„Alaaf!“
Er blies mir die Luftschlange knapp am rechten Ohr vorbei. Ich zuckte zurück, aber es half nichts. Sein rechter Arm zog einen Halbkreis und leise rieselte das Konfetti über Zigarette und Kölsch.
„Alaaf!“
„Ja, Sie mich auch! Sie haben mein Kölsch verkonfettiert!“
„Och, es ist ja Karneval!“
„Na und? Ich bestehe auch im Karneval auf das deutsche Reinheitsgebot. Und dass das auch für Kölsch gilt!“
„Ein Reinheitsgebot gilt nur da, wo was wie Rhein ist. Und hier ist maximal Isar. Und sowieso am Aschermittwoch ist …“
„Das ist mir egal. Dann ist mein Kölsch schal und das Konfetti garantiert noch immer drinne.“
„Na, da haben wir aber miese Laune, oder was?“
So gerne ich auch in der Kölsch-Kneipe mein Kölsch trinke, so ungern lasse ich mich bei meinen meditativen Momenten mit Zigarette stören. Insbesondere, da jetzt die Zigarette draußen vor der Kneipentür zu verrauchen ist.
Aus Nichtraucherschutzgründen.
Nichtraucher stehen jetzt EU weit unter Naturschutz.
Sind halt ein aussterbendes Viehzeugs.
„Hätte mir vor einem Jahr jemand gesagt, zum Rauchen würde man der Kneipe verwiesen. Ich hätte Wahnsinn gesagt. Waaaaahnsinn. Alaaf!“
Und wieder warf er Konfetti. Ich wühlte in meiner Hosentasche und fingerte eine Kamelle heraus und gab sie ihm.
„Hier. Habe ich vom Karnevallsumzug.“
„Eine Kamelle?! Die haben Kamelle geschmissen?“
„Yep.“
„Waaaahnsinn. Ein dreifaches ‚München Alaaf‘.“
„Ruhe, du Depp, du damischer Preiß da unten!“, schallte es plötzlich von oben. Jemand schloß wütend das Fenster.
Er schaute mich über seine Kölschstange an.
„Wie war der Umzug?“
„Wie das Ungeheuer von Loch Ness. Ich hab den Umzug gesehen und fotografiert. Aber auf den Strassen erinnert fast gar nichts mehr, da wo der entlang gezogen ist. In Köln war an der Zugstrecke selbst nach Ende des Zuges noch was los. Aber hier in München … Tabula rasa. Horror vacui. Wie eine Fata Morgana. Nichts. Nada. Niente. Nullinger.“
„Nichts?“
„Nichts. Absolut nichts. Nicht mal ein Bierstand.“
„Kein Wunder. München ist karnevalistische Diaspora. Straßenkarneval kennen die doch nicht. Rheinischen Frohsinn kennen die doch nur vom Hören-Sagen.“
Ich nicke. So kenn ich es auch. Wenn nicht gerade Karneval im Rheinland ist. Ohne Karneval können Rheinländer schon verdammt Un-Frohsinnig sein.
„Die einzigen Umzüge, die die hier in München kennen sind Fackelmärsche, Fronleichnam und Prozessionen.“
„Prozessionen? Zum Oktoberfest?“
„Wohin sonst? Die Ehrentempel wurden ja schon vor Jahrzehnten gesprengt. Und an irgendwas will sich die Münchener Seele ja besaufen können.“
„Rechts stehen, links gehen.“
„Ja. Wer sich nicht rechts aufstellt, wird links gegangen.“
„Das Leben als Rolltreppenphilosophie.“
„Und sobald man mit der Rolltreppe aus dem Untergrund an die Oberfläche gekommen ist, gilt Rechts vor Links!“
„Alaaf!“
„Helau!“
„Stösscken.“
„Ruhe!“
Es kann der Frömmste nicht in Frieden sein Kölsch saufen, wenn es dem bösen Nachbarn über der Kneipe nicht gefällt. Solche Ruhestörer gibt es überall. Ich nehme eine Kamelle, ziele und werfe sie gegen das Fenster des „Ruhe“-Brüllers.
Dessen zornrotes Gesicht taucht auf und er scheint irgendwas zu sagen. Dank Doppelverglasung sehen wir ihn nur wie ein Fisch, der seinen Mund immer wieder öffnet und schließt. Ein Prosit auf die Gebäude-Energiepässe. Damit werden die Gebäude nicht nur wärme-isolierter, auch Ehekräche versickern in der Isolierung und die Straße bleibt ruhig.
Wir schauen in unsere Kölschgläser. Der Anblick meines Glases in der kalten Winterluft erinnert mich an das Weltall: So kalt und so leer.
Wir schauen uns an. Er nimmt sich eine Luftschlange, greift in seine Tasche und blickt mich auffordernd an. Ich nicke.
„Okay. Gehen wir wieder rein. Frischluft schnuppern.“
Luftschlange und Konfetti werfend öffnet er die Tür.
Während „De Höhner“ gerade bei gedämpfter Lautstärke von der weiter ziehenden Karawane singen, deutet er dem Wirt an, dass wir wie Sultane mit Durst seinen.
Der Wirt stellt zwei Kölsch vor uns hin und wir greifen zu.
„Stösscken!“
„Alaaf!“
„Hau weg!“
Wir nehmen einen tiefen Schluck und schauen aus dem Fenster.
Die Straße ist ruhig.
Vielleicht kommt ja noch wer rein zum Karneval-Feiern.
Zu zweit mit Wirt ist es langweilig.
Erst recht zu Karneval.
Na, dann ist die Ungerechtigkeit gleichmäßig gerecht verteilt … :>>
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Dann auf nach Bayern!
Danke für deine politischen Wünsche, aber mit solchen spaßigen Politfiguren sind wir eigentlich für die nächsten paar Jahre ordentlich bedient. Die sind regelmäßige Lachnummern und das ganz ohne Aufforderung!
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Wie singen da die 1860er-Fans? Gott erhalte den Uli Hoeneß! Möglichst bald! … :>
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Noch so’n Satz und die CSU wird bei Euch im Ort nen Ableger gründen und bei den nächsten Landtagswahlen ist dann bei Euch auch Schluss mit lustig. :> Dann wird mit ganz anderen Wässern ge-koch-t. :>
Wenn der Bayer so im Sommer im Biergarten bei einer Maß Bier wie ein Maikäfer vor sich hinpropellert, dann sind es die Touristen, die erst Spass in der Sache bringen, indem sie dem Bayern fragen, wo denn der Ketchup für die Weißwürste sich befindet … :>> :>> … und warum die Kellner das Bier immer so verwässern … :>
:>>
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Vorteil am FC: Den Hoeneß gibt es das ganze Jahr, der kennt keinen Aschermittwoch.
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So geht’s also zu bei euch – in der lustigsten Zeit des Jahres. Und den Rest der Zeit gibt’s wohl nichts zu lachen?
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Im Grunde gibt es in Bayern keinen Karneval. Dafür aber den FC, die CSU und nen Fasching. Was unterm Strich aber alles das Gleiche ist.
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Alaaf, ich habe mich sehr amüsiert. So macht Karneval Spaß.
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