Das Buch "Der Dompteur der Affen" von Supergringo (eine Buchrezension)

Der Darsteller, der dem Zaungast ein gesellschaftliches Paradies vorspielt, ist von ihm abhängig, genau wie der Dompteur vom Affen; das Verhältnis beider ist dialektisch verschränkt; die Dressur des Zaungastes wirkt auf den Darsteller zurück; der eine ist jeweils Affe und Dompteur des anderen, beides zu gleicher Zeit.

Hans Magnus Enzensberger (1962)

Buch-Screenshot

Der Autor:
„Supergringo“ ist das Pseudonym eines 40-jährigen Mannes aus der Gegend Mannheim/Frankfurt. Sein Pseudonym hat der Autor nach eigenem Bekunden in Brasilien von Bekannten in Rio de Janeiro erhalten. Der Begriff „Gringo“ bezeichnet in Brasilien wie überall in Südamerika den Ausländer (seinen Ursprung hat das Wort aus dem Englischen „Green go“und bezeichnete anfangs die amerikanischen „Green Barrets“ und wurde dann zum allgemeinsprachlichen Begriff für alle Ausländer Südamerikas). Mit der Vorsilbe „Super“ wurde der Begriff „Gringo“ übersteigert, womit der Autor seinen Spitznamen in Brasilien weg hatte. Unglücklich darüber war er nach eigenem Bekunden nicht, weil er nicht wirklich negativ gemeint war. Lediglich für deutsche Ohren klingt einiges Negative in diesem Wortspiel mit.

Das Buch:
„Der Dompteur der Affen“ spielt in der Metropole Rio de Janeiro Brasiliens. Der Autor verbringt dort 14 Tage Urlaub. Das Ziel für ihn ist klar ausgerichtet: er will die Frauen jener Stadt treffen. Genauer gesagt, er will die Frauen, welche im südlichen Teil der Stadt Rio de Janeiro in jenen weltbekannten Vierteln Cobacabana und Ipanema leben. Und er will sie nicht nur sprechen, er will sie erleben mit Haut und Haaren. Durch seine bereits zehn Aufenthalte zuvor kennt sich Supergringo aus, wo er sie treffen kann. Er spricht nicht nur deren Sprache, er kennt auch deren Art und Weise, wie sie ticken und wie sie denken. In jenen 14 Tagen lebt Supergringo ein unbeschwertes Leben.

„Ich habe mehrere konträre Gefühle und Gedanken. Zum einen, ganz profan, ich bin im Urlaub und will ein unbeschwertes Leben.“

Der Satz im letzten Viertel des 136-seitigen Buchs ist nicht das formulierte Postulat seines Urlaubs, sondern dieser Satz unterstreicht, was bereits über 100 Seiten geschildert war.

Meine Bewertung:
In die Rubrik „Sextourismus“-Berichte lässt sich dieses Buch definitv nicht einordnen. Es ist zwar definitiv erst „frei ab 18 Jahre“ und dessen erotische Schilderungen werden manches Mal auch richtig konkret, aber nie werden sie vulgär. Sicherlich ist es möglich das Buch als „Sextourismus“-Berichte herunter zu machen und zu dequalifizieren, aber sowas wird dem Buch nicht annähernd gerecht.
Im Vergleich zu echten „Sextourismus“-Berichten (a la „Elicsan“, der über seine Tourismus in Thailand im Jahr 2001 berichtet hat, oder „Ebres“, der seinen 14-tägigen Aufenthalt im Jahr 2001 in Rio als Stafettenlauf von Prostituierte zu Prostituierte beschrieb; s.a. http://thailandbuch.de) kann Supergringos „Der Dompteur der Affen“ nicht mithalten. Mit detaillierten Tipps zur Prostituiertenszene in Rio de Janeiro kann dieses Buch nicht dienen. In jenes Paysex-Genres des „Kiss’n tell“ passt dieses Buch einfach nicht rein.
Mir ist klar, dass manche dieses Buch nach dem Klischee „Zuckerhut, Samba, Frauen“ gerne in so eine Schublade packen würden, aber es wird immer nur die eigene Schublade bleiben. Das Buch wird keine neue Schublade aufmachen, wo nicht schon eine vorhanden ist. Und wenn es geschieht, wird es schade sein.

