In der Schlange an der Kasse stand er vor mir. Er erinnerte mich ein wenig an Hermes Phettberg. In seinen Händen hielt er einen 50-Euro-Schein und eine DVD. Weil er die DVD in seiner rechten Hand ohne Unterlass drehte, konnte ich frühzeitig den Titel lesen: „Mondo Topless“.
Ich erinnerte mich daran, dass es in der kleinen Nachbarstadt, in der ich zur Schule ging, ein altes Kino-Gebäude gab. Der Gedanke an das Kino ruft in mir Erinnerungen a la „Cinema Paradiso“ wach, an jenen Film, der auf unvergleichlicherweise dem Kino huldigt. In jenem Kleinstadt-Kino liefen immer die aktuellsten Filme. Aber das Kinosterben der 80er Jahre hatte auch jenes Kino erfasst. Die Leute gingen nicht mehr ins Kino und so versuchte sich der Kinobesitzer mit billigen Filmen über Wasser zu halten. Exploitationfilme stellten den Unterbau des wöchentlichen Programms dar. Die „Mondo“-Filme gehörten zu dieser Strategie.
„Mondo“, das war für mich gleichbedeutend mit „frei ab 18 Jahre“. „Mondo Topless“, „Mondo Nude“, „Mondo Cannibale“, „Mondo Cane“ und wie sie alle hießen. Sie liefen in jenem Kino länger als mancher James-Bond-Film. Ob sie mehr Zuschauer hatten, weiß ich nicht, aber sicherlich weniger Lizensgebühren für das Vorführen.
„Mondo Topless“ ist nebenbei nicht wirklich ein brutaler Film im Vergleich zu „Mondo Cane“. „Mondo Topless“ ist ein Film von Russ Mayer und inzwischen schon fast 44 Jahre alt.
Die Schlange an der Kasse schob sich vorwärts und das „Hermes Phettberg“-Double war an der Reihe zu zahlen. Der Mann übergab die DVD und den 50-Euro-Schein. Die Kassiererin hielt den Scanner auf den Barcode und schaute den Mann an.
„Ich brauch ihren Personalausweis.“
„Wie bitte?“
„Ich brauch noch ihren Personalausweis. Ich muss die Nummer ihres Personalausweises notieren.“
„Wozu?“
„Es ist wegen dem Jugendschutz.“
„Denken Sie ich bin unter 18?“
„Das ist egal. Ich brauch ihren Personalausweis.“
„Ich hab ihn nicht dabei.“
„Ich brauch aber ihren Personalausweis, um die Nummer zu notieren.“
„So ein Scheiß.“
Der Mann machte eine abwehrende Handbewegung, drehte sich ab und verließ die Kasse mit schnellen Schritten.
„Wollen Sie nicht mehr? Hey, ihre 50 Euro!“
Der Mann drehte sich nicht um, ging ohne Zögern auf einen Aufzug zu, dessen Türe öffnete sich in dem Moment, er stieg ein und die Türe schlossen sich. Für einen Moment konnte ich dabei sein Gesicht sehen. Er warf einen Blick auf den Ausgang des Media-Marktes.
Die Kassiererin schrieb etwas auf einen Notizzettel und legte den 50-Euro-Schein in die Kasse
An der Kasse erblickte ich dann die Aushangzettel. Auf ihnen wurde erklärt, dass der Laden bei „FSK 18“-Produkten von jedem Käufer die PA-Nummern registrieren werde. Dieses geschehe im Sinne des Jugendschutz. Diesen würden die Leitung des Media-Marktes sehr ernst nehmen.
Sehr ernst. Datenerfassung ohne Sinn und Verstand.
Ist sowas wirklich sein Laden? Passen würde es ja zu Mario Barth. Bei ihm bezahlen ja auch Menschen Eintrittspreise für nichts und wieder nichts.
Das stimmt wirklich aber nicht ärgern…es müßte folgen für den Ladenbesitzer haben.
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Es hat mich erstaunt, dass diese illegale Datenerhebung erst an der Kasse per Aushang verkündet wurde. Sowas ist erstmal eine Arroganz dem Kunden gegenüber. Und dann ist es eine Sauerei. :(
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Das hatte ich mir auch gedacht. Ich habe zumindest eines gelernt: Pornos kauft man problemlos in Fachabteilungen und nicht bei Anfängern … :>
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Blöd, dass er die 50 Euro da gelassen hat; mit denen könnte er sich am Kiosk eine Pulle Hochprozentiges kaufen und seinen Frust ertränken. Schnaps gibts auch für Schulkinder ohne Ausweis.
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Nein mein Laden ist das nicht. Würde er mir gehören, würden keine Personalausweiß Nummer notiert werden.
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Zu diesen Bleichgesichtern hat er nie gepasst. Der Mann war Kult und eine (wenn auch bisweilen abstoßend wirkende) Klasse für sich.
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Ich bin gespannt, wann diese Praktik des Media Marktes in der Presse sein Echo findet. Wenn ich die PIN meiner EC-Karte nicht mehr weiss, dann frag ich im Lidl nach. Brauch ich die Nummer meines Personalausweises, beim Media Markt wird mir geholfen. Und wenn ich wissen will, was ich über sowas denke, frag ich gleich den Schäuble. Der hat das damals alles genauestens protokolliert gehabt …
Ja, Phettbergs Zeit ist leider vorbei. Der fragt zuviel und zu intensiv. Und vor allem zu frech. Der passt nicht mehr zu Kerner, Beckmann, Illner und Co. .
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Der Datenwahn nimmt immer grotekere Formen an.
PS. Hermes Phettberg ist inzwischen leider nur noch ein Schatten seiner selbst. Seine „fetten“ Jahre sind definitiv vorbei. Schade eigentlich, ich mochte ihn.
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