EHEC: P.A.N.I.K. (Teil 2)

Irgendwo in Süddeutschland in der berühmt berüchtigten Herr-Gotts-Früh:

0.30:
Stehe mit meinem Kameraden am Tresen. Tanken uns zwei Weißbier. Wir kommen ins Philosophische. Er meint, Bier wird aus Getreide hergestellt, welches mit Gülle gedüngt wurde. Ich widerspreche. Das Bier schmeckt gar nicht nach Gülle. Er gibt mir recht.

0.50:
Kellnerin kassiert uns ab. Will wegen der zwei Schweinsbraten noch den Rohkostsalat berechnen. Wir widersprechen heftigst. Kellnerin ist sauer. Sie meint, trotz EHEC müssten wir auch Rohkostsalate zahlen. Wir erhalten Unterstützung vom Nachbartisch. Die hätten es auch nicht gezahlt. Wirt kommt und beruhigt aufgeladene Stimmung mit sechs Gläsern Grappa und Gurkenhäppchen. Zweimal direkt hintereinander. Zur Beruhigung der Gemüter. Mein Kamerad und ich sind selig.

0.59:
Verlassen die Kneipe. Kellnerin ist sauer, weil sie ihr geforderte Trinkgeld von uns nicht erhielt. Hatten ihr stattdessen einen Gutschein für den eigenen hauseigenen Salat ausstellen wollen. Fand sie gar nicht lustig.

1.08:
Wanken volltrunken über die Straße. Zwei Porsche Panamera konnten uns nur knapp ausweichen. Wir geraten in Sorge, dass vielleicht Porschefahrer nicht wirklich das freie Leben achten, sondern maximal die freie Fahrt. Nehmen noch einen Schluck aus den Weißbiergläsern, die wir mitgenommen hatten. Bezahlt ist schließlich bezahlt.

1.14:
Meinem Kumpel fällt ein roter Wollbeutel am Straßenrand auf. Er dreht in um und es fallen ein Salatkopf, zwei Gurken und diverse Tomaten heraus. Ungekocht. Rohkost. Ich gerate in Panik. 110.

1.19:
Sind umringt von Lalü´, Lala und Blaulicht. Bestaunen die gesamte Flotte der Münchener Polizeifahrzeuge. Hatte mich im Innern gewarnt gehabt, ich solle die Polizei nicht verständigen.

1.31:
Der Häuserblock muss wohl definitiv evakuiert worden sein. Nur mein Kumpel und ich, wir dürfen uns nicht von der Stelle rühren. Schon seit dem Notruf. Krampf in der rechten Wade. Halte aber tapfer still. Befehl ist Befehl.

1.35:
Menschen in weißen Vollkörperkondomen haben mit Pinzetten und Petrischalen an uns herum gefummelt. Ein Reporter liess uns Walkie-Talkies geben. Er will von der Kirche gegenüber mit uns ein Interview führen. Er erwähnte nur kurz, er könne uns an BILD verkaufen.

1.59:
Mein Kumpel und ich sind allein auf weiter Flur. Zu unseren Füßen liegt das Rohgemüse. Unangetastet. Ein Mikrofon an einem gigantischen Galgenausleger wird über uns reingeschwenkt. Man sagt uns, das Interview sei für den ARD-Brennpunkt am nächsten Abend. Zweitverwertungsrechte hätte im übrigen das ZDF. Wir sollten uns also bei den Antworten konzentrieren.

2.55:
Jemand in einem weißen Ganzkörperkondom hat uns ein Fernseher hingestellt. Er meinte, in 5 Minuten seien wir auf Sendung bei RTL2. Eine Sondersendung zu EHEC.

3.25:
Es wird uns langweilig. Interview fand nicht statt. Fernseher ist noch immer ohne Strom.

3.53:
Vor zehn Minuten wurde Anti-Terrorbekämpfungstruppe der GSG-9 per Hubschrauber vor uns abgeseilt. Mit Atemschutzmasken und ABC-Anzügen. Man wolle die Bevölkerung schützen, drohnte es uns aus den Schutzanzügen entgegen. Dabei wedelten sie herrisch mit ihren MP7 herum.

4.07:
Mein Kumpel meint, er müsse kotzen.

4.08:
Erkläre ihm, dass es momentan weder der Ort noch die Zeit sei, sich in solchen niedrigen Gefilden der körperlichen Äußerung zu begeben. Er solle sich gefälligst mannhaft beherrschen.

4.10:
Er hat es getan. Direkt übers Gemüse. Niemand hat es gesehen. Unsere Umgebung ist isoliert. Still.

4.29:
Mein Kumpel erklärt, er langweile sich. Außerdem seien ihm die Flutlichtscheinwerfer, die inzwischen hier alles ausleuchten, zu heiß. Er würde jetzt gehe. Ich versuche ihm zu erklären, dass es für die Erforschung des EHEC-Bakteriums unheimlich wichtig sei, würde er an Ort und Stelle bleiben. Er würde sich in dem ehrenvollen Dienste der Forschung stellen.

4.31:
Mein Kumpel ist gegangen. Einfach so. Ich stehe allein vor dem Gemüse. Niemand zu sehen. Offenbar alles abgesperrt. Ich langweile mich.

4.35:
Habe mich klamm heimlich aus dem Scheinwerferlicht vom Gemüse entfernt. Stehe in der verdeckten Einfahrt eines Gemüsehändlers. Sehe wie einige GSG-9-Bewaffnete mich mit Taschenlampen beim Gemüse suchen und dann dort etwas ablegen.

4.37:
Eine Explosion verreißt die Stille der Nacht. Die haben das Gemüse gesprengt!!!!

4.43:
Komme zurück nach Hause. Lag fast direkt um der Ecke. Stelle den Rechner an und schalte Internet-Radio ein. Richard Clayderman am Piano. Für Elise. Das beruhigt.

4.44:
Unterbrechung! Sondermeldung!
„Heute morgen gelang es Spezialkräfte der GSG9 eine Ansammlung von Rohgemüse unschädlich zu machen. Gegen 3.45 hatten aufmerksame Bürger einen Beutel mit ungewaschenen Rohgemüse entdeckt und vermutet, dass es sich hierbei potentielle Überträger des EHEC-Bakteriums handeln könne. Um eine ernsthafte Bedrohung der Bevölkerung zu vermindern, sprengten Spezialeinsatzkräfte und Sprengstoffexperten der GSG9 die Gemüseanhäufung. Bei direkten Untersuchungen am Sprengort konnten metallische Teile sicher gestellt werden. Diese Spuren stammten nicht von der Sprengung her und müssten wohl zuvor in das Gemüse eingearbeitet worden sein. Es seien Federelemente und uhrenähnliche Rückstände sichergestellt worden. Ein terroristischer Hintergrund durch die Freisetzung von Rohgemüse mit Hintergrund zur nachhaltigen Schädigung der Bevölkerung der Stadt gilt als nicht mehr ausgeschlossen“

4.52:
Telefon klingelt. Bin fast schon am Schlafen und kann ihm nicht mehr antworten. Mein Kumpel wollte wissen, ob ich seine Armbanduhr gesehen hätte. …

2 Gedanken zu „EHEC: P.A.N.I.K. (Teil 2)

  1. Die Gurke tut nix, die will nur …

    Sehr amüsant geschrieben! Ich bin trotzdem froh, dass die ganze EHEC-Aufregung jetzt endlich abebbt.

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