Lasse reden. Aber nicht im Radio.

Das deutsches Liedgut hat dem englischen einen Schritt voraus. Man versteht es. Und von daher ist sowas ja von jeher problematisch. Entweder ist der Text politisch nicht opportun ist, oder er ist schlichtweg Schrott. Es gibt halt solche und solche Liedtexte.
Bela B. und die Ärzte gehören eindeutig zu solchen. Deren Texte sprühen vor Leichtigkeit und zynischem Humor, dass es entweder dem Hörer eine Freude oder auch ein Leid ist. Mit ihrer letzten CD „Jazz ist anders“ unterstreichen die Ärzte mal wieder ihren Anspruch die „beste Band der Welt“ zu sein. Und dementsprechend haben die Ärzte ihre Auskopplung „Lasse reden“ veröffentlicht.
In vielen Radioprogrammen läuft das Lied jetzt rauf und runter.

Fast in jedem. Bis auf dem Sender „Antenne Bayern“.

Für Nicht-Bayer: Bayern hat vier Sender.
Da ist „Bayern 5“, der offizielle Informationssender aus der bayrischen Staatskanzlei für einheitliche Bürgeraufschlauung. Fast ohne Werbung und fast musikbefreit.
Da ist „Bayern 3“ für den staatstreuen Bayern mit Hang zu moderner Musik.
Da ist der mickrige Rest an Radiosendern für die ganzen Zugewanderten.
Und da ist der Musiksender „Antenne Bayern“, für all die netten Bazis, die auf gespielte Fröhlichkeit stehen und meinen, das wäre urig bayrisch auch ohne Dialekt.
Gemeinsam ist allen Musik-Sendern Bayerns, dass Lieder nie länger als 3 Minuten sein dürfen, Wortbeiträge weder über eins dreißig in der Zeit noch über BILD-Zeitungsniveau liegen dürfen und dass die Werbeblöcke viermal pro Stunde mindestens fünf Minuten dauern müssen.

Gestern fuhr ich in eine 70 km entfernte Nachbarstadt und das Radio plärrte vor sich hin. Bayern 3 ist musikalisch ne Seuche, die kleineren Stationen haben keine große Reichweite und da gerade „Antenne Bayern“ eingestellt war, die Auswahl zwischen Pest und Cholera nicht wirklich prickelnd ist und ich zudem absolut faul …
… tja, so kriegt wohl „Antenne Bayern“ seine Zuhörerzahlen, könnte man jetzt meinen …

Und irgendwann wurde dann ein Lied zuerst mit seinem Refrain und einem gekünstelt spontanem Dschingel als der Hitmix des Sommers angekündigt:
Die Ärzte mit „Lasse reden“.
Meine Spannung stieg, als das Lied gespielt wurde. Denn schließlich gehört „Antenne Bayern“ auch irgendwie zum Axel-Springer-Verlag, dem Herausgeber der BILD-Zeitung.
Und eine Liedzeile von „Lasse reden“ heißt:

Lass die Leute reden und lächle einfach mild
Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der BILD
Und die besteht nun mal, wer wüsste das nicht
Aus Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht.

Ich horchte brav zu und horchte und horchte … ich wollte die Liedzeile hören … ich horchte und horchte und horchte …

Naja, vielleicht war ich doch zu sehr vom Straßenverkehr abgelenkt und zusätzlich ein wenig zu müde. Ausreden hat der Mensch immer parat und so erschuf ich mir die Ausrede, warum ich gerade diese Liedzeile nicht hörte. Eigentlich wollte ich die wirkliche Wahrheit wohl nicht wahrhaben.

Heute morgen las ich dann beim Bildblog, dass ich mich gar nicht verhört hatte.
„Antenne Bayern“ hat die die BILD-Zeitung betreffende Liedzeile einfach herausgeschnitten.
Geschmacksbereinigt sozusagen.
Zensur?

Eigentlich sollte ich es ja besser wissen, denn ich hatte schon mal über „Antenne Bayerns“ Radioverständnis geschrieben und zwar hier.

Ich bereue es hiermit öffentlich „Antenne Bayern“ gehört zu haben. Jenen Sender, der mit vereinzelnten Wort- und Musikbeitragsblöcken zwischen der Werbung glänzt.

Oh Wanderer, kommst du gen Bayern dann lass dir sagen:
Meide gefälligst „Antenne Bayern“, wenn du auf 100%iges Wert legst …

Ein Gedanke zu „Lasse reden. Aber nicht im Radio.

  1. Flashback – BacklashDas Klingeln des Handys meines Nebenmanns reist mich aus meinen Tagträumen …

    Und irgendwie taucht jene Szene vor meinen Augen auf.
    Eine fast sureal anmutende Szene.
    Völlig zusammenhanglos und konkret wie das Leben.

    Tschechien verlas…

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