“Bio” or not to “Bio” oder: Deutsch für Anfänger

“Guten Tag, haben Sie noch einen Platz frei beim Public Viewing am Sonntag Abend?”

”Name?”

“Patricia da Silva.”

“Nationalität“?”

“Brasilianisch.”

“Sie sprechen aber gut deutsch.”

“Danke. Ich bin hier schon zwanzig Jahre.”

“20 Jahre? Respekt. Am Sonntag Abend um 20:00 Uhr? Für wen sind Sie? Brasilien oder Schweiz?”

“Brasilien.”

“Alleine?”

“Mit meinen zwei Kindern.”

“Nationalität?”

“Geboren in Deutschland. Deutsche.”

“Also, Deutsch-Brasilianer. Und Sie wollen das Spiel Brasilien-Schweiz bei uns sehen?”

“Ja.”

“Und das Spiel um 17:00 Uhr Deutschland gegen Mexiko?”

“Eigentlich nein.”

“Wenn Sie als Nicht-Deutsche nur das Spiel Brasilien-Schweiz sehen wollen, dann kann ich Ihnen leider keine Zusage geben.”

“Weil ich keine Deutsche bin? Aber meine Kinder.”

“Die sind keine Bio-Deutsche.”

“Wie?”

“Bio-Deutsche. Laut Kriminalitätsstatistikauswertungen von einer Partei des Bundestages sind Nicht-Deutsche Risikofaktoren. Bio-Deutsche sind es somit nicht.”

“Okay, wir schauen dann auch das Spiel Deutschland-Mexiko vorher. Versprochen. Ihr Lokal wurde uns als das Beste in der Stadt empfohlen.”

“Wir sind stolz auf solche Empfehlungen. Das zeigt, wie sehr wir in den Internet-Portalen gemocht werden. Aber wir legen ja auch Wert auf Niveau. Für welche Mannschaft werden Sie bei Deutschland-Mexiko sein?”

“Ich bin Brasilianerin …”

“Unverkennbar. Sie kommen wohl direkt von der Copa Cabana, nicht wahr, sie sehen genauso aus wie die Strandmädels im Fernsehen vor vier Jahren …”

“… und mein Herz schlägt für Latinos.”

“Soso. Entschuldigen Sie, aber wir haben auf der Liste schon zehn Frauen aus Regensburg, sechs aus Ingolstadt und vier aus der Nachbarschaft, welche auf Latinos stehen. Das Kontingent der Latino-Fans ist leider erschöpft. Ich habe nur noch Plätze für Bayern-, Köln- und Dortmund-Fans. Deren Spieler sind auch sexy.”

“Aber …”

“Tut mir leid. Mit Verlaub, lassen Sie es mich mal so sagen, als jemand, der daran glaubt, dass wir den Pokal wieder holen werden: es ist schon eine Unverschämtheit in Deutschland leben zu wollen und dann die deutsche Nationalmannschaft vor dem Fernseher nicht unterstützen zu wollen. Wo sind Sie denn?”

“Aber … “

“Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sind. Das haben wir schon den Anfragen der Gündogan- und Özil-Fans sagen müssen, den Deutsch-Türken, nicht wahr. Deren Fan-Kontigent ist auch erschöpft. Zwei Frauen aus Berlin-Neukölln und Köln-Ehrenfeld.”

“Aber ich mag keine …”

“Also, entweder Sie schminken sich um 17:00 Uhr in Schwarz-Rot-Gold, tragen das Trikot von “Die Mannschaft”, kommen in voller Montur vorbei und feuern unsere Mannschaft an. Oder Sie bleiben zuhause mit Ihren Kindern, daheim allein vor dem einsam flimmernden Fernseher.”

“Aber … “

“Sie können sich ja nach dem Spiel auf der Toilette umschminken und dann für Ihre 1:7-Mannschaft sein. Nur, wenn Sie sich nicht integrieren wollen, dann sind Sie in unserm gastronomischen Reich unwillkommen.”

“Aber … “

“Nur eine kleine Testfrage. Nur mal so. Okay? Wer ist Ihr Präsident? Wem würden Sie als Ihren Präsidenten auf einem T-Shirt eine Widmung schreiben?”

“Dem Steinmeier?”

“Knapp daneben. Der Präsident von Ihnen und Ihrer Kinder heißt Michel Témer. Präsident von Brasilien. Sie sind unerwünscht. Leider. Gehen Sie bitte. Für politisch Naive und Gutmenschen ist hier kein Public-Viewing-Platz. Wir haben einen Ruf zu verlieren.”

“Ich lebe hier!”

“Aber wohl nicht lange genug. Der nächste, bitte! Was ist Ihre Nationalität?”

“Deutsch. Endvoll krasser Fan. Auch Flesch-Fan. Habe türkische Wurzeln, aber bin total für Deutschland.”

“Der Nächste, bitte!”

„Dat sach uns Oliver. Der macht Sie öffentlich rund, Sie!“

“Der Nächste, bitte!”