Arcandor – das Monster bei Karstadt, das im Dunkeln lauert

Na endlich! Wurde aber auch allerhöchste Zeit.
Jetzt hat dieser Laden mit seiner Hintergrundsdudelmusik seine gerechte Strafe erhalten. Wer alte Schlager über hauseigene Quäk-Lautsprecher nicht nur aufwärmt sondern auch verhunzt, dass es dem Kunden dabei speiübel wird, der hat es nicht anders verdient. Dieser mehrgeschossige unpersönliche Tante-Emma-Laden mit amerikanischen Shopping-Mal-Anwandlungen.

Weg damit! Mit ihm und all seinen „Wenn es nicht im Regal steht, haben wir es auch nicht!“-Verkäuferinnen.

Schon mal Schuhe in Größe 46 gesucht?
Nein?
„Sagen Sie mal, haben Sie denn keine Herren-Schnürschuhe mit Ledersohle in Größe 46?“
Schon mal so was in aller Naivität in deren Schuhabteilung gefragt? Nein? Dann kamen Sie noch nie in den Genuss deren hochphilosophischer Antwort:
Wir haben ‚keine Herren-Schnürschuhe mit Ledersohle‘ in Größe 64. ‚Keine Herren-Schnürschuhe mit Ledersohle‘ in Größe 46 kriegen Sie bei Clamotten-Anton.“
Eine Unverschämtheit.
Mal abgesehen davon, dass so was doch glatt gelogen ist. Denn ‚keine Herren-Schnürschuhe mit Ledersohle‘ gibt es nur bei Eisen-Hans oder bei Obi.

Da fragen Sie sich schon, welche Schulungen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei Karstadt erhalten haben. Vielleicht eher mathematische Nachschulungen „Wie berechne ich die verbleibenden Arbeitstage bis zu meiner Rente“. Oder auch „Welche Gesprächsthemen sind mit Kollegen immer zu führen, wenn Kunden in der Nähe sind“.

Selbstbedienung wurde damals bei Karstadt ganz groß geschrieben. Selbstbedienung bis man davon von selbst bedient war.

Ich erinnere mich noch an dunkle Mittelalterzeiten, als ich als Kind mit meinen Eltern noch Fangen und Verstecken mit den Verkäuferinnen spielte. War das putzig. Wir mussten sie suchen und die versteckten sich. Hätten wir eine entdeckt, hätten wir sie als Kindermädchen behalten dürfen, hatte uns mal ein Karstadt-Mitarbeiter nach Dienstschluss erklärt. Wir trafen ihn an einer Tankstelle. Wir durften ihn nicht behalten.
Ich wuchs ohne Kindermädchen auf.

So.
Und nu ist Karstadt weg vom Schaufenster.
Na gut, nicht gleich. Erstmal ist das Insolvenz-Verfahren beantragt worden, um Arbeitsplätze zu schaffen.
Das muss jedem erst einmal klar werden. Denn auch im Falle von Arcandor gilt, Insolvenz-Verfahren schaffen immer Arbeitsplätze. Mindestens einen. Den für den Insolvenz-Verwalter.

Und daher war es auch dumm, Opel die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes zu verweigern. Diese dummen SPD’ler. Einfach die Intention des Wirtschaftsminister Guttenberg, Arbeitsplätze zu schaffen, mit der Bestrebung, Arbeitsplätze zu erhalten, zu durchkreuzen. So was macht man doch nicht. So was von unsinnig. Aber solche Fehler macht niemand zweimal.

Zumindest bei Arcandor hat die Arbeitsplatz-Schaffung geklappt. Und die SPD ist auch lernfähig. Guttenberg, SAL Oppenheimer und Madelaine Schickedanz feiern, einen Arbeitslosen von der Straße geholt zu haben. Und solange dieser Insolvenz-Verwalter nun die Akten und Werte bei Arcandor sichtet, solange befindet sich Karstadt auf dem Weg in die Seitwärtsbewegungen.

