„Einen Quarkkuchen, bitte.“
Die Konditorei hier im ehemaligen Scherbenviertel glänzt durch ihre Backwaren, aber ihre Konditorenkunst ist legendär. Hinter der Kasse befindet sich eine Konditoren-Meister-Urkunde. Und das nicht zu unrecht. Deshalb war (und ist) es schwierig, einen Platz in diesem Café zu ergattern. Und wenn es mal geklappt hatte, war es eigentlich auch egal, wo der Platz war und ob man alleine einen der Rundtische für sich hatte.
„Sie wünschen?“
„Einen Quarkkuchen, bitte.“
„Wir haben keinen Quarkkuchen.“
„Doch. Haben Sie. Ich hätte gerne ein Stück Quarkkuchen zum Mitnehmen.“
Es war Samstag Nachmittag, die Sonne strahlte und für einen der ersten Märztage mit 18 Grad die richtige Entscheidung. Ich saß an solch einem Rundtisch und teilte ihn mit jemandem, der mir noch komplett unbekannt war. Wir beide hatten aber bereits eine Gemeinsamkeit entdeckt: unsere Bestellung.
„Wir haben keinen Quarkkuchen, hatte ich bereits Ihnen erklärt.“
„Doch! Haben Sie.“
Die Bedienung an der Kuchentheke war sichtlich ein wenig enerviert, beherrschte sich aber und deutete einfach mal in die Auslage.
„Sie meinen die dort?“
„Nein. Das sind Pfannkuchen.“
„Wie bitte? Was sollen die sein? Pfannkuchen?“
„Jawohl. Das sind Pfannkuchen.“
„Das sind Krapfen!“
„Pfannkuchen!“
„Vielleicht kennen Sie die als Berliner.“
„Das sind Pfannkuchen.“
Hinter ihr näherte sich die zweite Bedienung und fragte leicht vorsichtig: „Quarkkuchen?“
„Ja. Kuchen, der aus Quark gemacht wird!“
Die zweite Bedienung holte kurzerhand ihr Smartphone hervor und tippte etwas hinein.
Derweil die erste Bedienung auf ein anderes Kuchenstück deutete: „Das vielleicht?“
„Sie sind wohl nicht vom Fach, oder? Ich will Quarkkuchen! Ein Stück Quarkkuchen. Ist das hier so unverständlich, oder was?“
Die zweite Bedienung war wohl inzwischen bei ihrer offensichtlichen Suchmaschinenanfrage erfolgreich und zischte hörbar: „Er meint Käsekuchen.“
„Käsekuchen?“, fragte die erste Bedienung überrascht zurück.
„Meinetwegen nennt ihr es hier vorsätzlich falscherweise Käsekuchen. Es ist aber Quarkkuchen. Oder wird euer Käsekuchen in Bayern etwa nicht aus Quark sondern aus Käse gemacht? So wie euer Leberkäse?“
„Nein, wir machen ihn in unserer Konditorei aus Original Topfen“, erwiderte sie kurz angebunden und zischte genervt zu ihrer Kollegin: „Jetzt gib dem einfach seinen depperten Käsekuchen.“ Ein heller Glockenklang ertönte und erlöste sie aus dieser skurrilen Situation. Sie ging nach hinten.
Inzwischen schaufelte die erste den Quarkkuchen mit einem Tortenheber auf ein Pappdeckel, packte ihn ein und reichte ihm den Mann rüber. Der hielt ihr einen 5-Euro-Schein entgegen und bemerkte nur:
„Ist schon eine ärmliche Zeit, wenn Leute in Deutschland für deutsche Worte erstmal ein Smartphone bemühen müssen, nicht wahr.“
Die erste Bedienung gab wortlos das Wechselgeld raus und wandte sich dem nächsten Kunden zu. Doch der erste Kunde war noch nicht fertig:
„Ihre ignorante Unfreundlichkeit ist ja der Wahnsinn. Und ich dachte, dass hier wäre die beste Konditorei in dieser Gegend. Ist wohl eher eine Fleischerei, was Eure Sprachkultur hier angeht, nicht wahr. Kein Wunder, dass ihr Smartphone besitzen müsst, sonst wärt ihr sprachlos. Generation Smartphone.“
Die zweite Bedienung taucht mit zwei Tellern an unserem Rundtisch auf und stellte sie vor uns hin: „Jeweils einmal die Spezialität unseres Hauses: Palatschinken mit Vanille-Zimt-Sauce an Kumquat-Sorbet. Kaffee kommt sofort.“
Der erste Kunde hatte gesehen, wie wir unsere Palatschinken erhielten und bemerkte nur noch: „Ich sag doch: Fleischerei. Von wegen Konditorei“, drehte sich um und verließ das Café.
Die Bedienung an unserem Tisch stockte in ihrer Bewegung und schaute uns mit vielsagenden Blicken an, rollte zugleich genervt mit den Augen und bemerkte sehr leise:
„Wissen Sie, was bei der WM 1986 in Deutschland auf meinem Lieblings-T-Shirt stand? Bring mich zum Rasen. Bei solchen gnadenlosen Besserwissern würde ich es am liebsten wieder hervor holen.“
Sprach es und ging zur Kaffeemaschine.
Ach ja. Was ich leider nicht schreiben kann: die Bedienung sprach bayrisch, der Kunde sächsisch. Aber das wird den meisten Lesern hier wohl eh keine Hilfe bei der Erklärung sein, schätze ich …