfüller in der Programmsparte „Kaugummi fürs Kleinhirn“.
Einen Tag später waren es wieder zwei „Comedians“, die es ganz ernst mit deren Späßen meinten. Der Täter Will Smith ohrfeigte sein Opfer Chris Rock. Vor laufender Kamera bei der Oscar-Verleihung. Und wieder johlte das Internet und kreierte seine Memes.
Gemein ist beiden Aktionen, dass es den Akteuren überhaupt nicht Leid tat. Maximales Mitgefühlt hatten jene nur für den Veranstalter und baten ihn, dass man sie in Zukunft nicht von deren Veranstaltungen ausschließen möge, weil der Veranstalter könne ja nichts dafür und es täte dem Akteuren ja leid, dass der Veranstalter unter deren unentwickelte limbische System ein paar Momente zu leiden hatte.
Als Biden über Putin erklärte »Um Gottes Willen, dieser Mann darf nicht an der Macht bleiben«, hatten gleich die Sprecher des Amerikanischen Weißen Haus erklärt, Biden meinte es ganz anders und die andere Seite der Welt solle es anders verstehen, damit keiner von den anderen Weltveranstaltungen wegen einer Bemerkung ausgeschlossen werden würde. Im Rückblick lässt sich konstruieren, dass Bidens Satz als Geburtshelfer der Ohrfeigen durchgehen könnte und somit in seiner Argumentation der Vater für die Rechtfertigungen der beiden späteren Ohrfeigen wurde.
Das ist natürlich Quatsch und an den Haaren herbei gezogen. Alle drei Ereignisse stehen singulär für sich alleine.Von A bis Z.
Moment. Schrieb ich Z? Geht gar nicht. Die „Zürcher Versicherung“ hat als deren Marken-Logo den Buchstaben „Z“. Und den will sie nicht mehr, den 26ten und letzten Buchstaben des modernen lateinischen Alphabets. Weil Putin ihn verwendet hat. Deswegen lassen Innenminister Deutschlands diesen jetzt strafrechtlich verfolgen, wenn der Buchstabe alleine auftaucht. Unklar ist noch, ob der Anfangsbuchstabe des Namens „Selenskyj“ jetzt wie das Söder-„S“ ausgesprochen werden muss oder ob auch die Verwendung wie Zorro-„Z“ als Aussprache noch in Ordnung ist.
Und jener Zorro, der kann sich jetzt sein Degen-Z abschminken. Damit gerät er gleich in Acht und Bann. Wer durch das „Z“-Symbol öffentlich Zustimmung zum Ausdruck bringe, der müsse mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Denn es bleibt absolut unverständlich, wie das stilisierte „Z“-Symbol dafür genutzt werden kann, um Verbrechen gutzuheißen. Wir erinnern uns: Die Geschichte von Zorro spielt in Kalifornien zu Beginn des 19. Jahrhunderts, zur Zeit der spanischen Kolonialherrschaft.
Moment. Falscher Film. Ist zwar eigentlich die richtige Gegend, weil Kalifornien, und deswegen Hollywood, und daher Oscar-Verleihung, und deshalb brutales „Klatschen“ als Geräusch beim Ohrfeigen-Verteilen inklusive einer aufrichtigen, herzensguten Entschuldigung beim Veranstalter („Bitte, bitte, mich nicht beim nächsten Mal ausladen, tut mir auch voll leid, ja“), nochmals brutales „Klatschen“ als weitere Ohrfeige zur Durchsetzung des eigenem Gerechtigkeitsempfinden, „Ehrenmann“-Gehabe von Pimpfen mit verkümmertem Cortex, die immer von solchen Verhaltensweisen temporär bis zur nächsten Einladung Abschied nehmen, weil Fastenzeit, weil weder Fisch noch Fleisch, und alles fließt, panta rhei, den Bach hinab zu den Parzellen, wo deren Besitzer nicht mehr alle Latten am Zaune haben, derweil fette Ferkel in Flüssen ersaufen, »Ego te baptizo carpam!« unter Weihfässer-Geschwenktem eingeräuchert …
Von irgendwoher erreichen mich Bilder, wo Menschen andere Menschen vorsätzlich in Beine schießen. Krieg war noch nie menschlich und Menschen im Krieg werden zu Mördern. Vorsätzlichen Mördern.
Und irgendwoher aus einem Fernseher des christlichen Abendlandes ertönt zwischen einem „Hosianna“ und einem „Poenitentia“ ein
»Oh mein Gott, sie haben Kenny getötet, die Schweine!«.
Oder war es ein »Oh mein Gott, sie haben Kenny getötet, ihr Schweine!« als Echo gehört aus irgendeinem Internet-Stream, der zu früh abgebrochen ist?
Eine Frage drängt sich mir ins Hirn: Dürfen Veganer und Vegetarier Pilze essen? Pilze sind weder Fisch, noch Fleisch, noch Pflanze. Ist eine herzhafte Pilzpfanne somit eine wahre Fastenmahlzeit?
Es brummt in meinem Kopf. Es brummt weniger, als dass es schellt. Wie eine Schelle. Habe ich gerade auch eine Ohrfeige erhalten?