„Seitwärtsbewegung“.
So bezeichnen fortschrittlich denkende Arbeitgeber inzwischen den Stillstand. Klar. „Fortschrittlich“ und „Stillstand“, das passt zusammen wie „Feuer“ und „Wasser“. Also muss man „Wasser“ ersetzen. Am besten mit „Öl“. Dann wird alles nicht mehr so statisch und lkangweilig vorhersehbar, wenn Öl und Feuer zusammen kommen.

Und der bislang verwendete Begriff „Null-Wachstum“ hört sich auch viel zu statisch an. So wie „Null-Appetit“ in der Sahel-Zone. Darum „Seitwärtsbewegung“. Das klingt dynamischer. Das hat mehr Power. Das hat Coolness!
Auf der Straße des Fortschritts mutet dann der Begriff „Seitwärtsbewegung“ wie das Ausscheren beim Überholmanöver an. „Seitwärtsbewegung“! Das klingt wie „Wiener Walzer“. Und ein wahrer „Wiener Walzer“ wird nach den Regeln des Anstands getanzt. Den Normen der Sittlichkeit entsprechend. Daraus leitet sich im Deutschen auch der Begriff „sich schicken“ ab, so sagt der „Duden“, auch wenn es nicht logischg erscheint.
Aber was ist schon logisch? Seitwärtsbewegungen beim Wiener Walzer? Ist so was überhaupt schicklich? Ob Seitwärtsbewegungen beim „Wiener Walzer“ schicklich sind, dass bestimmt die Art der Bewegung. Sind diese Bewegungen mit modische Feinheit und Eleganz verbunden, dann kann ruhig auch das französische Wort „chic“ für „schick“ benutzt werden. Am besten mit einer Noblesse der Nonchalance verbunden leicht nasal ausgesprochen. Das schmückt.
Chic tanzen, das will jeder gehen. Aber nur im Kölschen, da kommt die Aktualität der Noblesse auch ohne Nasalitäten glänzend zur Geltung. Wie der Kölner in seiner Mundart zu sagen pflegt: „Schick danzen“.

Womit wir wieder bei der Frau Schickedanz und ihren Oppenheimern angekommen wären.
Wie die um die Hilfsgelder von der Bundesregierung getanzt haben, das war allerdings gar nicht ganz so schick wie bei den Opel’anern. Schickedanz und Oppenheimers Fähigkeiten in Sachen „Tanz“ hatten die Anmut von „Kleiderschrank schieben“. Da war nichts von „schwebend so leicht wie eine Feder“.
Darum wollte auch niemand mehr mit Arcandor tanzen. Weder die Merkel noch der Steinmeier. Ausgetanzt hatte es sich dann.

Trotzdem übt sich nun Arcandor mit Karstadt und Quelle jetzt in Seitenbewegungen. Um mit dem Monster bei Karstadt zu tanzen.

Was?
Ein Monster bei Karstadt?
Sie kennen es nicht?
„42, bitte 7.“
oder
„15, bitte.“
oder
„72, bitte sofort 3e!“
Sie kennen das Tagebuch des Karstadt-Bombers nicht? Schauen Sie im Internet Ihres Vertrauens nach. Sie werden schon lesen, was das Monster bei Karstadt mit seinen Kunden so machen kann. Ungefährlich ist das nicht. Das Monster, das im Dunkeln lauert: http://www.leo.org/information/freizeit/fun/karstadt.html
„20, bitte 20!“
Nebenbei: Einige Dechiffrierungen dieser codierten Sprache finden sich hier: http://www.nostrada.net/Fun/Bilder/codes.jpg

Und jetzt ist es raus.
Losgelassen.
Das Monster bei Karstadt.
Raus aus dem Dunkeln, rein ins Scheinwerferlicht für Rampensäue.
Licht aus! Spot an!
Hey und hier ist es, das Insolvenzmonster! Applaus, applaus, applaus!
Der König ist tot, es lebe der König. Nur soooo einfach stirbt es sich nicht bei Karstadt.