Denn das Buch bietet überraschenderweise eine sehr klar strukturierte Handlung. Nicht nur lernt der Protagonist sein Mädchen kennen, auch lernt er durch sie deren Umgebung kennen, deren Lebensumfeld, deren Mutter und Schwester. Und dieses verkommt nicht lediglich zu einer Randnotiz, einem Einmal-Handtuch der Erzählung, sondern es bestimmt sowohl den Verlauf des Romans und als auch gibt es Einblicke zu den Personen der Geschichte und deren Leben. Dem Mädchen, die Mutter und der Schwester kommt gegen Ende des Romans eine Schlüsselstellung zur Auflösung dieser Konstellation zu.

Erst in den letzten beiden Kapiteln erklärt sich der Titel „Der Dompteur der Affen“. Er hat im Grunde wenig mit dem davor Geschriebenen gemein. Weder hat Supergringo zuvor Chancen die Dompteur-Rolle auszuüben, noch lässt ihn eine der weiblichen Protagonisten diese Rolle belegen. Die Rolle des Dompteurs kommt erst am Schluss, aber wie und warum, dass muss sich jeder selber erlesen.

Der Roman kommt nicht mit gerecktem moralischen Zeigefingern dem Leser daher. Ebenfalls begeht der Autor auch nicht den Fehler, einfach mal direkte und offene Vergleiche zwischen der deutschen und brasilianischen Kultur her zu stellen. Wenn es vergleiche gibt, so fallen sie dezent und fast unauffällig aus. Letztendlich bleibt es dem Leser selber überlassen, solche Vergleiche anzustellen und selber moralisch darüber zu urteilen.

Nebenbei ist die Handlung kein 1:1-Bericht, sondern die Figuren und Handlungen hatte der Autor nach eigenem Bekunden mir gegenüber aus verschiedenen erlebten Dingen verdichtet. Die Personen des Buches an sich sind bis auf den „Ich“-Erzähler wohl alle mehr oder weniger fiktional, deren Leben findet sich aber als mehr oder weniger große Mosaiksteinchen im Leben anderer Brasilianerinnen wieder.

„Der Dompteur der Affen“ ist locker und unterhaltsam. Wer eine Geschichte mit tiefgehender Analytik oder gar moralischen Anwandlungen zu Rio de Janeiro und Sextourismus im speziellen erwartet, der geht in diesem Buch leer aus. In diesem Buch findet sich dazu nicht das geringste.
Bei dem Buch handelt es sich um einen Roman, welches im Tagebuch-Format geschrieben worden ist. Für mich gehört es eindeutig in den Unterhaltungsbereich der erotischen Erlebnisromane.

Zusammenfassung
Auf einer Schulnoten-Skala zwischen 1 und 6 gebe ich dem Buch eine „2“.
Lockere, luftige Unterhaltung leicht und angenehm zu lesen.
Das Buch zu lesen hat sich gelohnt.

Zusatzanmerkungen
Zu den oben von mir erwähnten Schubladen, die bei manchem Brasilienfreund und Brasilienkenner aufgehen, und dort dann das Buch wohl endlagern wollen, fiel mir eine markante Szene aus dem Film „Harold & Maude“ ein. Nicht weil der Autor Supergringo des obigen Buches wie Harold als anfänglicher Antiheld durch den Roman schlurft, sondern weil das Thema „Sex und Brasilien“ bei manchem verdammt strenge Gefühlswallungen hervor ruft:

Mrs. Chasen füllt für ihren Sohn Harold einen Kontaktfragebogen aus und liest deren Fraggen laut vor:
„Wird das Thema Sex ihrer Meinung nach von unseren Massenmedien übermäßig ausgeschlachtet?“
Sie hält kurz inne. Harold lädt einen Trommelrevolver.
„Das muss man mit JA beantworten. Findest du nicht?“
Harold richtet einige Zeit später die Waffe erst gegen seine Mutter dann gegen seine Stirn.
Mrs. Chasen (aus dem Fragebogen vorlesend): „Sind Sie der Meinung, dass die sexuelle Revolution zu weit gegangen ist?“ (ausfüllend, leicht empört) „Aber sicher, ja.“ (wieder aus dem Fragebogen vorlesend) „Halten Sie die Idee des Partnertausch für geschmacklos?“ (selber antwortend) „Ich halte schon die Frage selber für geschmacklos.“
Harold erschießt sich.
Mrs. Chasen empört: „Harold, bitte!“
(aus dem Film „Harold & Maude“)

Weitere Buchdaten:
136 Seiten
Auflage: 2 (11. September 2008)
Bestellnummer: ISBN 978-3837040876
Preis: 9,80 €

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