Wie ich mit einem Dreierpasch die Welt rettete …

Niemand von ihnen konnte es gewesen sein. Weder Herr Biersack, noch Herr Wolfhausen, noch Herr Dörthofen. Trotzdem standen sie wie Sich-schuldig-fühlend um den toten Mops herum.

„Er war ein braves Tier“, seufzte Herr Biersack.

„Ja, das war es!“, stimmte Herr Wolfhausen zu.

„Und so treu“, seufzte Herr Biersack.

„Ja, treu war er“, stimmte Herr Wolfhausen zu.

„Wie Gold“, seufzte Herr Biersack. „Da kann sich manchs Weibsbild was von abschneiden.“

„Und Mannsbild!“, pflichtete Herr Wolfhausen zu.

„Mannsbild und Kindsbild erst!“, betonte Herr Biersack.

„Sicher, Kindbild auch. Und die Großeltern, die hätten sich auch ein Beispiel an dem Mops nehmen können“, beeilte sich Herr Wolfhausen zu sagen.

„Wie? Die leben noch?“, fragte verwirrt Herr Dörthofen.

„Aber Herr Dörthofen, ich bitte Sie! Mehr Pietät bitte, ja?“ schallte es Herrn Dörthofen unisono entgegen.

Andächtiges Schweigen herrschte. Eine dicke schillernde Fliege umkreiste das geöffnete Maul des toten Mops.

„Er war ein braves Tier“, seufzte Herr Biersack wiederholend.

„Hat  er nicht mal die Julie von Wicherts, Josef, dem Nachbarn von gegenüber,  gejagt und gebissen?“, ließ Herr Dörthofen sich zaghaft vernehmen

„Er hat nur sein Revier und sein Rudel verteidigt. Er war treu!“, entgegnete Herr Biersack sofort.

„Ja, loyal war er. Das darf man ihm nicht vorwerfen. Und außerdem, wer glaubt, dass ein Mobs eine reißende Bestie sein soll, der sollte sich gleich einweisen lassen. Mopse sind so ungefährlich“, ergänzte Herr Wolfhausen.

„Das ist in unserer heutigen Zeit ein wirklich edles Gut! Das muss man ihm hoch anrechnen“, betonte Herr Biersack.

„Aber die Julie musste ins Krankenhaus“, hakte Herr Dörthofen ein wenig fassungslos nach.

„Wer lässt ein Kleinstkind auch mit einem Hund spielen. Sie hätte ja den Wastl nicht provozieren müssen. Schließlich hat sie ihn ja an dessen heraushängenden Zunge gezogen, oder etwa nicht?!“ Herr Biersack blickte fordernd in die Runde und faltete danach andächtig seine Hände.

Erneutes Schweigen. Vereinzelt tauchten Ameisen auf und verschwanden unter dem Leichnam des Mops. Dessen noch halb geöffnetes rechtes Auge schien noch lebenslustig in den Himmel zu starren.

„Er hätte eine anständige Beerdigung verdient, statt hier auf dem Marktplatz zu verroten“, ließ Herr Biersack vernehmen.

„Ja, das hätte er. Es ist eine Schande. Würdelos. Peinlich für diese Gesellschaft, den besten Freund des Menschen so auf dem Straßenpflaster liegen zu lassen“, empörte sich Herr Wolfhausen.

„Hoffentlich erwischt man diesen elenden Kleinwagenfahrer. Diesen Mörder, diesen Abschaum! Dass dem Wastl so etwas widerfahren musste! Gerade dem Mops Wastl!“, stöhnte Herr Biersack vernehmlich.

„Der beste Freund des Menschen! Man sollte den Wastl hier an Ort und Stelle beerdigen! Als Mahnmal für die heutige Verohung von Sitte und Anstand in dieser Gesellschaft“, empörte sich Herr Wolfhausen.

„Ein Mops als Mahnmal? In Stein gehauen?“, wandte Herr Dörthofen ein.

„Jaaaa!“, schallte es ihm entgegen.

Herr Dörthofen schüttelte den Kopf.

„Komm, du bist doch unser Reichster in diesem Ort! Du hast doch Geld wie Heu als mehrfacher Selfmade-Millionär! Errichte dem Freund des Menschen ein Denkmal und wir werden dir helfen, Bürgermeister zu werden. Denn der Freund unseres Freundes ist auch der Freund unser aller Freunde! Einfache Gleichung: Denkmal gleich Bürgermeisteramt!“

Herr Biersack klopfte ermunternd Herr Dörthofen auf die Schulter.

„Bürgermeister?“ Herr Dörthofen überlegte. „Ihr beide würdet mich dann unterstützen? Du, mit dem Dorfschützenverein?“ Herr Biersack nickte eifrig. „Und du, als Parteivorsitzender der großen Dorfpartei?“ Herr Wolfhausen nickte ebenfalls eifrig.

„Nun gut, ich werde es mir heute Abend überlegen …“


Es war kniffelig. Herr Dörthofen saß mir gegenüber und blickte auf seinen Zettel. Darauf schaute er prüfend in die Runde und klopfte dann mit dem Siegelring seines rechten Ringfingers Aufmerksamkeit einfordernd auf den Tisch.

„Leute! Ich sehe gerade, ich benötige nur noch einen ‚Zweierpasch‘ und dann habe ich gewonnen!“

„Hm?“ Peter war kein Schnellmerker. Beim Kniffel diente er uns immer als ewiger Verlierer. Und der Verlierer zahlte die Runde. Also Peter. Immer. Er hatte zwar kein Geld, aber Hauptsache, einer zahlte gerne. Und Peter zahlte immer gerne. Er hatte zwar schon einige Deckel hier in der Dorfkneipe an der Kirche, aber wen kümmert es schon. Hauptsache, es zahlt einer. Und die anderen nicht.

Herr Dörthofen warf sich in die Brust: „Wen ich diese Runde Kniffel gewinne und einen ‚Zweierpasch‘ würfle, dann zahle ich Peter seine Zeche und errichte ein Denkmal für den besten Freund der Menschen! Prost!“

Er nahm sein Pilsglas, erhob es zum Wohlsein und fragte: „Wer ist dran?“

Peter antwortete lakonisch: „Hier. Der da“, und deutete auf mich, „Er braucht nur noch einen ‚Dreierpasch‘, dann ist er vor Ihnen fertig, Herr Dörthofen.“

„Na und? Habe ich gesagt, ich mache es mir einfach?“, blaffte Herr Dörthofen Peter unvermittelt an. „Soll er doch würfeln. Ich weiß  doch, dass der immer am Schluss ne Pechsträhne hat. Jetzt gewinne ich! Ich brauch nur nen ‚Zweierpasch‘! Kinderkram!“

„Wenn Sie verlieren, Herr Dörthofen, dann gibt es kein Denkmal?“, fragte ich vorsichtig nach.

„Komm mach hinne, du Nase. Wenn ich verliere, gibt es kein Hunde-Denkmal. Versprochen. Aber lass dir gesagt sein, ich bin der personifizierte Erfolg! Nicht umsonst habe ich soviel verdient! Ich gewinne!“ Herr Dörthofen nahm einen langen Schluck aus seinem Pilsglas und setzte es ab.

Bedächtig ergriff ich die fünf Würfel mit der Rechten, ließ sie in den Becher fallen, bedeckte den Becher mit der Hand, schüttelte ihn kräftig und ließ ihn umgedreht auf die Tischfläche krachen.

Spannung.

Ich blickte in die Runde.

Alle starrten gebannt auf meinen Würfelbecher.

Vorsichtig hob ich den Becher hoch …

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