Schmonzes zum Jahresstart 2014

Tresenbild #3

Der Jahreswechsel war geglückt. Ich saß in meiner Kneipe und schaute zufrieden von oben in mein gerade leer getrunkenes Kölschglas. Es gibt Momente, da fühlt sich jeder eins mit dem Universum. Und genau das dachte ich mir in jenem Augenblick, dass das Universum und ich …

»Was ist das wieder für eine Kacke!«

Ungefragt nahm er an meiner Seite Platz und winkte dem Wirt zu.

»Zwei Kölsch!«, und schaute mich fragend an: »Du trinkst doch auch noch eins, oder?«

Ich nickte stumm. Sollte er den Preis in Naturalien zahlen, sich so einfach neben mir hocken zu dürfen.

»Mach gleich drei«, rief er dem Wirt korrigierend zu. »Für ihn hier eins«, und deutete dabei auch mich. »Mann, Mann, Mann, ist das wieder für eine Kacke.«

Eigentlich wollte ich den Gedanken an das Universum fortsetzen, nur …

»Und wie war dein Silvester?«
»Mein Silvester verlief ausgesprochen …«
»Haste auch so viel geballert?«
»Ich habe …«
»Silvester ist der reinste nationale Umweltvermüllungstag. Jeder bringt seine Plastiktüten und sein Altglas und seine PET-Flaschen mit raus, qualmt dann mit Raketen in der Luft rum und geht dann weg, ohne um sich um den Müll zu kümmern. Die Straße als Silvester-Müllhalde.«
»Aber das …«
»Und dann erst der Lärm. Denkt eigentlich wer an die vielen Haustiere? Die springen doch vor Angst im Achteck. Das ist vorsätzliche Tierquälerei!«

Der Wirt brachte die drei bestellten Kölsch. Mein Nachbar ergriff sich sofort eines davon und setzte an.
Ich versuchte die Gelegenheit auszunutzen:

»Ach ja, du trägst im Sommer also auch die Kröten einzeln über jede Landstraße, oder?«

Er setzte sein Glas ab.
Leer.
Schaum lief am Glasinnern runter.
Er ergriff das Zweite.

»Laich nicht solchen Unsinn ab. Du hilfst doch sicherlich nicht mal einer Oma über die Straße.«
»Warum sollte ich? Jeder ist für sich selbst verantwortlich.«
»Aha, der Herr hat den demographischen Wandel im Blick. Vor der Rente dürfen Ältere über viel befahrene Straßen gehen. Nach der Rente müssen sie. Selbstverantwortlich halt.«

Es war so ein schöner Tag gewesen. Ich hatte zuvor meinen Lottoschein eingelöst und mir das Geld für die drei Richtigen plus Zusatzzahl abgeholt gehabt. Davon wollte ich mich einfach mal selbst belohnen. Doch dann kam er, dieser …

»Mann, Mann, ist das eine Kacke.«
»Hör mal, ich hab dich nicht gebeten, dich an meinen Tisch zu setzten und mir die Ohren mit Kokolores vollzujammern.«
»Das ist kein Kladderadatsch.«
»Quatsch, Mumpitz!«
»Ach, Papperlapapp.«
»Schmarrn!«
»Von wegen Pillepalle.«
»Absoluter Käse!«
»Gute Idee!« Er winkte dem Wirt zu: »Mach mir nen Halven Hahn.« Er schaute mich fragend an: »Du auch?«
»Nein, danke. Kein so’n Firlefanz. Mir ist nach was Herzhaftem«, und rief zum Wirt: »Und mir ein Mettbrötchen. Aber mit einer doppelten Portion frischer Zwiebeln.«
Mein Nachbar schaute mich an: »Noch ein Date mit deiner Frau?«

Ich schüttelte energisch den Kopf.

»Schütteln ist immer gut. Na, dann geh ich mal für Königstiger.«

Er stand auf, griff noch mal nach seinem zweiten Kölsch, leerte es in einem Zug und entfernte sich Richtung dem entsprechend riechenden Königstiger-Männerklo. Hoffentlich entledigte er sich dort seiner Kacke, dachte ich mir dabei noch, als ich ihm nachschaute.
Es war wieder ruhig.
Im Hintergrund lief Musik von Jean-Michel Jarre. Sphärenklänge der 80er in einem dreißig Jahre späteren Jahrzehnt. Sphärenklänge.
Sphären.
Klänge.
Wo war nochmals das Universum?
Es hatte sich aufgelöst. Nur ich saß noch immer in dessen Zentrum. Versuchte zu vergessen und vergaß, was ich vergessen wollte. Ich atmete tief ein und war mir sicher, wieder zuhause zu sein. Hier war mein Revier …
Ich schaute in mein leeres Glas und spürte dessen kalte Leere. Da war es wieder, das Universum. Mein Zuhause.

So ein Quatsch.
So ein Humbug.
Nippes?
Stuss.
Geraffeltes Glumpertes etwas.

Ich drehte mich zur Theke und schaute dem Wirt mit eiserner, grimmiger Entschlossenheit in die Augen. Es musste sein. Wenn das Jahr 2014 weiter gehen sollte, dann war das folgende Verlangen unausweichlich:

»Herr Oberspielleiter, noch ’n Kölsch bitte.«

7 Gedanken zu „Schmonzes zum Jahresstart 2014

  1. Nee, ich lösch es nicht, weil es okay ist.
    Bereits Dürrenmatt sagte, dass das, was einmal gedacht wurde, nicht zurückgenommen werden könne. Deswegen werden wir auch ewig mit den Lasten des nicht durch Klo-Spülen-Entledigbaren leben müssen. So ist der Mensch. So sind wir. Destruktiv lebend …

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  2. Nur der Ordnung halber: Vor lauter Schmonzes hab‘ ich einen Buchstaben angehängt, der weg gehört. Es soll heißen: … Wenn’s erstmal da is, isses auch durch Knopfdruck nicht einfach weg. Das kleine ’s‘ darfst du gerne durchstreichen, meinetwegen auch durchkreuzen. Am feinsten wäre es, du tätest es einfach löschen, mitsamt des Kommentars zum Kommentar zum Kommentar.
    Ach, zum Teufel aber auch ….

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  3. Doch. Im Tigerklo wäre so etwas nicht schlecht. Es wäre dann richtig einfach: Knöpfchen drücken und weg wäre der Mist …

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  4. Was ist der Unterschied zwischen einem Königstiger und einer Toilette?
    Na ja, ein Tiger hat ’ne Nase und kann riechen – das Herrenklosett kann nur ganz üblen Duft verbreiten.
    In diesem Sinne: Ich wünsche ALLEN ganz dufte Tage im Jahr 2014. Trinkt Kölsch und lasst euch nicht unterkriegen.
    Meine Parole: Kein Atomkraftwerk im Tigerklo und auch anderswo!
    Gruß,
    LOLA

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