Kneipengespräch: Heilwasser-Trinkkur

Frohe Ostern!

Frohgemut schwang er sich neben mich auf den Hocker.

Und Ostern bislang gut rumgeeiert?

Ich nickte.

Herr Oberspielleiter, einmal bitte das Ostergedeck!

Der Wirt griff unter die Theke und holte dort ein entkleidetes Schokohäschen hervor. Die übliche Ostererotik pur.
Mit ruhiger Hand legte er das Häschen auf ein Brett und holte ein riesiges Fleischermesser hervor. Ich glaubte, das Häschen sah irgendwie unglücklich aus, aber noch bevor ich das undeutliche Schokoladengesicht des Häschens identifizieren konnte, zack hatte der Wirt die Ohrenspitzen mit dem Messer abrasiert. Das ohrenreduzierte Schokohäschen stellte er vor meinem Nachbarn, holte eine Flasche Eierlikör hervor und füllte den Innenraum des Schokohäschen auf.

Das nenn ich mal ein leckeres Oster-Bunny!

Ich nippte an meine hellgrünen Flasche.
Grün. Das hat was für mich wie Werder Bremen. Und wie jene Bierbrauerei, die das Stadtwappen jener Stadt auf ihrem Bierettikett führt.

Kein Kölsch?
– Ist was für zwischendurch.
Das Zeug ist doch Geldverschwendung.
– Ich habe da einen Komplex vor mir.
Was hast du?
– Ich habe einen Komplex.
Einen Komplex?
– Mehrere sogar. Kupferkomplexe, du verstehst?
Kupferkomplexe?
– Ja, Farbstoffe mit Kupferkomplexe der Chlorophylle.
Ich glaube, du schnüffelst heimlich am Chemiebaukasten deines Sohnes, oder was.
– Nein, nein, das steht hier auf dem Etikett. Als Inhaltsstoff.

Er schaute interessiert auf das Rücketikett der Flasche.

Ey, cool! „Kupferkomplexe der Chlorophylle“.
– Ja. Schön, nicht.

Ich wollte ihm die Flasche wegnehmen, aber er hatte sie fest in seiner Hand umschlossen.

Hey, das hat ja auch ein Antioxidationsmittel drinne. Ascorbinsäure. Mit dem Bier intus rostest du nicht mehr. Und mit dem Chlorophyll solidarisierst du dich mit der grünen Pflanzen dieser Welt.
– Säure? Gib her, bevor es mir Flasche und Inhalt weg ätzt.
Schlaumeier. Ascorbin kommt aus dem Lateinischen und heißt soviel wie „kein Skorbut“.
– „Kein Skorbut“? Wow. Dann fallen mir beim Trinken dieses Bieres keine Zähne aus? Super.
Exakt. Zusätzlich fischt das Ascorbin ja auch noch freien Sauerstoff im Bier heraus.
– Hm, das heißt, keine Chance für Kiemen-Atmer. Da bin ich ja beruhigt. Dachte schon, in Bremer Bier könnte Fisch sein.
Kupfer gehört eigentlich zu den Schwermetallen, wirkt antibakteriell, ist aber in geringen Maßen genossen für den Menschen unschädlich.
– So, so, also ein rundum gesundes Bier. Und das Chlorophyll hilft mir noch bei der Photosynthese?
Chlorophyll dient beim Menschen auch als Mittel gegen Mund- und Körpergeruch. Nebenbei, Kupfermangel soll auch an Alzheimer Schuld sein. Das Bier ist die reinste Therapie.

Er sah mich eindeutig zweideutig grinsend an.
Eierlikör lief an seinem Schokohäschen auf den Tresen. Daneben hatte der Wirt gerade ein frisch gezapftes Kölsch gestellt. Mein Nachbar hielt meine fast leergetrunkene Flasche noch immer in seiner Hand umschlossen. Während seinen ellenlangen Erklärungen dürfte es nun wohl warm geworden sein.

– Weißte was? Heute pfeiff‘ ich auf soviel Gesundheit. Behalt‘ mein Becks.

Ich griff nach seinem Kölsch.

– Außerdem ist gleich dunkel. Da helfen mir Kupferkomplexe und Photosynthese auch nicht mehr, wissentlich nüchtern nach Hause zu kommen.

Ich prostete meinem verdutzten Nachbarn zu und nahm einen großen Schluck.
Lecker.
Einfach nur lecker.
Tja, lang lebe Alzheimer. Und lang lebe das Kölsch. Biologisch abbaubar ganz ohne irgendwelche Photosynthese. Prost.

Ach ja, und nebenbei noch ein „Frohes Ostern“ allen Lesern!

3 Gedanken zu „Kneipengespräch: Heilwasser-Trinkkur

  1. Ascorbinsäure ist auch bekannt als Vitamin C. Damit wäre erwiesen, Bier beugt Krankheiten wie Schnupfen vor. Trink Bier, und deine Nase läuft nicht mehr!

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