Gott mit dir, dem Bayernvolke

Leise rieselt der Schnee. Draußen vor dem Fenster der Kneipe.
Unweit links von mir saß er und stieß mit mir wieder mal auf das Leben an.
Mit Kölsch versteht sich.
Alles andere wäre eh nie das wahre Leben.

„Es werden jetzt die letzten Tage bei Kölsch und Zigarette in trauter Zweisamkeit sein.“

Ich nicke.

„Solche Tage muss man genießen, solange sie einem noch vergönnt sind. Im nächsten Jahr schlägt die Apartheidpolitik in Bayern voll zu.“
„Apartheidpolitik? In Bayern gibt es keine Rassisten. Nur Wissenschaftler!“
„Nein, nein. Mit Apartheidpolitk meine ich doch jetzt nicht das Synonym für „Rassentrennung“ sondern die Trennung von Gaststättenbier und Zigaretten in geschlossenen Räumen.“
„Ach so.“

Es stimmt. Nach Meinung der bayrischen Politiker schädigt das Rauchen ganz erheblich die Gesundheit der Menschen. Aber allerdings doch nicht so sehr, dass Zigaretten gleich ganz verboten gehören.

Ich nehme einen tiefen Zug meiner frisch aus Frankreich importierten Gauloises Maïs.
„Gauloises“ heißt übersetzt die „Gallierinnen“.
Es wird die Marke der neuen Résistance des neuen Rauchverbots in Bayern werden.
Ganz Bayern hat das Rauchverbot geschluckt.
Ganz Bayern?
Nein, nur ein kleines Völkchen, Sympathisanten der Gallier … „Bleeder Zipfeklatscher! Dreckerter Saupreiß“ … was sonst. Gallien liegt bekanntlich in Südschweden. Nördlich des Weißwurstäquators.
Jenseits von drüben ist bekanntlich für Bayern alles Südschweden …

Gauloises Maïs sind sozusagen das heftigste, was es an Zigaretten zu rauchen gibt. Manche bezeichnen diese als unrauchbar. Das kommt von den Maisblättchen, mit denen der Tabak gedreht wird. Andere meinen, dass diese Zigaretten aufgrund ihrer Stärke unter das Betäubungsmittelgesetz (BMG) fallen müssten.
Aber inzwischen tun es schon billige Tankstellen-„Marlboro Gold“ aus Ungarn. Mit diesen lässt sich unter der Mehrheit der Raucher das Urteil „unrauchbar“ beweisen und nicht wenige nicken auch, sollte nach einer Behandlung nach dem BMG erfolgen …
Dabei ist lediglich der Kamelmistanteil niedriger als in normalen Schmuggelzigaretten, die nicht aus Nahost kommen …
In Fernost schmecken die billigen Zigaretten eh wie „Hund hinten“ …
Rauchen ist schädlich?
Ist Rauchen schädlich?
Freilich.
Das ist es.
Was sonst?

Ich nehme einen Schluck aus meinen Glas und schaue meinen Nachbarn an, der sich wieder mal in Rage geredet hat.

„Diese Politiker. Verbieten einfach die Gemütlichkeit mit einer Zigarette. Dabei geht die bayrische Gesellschaft doch schon am Alkoholismus zugrunde. Aber ohne Alkohol können sich bayrische Politiker deren eigene Gesetze nicht mehr so schön saufen, dass sie im Landtag dafür auch noch stimmen mögen. Also wird das Land Bayern bei einem Maß Bier zum Nicht-Raucher-Land erklärt. Und dann heißt es noch: Bitte, liebe Bayern, raucht aber gefälligst weiter, denn erstens benötigen wir die normale Tabaksteuer nebst Extra-Steuer pro Zigarette für den Kampf gegen den Terrorismus. Und was wird mit den Tabaksteuern finanziert? Münchner Brauereien, die eh nur noch deswegen überleben, weil sie eine Monopolstellung für das Oktoberfest haben und den Landtag frei Haus beliefern dürfen, damit sich die Politiker ihre Gesetze schön saufen können … .“

Er muss Luft holen und seine trocken geredete Kehle anfeuchten.
Der Schluck aus dem Glas lässt die Luft die absolute 100 % Mehrheit in der Glasfüllung.
Er hat es auch erkannt.

