Immer schön sauber bleiben!

Günter Nooke ist Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung verlangte neulich, dass wir im Urlaub auf Menschenrechte über den normalen Touristenzaun hinaus achten sollen.

Also nicht nur einfacher Urlaubs- und Erholungskonsument sein:
Sondern kritischer Urlauber mit ethischem Anspruch und der Moral im Gepäck.

Einfacher gesagt ist das so etwas, wie wenn man sich im Supermarkt die BILD-Zeitung kauft und dann an der Kasse entschuldigend sagt:

 „Ich weiß, dass die wie gedruckt lügen. Ich kauf‘, sie mir auch nur wegen dem Sport.“

 Oder beim Playboy-Kauf:

 „Frauenverachtend, diese Zeitschrift. Aber ich kaufe sie mir ja nur wegen den Interviews.“

 Oder das Sechser-Pack HAPPY WEEKEND aus dem Beate-Uhse-Laden. Man schaut die attraktive Verkäuferin servil an und bemerkt:

 „Ich weiß, absolut pervers. Aber meine Frau braucht sie zum Draufsteigen, damit sie beim Geschirreinräumen an die oberen Regale kommt.“

 So in etwa hat sich das wohl Günter Nooke vorgestellt, wenn wir unsere Urlaubstage verbringen.
„Political correctness“ wohin das Auge schauen kann.
Also überall dort, wo man sonst seinen Allerwertesten nie hoch kriegt.
Zum Beispiel am Strand auf dem Strandtuch.
Oder so.

Jetzt hatte ich doch letztens überraschenderweise einen Urlaubstag.
Und wo habe ich den verbracht?
Natürlich nicht auf Balkonien oder Terassien.
Sondern nur dort, wo es ein Herr Nooke auch sehr gern sehen würde.
Draußen vor der Tür.
Vor der eigenen Tür.
Oder etwa nicht?

So brach ich also zu meinem Lieblingsspanier auf.
Der nahe der Flaniermeile.
Zum Brunchen.
Ein kleiner, unterwürfiger Inder räumte mir lächelnd neues Geschirr auf meinem Tisch und nahm meine Bestellung entgegen.
Ich ergriff mir die „Süddeutsche Zeitung“ und studierte das Dickgedruckte. Die Druckerschwärze präsentierte sich mir wie üblich gleichmässig lückenlos aufgetragen, als der Besitzer mit seiner Zigarillo bei mir vorbei kam.
Mit leichtem spanischen Akzent fragte er mich höflich, ob alles zu meiner Zufriedenheit sei. Ich studierte gerade die Preisangabe der Zeitung und ohne aufzublicken, nickte ich und bemerkte nur:

„Dass du mir deine Inder nur gerecht bezahlst und sie nicht unnötig schlägst, okay!“

Seine Zigarillo-Reste fand ich darauf in meinem Kaffee, auf meinen Croissants und auf dem Serano wieder.
Ein ungehobelter Rohling.

Die Sonne hatte gerade ihren Zenit überschritten, als ich das gleiche mit der Schwelle zu einem Teppichdiscounter tat. Viele billige und auch bunte Teppiche lächelten in den verführerischsten Formen. Ein Türke, offenbar der Besitzer trat auf mich zu und fragte mich ob meines Wunsches. Ich nutzte die Gelegenheit und ermahnte ihn zuerst deutlich vernehmbar, keine von Kinderhände geknüpften Teppiche zu verkaufen.
Und ging dann schlendernd in seinem Laden auf Rundreise.
Als ich einen interessanten indischen Teppich sah und mich nach dem Preis erkundigen wollte, war niemand in der Nähe.
Vielmehr erschien es mir sogar, als würde man mir ausweichen.

So disponierte ich um und ging zum McDonalds.
Dort sind alle Produkte aus deutschen Landen und da dort die Milch zum Wohle notdarbender Landwirte angeboten worden wird, beließ ich es bei sechs Cheeseburger mit Pommes und verbiß mir die Frage nach ökologischem Fleischanbau und biodynamisch gebrauter Cola.

Zur Verdauung – es war schon so gegen fünfe – setzte ich mich in einem Straßencafe und bestellte mir einen Fair-Trade-Kakao. Den Kellner machte ich noch darauf aufmerksam, dass ich keine Schuhputzer vor mir auf Knieen rutschend haben möchte.
Er sah mich verständnislos an. Aber man weiß hier ja inzwischen nie wirklich.
In diesen Hartz-4-Zeiten.
Vorbeugen ist besser als gar nichts.

Nach zwei fair-gehandelten Kakaos und vier Bier später, beschloss ich noch ein wenig ins Rotlichtviertel zu gehen.
Hm.
Danach hatte ich aber nen Filmriß.

Nachdem ich erwacht war, meinte der Polizist an meinem Bett noch zu mir, ich sollte demnächst erst denken und dann reden. Ich hätte wohl nach Zeugenaussagen im Puff zu den Zuhältern im Hinterzimmern geschrien, dass ich erstens keine beschnittene Nutten dulde, zweitens meine Nutte ihr Geld ganz behalten dürfe und drittens gäbe es Prügel von mir, wenn ich nur eine zwangsverschleppte Ruhrgebietsnutte hier unterhalb des Weißwurstäquators entdecken sollte …
Die Luden sollen – nach Angaben des Polizisten – deswegen ein wenig verstimmt gewesen sein.

Egal.

Morgen brauch‘ ich meine Brötchen nicht mehr aus der Schnabeltasche zu lutschen.
Dann werde ich Günter Nooke einen Brief über meinen Erfahrungen mit „political correctness“ während meines Urlaubstages in München schreiben.

Ob er mir nen Orden dafür schickt?

4 Gedanken zu „Immer schön sauber bleiben!

  1. Danke dir.
    Ich denke, man muss im Urlaub nicht a la Nooke als fleischgewordener moralischer Zeigefinger durch die Gegend tappern … :>>

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  2. wirklich ein sehr schönes wort (gerade für jemanden wie mich, der das große latinum und ein faible für etymologie besitzt).
    und ein sehr schöner beitrag. im prinzip erzählst du die ganze zeit das, was mir durch den kopf geht, sprichst es aber nicht konkret aus:
    wenn man im urlaub ist, will man sich erholen. da hat man wenig lust sich auch noch den moralischen wertvorstellungen anzupassen, die zu hause sowieso schon hart genug sind.

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  3. „Servil“ ist eigentlich schon deutsch. Es ist ein Ãœbertragung des lateinischen Wortes „Servus“ (der Sklave) und heißt entsprechend soviel wie „kriecherisch, lakaienhaft, dienerisch, knechtisch, devot, unterwürfig, anbiedernd“.
    Ich bin auf das Wort zum ersten Mal bei Beispielen für Bewerbungsfotos gestoßen. Da hieß es nur „Vermeiden Sie es servil zu schauen“. Beim Schreiben fiel mir das Wort für jene Situation wieder ein …

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  4. You made my day.

    Kann man „servil“ auch ins Deutsche übertragen? Ein schönes Wort!

    (Wolltest wohl einfach mal einen Text produzieren, der das Wort „servil“ an prominenter Stelle enthält?? *g*)

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