Hamburg.
Dieser Tag in dem Bundestagwahlkampfes 2009 hatte alle Parteien überrascht. Weder Sprecher aus dem Adenauer-Haus der CDU haben bislang ihre Stimme wieder gefunden, um eine Stellungnahme abzugeben, noch war von SPD, Grüne und FDP etwas zu vernehmen. Es herrscht allenthalben Sprachlosigkeit.
Was war geschehen?
In vierjähriger mühsamer Kleinstarbeit haben Mitarbeiter des hochverschuldeten EMI-Musikverlages ein Vierer-CD-Box heraus gebracht, welches seinesgleichen in der Welt der Politik sucht:
„Helmut Kohl Remastered“
heißt diese Box und ist für 60 Euro ab sofort in jedem Online-Hörbuch-Portal zu erwerben.
Ein britischer EMI-Tontechniker erklärt hierzu: „Wir wollten der Versuchung nicht nachgeben, etwas Leben in den deutschen Wahlkampf zu bringen. Wir nahmen uns Rede um Rede von Helmut Kohl vor. Es ging uns nicht darum, den Inhalt der Reden zu verändern. Wir wollten sie vielmehr erstrahlen lassen.“
Nach dem EMI-Erfolg mit „The Beatles – Stereo Remaster“ ist jetzt „Helmut Kohl Remastered“ der zweite Coup des britische Traditionsunternehmen EMI.
Und so bietet die 4-CD-Box ungeahnte Einblicke in Kohls Redegewandheit. Die Reden klingen wie mit Perwoll und Doktor Beckmanns Fleckenspray gleichzeitig gewaschen:
Heller, klarer, farbiger, auch ein wenig schärfer, Kohls Stimme bekommt mehr Charakter, seine Stimme hat mehr Wucht.
Ein Meisterwerk ist insbesondere Kohls gesangliche Leistung. Die „Nationalhymne“ bei der Kundgebung am 10.11.1989 vor dem Schöneberger Rathaus war das Meisterstück des Kanzlers der deutschen Einheit. Waren zuvor Momper, Brandt, Wohlrabe und Kohls Stimmen kaum im Pfeifkonzert der Zuschauer zu hören, so wurde digital das Beste daraus gemacht.
Als Bonus-Track gibt es übrigens eine Dolby Surround 7.1 Version jener Schöneberger Rathaus „Nationalhymne“. Beim ersten Zuhören fühlten wir uns genau inmitten jener Wiedervereinigungsbegeisterung wie schon vor 20 Jahren direkt an der weltberühmten Mauer.
Dieser Bonus-Track ist ohne Zweifel ein Meisterwerk der Digitalisierung.
Technisch kamen hierbei nicht nur alle verfügbaren Loudness-Regler zum Einsatz. Unverkennbar haben Digitalmischpulte mit 64 Kanälen ihre klanggebenden Spuren hinterlassen. Blühender und kraftvoller erklingen die Kohlsche Reden. Reden, die offensichtlich damals mit analogen Magnetbandaufzeichnungsgeräten mitgeschnitten wurden.
Eine Nachbereitung und das Editieren der Stereo- oder Surroundsumme waren die Vorbereitung dieses technischen Remasters. Korrekturen am Stereoklangbild wurden ebenso vorgenommen wie das Glätten von Frequenzgänge, Anpassen von Pegeln und Entrauschungen. Filter, Equalizer, Kompressoren und psychoakustische Geräte wurden eingesetzt, um den klanglichen Eindruck und Kohls politische Reden entscheidend zu verbessern.
Zwischenrufe oder Zwischentöne wurden bei diesem Remaster belassen und digital herauspoliert, um den politischen Kohl nicht zu verfälschen. Es ist schon beeindurckend, wenn bei bestimmten Reden das Knacken von Eiern, das Platschen von Tomaten glasklar und digital aufbereitet ausgemacht werden kann.
Den ersten Passanten auf der Straße, denen Ausschnitte aus den CDs vorgespielt wurden, waren begeistert:
„So hört sich Kohl an? Ich dachte, der wär schon tot.“
„Die Merkel und der Steinmeier sollten sich daran ein Beispiel nehmen!“
Allerdings waren auch kritischere Stimmen zu hören. Der Verlag „2001“ ließ hierzu indigniert verkünden:
„An unserer Lübke-Veröffentlichung kommt dieses Remaster nicht im Entferntesten heran.“
Inzwischen wurden aus der Münchener Parteizentrale der CSU Pläne bekannt, demnächst in Zusammenarbeit mit der EMI auch eine „Digital Remastered“-CD der Reden aller ihrer Parteivorsitzenden zu veröffentlichen.
Unklar ist lediglich nur noch, ob Stoibers Reden darauf auch veröffentlicht werden oder ob ihm eine eigene Comedy-CD gewidmet werden sollte.