Erinnert sich noch wer an den Fernseh-Vierteiler vom Dieter Wedel? „Der große Bellheim“ von 1993? Die Geschichte von den vier Rentnern, die die Kaufhauskette „Bellheim“ vor einem gierigen Investor retten? Nein? Wie hieß darin nochmals der Investor? Daran erinnert sich jetzt doch kein Schwein mehr. „Karl-Heinz Rottmann“ hieß der böse Investor im „Der große Bellheim“.

Ein Dutzend Jahre später nach der Bellheim-Erstausstrahlung kam ein Manager „Thomas Middelhoff“ bei Karstadt vorbei. Qualifiziert war er schon. Mit Bertelsmann im Huckepack stieg er bei der Online-Tauschbörse „Napster“ ein. Zwei Jahre später war „Napster“ pleite. Und Middelhoff war inzwischen schon bei einem Finanzinvestor untergekommen. Einer Private-Equity-Gesellschaft.

Zur Erklärung:
„Private-Equity-Gesellschaften“ sind Gesellschaften, die ihren Fokus auf maximalen Ertrag bei geringem Risiko legen. Mit „Heuschreckenschwärmen“ hatte Müntefering diese Gesellschaften verglichen und jeder hat empört aufgeschrien. Diese „Heuschreckenschwärmen“ verhungern jetzt aber, weil die Wirtschaftskrise ihnen vor der Nase deren Nahrung weg frisst: Den risikoarmen Ertrag.

Dieser Middelhoff wechselte aber ein weiteres Jahr später zu „KarstadtQuelle AG“ und schmiss all sein Finanzinvestoren-Wissen und all seine BWL-Rezepte in einem Topf, nannte es „Arcandor“ und rührte fleißig in dieser Melange herum, bis alles Unausgegärte anfing zu gären. Und es entstand etwas neues.
Ganz was Neues.
„Committed to creating value“ ist der Leitspruch Arcandors. Übersetzt auf Deutsch: „Verpflichtet, Werte zu schaffen.“
Ist?
Habe ich „ist“ geschrieben?
„War“ wäre wahrer.
Oder zumindest ehrlicher. Aber was ist schon ehrlich. Ein Manager mit Ehrenkodex und sozialem Gewissen? Oder ein Manager ohne Ehrenkodex aber mit Betriebswirtschaftslehrestudium?
Was ist mehr wert? Ein Studium oder ein Unternehmen, das man gegen die Wand fährt?
Eine Frage der Mehrwert-Ehre. Committed to creating value. Werte schaffen mit immer weniger Schaffen. Den „Minus-Mehrwert“.

Wie beim „Kaufhaus Kortum“ in Bochum. Dort wurde die Serie „Der große Bellheim“ nach Ladenschluss gedreht. Und es führte zu der Diskussion, welche Werte mehr wert sind. Alte oder neue. In der Serie „Der große Bellheim“ wurde die Kaufhauskette „Bellheim“ gerettet. „Kaufhaus Kortum“ in Bochum allerdings ging den absoluten „Minus-Mehrwert“-Weg. Auf gut Deutsch: Konkurs.

Und wenn das Insolvenzmonster bei Karstadt sich die Wampe voll geschlagen hat, dann wird sich keiner mehr über verschlüsselte Durchsagen, Dudelmusik oder unsichtbares Verkaufspersonal mehr ärgern. Aber dann wechseln wir einfach in den „Hertie/Kaufhof“-Konzern. Der wird dann bestimmt die Verwertungsrechte für verschlüsselte Durchsagen, unsichtbares Verkaufspersonal und Dudelmusik aus der Insolvenzmasse „Karstadt“ herausgelöst haben.

Schließlich will ich mich auch morgen noch kraftvoll aufregen können, wenn es wieder heißt:
„4711, bitte sofort 08-15.“
oder auf Deutsch, für jedermann verständlich:
„Frau Meier, Sie sind ab sofort freigesetzt.“