„Oberspielleiter! Einmal Luft rauslassen, bitte!“

Der Wirt stellt ihm eine neue Stange hin, hält seinen Bierdeckel kurz fest und zieht mit sicherer Hand einen neuen Strich auf dessen Deckel.

„Könnt Ihr mit der Diskussion, um das Für und Wider in Kneipen aufhören? Es nervt mich langsam.“

Ich schaue den Wirt an. Er beteiligt sich sonst nie an Diskussionen.

„Und wie sehen Sie die neuen Gesetze?“
„Wie alle, ich werde weniger Gäste haben. Werde weniger verkaufen. Meine Aushilfe werde ich nicht mehr brauchen. Der wird sich mit den anderen Aushilfen in die Reihe der erneut Arbeitsuchenden einreihen. Und die Raucher, die trotzdem noch kommen, die werden nachher vor der Tür rauchen. Und dann kommt die Polizei, weil sich sicherlich Anwohner wegen den Unterhaltungen vor der Tür in ihrer Nachtruhe gestört fühlen. Dann krieg ich ne Abmahnung vom Kreisverwaltungsreferat. Und dann wird mir irgendwann wohl die Lizenz entzogen. Und dann ist Ruhe und keiner wird hier über das Für und Wider von Rauchen in Kneipen reden. Schön, nicht wahr?“

Ich schaute meinen Nachbarn an.
Und wir schweigen.
Ruhe.

Gott mit dir, du Land der Bayern,
deutsche Erde, Vaterland!
Über deinen weiten Gauen
ruhe Seine Segenshand!
Er behüte deine Fluren,
schirme deiner Städte Bau
Und erhalte dir die Farben
Seines Himmels, weiß und blau!

Blau, ja.
Aber von ab nicht mehr durch blauen Rauch in Kneipen.
Die Alkoholfahne des bierdimpfelnden Bayernpolitikervolkes, die Fahne eines jeden muss es jetzt alleine besorgen.

Stösscken, du Liberalitas Bavariae.

Die Liberalitas Bavariae, auf die man in Bayern immer so stolz ist, geht vom Volke aus, sagt man.
Aber wohin sie im Jahre 2008 ausgeht, das weiß nicht so genau.
Vielleicht geht sie auch nur aus. Wie die Milch im Kühlregal am Samstag um 19:59 kurz vor Toresschluss … .

Ausgehen kann man in Bayern in 2008 weiterhin.
Nur Rauchen ist dann verboten.
Aber Alkohol geht noch.
Immer.
Prost.

Mein Nachbar und ich schweigen noch immer.

Leise steigt blauer Rauch wie die erwachte Schlange der Kundlini auf und löst sich im höchsten Punkt im Scheine der Lampen auf. Vereinigt mit der kosmischen Seele und dem Menschen höchstes Glück bringend. Dass aber die Erweckung der Kundalini auch erhebliche Gefahren in sich birgt, das weiß jeder Raucher, der seine blaue Rauchschlange gen Himmel bläst.

„Kennt wer von euch beiden eigentlich Jim Jarmusch Filme „Smoke“ und „Blue in the Face“ mit Harvey Keitel?“

Wir schauen den Wirt stumm an.
Uns ist nicht nach Filmquiz zumute.

Ich blase Rauchkringel und verfolge, wie sie sich in Luft auflösen.
Stille.

Es werden jetzt die letzten Tage bei Kölsch und Zigarette in trauter Zweisamkeit sein.
Solche Tage muss man genießen, solange sie einem noch vergönnt sind.
Im Jahr 2008 schlägt dann die Apartheidpolitik in Sachen Raucher und Nichtraucher in Bayern voll zu.

Ruhe.

2 Gedanken zu „Gott mit dir, dem Bayernvolke

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